Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) kritisiert die vermeintlichen Ökostromangebote einiger deutscher Energieversorger. Grundlage „für den Schwindel“ sei der Handel mit so genannten Ökostromzertifikaten, die die EU-Kommission jetzt auch europaweit einführen will. BEE-Präsident Johannes Lackmann: „Damit werden Stromkunden hinters Licht geführt. Längst nicht überall wo Ökostrom drauf steht, ist Ökostrom drin.“ Lackmann forderte die Kunden auf, nur mit Anbietern Verträge zu schließen, die nachweisen können, dass deren Einnahmen tatsächlich für den Bau neuer Wind-, Wasser- oder Bioenergiekraftwerke eingesetzt werden. Dies sei beispielsweise der Fall, wenn die Unternehmen für die Produkte das von den Umweltverbänden ausgestellte GrünerStromLabel aufwiesen.
Der Kunde zahlt mehr, die Emissionen bleiben
Mit scharfer Ablehnung reagiert der Verband auf die Praxis großer Energiekonzerne, ihren Atom- und Kohlestrom mit Hilfe von Erneuerbare-Energien-Zertifikaten umzudeklarieren. Das Prinzip: Teilweise schon seit hundert Jahren Strom produzierende Wasserkraftanlagen lassen sich für ihren Strom seit einiger Zeit Ökozertifikate ausstellen. Diese Papierzertifikate werden dann an Stromhändler verkauft, die sie dann sprichwörtlich auf ihren Strom aufkleben. So prangt auf Strom mit hoher Umweltbelastung auf einmal ein sauberer Name. Der Kunde zahlt dann meistens mehr, obwohl nicht mehr Ökostrom produziert wurde als vorher. Lackmann: „Dahinter steckt vor allem das Zertifizierungssystem RECS, das die Energiekonzerne e.on, Vattenfall und RWE gemeinsam mit dem deutschen Ökoinstitut ins Leben gerufen haben.“ Lackmann fordert, dass das Projekt gestoppt werden muss.“
„Sabotage“ für Ausbau erneuerbarer Energien
Gegner halten den RECS-Befürwortern bzw. den großen Energiekonzernen noch ein zweites Ziel vor: Mit einem europäischen Zertifikatehandelssystem für erneuerbare Energien sollen die bisherigen Fördergesetze für Strom aus erneuerbaren Energien abgeschafft werden. Nach BEE-Informationen will die EU-Kommission eine entsprechende Regelung am 23. Januar vorstellen. Lackmann: „Hier wird gezielt versucht, den Ausbau erneuerbarer Energien durch dubiosen Konstrukte zu sabotieren. Dies müssen die deutsche Bundesregierung und das Europäische Parlament verhindern.“ Die Erneuerbare-Energien-Branche fürchtet, dass ein Zertifikatehandelssystem ausschließlich auf die aktuelle Wirtschaftlichkeit setzt und damit die Entwicklung heute noch unwirtschaftlicher Systeme verhindert. ToR
Uns interessiert Ihre Meinung!
RECS
Das „Renewable Certificate System - RECS“ gibt es seit 2002 in 15 europäischen Ländern. Es ermöglicht beispielsweise großen Wasserkraftwerken, den von ihnen produzierten Ökostrom virtuell in die Bestandteile „Öko“ und „Strom“ aufteilen und völlig unabhängig voneinander zu veräußern. Der Strom des Wasserkraftwerkes landet als ganz normaler „Graustrom“ im Netz. Das Prädikat „Öko“ wird, symbolisiert durch die RECS-Zertifikate, an Energiehändler verkauft, die ihr Angebot ohne großen Aufwand „veredeln“ wollen. Ein RECS-Zertifikat stellt also den virtuellen Umweltvorteil dar, der auch Strom auf Kern- und Kohlekraftwerken übertragen werden kann.
Im Kontext
Trittbrettfahrer - Grünfärberei