Panoramafenster gegen Containerkoller
Genau so sah es auch die Entwurfsplanung der IMS Ingenieurgesellschaft , Hamburg, vor. Mit der Detailplanung und Ausführung der neuen Forschungsstation wurde Kaefer Construction , Bremen, von der indischen Regierung betraut. Auf Stelzen errichtet und eingepackt mit dicken Isolierplatten, die vor eisigen Winden schützen, erweckt das Gebilde den Eindruck einer Mondbasis. Die aerodynamische Form erhielt die „Insel des Überlebens“ von den Architekten des Hamburger Büros bof . Gestalterische Gründe waren dabei nicht allein ausschlaggebend: Bei Windgeschwindigkeiten bis 230 km/h ist eine solche Hülle einfach ein Muss. Selbst die großzügigen Panoramafenster haben daher auch einen funktionalen Hintergrund: Der freie Blick auf die faszinierende Außenwelt und auf die Nachbarschaft, die Pinguine, soll einem Containerkoller vorbeugen.
Lebenserhaltung in der Eiswüste
Jede Selbstverständlichkeit des Alltagslebens setzt unter antarktischen Bedingungen technisch aufwendige und absolut sichere Prozesse voraus. Elementar ist die Versorgung mit Wärme und Trinkwasser. Kaefer Construction beauftragte mit der Heizungs- und Sanitärinstallation die International Division von YIT Germany . „Was die Komponenten betrifft, können wir uns keine Experimente leisten. Deswegen greifen wir generell auf namhafte Hersteller zurück, die Zuverlässigkeit unter extremen Bedingungen bereits bewiesen haben“, so YIT zur Grundbedingung für die Prozesssicherheit der lebensnotwendigen Systeme.
Wärme bei –40 °C Außentemperatur
Für Wärme und elektrische Energie sorgen drei Blockheizkraftwerke, zwei davon in Kaskade geschaltet, eines als Standby-Sicherheitsreserve. Betrieben mit Kerosin – ein Treibstoff, der bis –54 °C flüssig bleibt – heizen sie die 2000 m 2 große Station auf Zimmertemperatur. Ausgenommen sind die Außengänge, die zwischen den Raumcontainern und der Gebäudehülle liegen. Auf diesen Fluren herrschen zwar keine frostigen Temperaturen, aber frische 5 °C.
Auch die Garage ist unbeheizt. Hier wird jedoch überschüssige Abwärme hingeleitet, wenn die Generatoren einen so hohen Strombedarf decken müssen, dass mehr Wärme produziert als benötigt wird. Reicht hingegen die Heizleistung der BHKW beim aktuellen Strombedarf nicht aus, sind in den Zuleitungen zur Heizkreisverteilung elektrisch betriebene Lanzen zum Nachheizen des Wassers platziert.
Pressverbinder als erste Wahl
Unter dem Aspekt der einfachen aber sicheren Fertigmontage in der Antarktis wurde dort, wo es von den Dimensionen möglich war, bei Verrohrung der Heizanlage auf Pressverbinder gesetzt. Die Entlüftung des 13-m 3 -Kerosintanks erfolgt über das Viega-Rohrleitungssystem Sanpress Inox G . Es wird üblicherweise in der Gasinstallation oder für Heizöl- und Dieselleitungen eingesetzt. Der Grund: die dauerhafte Resistenz gegenüber den transportierten Medien, denn Rohr und Pressverbinder sind aus Edelstahl 1.4401, die Dichtungen aus HNBR. Rund 80 m wurden davon in DN 50 benötigt.
Auf die Trinkwasserversorgung entfallen drei Heizkreise: Vor der Entsalzung wird das Seewasser in der Zuleitung vorgewärmt, die benötigte Leistung beträgt ca. 15 kW. Die Warmwasserversorgung erfolgt durch zwei getrennte Systeme. Ein Heizkreis mit 50 kW ist für den Bedarf im antarktischen Sommer ausgelegt. In dieser Jahreszeit arbeiten in der Station bis zu 40 Personen. Im Winter hält den Betrieb eine nur 15-köpfige Besatzung aufrecht. Dafür reicht der fünfte Heizkreis mit 25 kW Heizleistung aus.
Um das Einfrieren des Heizwassers im System auszuschließen, ist Glykol-L in einer Konzentration von 57 % beigemischt. Das stellt spezielle Anforderungen an die Pressverbinder des Prestabo-Rohrsystems. Viega untersuchte dafür in seinen Laboren eigens für diese Anwendung die Reaktion des EPDM in den Dichtringen auf den hohen Glykolgehalt. Das Ergebnis bescheinigte die volle Einsatzfähigkeit für dieses Heizwassergemisch und zudem die Eignung für den Betriebstemperaturbereich von –40 bis +80 °C bis einem maximalen Druck von 6 bar.
Trinkwasserversorgung
Aus 850 l Rohwasser werden so stündlich 300 l Reinwasser gewonnen und in drei 4000-l-Vorratsbehältern gespeichert. Von dort verzweigt sich ein 1000 m langes Netz zur Wasserversorgung sowie zur Raumbefeuchtung der 134 Container. Gerade der Trinkwasserhygiene kommt in dem Domizil am sprichwörtlichen „Ende der Welt“ eine äußerst hohe Bedeutung zu, denn ein Befall mit Legionellen oder anderen Keimen wäre eine Katastrophe – sowohl für die Menschen an Bord als auch für die Zukunft der gesamten Mission. Die Systeme müssen darum äußerst zuverlässig funktionieren.
In der Trinkwasserinstallation setzten die Verantwortlichen von YIT auf Sanpress Inox mit Rohren aus Edelstahl 1.4521. Drei Stränge mit verbauten Nennweiten von DN 12 bis 40 führen Warmwasser, Kaltwasser und Grauwasser. Eine konstante Temperatur des Warmwassers von 60 °C gewährleisten Easytop-Zirkulations-Regulierungsventile mit thermischer Desinfektionseinrichtung als wirksamer Schutz vor Legionellen. Easytop-Probenahmeventile ermöglichen den Wissenschaftlern zudem die regelmäßige Überprüfung der Trinkwasserqualität in den eigenen Laboreinrichtungen.
Planungsgrundlage der Trinkwasseranlage ein Pro-Kopf-Verbrauch von 60 l/d. Durch das Auffangen des Grauwassers von Waschbecken und Duschen und die Aufbereitung zum Betrieb der WC-Spülungen werden ungefähr 20 % des Wasserverbrauchs substituiert.
Montage bei „sommerlichen“ –5 °C
Für den Aufbau der zwei Geschosse hohen und 1000 t schweren indischen Forschungsstation standen den erfahrenen Fachleuten von Kaefer und YIT nur vier Monate zur Verfügung. So lange dauert der antarktische Sommer in der Zeit von Dezember bis März mit Temperaturen an der „warmen“ Ostküste von etwa 5 °C unter dem Gefrierpunkt – oder auch mal darüber.
Um diesen engen Zeitplan halten zu können, wurden alle Einrichtungen der 134 Stationscontainer auf einem großen Platz im Duisburger Hafengebiet vormontiert – von der Installationstechnik bis zum Mobiliar. Damit beim Zusammenbau jedes Rohr sein Pendant im angrenzenden Container fand, mussten tausende von Durchbrüchen exakt definiert werden. Spätere Veränderungen waren nahezu ausgeschlossen, da jeder Container einzeln isoliert und diffusionsdicht abgeschlossen ist. Besonders in den Zonen, die für die Rohrtrassen reserviert sind, ging es dabei extrem eng zu. Die Presstechnik von Viega bot hier allerdings die probate Lösung.
Mindestens 20 Jahre, so die aktuelle Planung, forschen und arbeiten rund 25 Personen ganzjährig in der Bharati-Station, mitten in unberührter und eigentlich auch unbewohnbarer Natur – am Leben gehalten durch Installationstechnik „Made in Germany“. ■