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- Deutschlandweit gibt es bisher keine systematische Qualitätssicherung von Erdwärmesonden. Auch in Baden-Württemberg werden die dort vorgeschriebenen „Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden“ noch nicht flächendeckend umgesetzt. Das erhöht das Haftungsrisiko durch von Erdwärmesondenbohrungen ausgelöste Schäden und verschlechtert tendenziell die Wirtschaftlichkeit einer Geothermieanlage.
- Die BIM-Planungsmethode für geothermische Wärmepumpenanlagen könnte die Planung und Berechnung wesentlich vereinfachen, die Kompetenz der beteiligten Fachplaner verlustlos zusammenführen und helfen, typische Fehler zu vermeiden.
- Neben den komplexen Aspekten des Verfüllvorgangs wird zurzeit auch an der besseren Berechnung und intelligenten Bewirtschaftung von Sondenfeldern sowie der Verringerung der Verluste und thermischen Kurzschlüsse von der Quelle bis zur Wärmepumpe geforscht.
Das von Schäden durch Erdwärmesondenbohrungen besonders betroffene Baden-Württemberg entwickelt sich zum Musterland in Sachen Qualitätssicherung von Erdwärmesonden (EWS). Allerdings scheinen die vom Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Stuttgart per Erlass herausgegebenen „Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden“ (LQS-EWS [1]) noch nicht flächendeckend zu wirken. Wie es heißt, verfügen viele Kontrollinstanzen noch nicht über das notwendige technisch geschulte Personal, derweil viele Bohrunternehmen nur lückenhafte Dokumentationen über niedergebrachte Erdwärmesonden bei den zuständigen Ämtern vorlegen.
Währenddessen arbeiten Forschungsinstitute wie Solites weiter an der Erforschung des Verfüllvorgangs, an der Qualitätssicherung am Bohrloch und an zuverlässigeren Berechnungsmethoden, auch um dem erheblichen Imageschaden durch fehlerhafte Erdwärmesondenbohrungen entgegenzuwirken.
Fast alle Länder ignorieren LQS-EWS
Mit der rechtsverbindlichen Einführung der LQS-EWS in Baden-Württemberg zogen die Verantwortlichen einen Schlussstrich unter den Schlendrian rund um das Bohrloch und den dadurch entstandenen bundesweiten Imageschaden für die Branche. Ein Gremium aus Vertretern von Behörden, Sachverständigen und Firmen hat dazu einen Leitfaden erarbeitet, der viele Arbeitsschritte neu regelt, Mindestanforderungen an Personal, Materialien, Systeme und Bohrung aufstellte sowie den Verfüllvorgang bei Erdwärmesonden neu definiert. Parallel dazu wurden neue Versicherungslösungen entwickelt und verpflichtend eingeführt.
Nach den Erfahrungen von Frank Burkhardt von der Burkhardt Ingenieurgesellschaft, Neuweiler im Landkreis Calw, hat dieses in Baden-Württemberg per Erlass eingeführte Regelwerk jedoch nicht bei allen in der oberflächennahen Geothermie tätigen Unternehmen die notwendige Akzeptanz gefunden. Insbesondere einzelne Hersteller von Mischern und Verfüllmaterial würden sich über die Vorgaben der LQS-EWS hinwegsetzen, obwohl die Anforderungen klar formuliert sind:
„Einfach handelsübliche Mischer vorzugeben, reicht nicht aus, die Kriterien der LQS-EWS zu erfüllen…“, heißt es im Text der LQS-EWS und weiter: „das Verfüllmaterial ist vollständig aufzuschließen und zu durchmischen […]. Grundsätzlich sind automatisch gravimetrisch dosierende Kolloidal-Mischanlagen Abb. 2 einzusetzen.“
Burkhardt berichtet: „Vielfach wird von den Bohrfirmen die Spülwanne als Mischanlage eingesetzt. Die Spülwanne hat jedoch die Funktion, Feststoffe aus der Bohrspülung abzusetzen und eignet sich in keinem Fall als Mischanlage.“ Beim Anmischen von Suspensionen werde genau das Gegenteil benötigt, nämlich eine homogene Verteilung aller in der Suspension enthaltenen Stoffe. Verpflichtend sei auch, Trinkwasser für die Anmischung zu verwenden und kein Wasser aus der Bohrspülung, betont Burkhardt.
Für den Abdichtungsvorgang im Bohrloch ist in Baden-Württemberg – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – eine automatische Überwachung und Dokumentation des Verpressvorgangs vorgeschrieben. Burkhardt favorisiert hierfür das Verfahren CemTrakker Abb. 3, das mit dem Messprinzip der magnetischen Suszeptibilität arbeitet, also den Einsatz von (teurerem) Magnetit-Verfüllmaterial voraussetzt. Wegen der zusätzlichen Kosten für das Mess- und Dokumentationssystem inklusive Fortbildung der Bohrführer sowie der höheren Kosten für das Verpressmaterial und den Verpressvorgang verhalte sich die Branche gegenüber der automatischen Abdichtungsüberwachung noch zurückhaltend. Burkhardt: „Es ist offensichtlich, dass nicht jedes Bohrunternehmen an einer derart genauen Dokumentation interessiert ist.“
Vertreter der zuständigen Behörden bemängelten, dass sich trotz amtlichen Erlasses immer noch viele Bohrfirmen über die Dokumentationspflicht hinwegsetzen bzw. die Dokumentation und deren Interpretation nicht an die Behörde weitergegeben werden. Burkhardt bedauert, dass die umfassenden Erkenntnisse in Baden-Württemberg in der Qualitätssicherung von Erdwärmesonden bisher von anderen Bundesländern weitgehend ignoriert werden: „Probleme mit Gips und Anhydrid werden dort vielfach übergangen und Messsysteme aus Unwissenheit schlechtgeredet.“
Im Vergleich zu den LQS-EWS von Baden-Württemberg seien viele landesspezifische Vorschriften praxisfremd, da sie nicht den Stand der Technik widerspiegeln. Paradox sei, dass zum Teil dotiertes Verpressmaterial vorgeschrieben ist, nicht aber die dazugehörende Messung. „Es ist ein Armutszeugnis, dass aus den Fehlern, die in Baden-Württemberg erkannt wurden, nicht bundes- oder europaweit gelernt wird. Der Lernprozess rund um die Qualitätssicherung von Erdwärmesonden in Baden-Württemberg hätte durchaus Vorbildcharakter“, resümiert Burkhardt.
EWS-Verfüllung weiter in der Diskussion
Erdwärmesondenanlage, Heizungswärmepumpe und Wärmeübergabesystem arbeiten nur dann optimal zusammen, wenn Planung bzw. Ausführung in einer Hand liegen. Meist tritt das Bohrunternehmen und damit der Ersteller der EWS-Anlage als Subunternehmer des TGA-Fachbetriebs auf – oder das Bohrunternehmen wird vom Bauherrn beauftragt. Dann liegt das Haftungsrisiko für die EWS-Anlage allein beim Bauherrn.
Bei der Schadensanalyse von EWS-Anlagen in Baden-Württemberg hat sich gezeigt, dass fast alle Schäden durch eine nicht sachgerechte Verfüllung der Bohrlöcher entstanden sind. Ulrich Santherr, Santherr Geothermietechnik, Kisslegg, weist darauf hin, dass nicht sachgerecht verfüllte Erdwärmesonden nicht nur ein Sicherheitsrisiko für den Auftraggeber darstellen, sondern oft auch die geforderte Entzugsleistung nicht erbringen und damit dauerhaft höhere Betriebskosten verursachen.
Deshalb sei es wichtig, die in Baden-Württemberg (theoretisch) verbindliche automatische Überwachung des Abdichtungsvorgangs im Bohrloch auf breiter Basis anzuwenden und die noch vorhandenen Wissenslücken bei den Bohrfirmen und Behörden möglichst bald zu schließen.
Santherr: „Die Behörden sollten nicht jedes vom Bohrunternehmen vorgelegte Protokoll akzeptieren. Wir sind bei der automatischen Abdichtungsüberwachung noch nicht im grünen Bereich, das zeigen die Verkaufszahlen bei den automatischen Überwachungseinrichtungen. Neben den Mitarbeitern der Bohrfirmen sollten auch Sachverständige und Behörden durch die Gerätehersteller besser geschult werden, denn die Interpretation der Prüfprotokolle lässt einen größeren Spielraum zu. Der alte Bohrerspruch ‚wenn das Bohrloch voll ist, ist alles gut‘, reiche nicht aus, um einen Bohrvorgang abzuschließen.“
Auch der Bauherr müsse die Dokumente einfordern, denn dieser trage bei der Bohrung von Erdwärmesonden das größte Risiko. In der anschließenden Diskussion war dann viel von schwarzen Schafen die Rede und vom Vertrauensverlust gegenüber den Bohrunternehmen, von denen sich immer noch zu viele über alle Regeln hinwegsetzen, auch im LQS-EWS-Musterland Baden-Württemberg.
Eine übergeordnete Norm fehlt bisher
Ganzheitliche Ansätze bei der Planung von erdwärmegekoppelten Wärmepumpenanlagen sowie der dazu passenden gebäudetechnischen Anlagen sind heute noch eher selten. Holger Kaiser, GWE pumpenboese, Peine, weist darauf hin, dass die einschlägigen Regelwerke aus Geothermie und Technischer Gebäudeausrüstung keine gewerkeübergreifenden Vorgaben enthalten. Die Funktion einer geothermischen Wärmepumpenanlage hänge somit von der Sachkunde und der Erfahrung der jeweiligen Ingenieurbüros und Unternehmen ab. Damit seien Schnittstellenverluste schon vorprogrammiert.
Grundsätzlich erfordere die Planung einer erdgekoppelten Wärmepumpenanlage mit dem dazu passenden Wärmeverteilsystem einen interaktiven Prozess, da bei ihm die wesentlichen gewerkespezifischen Größen direkt voneinander abhängen. Ein tech-nisches wie auch wirtschaftliches Optimum entstehe nur, wenn die Planungsschnittstellen vorab richtig definiert sind. Am einfachsten sei dies heute mit der BIM-Planungsmethode zu erreichen, da (nur) so die Kompetenz der einzelnen Fachplaner verlustlos zusammengeführt werden könne. Durch die damit mögliche Interaktion zwischen der Planung der Wärmesenke bzw. der Wärmequelle, der Auslegung der Wärmepumpe und dem Wärmeverteil- bzw. Temperiersystem könne ein Optimum an Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit erreicht werden.
Wichtigstes Verbindungsglied zwischen Geothermieanlage und Haustechnik sei das jeweilige Wärme transportierende bzw. Wärme abführende Rohrleitungssystem, das wegen der auf beiden Seiten meist geringen Temperaturdifferenzen Effizienz, Wirtschaftlichkeit und Betriebssicherheit der Wärmepumpe entscheidend beeinflusst. Dies erfordere ein hohes beiderseitiges Verständnis der Gewerke Haustechnik und Geothermie, betont Kaiser. Zu den typischen Schwachstellen bei geothermischen Wärmepumpenanlagen zählen:
- zu kurze EWS, die (deswegen) mit zu tiefen Soletemperaturen betrieben werden
- hydraulische Probleme
- eingefrorene Leitungen, da Wasser bei Unterdruck bereits ab 4 °C in der Wärmepumpe gefriert
- Verschmutzungen in den Rohrleitungen (höherer Druckverlust)
- überdimensionierte Umwälzpumpen (beeinflussen die Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe negativ)
- fehlerhafte Annahmen von Entzugsleistungen bei Erdwärmesonden
- überdimensionierte Wärmepumpenanlagen
- fehlerhaft eingestellte Wärmepumpenregler
Kaiser ist überzeugt, dass die breite Einführung der BIM-Methode bei geothermischen Wärmepumpenanlagen Abb. 4 die Planung und Berechnung wesentlich vereinfacht und damit die typischen Fehler der Vergangenheit angehören müssten. Dennoch sollte man nicht vergessen, alle Kugelhähne im Verteiler vor der Inbetriebnahme zu öffnen; eine offensichtlich häufig vorkommende Nachlässigkeit.
Sondenfelder intelligent bewirtschaften
Wer überschlägig die erforderlichen Gesamtrohrmeter errechnet, daraus die Sondentiefe festlegt, alle Sonden gitterförmig und gleichartig miteinander verbindet, der vergibt womöglich große Optimierungspotenziale bei Effizienz und Wirtschaftlichkeit von geothermischen Wärmepumpenanlagen. Prof. Dr. Peter Bayer von der Technischen Hochschule Ingolstadt ging es zunächst nur um eine modellgeführte, mathematische Optimierung von Erdwärmesondenfeldern.
Die hypothetischen Beispiele machten jedoch schnell klar, dass die vorherrschende gitterartige Anordnung von EWS-Feldern und ihre gleichartige Bewirtschaftung erst der Beginn einer Lernkurve sind. Die Modellrechnungen lassen vermuten, dass andere EWS-Konstellationen nicht nur wirtschaft-licher arbeiten, sondern über die Lebenszeit eines Sondenfeldes auch ein besser ausgeglichener Wärmehaushalt im Erdreich gesichert werden kann. Letztendlich könne damit einer Langzeitvereisung des Sondenfelds vorgebeugt werden. Folgende Optionen wurden u. a. berechnet:
- flexibel angeordnete Sondenfelder (Fläche, Rahmenbedingungen)
- individuelle Regelung der Sonden nach Heiz- und Kühl-Lastkurven
- Vergleich flache / tiefe Erdwärmesonden mit / ohne Grundwasserfluss
- Einsatz unterschiedlicher Baustoffe bei der Verpressung der EWS
- Teilisolierung der Sonden nahe der Erdoberfläche
- Simulation der Temperaturentwicklung eines Sondenfelds in 30 Jahren
Die theoretischen Ergebnisse sind jedoch auch für den Praktiker interessant, denn sie eröffnen neue Möglichkeiten, auch „schwierige“ Sondenfelder nachträglich zu optimieren. Dies gilt insbesondere für Sondenfelder mit saisonal unausgeglichener Wärmeentnahme. Dort kann es günstiger sein, die Sonden im Randbereich des Sondenfelds stärker zu beaufschlagen.
Will man den Grundwasserfluss stärker in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von Sondenfeldern einbeziehen, müssen auch saisonale Veränderungen berücksichtigt werden, so Bayer. Auch könnten Temperaturanomalien gezielt erzeugt werden, zum Beispiel für die saisonale Speicherung von Wärme und Kälte.
Durch das allgegenwärtige Thema Sektorkopplung spielen künftig die EWS-Anordnung zusammen mit den thermophysikalischen Eigenschaften des Untergrunds eine größere Rolle; Sondenabstände können hier durch mathematische Optimierungsverfahren nach der gewünschten Speicherkapazität berechnet werden, empfiehlt Bayer. Eine wichtige Optimierungsgröße für die Gesamteffizienz der Wärmepumpe wird mit Sicherheit die Teilisolierung von EWS und ihren oberflächennahen Verteilleitungen sein. Hierzu liefern die Modellrechnungen von Bayer belastbare Daten – für eine bisher völlig außer Acht gelassene Optimierungsgröße Abb. 6.
Planungswerkzeuge verfeinern
Auch Prof. Dr.-Ing. Roland Koenigsdorff, Hochschule Biberach, ist überzeugt, dass in Zukunft Anbindeleitungen, Grundwasserfluss, Wärmetransport im Erdreich und im Quellsystem sowie ein möglicher Phasenwechsel im Sondenfeld, sprich Vereisung des Erdreichs, stärker in die Planungswerkzeuge mit eingebunden werden müssen. Ziel sei es, diese oftmals signifikanten thermischen Einflüsse künftig in den üblichen vereinfachten Auslegungsmodellen, beispielsweise EED (Earth Energy Designer) und GEO-HandLight zu berücksichtigen.
Dr. David Kuntz, tewag, Regensburg / Starzach-Felldorf, plädiert dafür, die thermische Aktivität horizontaler Rohrleitungen zur Anbindung von Erdwärmesonden bei der Auslegung der Anlage mit zu berücksichtigen. Insbesondere bei weitläufigen Sondenfeldern käme es zu nicht vernachlässigbaren thermischen Gewinnen bzw. Verlusten, aber auch zum thermischen Kurzschluss zwischen den Vor- und den Rücklaufleitungen.
Vor allem bei kalten, nicht wärmegedämmten Nahwärmeverbundnetzen mit teilweise mehreren Hundert Meter langen Anschlusstrassen zu den Verbrauchern sollten Wärmegewinne und Wärmeverluste bilanziert werden, um ggf. Entscheidungen für oder gegen eine Wärmedämmung der Rohrleitung abzusichern. Derzeit sei eine detaillierte Betrachtung des jeweiligen Anwendungsfalls notwendig; von Pauschalierungen und Verallgemeinerungen rät Kuntz beim heutigen Kenntnisstand ab.
„Wasser angetroffen“ reicht nicht
Warum ist bei manchen Erdwärmesonden bei gleicher Länge ein höherer Wärmeentzug möglich? Warum ist die spezifische Leistung kurzer Erdwärmesonden in Ballungsgebieten höher als auf dem Land? Und warum bilden sich um manche Erdwärmesonden regelrechte Eispanzer?
Untersuchungen in der Schweiz haben ergeben, dass fließendes Grundwasser und ein anthropogener (menschengemachter) Wärmeeintrag die Leistung einer Erdwärmesonde positiv beeinflussen. Vorausgegangen war die Studie „Grenzabstände bei Erdwärmesonden – Untersuchungen zu neuen Bemessungs- und Planungsgrundlagen“ der Stadt Zürich, Fachstelle Energie- und Gebäudetechnik.
Aufgrund der vorliegenden Daten warnt Dr. Joachim Poppei, Abteilungsleiter CSD Ingenieure, Aarau, Schweiz, vor einem zu starken geothermischen Wärmeentzug durch Erdwärmesonden in dicht bebauten Gebieten. Bei zu enger Bebauung und intensiver geothermischer Nutzung des Erdreichs könne es zu irreversiblen Eisbildungen in den Sondenfeldern kommen.
Auf der anderen Seite gebe es Sonden, die sich anhaltend regenerieren und mehr Leistung erbringen als vorausberechnet. Während der Wärmeentzug in dichten Bebauungen inzwischen als „berechenbar“ gilt, lassen sich Wärmegewinne durch fließendes Grundwasser und durch anthropogenen Wärmeeintrag mithilfe der bisherigen Verfahren und Normen zur Dimensionierung von Erdwärmesonden noch nicht berücksichtigen, so Poppei. Eine hydrogeologische Erkundung lohne sich jedoch nur bei größeren Erdwärmesondenfeldern, denn dazu sei ein ausgebautes Bohrloch notwendig. In bestimmten geologischen Formationen könne man damit rechnen, dass Erdwärmesondenbohrungen auch tiefer gelegene Grundwässer durchteufen und damit eine stärkere Regeneration stattfindet.
Für eine höhere Regeneration einer Erdwärmesonde müsse die Fließgeschwindigkeit des Grundwassers mehr als 0,1 m/a betragen (Anmerkung: Dr. Poppei hat diesen extrem niedrigen Wert auf Anfrage bestätigt). In Großstädten könne aus dem Anteil des anthropogenen Wärmeeintrags durch die dichte Bebauung, Fernwärmetrassen, Abwassersysteme, ggf. auch durch U-Bahn-Trassen, eine durchaus kalkulierbare Temperaturerhöhung abgeleitet werden. Allerdings seien die Effekte bei Erdwärmesondenlängen von 100 m und mehr sehr begrenzt, sodass daraus noch kein „Bonus“ abgeleitet werden könne.
Bei der Auslegung von relativ flachen Erdwärmesondenfeldern könnten dagegen die Gewinne aus dem anthropogenen Wärmeeintrag mit angerechnet werden; das spare unter Umständen EWS-Längen. Wegen des zunehmenden Wärmeentzugs in dicht bebauten Gebieten bzw. des Trends zur Zentralisierung von Versorgungslösungen (größere Erdwärmesondenfelder zur Versorgung ganzer Liegenschaften) müsse künftig der standortkonkreten Erkundung von Regenerationsmöglichkeiten für Erdwärmesonden bzw. zusätzlichen anthropogenen Wärmeangeboten mehr Beachtung geschenkt werden, resümiert Poppei.
Bei U-Sonden auf Bündelung verzichten
Nach den schwerwiegenden Schäden durch Erdwärmesondenbohrungen in Baden-Württemberg investiert das Land auch weiterhin in Forschung und Entwicklung im Bereich der oberflächennahen Geothermie. Bei der Aufdeckung von Schwachstellen spielt das zur Steinbeis-Stiftung gehörende interdisziplinäre Forschungsinstitut Solites, Stuttgart, eine maßgebliche Rolle. Auch bei der Umsetzung neuer Technologien, für die noch kein Stand der Technik existiert, gilt das Institut als Vorreiter.
Nach dem Verbundvorhaben „EWS plus, Untersuchungen zur Qualitätssicherung von Erdwärmesonden“ und „EWS-tech II, Untersuchungen zur Verfüllqualität von Erdwärmesonden“ hat Solites ein Messverfahren zur Bestimmung des effektiven thermischen Bohrlochwiderstands von Erdwärmesonden entwickelt. Die Erkenntnis: Je geringer der thermische Bohrlochwiderstand Rb,eff einer Erdwärmesonde, desto besser sind ihre Wärmeübertragungseigenschaften.
Laut Mathieu Riegger von Solites soll sich das auf „kalibrierten Schenkelabständen“ aufbauende Messverfahren – gemeint sind die Rohrabstände von Doppel-U-Sonden – besonders für Anlagen mit wenigen Erdwärmesonden eignen, bei denen aus Kostengründen kein Thermal Response Test durchgeführt wird. Weitere wichtige Erkenntnisse aus dem Projekt sind:
- möglichst thermisch verbessertes Verfüllmaterial mit einer Wärmeleitfähigkeit von ca. 2 W/(m K) verwenden
- auf Maßnahmen zur Bündelung der Sondenrohre in kurzen Abständen verzichten
- turbulente Strömung in den Sondenrohren anstreben
Weiterführende Informationen enthält [2].
Fazit
Die im Oktober 2011 in Baden-Württemberg per Erlass eingeführten „Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden“ werden bisher eher zögerlich umgesetzt. Viele Bohrunternehmen scheuen die Investition in Mess-geräte zur automatischen Überwachung und Dokumentation des Verfüllvorgangs. Auch die Behörden scheinen die LQS-EWS noch nicht flächendeckend einzufordern. Bundesweit tätige Bohrfirmen aus Baden-Württemberg bedauern, dass in anderen Bundesländern die Vorarbeit des Südweststaats bislang wenig Resonanz findet.
Auch bei der Abstimmung der Gewerke Erdwärmesonde, Wärmepumpe und Wärmeübergabesystem scheint noch Optimierungsbedarf zu bestehen. Fachleute kritisieren das Fehlen gewerkeübergreifender Normen zur Optimierung geothermischer Wärmepumpenanlagen. Ein neues Feld der Optimierung und damit der langfristigen Einsparung von Betriebskosten ist die gezielte thermische Entkoppelung von Vor- und Rücklaufleitungen mittels Wärmedämmung sowie die Berücksichtigung von Grundwasserströmungen zur Regeneration von größeren Sondenfeldern und eng niedergebrachten Erdwärmesonden in Wohnsiedlungen.
Literatur
[1] Leitlinien Qualitätssicherung Erdwärmesonden (LQS EWS). Stuttgart: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg, 7. Oktober 2011, www.um.baden-wuerttemberg.de
[2] Riegger, Mathieu: Entwicklung eines Messverfahrens zur Bestimmung des effektiven thermischen Bohrlochwiderstands von Erdwärmesonden. Stuttgart: Dissertation, Institut für GebäudeEnergetik, Universität Stuttgart, 2018
Direktnutzung mitteltiefe Geothermie
Die Niederlande wollen künftig vermehrt die oberflächennahe und mitteltiefe Geothermie zur Beheizung von Gewächshäusern, aber auch für Wohn- und Geschäftshäuser nutzen. Andreas Steiler, Herrenknecht, Schwanau, und Kees van der Zalm, Visser & Smith Hanab, Niederlande, stellten gemeinsam das neue Bohrverfahren „VertiZontal“ zur direkten Nutzung des geothermischen Potenzials vor. Anstatt einer sogenannten geothermischen Dublette (eine Förderbohrung, eine Injektionsbohrung), wie sie in der Tiefengeothermie üblich ist, bevorzugen die beiden Unternehmen mitteltiefe Erdwärmesonden mit Längen zwischen 500 und 1250 m. Die so gewonnene „Low Temperature Geothermal Heat“ (LTA) gilt in den Niederlanden als ungleich wirtschaftlicher als die Tiefengeothermie, auch weil dafür ein Bohrverfahren verwendet wird, das sich in der Erschließung kleiner und unkonventioneller Öl- und Gasvorkommen offensichtlich bestens bewährt hat. Dieses Bohrverfahren, genannt Slant Directional Drilling (SDD), vereint die horizontale Bohrmethode mit den Vorteilen des vertikalen Bohrverfahrens. Die möglichen Eintrittswinkel liegen in einem Bereich zwischen 8 und 90° zur Vertikalen. Außerdem können mit diesem Bohrverfahren senkrechte Bohrungen in einer definierten Tiefe horizontal abgelenkt werden. Das erste Projekt von Visser & Smith Hanab mit diesem Verfahren erfolgt in Zevenbergen bei Breda. Von Vorteil ist, dass mit dieser Kombination aus horizontalem und vertikalem Bohrverfahren von einer Bohrstelle aus ein definiertes Gebiet für die geothermische Nutzung erschlossen werden kann.
Wolfgang Schmid
ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de