Kompakt informieren
- Die Auswertung von zehn vollsanierten Wohnhäusern zeigt, dass eine 80%ige Primärenergieeinsparung möglich ist. Die dafür notwendigen Investitionen würden aber viele Eigentümer überfordern.
- Die grundlegende Heizungsmodernisierung erfordert im Mittel zwar etwas höhere Investitionen als die Dachdämmung, die Außenwanddämmung oder der Austausch von Fenstern und Türen ist aber deutlich wirtschaftlicher.
- Bei den Einzelmaßnahmen ist die Dämmung der Kellerdecke bzw. Bodenplatte besonders günstig und wirtschaftlich.
Die Senkung des Primärenergiebedarfs im Gebäudebestand in einer Größenordnung von 80 % – dieses Ziel hat die Bundesregierung in ihrem Energiekonzept bis 2050 für den Gebäudebereich vorgegeben. Wie ambitioniert diese Vorgabe in der Praxis ist, zeigen die Ergebnisse aus aktuellen Sanierungsprojekten. Zwar konnte bei den untersuchten Gebäuden durch die umfassende energetische Sanierung der Primärenergiebedarf tatsächlich im Durchschnitt um knapp 80 % vermindert werden. Für viele Hauseigentümer ist eine solche Komplettsanierung allerdings nicht finanzierbar oder aufgrund langer Amortisationszeiten nicht attraktiv. Zudem lassen sich die hier durchgeführten Maßnahmen nicht uneingeschränkt auf den gesamten Gebäudebestand übertragen. Für das Gros der Gebäude kommen daher nur Teilsanierungen infrage.
Geförderte Primärenergieeinsparung
Diese Ergebnisse belegen zahlreiche Beispiele aus dem Modernisierungswettbewerb „Aktion Energie-Gewinner“ des Instituts für Wärme und Oeltechnik (IWO). Im Rahmen dieser Aktion begleitet und fördert das IWO Hauseigentümer, die sich für eine energetische Modernisierung entscheiden. Einziges Kriterium für die Förderhöhe ist die berechnete Jahresprimärenergieeinsparung. Insofern wurde ein technologieoffener und an der langfristigen politischen Zielsetzung orientierter Förderansatz gewählt. Nicht Technologie oder Investition, sondern die Zielerreichung wird gefördert.
Die Auswahl der Sanierungsmaßnahmen erfolgte durch die Gebäudeeigentümer, in der Regel in Abstimmung mit einem Energieberater oder Architekten. Eine detaillierte Auswertung von bereits fertiggestellten Sanierungsobjekten ermöglicht Aussagen zu Energieeinspareffekten und Wirtschaftlichkeit der verschiedenen Einzelmaßnahmen anhand der real aufgetretenen Kosten.
Komplettsanierung: Kosten und Nutzen
Bei den zehn ausgewerteten Objekten wurde jeweils eine Komplettsanierung durchgeführt. Das umfassende Sanierungspaket bestand aus folgenden Maßnahmen:
- Erneuerung der Heiztechnik inklusive Einbindung von Solarthermie (überwiegend auch zur Heizungsunterstützung) und zum Teil Einbindung von Holzkaminöfen
- Verbesserung der Dämmung am Dach und/oder an der obersten Geschossdecke, Außenwänden sowie Kellerdecke oder Bodenplatte
- Erneuerung der Außenfenster und -türen
Die Informationen zu den Sanierungskosten stammen aus den Abschlussrechnungen der einzelnen Gewerke. In der Auswertung wurden alle Rechnungsposten berücksichtigt, die im unmittelbaren Zusammenhang mit der energetischen Sanierung entstanden sind. Bei den Kosten für die Außenwanddämmung wurden beispielsweise nicht nur die Preise für den Dämmstoff, das Verarbeiten und Anbringen berücksichtigt. Einbezogen wurden auch die Ausgaben für das dazu notwendige Gerüst, für vorbereitende Maßnahmen, beispielsweise die Demontage von Fallrohren, bis hin zu den Aufwendungen für das Aufbringen des neuen Außenputzes. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass die ermittelten Kostenkenndaten einen sehr guten Anhaltspunkt für die realen Kosten bieten, die bei einer Sanierung auf den Bauherren zukommen.
Die Kennwerte zum Jahresprimärenergiebedarf wurden aus den bedarfsbasierten Energieausweisen für die einzelnen Gebäude entnommen. Die Daten basieren damit auf einer einheitlichen, im Ordnungsrecht verankerten Berechnungsgrundlage. In einigen Fällen wurde im Zuge der Sanierung die Gebäudegröße verändert. Diese Gebäude- und Kostendaten wurden im Sinne einer optimalen Vergleichbarkeit um die Größenveränderungen bereinigt. Denn Ziel dieser Auswertung ist allein die Bewertung von Maßnahmen zur Energieeinsparung. Sonstige Veränderungen an Gebäuden, wie An- oder Umbau, spielen keine Rolle.
Im Schnitt 83000Euro nötig
Die Gesamtkosten für die zehn ausgewerteten Komplettsanierungen lagen in einem Bereich von rund 50000 bis 150000 Euro, im Mittel bei 83000 Euro. Der Primärenergiebedarf sank durch die Maßnahmen von durchschnittlich 319 auf 74 kWh/(m2 a) und damit im Schnitt um 77 %.
Bei Energiepreisen von 6 bis 10 Ct/kWh Primärenergie (das entspricht 0,67 bis 1,11 Euro/l Heizöl) ergeben sich für diese zehn Einfamilienhaussanierungen bei einer einfachen Amortisationsrechnung, also ohne Berücksichtigung von Zinseffekten, Amortisationszeiträume von 20 bis 33Jahren. Bei einer angenommenen technischen Lebensdauer der Energiesparmaßnahmen von 20 bis 30 Jahren würde sich die Gesamtinvestition also gerade noch bezahlt machen.
Die Auswertung zeigt, dass durch umfassende Maßnahmenpakete mit verfügbarer Technik große Energieeinsparungen realisierbar sind. Gleichzeitig belegen die realen Kosten, dass dazu erhebliche Investitionen notwendig sind. Die Umsetzung von Einzelmaßnahmen und die Modernisierung in mehreren Schritten sind deshalb bei der energetischen Gebäudesanierung der Normalfall.
Was bringen Einzelmaßnahmen?
Immer wenn ein Gebäudeeigentümer keine teure Komplettsanierung durchführen kann oder will, stellt sich die Frage, welche Einzelmaßnahme oder welche Kombination ausgewählter Einzelmaßnahmen sich stattdessen anbietet. Dabei spielt, neben der zustandsbedingten Restnutzungsdauer, die Frage nach der Kosteneffizienz eine entscheidende Rolle. Interessante Antworten bietet die Analyse einzelner Maßnahmen nach der berechneten, möglichen Energieeinsparung und der erforderlichen Investition. Basis sind auch hier die zehn Praxisbeispiele, die komplett saniert wurden.
Für diese Auswertung wurde jede Sanierungsmaßnahme wie eine Einzelmaßnahme berechnet. Die Kosten stammen aus den realen Handwerkerrechnungen Abb. 2 . Gemäß den vorliegenden Abschlussrechnungen der untersuchten Praxisbeispiele fielen pro Einzelmaßnahme im Schnitt folgende Kosten (inkl. MwSt.) an:
- knapp 17000 Euro für den Austausch von Fenstern und Türen (502 Euro/m<sup>2</sup> Bauteilfläche),
- jeweils rund 21000 Euro für die Dachdämmung (150 Euro/m<sup>2</sup> Bauteilfläche) und die Fassadendämmung (136 Euro/m<sup>2</sup> Bauteilfläche),
- 22500 Euro für die Erneuerung der Heiztechnik (inkl. Einbindung von Solarthermie zur Unterstützung der Heizung und Trinkwarmwasserbereitung und teilweise Erneuerung von Verteilleitungen und Heizflächen) sowie
- knapp 4000 Euro für die Dämmung der Kellerdecke/Bodenplatte (37 Euro/m<sup>2</sup> Bauteilfläche).
Wirtschaftlichkeit einer Maßnahme
Die Gegenüberstellung von Energieeinsparung und Investition ermöglicht die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einer Sanierungsmaßnahme. Die Energieeinsparung wird dabei über die Lebensdauer der Energiesparmaßnahme aufsummiert. Gemäß Institut für Wohnen und Umwelt (IWU) kann für Energiesparmaßnahmen an den Außenbauteilen eines Gebäudes eine Lebensdauer von 30 Jahren angesetzt werden. Für die Heizungsmodernisierung wurde gemäß VDI-Richtlinie 2067 eine Lebensdauer von 20 Jahren angesetzt. Im Fall der Komplettsanierung wurden die Investitionskosten für das Heizsystem mit dem Faktor 1,5 auf die Lebensdauer von 30 Jahren umgerechnet.
Setzt man die über die gesamte Lebensdauer der jeweiligen Sanierungsmaßnahme eingesparte Energiemenge ins Verhältnis zu den entsprechenden Investitionskosten, ergibt sich ein sehr einfacher und etablierter Kennwert: die Investitionskosten je eingesparter kWh. Bei dieser vereinfachten Betrachtung wurden weder Zinsen für eine ggf. notwendige Finanzierung bzw. entgangene Habenzinsen noch Inflationseffekte berücksichtigt. Für die Komplettsanierung lagen die Investitionskosten je eingesparter kWh Primärenergie im Schnitt bei 7 Ct/kWh. Für die Einzelmaßnahme Fenster- und Türenaustausch ergibt sich ein Wert von 15 Ct/kWh, 8 Ct/kWh für die Dachdämmung, 6 Ct/kWh für die Fassadendämmung, 5 Ct/kWh für die Heizungssanierung und 3 Ct/kWh für die Kellerdeckendämmung. In Abb. 3 werden zusätzlich zu den hier genannten Durchschnittswerten auch die Bandbreiten genannt, in denen sich die Kennwerte bewegen.
Maßnahmen mit kleineren Kennwerten sind aus ökonomischer Sicht vorteilhafter. Bei den untersuchten Gebäuden sind danach die Maßnahmen Kellerdecken- bzw. Bodenplattendämmung und die Heizungsmodernisierung besonders kosteneffizient.
Amortisationsdauer
Eine weitere Methode zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Energieeinsparmaßnahmen ist die Berechnung der Amortisationsdauer. Diese Information ist für Hauseigentümer besonders relevant. Denn wie schnell sich eine Investition rechnet, beeinflusst in der Regel ihre Entscheidung für oder gegen eine Sanierungsmaßnahme maßgeblich. Bei einer einfachen Betrachtung, ohne Berücksichtigung von Zinseffekten, ergeben sich bei einem Energiepreis von 6 bis 10 Ct/kWh Primärenergie folgende durchschnittliche Amortisationszeiträume:
- 46 bis 76 Jahre für den Fenster- und Türenaustausch,
- 25 bis 41 Jahre für die Dachdämmung,
- 19 bis 32 Jahre für die Fassadendämmung,
- 10 bis 16 Jahre für die Heizungsmodernisierung (inklusive Einbindung von Solarthermie und teilweise inklusive Erneuerung der Verteilleitungen und der Heizflächen) sowie
- 8 bis 14 Jahre für die Dämmung der Kellerdecke/Bodenplatte.
Auch die Auswertung der Amortisationsdauer zeigt: Keller- und Bodenplattendämmung sowie die Heizungsmodernisierung sind die Einzelmaßnahmen, die sich am schnellsten bezahlt machen. Bei eingeschränkten Möglichkeiten ist es deshalb ökonomisch sinnvoll, mit diesen Sanierungsmaßnahmen zu beginnen.
Schlussfolgerungen
Die Auswertung der Komplettsanierung von zehn Einfamilienhäusern aus der IWO-Aktion „Energie-Gewinner“ zeigt: Die im Energiekonzept der Bundesregierung für 2050 angestrebte Senkung des Primärenergiebedarfs im Gebäudebestand um etwa 80 % ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Bei den hier betrachteten Einfamilienhäusern mit einem durchschnittlichen Ausgangsprimärenergiebedarf von 319 kWh/(m2 a) wurde dieses Ziel mit heutigen Verfahren, Techniken und Materialien im Durchschnitt zwar nahezu erreicht. Die dazu notwendigen Investitionen von rund 50000 bis 150000 Euro (durchschnittlich rund 400 Euro je m2 Nutzfläche) sind allerdings beträchtlich. Nur wenige Eigentümer dürften in der Lage und dazu bereit sein, den hier vorgestellten Praxisbeispielen zu folgen. Bei der Übertragung der Maßnahmen und Ergebnisse auf den gesamten Gebäudebestand muss zudem berücksichtigt werden, dass bei Gebäuden mit geringerem Ausgangsprimärenergiebedarf die Energieeinsparung abnimmt und sich damit die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen verringert.
Umso wichtiger sind passende Förderkonzepte, die es Hauseigentümern erleichtern, sinnvolle Einzelmaßnahmen umzusetzen. Denn eine große Anzahl von Teilsanierungen trägt zum Erreichen der energiepolitischen Ziele mehr als wenige Komplettsanierungen bei. Die Aktion Energie-Gewinner ist ein Beispiel für effektive Förderung. Die Höhe der Förderung hängt allein von der erzielten Energieeinsparung ab. Dieser technologieoffene Ansatz führt in der Praxis dazu, dass die effizientesten Maßnahmen, also solche Maßnahmen, bei denen am meisten Energie eingespart wird, zuerst durchgeführt werden. Das Fördermodell ist nicht nur einfach und transparent, es stellt zugleich eine zielgerichtete Förderung sicher. Das Förderkonzept ist damit auch volkswirtschaftlich sinnvoll.
Im Zuge der Heizungsmodernisierung wurden bei allen betrachteten Objekten mit Solarthermie und/oder fester Biomasse in Form von Scheitholz erneuerbare Energien eingebunden. Dadurch konnte der Anteil erneuerbarer Energien für die Wärmeerzeugung auf durchschnittlich 26 % gesteigert werden. Bemerkenswert ist, dass die Bauherren die Entscheidung für die Nutzung erneuerbarer Energie freiwillig getroffen haben. Eine entsprechende Verpflichtung, wie sie das Wärmegesetz von Baden-Württemberg vorsieht, ist offensichtlich für den Einfamilienhausbestand nicht erforderlich. •
Aktion Energie-Gewinner
Bislang sind bundesweit fast 70 Wohnhäuser für den 2008 gestarteten Modernisierungswettbewerb Energie-Gewinner ausgesucht worden. Interessierte Hauseigentümer können sich noch bis Ende 2014 mit ihrem Sanierungsvorhaben bewerben. Wichtigste Voraussetzungen für die IWO-Förderung: Mit der Sanierung muss der Primärenergiebedarf des Hauses um mindestens ein Drittel gesenkt werden. Ein bedarfsbasierter Energieausweis dokumentiert die Energieeinsparung. Und: das Gebäude wird nach der Sanierung überwiegend mit Öl beheizt. Weitere Infos und Bewerbungsunterlagen: http://www.oelheizung.info/energiegewinner
Christian Halper
ist Referent Grundsatzfragen im Institut für Wärme und Oeltechnik (IWO), 20097 Hamburg, Telefon (0 40) 23 51 13 26, halper@iwo.de, https://www.zukunftsheizen.de/startseite.html