Heute (19. November 2012) findet in Berlin die Anhörung der Verbände zur Novellierung der Energieeinsparverordnung (EnEV) und des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) statt. Über die wesentlichen Eckpunkte hatten wir schon informiert (Bericht von TGA Fachplaner).
Aus bereits zuvor veröffentlichten Stellungnahmen haben wir eine Auswahl wichtiger Kritikpunkte vorgenommen.
Anforderungsniveau
- NABU: „Die vorgesehene nominelle Erhöhung der Effizienzstandards für Neubauten wird durch die Hintertür wieder kassiert.“ Insbesondere durch die Absenkung der Primärenergiefaktoren für Strom. Außerdem gehe die Herabsetzung des Wärmeschutzes der Gebäudehülle zugunsten erneuerbarer Energien zu Lasten des Natur- und Artenschutzes und verschärfe die Konkurrenz, insbesondere beim Einsatz nur begrenzt verfügbarer Biomassepotenziale, zwischen Tank, Teller und Energiegewinnung.
- IWU: „Die in der EnEV-Entwurfsfassung vorgesehene Reduktion des zulässigen Primärenergiebedarfs auf 87,5% reicht nach unserer Auffassung als heutiger Schritt […] nicht aus. Wir begrüßen jedoch, dass zumindest die nächste Stufe, eine Absenkung auf 75 % für 2016 schon festgelegt wurde. Allerdings bleibt für den letzten Schritt auf das Niveau des ‚Niedrigstenergiehauses‘ (bzw. ‚Effizienzhaus 40‘) ein umso größerer Sprung übrig.“
- Das VDMA-Forum Gebäudetechnik fordert eine weitere Verstetigung der Dynamisierungsschritte über das Jahr 2016 hinaus, um langfristige Rahmenbedingungen für Investoren, Betreiber und Nutzer von Gebäuden zu schaffen.
- Der BDH fordert die Beibehaltung der bisherigen Mindestdämmstandards. Die H’T-Werte aus der EnEV 2009 sollten erhalten bleiben und der Bauherr die Möglichkeit haben, selber zwischen anlagentechnischen Maßnahmen und Maßnahmen an der Umfassungsfläche zu wählen. Nur so sei sichergestellt, dass die Baukosten minimiert werden und der Wettbewerb erhalten bleibt. Die aktuell vorgesehene Absenkung der Transmissionswärmeverluste zwinge die Bauherren de facto dazu, die Energiestandards im Wesentlichen durch Dämmmaßnahmen zu erfüllen. Der Einsatz einer hocheffizienten Anlagentechnik und die Nutzung erneuerbarer Energien seinen so oft nicht mehr erforderlich.
- Bundesingenieurkammer: „Ein rein primärenergetischer Ansatz wird als nicht mehr zeitgemäß betrachtet. Vielmehr wird für die Erreichung des politischen Ziels der EnEV – nämlich der Einsparung von Energie in Gebäuden – eine verstärkte Betrachtung der Nutz- und Endenergie als geboten erachtet – dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass erneuerbare Energien (noch) nicht in dem erforderlichen Umfang zur Verfügung stehen und Energie zunächst erzeugt und auch bezahlt werden muss.“
- Bundesingenieurkammer: „Ein Bauherr würde bei Beachtung der aktuellen [neuen] Anforderungen zum Zeitpunkt der Planung bei Übergabe des Gebäudes ein energetisch veraltetes Gebäude übernehmen, da Planungs- und Bauzeit im Allgemeinen mindestens zwei Jahre betragen. Insofern ist eine deutliche Anhebung der Anforderungen im Jahr 2014 mit etwa 20 % und dann erst eine weitere Anhebung ab 2017 um weitere 15 % bis 20 % anzustreben.“
Modelgebäudeverfahren (EnEV Easy)
- Das IWU hält das Modellgebäudeverfahren für „grundsätzlich problematisch“ weil die energetische Optimierung aus dem Blickfeld gerät und ein Verständnis der den Energiebedarf bestimmenden Faktoren mangels einer Energiebilanz nicht mehr möglich ist. Gleichwohl hält das IWU das Vereinfachungsziel für „sehr berechtigt“.
- Das VDMA-Forum Gebäudetechnik fordert eine Ablösung oder Anpassung des EnEV-easy-Nachweises. Die methodische Konzeption des Nachweisverfahrens und die zugrunde gelegten Definitionen erschwerten / verhinderten die integrierte Planung von Anlagentechnik im Gebäude, weil die im Nachweisverfahren vorgesehenen anlagentechnischen Varianten stark begrenzt sind. Außerdem würden im Nachweisverfahren die Maßnahmen an der Gebäudehülle stärker in den Fokus gerückt – was im „krassen Widerspruch zum Primat der Technologieoffenheit“ stehe.
- Der BDH bittet um die Herausnahme des Modellgebäudeverfahrens aus dem Verordnungstext. Der BDH befürchtet, dass Planer und Architekten bevorzugt auf eine der im Modellgebäudeverfahren vorgeschlagenen Referenzanlagen zurückgreifen, um den Aufwand des rechnerischen Nachweisverfahrens zu umgehen. Dies führe zu einer Marktverzerrung, da Technologien, welche im Modellgebäudeverfahren nicht erfasst sind, nicht berücksichtigt werden.
- Die geea lehnt die Einführung des Gebäudemodellverfahrens ab. Modellrechnungen seien besser außerhalb der EnEV als Arbeitshilfen aufgehoben.
- Auch das Ifeu kritisiert das Modellgebäudeverfahren. Der EnEV-Easy-Gedanke – eine energetische Verbesserung an einer Stelle durch eine energetische (und i.d.R. auch qualitative) Verschlechterung zu kompensieren – mache keinen Sinn. Wenn das Modellgebäudeverfahren nicht abwendbar sei, sollte es nicht hinter bereits gesetzte Standards zurückfallen.
- Die Bundesingenieurkammer empfiehlt, das Modellgebäudeverfahren zu streichen.
- BF, BVRS und VFF plädieren in einer gemeinsamen Erklärung für eine Streichung des Modellgebäudeverfahrens, da sich die Vereinfachung ohnehin nur sehr gering auswirken und es bei der heutigen Verbreitung von EDV-Lösungen nicht benötigt wird. Kritisiert wird auch, dass das Verfahren im Bereich transparenter Flächen allein auf einen optimierten Wärmeschutz zugeschnitten ist. Dies gehe zu Lasten anderer Eigenschaften, wie Barrierefreiheit, Sicherheit und Schallschutz und führe nicht zwangsläufig zu nachhaltigen Gebäuden. Zudem stelle eine pauschale Begrenzung der Fensterflächen von 30 % je Himmelsrichtung den sommerlichen Wärmeschutz nicht sicher.
Primärenergiefaktoren
- Der BDH fordert, die Primärenergiefaktoren für Strom momentan nicht abzusenken, da es auf den Wettbewerb der Systeme weitreichende Konsequenzen hätte. Für die Veränderung der Primärenergiefaktoren sei zunächst eine fachlich fundierte und methodisch einheitlichen Überprüfung erforderlich, die auch saisonale Effekte berücksichtigt.
- Auch die geea lehnt zum jetzigen Zeitpunkt die Anpassung des Primärenergiefaktors für Strom ab und fordert eine Überprüfung aller Primärenergiefaktoren.
- Der BDH fordert, dass der Primärenergiefaktor von 0,5 gemäß Anlage 1 2.1.1 beim Einsatz von flüssiger oder gasförmiger Biomasse für den nicht erneuerbaren Anteil grundsätzlich verwendet werden kann und nicht auf den unmittelbaren räumlichen Zusammenhang zwischen Gebäude und Erzeugung der flüssigen oder gasförmige Biomasse beschränkt wird.
- Das Ifeu schlägt vor, für Biomasse einen politischen Primärenergiefaktor von 0,7 (analog der Schweiz) zu verwenden. Bezüglich des Primärenergiefaktors für Strom weist das Ifeu darauf hin, dass durch die Abschaltung der Kernkraftwerke der Primärenergiefaktor schneller als der CO2-Emissionsfaktor sinkt (Bericht von TGA Fachplaner).
- Da der Einsatz von Fernwärme oder Holz als Energieträger nicht zu einer Senkung des Endenergiebedarfs führt, schlägt der NABU vor, den minimal zulässigen Primärenergiefaktor [für Holz und Fernwärme] auf 0,7 festzusetzen.
Austausch alter Heizkessel
- Der BDH bittet um die Ausweitung der Austauschverpflichtung auf Heizkessel, die vor dem 1. Januar 1994 eingebaut worden sind. Der Einsatz der Brennwerttechnik sollte dabei verpflichtend werden. Im Geschoßwohnungsbau sollte jedoch beim Austausch einer Etagenheizung auch weiterhin die Niedertemperaturtechnik zulässig sein, da der Einsatz der Brennwerttechnik im Regelfall nicht ohne größere bauliche Veränderungen realisiert werden könne.
- Für eine zeitgemäße Anpassung der Austauschverpflichtung für Heizkessel tritt auch die Bundesingenieurkammer ein.
- Der NABU schlägt vor, in die EnEV-Novelle eine Austauschpflicht (ab 2014) für Heizkessel aufzunehmen, die vor dem Jahr 1985 in Betrieb genommen wurden. Die Regelung könne auf die gängige Kategorisierung für bestehende Anlagen nach DIN 4701-12 zurückgreifen. Gleichzeitig sollte eine dynamische Fortschreibung der Austauschpflichten für Heizkessel formuliert werden, mit der Heizkessel spätestens nach jeweils 30-jähriger Nutzungszeit austauschpflichtig werden.
- Die DUH schlägt vor, § 10 Abs. 1 EnEV mindestens dahingehend zu ändern, dass keine Heizkessel mehr betrieben werden dürfen, die vor 1990 eingebaut wurden. Darüber hinaus sollen Heizkessel, die nach 1990 eingebaut wurden, regelmäßig so nachgerüstet werden, dass sie den Stand der Technik erreichen. Bei unbilliger Härte können man auf § 25 EnEV mit entsprechenden Befreiungsmöglichkeiten zurückgreifen. Außerdem fordert die DUH die 30-jährige Stilllegungsfriste für elektrische Speicherheizsysteme, die nach dem 31. Dezember 1989 eingebaut wurden, deutlich vorzuziehen.
Zusammenführung von EnEV und EEWärmeG
Der BDH fordert bei EnEV und EEWärmeG einen rechtlichen Rahmen aus einem Guss, um bereits vorhandene Widersprüche zu vermeiden (vgl.: Keine EnEV-EEWärmeG-Konsolidierung). Der beste und sinnvollste Weg wäre die Zusammenfassung in einem Gesetz. Dafür hat sich auch die geea ausgesprochen. Die Bundesarchitektenkammer sieht eine Konsolidierung ebenfalls dringend geboten, allein um dem Wirtschaftlichkeitsgebot des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG) zu entsprechen.
Hydraulischer Abgleich soll Pflicht werden
Der BDH fordert, in der EnEV den hydraulischen Abgleich verbindlich vorzuschreiben. Zur Begründung: „In der Anlage 1, Tabelle 1 wird für die Referenzanlage der hydraulische Abgleich vorausgesetzt, jedoch inhaltlich nicht definiert. In § 2 ‚Begriffsbestimmungen‘ ist somit die Definition des hydraulischen Abgleichs aufzunehmen. Weiterhin ist in § 14 ‚Verteilungseinrichtungen und Warmwasseranlagen‘ eine Verpflichtung zur Durchführung des hydraulischen Abgleichs aufzunehmen. Nur bei der Durchführung des hydraulischen Abgleichs lassen sich die großen Einsparpotenziale von hocheffizienten Heizungssystemen nutzen sowie erneuerbare Energien sparsam einsetzen.“
Vergleichswerte im Energieausweis für Wohngebäude
Kritisch sieht das IWU die Energieausweis-Vergleichsskalen für Wohngebäude. Passten sie bisher nur für Energiebedarfsausweise, passen sie nach dem Entwurf nur noch für Energieverbrauchausweise. Zudem reiche die Skala für Einfamilienhäuser nicht mehr aus. Außerdem fordert das IWU: „Der Verordnungsgeber sollte dem Umstand Rechnung tragen, dass die Berechnung auf Basis von Standardannahmen, insbesondere für unsanierte Einfamilienhäuser, systematisch deutlich höhere Kennwerte produziert als typischerweise gemessen wird.“ Deswegen seien zwei Referenzskalen erforderlich.
Nachweisverfahren bei innovativen Technologien
BDH: „Bei innovativen Technologien, welche noch nicht durch die im Verordnungstext Bezug genommene Systemnormung abgebildet werden können, muss die energetische Bewertung über ein einfaches und rechtssicheres Verfahren ermöglicht werden. Der BDH fordert die rechtliche Verankerung eines solchen Verfahrens in der EnEV. Nur so lassen sich innovative Technologien zeitnah in den Markt einführen.“ ■
BDH : Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik
BF : Bundesverband Flachglas
Bundesarchitektenkammer
Bundesingenieurkammer
BVRS : Bundesverband Rollladen + Sonnenschutz
DUH : Deutsche Umwelthilfe
geea : Allianz für Gebäude-Energie-Effizienz
Ifeu : Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg
IWU : Institut Wohnen und Umwelt Darmstadt
NABU : Naturschutzbund Deutschland
VFF : Verband Fenster + Fassade