Kompakt informieren
- Mit dem Smart Readiness Indicator für Gebäude kann künftig eine Anamnese zur Zustandserfassung durchgeführt und daraus eine Diagnose mit Handlungsempfehlungen abgeleitet werden.
- Gebäudeübergreifende Konzepte bieten zahlreiche neue Lösungsansätze. Um ein Gesamtkonzept umsetzen zu können, müssen neben der räumlichen Nähe auch die Altersstruktur der Gebäude, die Besitzverhältnisse und die Nutzungen zueinander passen.
- Für Fachplaner und Architekten wird es in der Gebäudetechnik immer wichtiger, ein ganzheitliches Verständnis der Zusammenhänge zu entwickeln. Der Anlagenbestand ist davon noch sehr weit entfernt.
Eine von der HEA Fachgemeinschaft beauftragte Studie zum Istzustand der Digitalisierung untersuchte die Potenziale auf dem Weg einer smarten Energiewelt. Im April abgeschlossen, hat das Team um Prof. Dr.-Ing. Viktor Grinewitschus, EBZ Business School, Bochum, einen „HEA Smart Readiness Indicator“ ermittelt, der den Istzustand der kompletten Wertschöpfungskette von der Gebäudestruktur bis zur Netzinfrastruktur in einer Tabelle abbildet.
Jan Witt, Geschäftsführer der HEA: „Mit dem Smart Readiness Indicator für Gebäude lässt sich – wie in der Medizin – eine Anamnese zur Zustandserfassung durchführen und daraus eine Diagnose mit Handlungsempfehlungen ableiten. Das große Interesse von Stadtwerken und Geräteindustrie an den Studienergebnissen, aber auch von TGA-Planern und Handwerk, zeigt, dass wir in Deutschland bei der Digitalisierung erst am Anfang stehen und so ein Anamnese-Werkzeug für den Neubau und den Gebäudebestand den Weg weisen kann. Derzeit werden die Ergebnisse noch in ein handliches digitales Format umgesetzt und erprobt. Die Version 1.0 wird dann von der HEA in den Medien bekanntgemacht.“
Mit Quartierslösungen gemeinsam mehr erreichen
Im Rahmen der Themeninsel „Quartierslösungen – gemeinsam mehr erreichen“ wurden zwei vielversprechende Quartierskonzepte zur energetischen Sanierung des Gebäudebestands präsentiert. Dr. Elisa Dunkelberg vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin stellte die Fallstudie „Klausenerplatz-Kiez“ vor. Vom IÖW im Rahmen des Berliner Projekts „Urbane Wärmewende“ wissenschaftlich begleitet wurden die Herausforderungen, vor allem aber die Chancen eines gebäudeübergreifenden Quartiersansatzes bei der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden untersucht.
Bei der Umsetzung stellte sich die Zusammenstellung und Bündelung geeigneter Gebäude als Herausforderung dar. Ein Teilergebnis: Nicht nur die räumliche Nähe, auch die Altersstruktur der Gebäude, die Besitzverhältnisse und die Nutzungen müssen zueinander passen, um ein Gesamtkonzept umsetzen zu können. Beispielsweise kann eine heterogene Eigentümerstruktur einen hohen Abstimmungsbedarf mit unter Umständen langwierigen Entscheidungsprozessen verursachen. Sind diese administrativen Prozesse aber erfolgreich bewältigt, eröffnen gebäudeübergreifende Konzepte neue Lösungsansätze.
Mechthild Zumbusch von der Berliner Energieagentur stellte mit Proshape ein im Berliner Bezirk Prenzlauer Berg umgesetztes Projekt vor. Es umfasst insgesamt sechs Gebäude mit 224 Wohnungen der genossenschaftlichen Berliner Wohnungsbaugesellschaft Zentrum. Dabei wurde die aus Wohnungs- und Gebäudemanager bestehende Steuerungslogik eines dezentralen Energiemanagements um die Ebene eines Quartiersmanagers erweitert.
Neue Marktchancen durch die Öffnung der Energieberatung
Energieeffizienz wird für Unternehmen der energieintensiven Industrie sowie des Hotel- und Gastgewerbes immer wichtiger. Die Qualität der Beratung entscheidet im Markt für Energiedienstleistungen die Nachfrage – und das bei einem ermittelten Marktvolumen von etwa 9 Mrd. Euro (2017). Auf das Segment Energieberatung entfallen rund 790…850 Mio. Euro, auf das Segment Energie-Contracting ca. 7,7 Mrd. Euro und auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit Energiemanagement rund 435 Mio. Euro.
Die seit dem 1. Dezember 2017 neu aufgestellte geförderte Energieberatung für Wohngebäude und KMU wurde für Berater aus Energieversorgung und Handwerk geöffnet. Auch vertragliche Kooperationen von EVU und Handwerk mit freien Energieberatern oder Ingenieurbüros sind seitdem möglich. Dr. Tina Flegel von der Bundesstelle für Energieeffizienz über Energiedienstleistungen (BfEE) stellte Ergebnisse einer BfEE-Markterhebung vor, in der 3000 Haushalte und rund 2750 Unternehmen zu Dienstleistungsprodukten und zur Steigerung der Energieeffizienz befragt wurden. Wichtigster Grund für Privathaushalte für Umsetzung von Energiemaßnahmen ist demnach der Werterhalt (53 %), erst mit großem Abstand (17 %) folgt die Senkung der Energiekosten. Bemerkenswert ist auch, dass bei Maßnahmen über 1000 Euro an der Gebäudehülle sowie der Gebäudetechnik oder der Energieversorgung in vermieteten Haushalten die Umsetzungsquote höher ist (40 bzw. 36 % Hülle; 38 bzw. 35 % Technik).
Mit „StaySmart“ zeigte Dieter Gumbinger von der EWR AG in Worms auf, wie Wissenstransfer abseits vorgeschriebener Qualifikationsmaßnahmen einen Beitrag zum Erfolg der Energieberatung leisten kann. Zunächst werden Lernziele und Wissensstand des Energieberaters erfasst und in einer Selbstlernphase Qualifikationen mit zugeschnittenem Lernmaterial ausgebaut. Mit einer mobilen Version kann der Energieberater beim Kunden direkt Daten erfassen und entstandene Probleme mithilfe des Wissensnetzwerkes erfolgreich lösen.
Effizienzpotenziale liegen in der Technischen Gebäudeausrüstung
Die Energiewende kann nicht allein durch Gesetze verordnet werden, so Prof. Dr.-Ing. Martin Neumann, MdB und Sprecher für Energiepolitik der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag in seinem Impulsvortrag. „Was die Unternehmen ausbremst, sind widersprüchliche bzw. nicht praktikable gesetzliche Regelungen. Bestes Beispiel hierfür ist die EEG-Umlage“, so der Professor für Technische Gebäudeausrüstung an der Hochschule Magdeburg-Stendal.
Neumann, der sein Studium an der TU Dresden absolviert hat und jahrelang als Sachverständiger tätig war, sieht allein in der Gebäudeautomation ein hohes Effizienzpotenzial. „Für Fachplaner und Architekten wird es in der Gebäudetechnik immer wichtiger, ein ganzheitliches Verständnis der Zusammenhänge zu entwickeln. Der Studiengang Bauklimatik lieferte uns Studierenden zu meiner Ausbildungszeit noch ein solides Fundament; dies ermöglichte vor allem, die technischen und bauphysikalischen Wechselbeziehungen besser aufeinander abzustimmen. Heute zeigen Studien der Verbraucherzentrale allerdings, dass 75 % der installierten Anlagen ineffizient arbeiten und 80 % der Anlagentechnik im privaten Baubereich überdimensioniert sind. Das zeigt mir: Der Grundstein für Effizienz in Gebäuden wird buchstäblich bereits in Bildung und Ausbildung gelegt. Hier brauchen wir wieder mehr Qualität.“ Außerdem ließe sich mehr Effizienz auch mit mehrvalenten Systemen im Energiemix und durch die Sektorenkopplung erreichen. „Nur so lässt sich eine bedarfsgerechte Energie- und Wärmeversorgung sichern.“
Auf die Frage nach der Rolle der Politik für die Planungssicherheit für Investoren sowie die Setzung geeigneter politischer Rahmenbedingungen hierfür, nennt Neumann in erster Linie die Chancen und Herausforderungen, die der digitale Wandel mit sich bringt: „Gerade hier darf die Politik die Fachplaner nicht alleine lassen und muss ihnen nachhaltige Unterstützung an die Hand geben. Insbesondere was die Einführung und Umsetzung digitalisierter Prozesse anbelangt. Die GroKo hat hier vorgemacht, wie es nicht geht: Eine Staatsministerin für Digitales im Bundeskanzleramt alleine wird die Entwicklung von Lösungen für den digitalen Wandel nicht schultern können. Darum fordert die FDP schon lange ein Digitalministerium.“ Uwe Manzke
Wann kommt das GEG?
Bisher kursiert erst ein Straßenbahn-Entwurf für das Gebäudeenergiegesetz (GEG) ( Webcode 849685). Doch wann kommt es nun eigentlich? Am 28. Novem-ber 2018 war dies Thema in einer Fragestunde im Deutschen Bundestag. Dazu Christian Hirte, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Energie: „Die Ressortabstimmung des Entwurfs für das Gebäudeenergiegesetz wird in Kürze beginnen. Ziel ist ein Inkrafttreten des Gesetzes Mitte nächsten Jahres [Anm.: 2019].“ Zudem hat Hirte bestätigt, dass die energetischen Standards gegenüber der EnEV nicht angehoben werden sollen. Für die Bundesregierung erfüllt die EnEV 2016 bereits die Kriterien für Niedrigstenergiegebäude gemäß EU-Gebäuderichtlinie.