Zum Klimaschutz könnte die Elektrizitätsversorgung einen deutlichen Beitrag leisten. Der Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE) kommt in Berechnungen zu dem Schluss, dass es möglich ist, den CO2-Ausstoß bei der Stromerzeugung bis 2020 um 40% zu senken.
Die gegenwärtig politischen Rahmenbedingungen (Szenario 1) würden zu einer Reduktion von knapp 10% führen, von derzeit 314 auf gut 290 Mio. Tonnen pro Jahr. Nach der VDE-Studie „Elektrische Energieversorgung 2020 – Perspektiven und Handlungsbedarf“ (nur für VDE-Mitglieder kostenlos, sonst kostet sie 150 Euro) ließen sich jährlich weitere 100 Mio. Tonnen CO2-Emissionen einsparen. Dazu müsste der Atomausstieg verschoben werden.
Drei Szenarien
Auf Basis der Versorgungssituation in 2003 hat der VDE drei Grundszenarien entwickelt, die mögliche Pfade in die Zukunft bis 2020 beschreiben. Szenario 1 orientiert sich an der derzeitigen Energiepolitik der Bundesregierung: Erneuerbare Energien fördern und Ausstieg aus der Kernenergie. Lücken bei den Primärenergieträgern gleicht Erdgas aus.
Im Szenario 2 wird ein verlangsamter Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie angenommen. Der VDE nennt das „kostenoptimierte Lösung unter Einhaltung der Kyoto-Ziele“.
Szenario 3 reduziert die CO2-Emissionen viel stärker, „um Raum für eine künftige Verschärfung der Kyoto-Ziele zu schaffen“. Das VDE-Konzept: Reduktion der fossilen Energieträger und Nutzung der Kernenergie auf heutigem Niveau. Hinzu kommt ein kräftiger Ausbau erneuerbarer Energien vor allem in den Bereichen Wind und Biomasse. Dieser Ansatz soll zeigen, wie weit eine maximale Reduzierung des Ausstoßes von Treibhausgasen aus sicht des VDE gehen könnte.
Mit oder ohne Kernenergie?
Im Szenario 1 steigt die installierte Leistung von derzeit knapp 120 auf rund 165 GW, wobei der Anteil an Gas- und Windkraftwerken besonders deutlich zunimmt. Die gasgefeuerten Anlagen werden demnach statt mit 18,5 mit 50 GW zum Energiemix in Deutschland beitragen, der Ausbau der Windenergie von 14,4 auf 48 GW weitergehen. Die notwendigen Investitionen für den Kraftwerkszubau und die -erneuerung liegen bei nahezu 123 Mrd. Euro .
Szenario 1 rechnet für 2020 mit einer installierten Leistung im regenerativen Bereich von knapp 60 GW, was dann 27% Prozent des Verbrauchs deckt. Das Kyoto-Ziel (Reduzierung der CO2-Emissionen von 1990 um 18% bis 2012) wird erreicht.
Szenario 2 wurde mit dem Ziel entwickelt, bei nahezu gleichen CO2-Emissionen wie bei Variante 1 die Kosten zu senken und „die Versorgungsrisiken durch Windkraft-Offshore-Anlagen“ zu vermeiden. Das wird durch den verlangsamten Ausstieg aus der Kernenergie erreicht. So wird unterstellt, dass bis 2020 nur die Hälfte der Kernkraftwerke vom Netz geht und die neueren Reaktoren dafür länger betrieben werden. In diesem Szenario tragen erneuerbare Energien nur mit gut 15% zur Stromerzeugung bei. Die installierte Leistung kommt in diesem Fall mit ca. 145 GW aus, die Investitionen betragen 85 Mrd. Euro . Das Kyoto-Ziel wird erreicht.
Szenario 3 orientiert sich an einer starken Reduktion der CO2-Emissionen, die am Ende des betrachteten Zeitraums auf unter 200 Mio. Tonnen pro Jahr zurückgefahren werden können. Dafür sind Investitionen von knapp 100 Mrd. Euro erforderlich. Der Ausstieg aus der Kernenergie wird verschoben, bis eine geeignete Nachfolgetechnik verfügbar ist. Steinkohle wird nicht länger genutzt, der Einsatz der deutschen Braunkohle aber beibehalten. Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird bei Szenario 3 deutlich vorangetrieben und liegt bei etwa 25%. Die installierte Leistung beträgt 150 GW, davon sind 56 GW aus erneuerbaren Energien. Das Kyoto-Ziel wird (2020) erheblich unterschritten.
Geringe Kosten pro Kopf
85, 100 oder 123 Mrd. Euro, das Investitionsvolumen klingt gigantisch. Umgelegt auf abgerundet 80 Mio. Einwohner ist es angesichts der drohenden Kosten durch den Treibhauseffekt aber geradezu lächerlich. Der höchste Betrag macht pro Kopf gerade einmal gut 1500 Euro und (unverzinst) umgelegt auf 13 Jahre 120 Euro/a Jahr aus. Variante 3 klingt aus Sicht des Klimaschutzes attraktiv. Allerdings verschiebt sie auch Investitionen für einen Ersatz der Kernkraftwerke, unabhängig von der neuen Technik, in die Zukunft. ToR