Kompakt informieren
- Bei den relativ seltenen Schadensereignissen im Zusammenhang mit einer Geothermiebohrung sind oft auch Unbeteiligte betroffen, die Regulierung ihrer Schäden ist aber nicht verbindlich sichergestellt.
- Der BWP hat jetzt eine Bohrversicherung initiiert, die auch dann haftet, wenn kein Verschulden vorliegt oder nachgewiesen werden kann.
- Ein für die BWP-Mitglieder verpflichtendes Qualitätspaket setzt Forderungen des Umweltministeriums von Baden-Württemberg um, und soll die Risiken im Zusammenhang mit Geothermiebohrungen verringern.
In Eltingen bei Leonberg ist vor wenigen Tagen eine große Last von 25 Hauseigentümern genommen worden. Laut Stuttgarter Nachrichten stellt die Allianz AG bis zu 3 Mio. Euro für die Sanierung ihrer Gebäudeschäden zur Verfügung, die nach einer Geothermiebohrung Ende Juli 2011 aufgetreten sind. Es wird angenommen, dass durch das Bohrloch zwei grundwasserführende Schichten verbunden wurden und dadurch der Grundwasserspiegel abgesackt ist. Laut dem Zeitungsbericht war das Umweltministerium von Baden-Württemberg vor der Ankündigung der Schadenregulierung bei der Versicherung der Bohrfirma vorstellig geworden.
Auf die Geothermie-Branche hat Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller jedoch mehr als nur sanften Druck ausgeübt. Nachdem es kurz nach dem Vorfall in Eltingen wenige Kilometer entfernt nach einer Geothermiebohrung zu einer weiteren Grundwasserabsenkung kam, zog Untersteller die Notbremse. Mitte August hat er im Ländle eine generelle Tiefenbegrenzung oberflächennaher Geothermiebohrungen bis zum ersten Grundwasserstockwerk verordnet.
Die Beschränkung könne jedoch wieder zurückgenommen werden, hatte er gleichzeitig in Aussicht gestellt. Die Genehmigung von tieferen Bohrungen sei von praxistauglichen Vorschlägen der Geothermie-Branche abhängig, wie Qualitätsstandards bei Bohrungen künftig eingehalten und überwacht und wie Geschädigte bei Verstößen schnell entschädigt werden können. Es folgten Treffen mit der Branche…
…und eine Reaktion der Branche. Am 12. September hat der Bundesverband Wärmepumpe (BWP) ein für seine Mitglieder verpflichtendes Qualitätspaket verkündet, das die am 8. September von Untersteller veröffentlichten Forderungen umsetzt. Viel Spielraum gab es dabei nicht. „Von der Branche wird erwartet, dass die Vorgaben ‚auf Punkt und Komma‘ eingehalten werden“, ließ Untersteller verbreiten. Die terminliche Abfolge zeigt allerdings, dass da schon eine enge Abstimmung stattgefunden hatte, um unbeteiligte Gebäudeeigentümer künftig besser vor Bohrungsschäden zu schützen.
Das BWP-Qualitätspaket umfasst qualitätssichernde Maßnahmen in den BWP-Bohrunternehmen, wie die Anwendung des überarbeiteten DVGW-Arbeitsblatts W 120 Teil 2 (zurzeit Entwurf von 12-2010), nach der die Bohrfirmen mittels externer Auditoren überprüft werden und die einheitliche Umsetzung des VDI-Arbeitsblatts 4640. Zudem müssen Bohrfirmen für ihre BWP-Mitgliedschaft eine Haftpflichtdeckung von 5 Mio. Euro, bei mehr als fünf Bohrgeräten von 10 Mio. Euro, nachweisen.
Daneben können Bauherren eine vom BWP initiierte Bohrversicherung abschließen, die auch dann haftet, wenn kein Verschulden vorliegt oder nachgewiesen werden kann. Bei Schäden tritt diese Versicherung, im Gegensatz zur Haftpflichtversicherung, sofort ein. Für BWP-Mitglieder ist die Versicherung stets Pflicht, wenn eine Bohrung über die erste Grundwasser-Schicht hinausreicht.
Bei oberflächennahen Bohrungen über mehrere Grundwasserstockwerke wird es künftig wohl auch eine zusätzliche Kontrollinstanz geben. „Die Bohrarbeiten müssen von einem unabhängigen Sachverständigen begleitet und abschließend begutachtet werden“, verlangt Untersteller. Die Mehrkosten seien durch den Gewinn an Sicherheit gerechtfertigt. Und der Abdichtungsvorgang, der nötig ist, um bei stockwerksübergreifenden Arbeiten die Grundwasserleiter getrennt zu halten, müsse lückenlos automatisch überwacht und dokumentiert werden.
Ob die Maßnahmen und Qualitätsoffensiven den Markt wieder beleben, bleibt abzuwarten. Kostengünstiger wird die oberflächennahe Geothermie jedenfalls nicht. So ist anzunehmen, dass der Anteil der Sole/Wasser-Wärmepumpen mindestens regional weiter sinkt und die Luft/Wasser-Wärmepumpe ihre gerade übernommene Marktdominanz weiter ausbaut. Jochen Vorländer
Mehr Infos zum Thema im TGA dossier Wärmepumpe: Webcode 718