Steigende Energiepreise, die Neufassung der Energieeinsparverordnung (EnEV) und die EU-weite Einführung von Energieausweisen für Gebäude rücken den Energieverbrauch von Wohn- und Gewerbeimmobilien ins Zentrum der Aufmerksamkeit von Eigentümern, Betreibern und Fachplanern. Gebäude sollen vor allem einen geringen Energiebedarf aufweisen und die benötigten Energieträger und Medien immer rationeller nutzen. Insbesondere bei Bestandsgebäuden ist zur Optimierung eine auf das Objekt und seine Nutzung abgestimmte Analyse erforderlich. So lassen sich, beispielsweise mit der „Komplexen Energieberatung“ von TÜV Süd Industrie Service, Einsparpotenziale bei Energiebezug und -einsatz erschließen und in der Regel die Energiekosten wirtschaftlich minimieren. Nicht immer müssen hierfür Wände und Dächer aufwendig gedämmt werden. Oft reichen überschaubare Eingriffe in die vorhandene Gebäudetechnik aus.
Mit dieser Vorgehensweise wurden bei dem Bürohochhaus Warta Tower and International Centre in Warschau bereits ohne Investitionen erhebliche Einsparungen ohne Einschränkungen bei Funktion oder Komfort realisiert. Allein durch verbesserte Einstellungen der RLT-Anlagen ließ sich der jährliche Energieverbrauch um 7 % senken. Zusätzliche Investitionen in die Ventilatorantriebe und das Dimmen der Beleuchtungssysteme amortisieren sich durch die zugeordneten Betriebskosteneinsparungen von 20 % bereits nach eineinhalb Jahren.
Interdisziplinäres Team
Neben den Baukosten sind die Betriebskosten der zentrale Faktor für die Wirtschaftlichkeit eines Gebäudes. Bei einem vollklimatisierten Gebäude können sich allein die Energiekosten in 50 Jahren auf rund die Hälfte der ursprünglichen Gesamtinvestition summieren. Die energetische Bilanz und Leistung der Gebäudetechnik ist somit ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Dadurch wächst das Interesse an einer fachkundigen Energieberatung sowie an Software-Lösungen zur Energieberatung.
Mit einem interdisziplinären Team aus Anlagen-, Elektro- und Gebäudetechnik sowie Bauphysik unterzieht die Komplexe Energieberatung von TÜV Süd Industrie Service alle Gebäudebereiche einer grundlegenden Analyse. Untersucht werden die Systeme der Technischen Gebäudeausrüstung inklusive der Nutzung nach verschiedenen Gebäudebereichen.
Auch helfen diverse EDV-Programme mit unterschiedlichem Leistungsumfang Daten zur Energieberatung zu errechnen und darzustellen. Hierbei werden die Gebäude erfasst, teilweise unter Verwendung von Pauschalwerten für Gebäudedaten oder nach Bauteilkatalogen.
Die unmittelbare und unkomplizierte Anwendung dieser Programme kann insbesondere bei kleineren Objekten wie Einfamilienhäusern hilfreich sein. Doch bei größeren Objekten können vorhandene Potenziale zur Kostensenkung nur voll ausgeschöpft werden, wenn eine individuelle Energieberatung durch Experten erfolgt.
Bestandsaufnahme
Zu Beginn der Komplexen Energieberatung sichtet das Team für eine erste Bestandsaufnahme u.a. technische Dokumentationen, Baupläne, Verbrauchsabrechnungen und Lieferverträge. Es folgen eine gründliche Begehungen von Gebäude und Anlagen mit ergänzenden Messungen sowie Konsultationen des technischen Personals. Als Ergebnis der Analyse erhält der Auftraggeber einen detaillierten Ist-Zustand von Anlagenkonfiguration und Gebäude. Kenngrößen zum Energieverbrauch werden berechnet und anhand gültiger Standards überprüft. So werden besondere Energieverbraucher genauso zielsicher identifiziert, wie Bereiche mit signifikanten Abweichungen vom „Normalwert“.
Auf Basis aller gesammelten Daten werden Vorschläge für Maßnahmen in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber erarbeitet. Erzielbare Einsparungen werden berechnet, organisatorische Maßnahmen herausgearbeitet und investive Maßnahmen auf ihre Wirtschaftlichkeit hin geprüft. Anschließend erarbeitet das Team ein individuelles Praxiskonzept zur Energieeinsparung und zur effizienteren Nutzung von Energieträgern und ggf. von Wasser bis hin zur Implementierung eines Energiemanagement-Systems. Ein professionelles Projekt- und Genehmigungsmanagement erleichtert die Umsetzung. Das erreichte Einsparpotenzial wird ggf. durch Abnahme- und Gewährleistungsmessungen verifiziert.
Fallbeispiel Warta Tower, Ist-Zustand
Mit 22 Stockwerken auf 88 m Gesamthöhe zählt das Hochhaus zu den repräsentativsten Gebäuden Warschaus. Turm und Eingangshalle verfügen über Glasfassaden, der Sockelbereich ist als Kombination aus Glas- und Natursteinfassade ausgeführt. Im Inneren klimatisieren RLT-Anlagen die Büros und die Eingangshalle. Alle Zuluftanlagen sind als Zentralgeräte konzipiert, die Abluft wird zentral und dezentral abgeführt. Die Einzelraumklimatisierung erfolgt durch Fan-Coil-Units (FCU), zum Teil wird Wärmerückgewinnung betrieben. Zulufttemperatur und -feuchte werden über ein Zeitprogramm gesteuert, über die Abluft erfolgt eine Temperaturüberwachung im Raum oder über die Zeit. Auslegungsparameter der Abluftanlage sind Abluftraten sowie Raumlufttemperaturen. Die Gebäudeklimatisierung erfolgt nach einem Zonenprinzip, wobei alle Bereiche einer Zone gleich konditionierte Zuluft erhalten, die dann lokal über die FCU nacherhitzt oder -gekühlt wird. Jede FCU kann unabhängig von der Gebäudeleittechnik eingestellt werden. Mangels Verriegelung der FCU untereinander sowie gegen die Zuluftanlagen sind gleichzeitiges Kühlen und Heizen in einem zusammenhängenden Bereich möglich.
Die Trinkwasserversorgung erfolgt zentral für alle Zapfstellen mit drei Druckstufen im Gebäude, die verwendeten Armaturen haben keine Durchflussbegrenzer. Auch die Spülmengen in den Toiletten sind reichlich bemessen. Elektrizität kommt über vier Transformatorenstationen mit je zwei 1000-kVA-Trafos. Das Tarifsystem unterscheidet drei Tageszeitzonen sowie Sommer und Winter. Als Hauptverbraucher wurden bei der Untersuchung des Ist-Zustands identifiziert: RLT-Anlagen (Ventilatoren, Befeuchtung), Kälteerzeugung (Kompressoren, Rückkühlung), die Klimatisierung (Verteilung von Kälte und Wärme, FCU), sowie Beleuchtung, Küche und die Beheizung der Garageneinfahrt.
Gebäudetechnik exakt einstellen
Das höchste Einsparpotenzial erbrachten die veränderten Einstellungen der RLT-Anlagen. Zunächst wurden die Laufzeiten der Anlagen mit der tatsächlichen Raumnutzung synchronisiert und dadurch tendenziell reduziert. Die Sollwerte für Zulufttemperatur und -feuchtigkeit berücksichtigen jetzt den inneren und äußeren Lasteneintrag und die zulässigen Grenzwerte. Diese völlig kostenneutralen Maßnahmen reduzierten den Gesamtstromverbrauch bereits um 7 %. Während die Anpassung der Zulufttemperatur nur einen relativ geringen Energieanteil einsparen konnte, brachte die Senkung der Zuluftfeuchte um 15 % deutlich mehr. Durch Anpassung an den Normwert und Berücksichtigung der anrechenbaren inneren Feuchteeinträge konnte die Verdampferleistung um 48 % reduziert werden. Anlagenbezogene Einsparungen von 50 bis zu 75 % folgten aus der Anpassung der Garagenlüftung an die Zeiten, in denen tatsächlich ein erhöhter Schadstoffeintrag zu messen war – also die Kernzeiten der Garagennutzung.
In vielen Gebäudeteilen wird die ursprünglich geplante Belegungszahl nicht erreicht, für die jedoch die Zuluftvolumenströme dimensioniert wurden. Weil die Zuluftgeräte weder ausgetauscht, noch durch zusätzliche Anlagen er-gänzt werden sollten, wurden vier Lösungen aufgezeigt: Drallregelung, Änderungen der Riementriebe, Drehzahlregelung über Frequenzumformung und polumschaltbare Motoren. Unter Berücksichtigung des Kosten/Nutzen-Verhältnisses wurde die letzte Möglichkeit empfohlen. Eine Halbierung des geförderten Zuluftvolumenstroms reduziert die elektrische Antriebsleistung um rund 85 %, die Wärme- bzw. Kältebedarf um 46 bis 53 % und die Befeuchtungsleistung zwischen 47 und 67 %. Die Investitionskosten wurden auf 160000 Euro geschätzt.
Schließlich wird vom RLT-Regelungssystem jetzt die Ablufttemperatur zusätzlich erfasst, um die Anlagen an die Raumtemperatur angepasst steuern zu können. Die FCU wurden in der Gebäudeleittechnik so verriegelt, dass sie nicht mehr gegeneinander arbeiten und im Winter bzw. Sommer nicht auf niedrigere bzw. höhere Temperaturen als die Zuluft der Zentralanlage eingestellt werden können. Durch Verriegelung der FCU konnte der gesamte Strom- und Wärmeverbrauch für Heizung und Klimatisierung um 10 % gesenkt werden.
Wasserversorgung und Klimatechnik
Neben der Begrenzung der FCU-Regelungsbreite wurde vor allem auf Nutzersensibilisierung gesetzt. Das technische Personal wurde zu regelmäßigen Kontrollen des FCU-Betriebszustands unter Beachtung der aktuellen Situation der Zentralanlage angehalten. Die Raumnutzer wurden über energieeffizientes Heizen und Kühlen beraten und eine verbrauchs- und nutzerbezogene Abrechnung eingeführt.
Eine Umstellung der Warmwasserversorgung auf dezentrale Durchlauferhitzer hätte jährliche Einsparungen von nur knapp 11000 Euro bei Investitionen von gut 230000 Euro erzeugt und rechnet sich daher nur auf sehr lange Sicht. Durch Optimierung des Warmwassersystems, speziell durch Reduzierung der Betriebszeiten der Zirkulation, konnten kleinere Einsparungen ohne zusätzliche Investitionen erreicht werden. Auch war die Senkung des Wasserverbrauchs durch Reduzierung der Spülmengen der Toiletten ohne besondere Aufwendungen möglich. Der Einbau von Durchflussbegrenzern an den Armaturen erforderte weniger als 20000 Euro – alle drei Maßnahmen zusammen senken die jährlichen Wasserkosten um über 3300 Euro.
Anpassungen an Tarifstruktur
Mit der stufenweisen Einführung eines Energiemanagement-Systems wurde eine exakte Dokumentation des Leistungsbezugs eingerichtet und sorgt für eine langfristige Speicherung der Messwerte, um langfristige Trends erkennen und dann darauf reagieren zu können. Auch wird so eine Signalisierung bei Überschreitung vorgegebener Grenzwerte möglich, um frühzeitig gegenzusteuern.
Durch bessere Berücksichtigung der Tarifstruktur wurden Anlagenbetriebszeiten zu Zeiten teurer Bezugskosten eingeschränkt bzw. verlagert, soweit das betriebstechnisch möglich war. Mit geringem Aufwand konnten die Leerlaufverluste durch eine Reduzierung der Transformatorenanzahl minimiert werden. Die Beleuchtungssysteme boten verschiedene Einsparmöglichkeiten, insbesondere durch den Einsatz schwächerer Leuchtmittel sowie das Dimmen der Büro- und Flurbeleuchtung. So wurde in den Fluren die Leistung der Lampen um 20 % und in den Büros um 5 bis 10 % gesenkt, ohne Komforteinschränkungen für die Nutzer. Auch angepasste Zeiten für die Beleuchtung der Tiefgarage und der Fassade trugen zu den jährlichen Einsparungen von über 26000 Euro bei.
Wirtschaftlicher Mehrwert
Auf Basis der genauen Untersuchungen und Messungen konnte das Experten-Team Maßnahmen zur energetischen Optimierung des Bürogebäudes ableiten. Auch ließ sich die Höhe der Einsparungen und Kosten im Vorfeld berechnen, womit die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen quantifiziert wird. Eine unbedingte Voraussetzung für den Gebäudeeigentümer, um sich auf der Basis konkreter Zahlen sachlich fundiert für oder gegen bestimmte Maßnahmen zu entscheiden. Für den Warta Tower wurde beispielsweise berechnet, dass ein Austausch der Glasfassade zwar die Jahresenergiekosten um 8 % senken würde – jedoch zu unvertretbar hohen Investitionskosten.
Durch die Anpassungen der RLT-Anlagen ließen sich die Gesamtenergiekosten um 7 % senken – ohne Investitionskosten. Gesamteinsparungen von 20 % ermöglichten die Optimierung der Systeme für Klimatechnik, Wasserversorgung und Beleuchtung sowie der Einsatz von insgesamt rund 185000 Euro für neue Ventilatorantriebe sowie das Dimmen der Beleuchtung. Die Investitionen amortisieren sich in nur 18 Monaten.
Thomas Eulert
Dipl.-Ing., Abteilung Elektro- und Gebäudetechnik bei der TÜV Süd Industrie Service GmbH
Komplexe Energieberatung
Erst die detaillierte und interdisziplinäre Betrachtung von Energiebezug und Energieeinsatz erschließt Potenziale zur Kostensenkung maximal. TÜV Süd Industrie Service nennt diesbezüglich seine Unterstützung bei Analyse und Umsetzung „Komplexe Energieberatung“. Sie umfasst zwei Phasen:
Entscheidungsfindung
• Systematische Analyse des energetischen Ist-Zustandes anhand von Unterlagen, Konsultationen und Vor-Ort-Begehungen• Durchführung ergänzender Messungen zur Verbesserung der Bewertungsgrundlagen und Schließen von Lücken in der Energiebilanz• Darstellung der Optimierungspotenziale, Erarbeitung von Varianten zur Erschließung unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit• Auswahl optimaler Varianten zur Umsetzung unter Berücksichtigung betrieblicher Prioritäten
Realisierung
• Projekt- und Genehmigungsmanagement für die Umsetzung der optimalen Varianten• Ermittlung des erreichten Einsparpotenzials, ggf. durch Abnahme- und Gewährleistungsmessungen, Implementierung eines Energiemanagementsystems
Warta Tower
Hauptmieter des Warta Towers ist Polens zweitgrößte Versicherungsgesellschaft, die auch gleichzeitig Eigentümer des Gebäudes ist. Das zwischen 1998 und 2000 erbaute Bürohochhaus hat 22 Stockwerke auf 88 m Gesamthöhe. Turm und Eingangshalle sind mit einer Glasfassade ausgestattet, während weitere Gebäudeteile mit Glas-/Natursteinfassade ausgeführt sind.
Elektrizität bezieht der Warta Tower über vier Transformatoren-Stationen mit je zwei 1000-kVA-Trafos. Die Klimatisierung des Gebäudes erfolgt über ein Zonenprinzip. Innerhalb der Zonen kann über Ventilatorkonvektoren individuell nachgeregelt werden. Die Zu- und Abluftanlagen sind Zentralgeräte mit einstufigem Konstantvolumenstrom, der über Zeitprogramme geregelt wird.