Mehr als die Hälfte der bundesweit eingesetzten Endenergie wird für die Wärmeerzeugung genutzt, der überwiegende Teil davon sind fossile Brennstoffe aus endlichen Vorkommen und zu einem hohen Anteil abhängig von Importen. Es ist deshalb ein nachvollziehbares politisches Ziel, den Heizenergieverbrauch nicht allein aus Klimaschutzgründen in den kommenden Jahren drastisch zu reduzieren und – wo immer möglich – verstärkt auf regenerative heimische Energieträger umzusteigen. Insbesondere im Gebäudebestand schlummert für dieses Ziel noch ein immenses Potenzial, das es auszuschöpfen gilt.
Doch die Investitionen in eine Gebäudesanierung wie in die Heizanlagenerneuerung sind kostspielig – sowohl für die Investoren (Eigenheimbesitzer oder Wohnungsgesellschaften, aber auch Unternehmen mit Betriebsgebäuden), die Eigenmittel aufbringen müssen, aber auch für den Staat, der mit Förderprogrammen sinnvoll lenkend eingreifen und unterstützen möchte. Nur selten wird das Optimum in einem Maßnahmenpaket erreicht werden können – sofern überhaupt klar ist, was das Optimum im Einzelfall ist.
„Schüsse in den Nebel“ beziehungsweise Investitionen nach dem Gießkannenprinzip verfehlen das Optimum mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit. Trotzdem wird bei Sanierungen in der Praxis allzu oft genauso verfahren. Da wird bei der 1930er-Jahre-Villa ein wenig das Dach gedämmt, es werden ein paar alte Fenster ausgetauscht, vielleicht noch die Fassade isoliert. Für den unwirtschaftlichen 20 Jahre alten Heizkessel ist das Geld dann erst einmal aufgebraucht, und für die möglicherweise höchst sinnvollen Zusatzinvestitionen in Solarthermie ist erst recht nichts mehr da. Überhaupt: Wäre hier ein Holzpellet- oder ein Öl-Brennwertheizkessel sinnvoller? Wie schnell amortisiert sich die neue Heizung bei jährlichen Energiepreissteigerungen von 5 %, wie schnell, wenn es 7 % sein werden?
Energie-Einsparmatrix
Dies herauszufinden, und zwar für verschiedenste Gebäudetypen und unterschiedlichste Kombinationen von Dämmmaßnahmen im Vergleich mit Investitionen in regenerative sowie konventionelle Wärmeerzeuger, war der Forschungsauftrag der Hochschule Bremerhaven. Das Ergebnis ist die Energie-Einsparmatrix, ein kleines Programm, das in Sekundenschnelle eine Orientierung über eine sinnvolle Strategie für energetische Maßnahmen am und im Gebäude liefern kann.
„Wir haben Berechnungen für ungefähr 80 verschiedene Kombinationen in der Matrix hinterlegt, die sich nach Belieben parametrieren lassen,“ erklärt Forschungsleiter Prof. Dr.-Ing. Thomas Juch, der mit einem Lächeln einräumt, „eine besondere Schwäche für unübersichtliche Tabellen“ zu haben. „Mit der Energie-Einsparmatrix hat das vernetzte Denken, das mittlerweile in allen Lebensbereichen vorausgesetzt wird, endlich auch in das komplexe Wirkungsgefüge der energetischen Gebäudebeurteilung Einzug gehalten“, erklärt Juch. „Konkrete Handlungsanweisungen lassen sich aus der Energie-Einsparmatrix zwar nicht ableiten, dafür ist nach wie vor die einzelfallbezogene Analyse eines Energie(spar)beraters erforderlich. Die Energie-Einsparmatrix kann aber Architekten und Fachplanern schnell wertvolle Anhaltswerte liefern, wie sich einzelne Maßnahmen primärenergetisch und endenergetisch auswirken und welche Folgen das auf der Energiekostenseite haben wird. Sie kann also eine Argumentationshilfe bei Kundengesprächen sein.“
Nicht oder sondern und
Spannend ist da noch die Frage, ob sich denn aus der Forschungsarbeit an der Energie-Einsparmatrix ganz allgemeingültige Aussagen ergeben haben, zum Beispiel, ob denn generell eher in den Dämmstandard eines Hauses investiert werden sollte oder in die Heizanlagentechnik. Und darauf kann Thomas Juch in der Tat eine interessante Antwort geben: „Die Berechnungen zeigen eindeutig, dass aus rein wirtschaftlichen Aspekten der Kesseltausch die sinnvollste Ad-hoc-Sanierungsmaßnahme ist. Der Montageaufwand ist ausgesprochen gering, und die Maßnahme ist ohne große Störungen im Wohnbereich zu überschaubaren Kosten schnell durchzuführen. Durch zusätzliche Dämmmaßnahmen am Gebäude lässt sich die Energiebilanz natürlich noch maßgeblich weiter steigern. Wo immer möglich, sollte es also nicht heißen: Heizanlagentechnik oder Dämmstandard verbessern, sondern Heizanlagentechnik und Dämmstandard optimieren.“ DR
Hinweis: Diese Online-Version des Artikels wurde nach der Printveröffentlichung aktualisiert.