Kompakt informieren
- Häufig sind in bestehenden Rohrleitungsnetzen die Armaturen nicht gedämmt. Der hier auftretende Wärmeverlust ist sehr hoch und entspricht bei der Nennweite 100 etwa dem Wärmeverlust von 20 m gedämmter Rohrleitung.
- Die nachträgliche Armaturendämmung ist einfach durchzuführen. Die relativ geringen Investitionskosten können durch die Energieeinsparung sehr schnell amortisiert werden.
- Bewährte Dämmlösungen stehen auch für kritische Anwendungen zur Verfügung, beispielsweise für Thermalölanlagen, wo zusätzlich Brandschutzkriterien erfüllt werden müssen.
Dass wärmeführende Rohrnetze einer Produktionsstätte gedämmt ausgeführt werden, ist weitgehend industrieller Standard. Allerdings sind in vielen produzierenden Unternehmen Leitungssysteme in Betrieb, bei denen trotzdem ein erheblicher Teil der in das Rohrnetz eingespeisten Wärmeenergie verloren geht: Denn häufig ist die Dämmung bei Armaturen und lösbaren Verbindungsstellen lückenhaft. Solche Wärmebrücken führen zu einem hohen und oft unterschätzten Wärmeverlust: An einer ungedämmten DN-100-Armatur geht bei einer Durchflusstemperatur von 100 °C in etwa so viel Wärme verloren, wie an zwanzig Metern gedämmter Rohrleitung desselben Querschnitts.
Dennoch wird in vielen Produktionsstätten bis heute auf eine Armaturendämmung verzichtet. Selbst Neuinstallationen werden teilweise mit ungedämmten Bauteilen ausgeführt. Der Grund dafür erscheint zunächst nachvollziehbar: Die Armaturen sollen jederzeit leicht zugänglich sein. Ihre Dämmung könnte Arbeiten erschweren, beispielsweise bei der Instandhaltung. Zudem muss die Dämmung von Leitungsnetzen, durch die brennbare Wärmeträger wie Thermalöl fließt, zusätzlich Kriterien des Brandschutzes erfüllen.
Entgegen dieser Vorbehalte können bewährte und marktgängige Dämmlösungen beide Anforderungen inzwischen problemlos erfüllen. Eine gezielte Nachrüstung bietet damit Unternehmen die Chance, ihre Energiekosten und den CO2-Ausstoß nachhaltig zu senken.
Amortisation im ersten Jahr
Ein Praxisbeispiel: Allein durch die nachträgliche Armaturendämmung an den Thermalöl- und Dampfanlagen im Werk Hamminkeln-Dingden konnte die Johann Borgers GmbH Abb. 1 ihren Energieverbrauch um mehr als 2 Mio. kWh/a senken. Die Investition von rund 62000 Euro für das Dämmprojekt hat sich für das Unternehmen bereits nach weniger als einem Jahr rentiert. Neben der Kosteneinsparung erzielte der Automobilzulieferer mit der Dämmmaßnahme auch eine dauerhafte Erhöhung der Unfallsicherheit in der Produktion.
Das Unternehmen gehört zur Borgers-Gruppe, die an 20 Standorten in Europa, China und den USA mit eigenen Produktionsstätten vertreten ist. Mit etwa 800 Mitarbeitern entwickelt und produziert sie an zwei Standorten akustisch wirksame Bauteile für Kraftfahrzeuge. Die Verkleidungs- und Trägerteile sowie Dämpfungen und Isolationen kommen im Innen- und Außenbereich sämtlicher Fahrzeuggattungen zum Einsatz – vom Kleinwagen bis zum Schwerlast-LKW. Für die Fertigung der Fahrzeugteile ist eine Vielzahl unterschiedlicher Form- und Trocknungsprozesse essenziell. Die dafür benötigte Prozessenergie wird über Thermalöl- und Dampf-Rohrleitungsnetze im gesamten Betriebsbereich zur Verfügung gestellt.
Energieeffizienz gezielt geplant
2012 beauftragte der Automobilzulieferer ein Energieberatungsunternehmen mit einer umfassenden Bewertung der Energieeffizienz seiner Standorte Bocholt und Hamminkeln-Dingden. Auf Grundlage ihrer energetischen Bestandsaufnahme und ihrer Effizienzanalysen erarbeiteten die Energieberater gemeinsam mit dem Unternehmen mehrere Optimierungsmaßnahmen. Ein besonders hohes Einsparpotenzial konnte im Bereich der Thermalöl- und Dampfnetze ermittelt werden. Bei den bisher ungedämmten Armaturen der Thermalölanlage ergab sich je nach Nennweite pro Armatur eine Energieeinsparung (berechnet) zwischen 6000 bis über 14500 kWh/a.
Armaturendämmung mit Mehrwert
Mit der Ausführung der Dämmmaßnahmen beauftragte der Automobilzulieferer Bohle Isoliertechnik. Für die wirtschaftliche und sichere Armaturendämmung wurden individuell an die Bauteile angepasste Dämmkappen aus einer Matratzendämmung gefertigt Abb. 2. Ihr Einsatz hat im Vergleich zu herkömmlichen Blechmantel-Dämmkappen insbesondere bei Thermalölanlagen zusätzliche Vorteile: Das Design der Dämmkissen verhindert, dass austretendes Öl in das Dämmmaterial eindringt. Selbst bei Undichtigkeit an der gedämmten Armatur besteht also keine erhöhte Brandgefahr. Zudem erhöht der Dämmmantel die Unfallsicherheit: Die Matratzendämmung kommt ohne scharfkantige Blechteile aus und minimiert auch die Gefahr, dass sich Fertigungsmitarbeiter an der heißen Armatur verbrennen könnten.
Durch den Einsatz einer Matratzendämmung aus Glasfasermaterialien werden besonders hohe Effizienzwerte erreicht. Im Vergleich zu herkömmlichen Dämmkappen aus Aluminiumblech und Mineralwolle senken sie den Wärmeverlust nochmals um etwa 23 %. Außerdem lassen sich die Dämmkissen besonders einfach de- und remontieren. Der Zugang zu den Armaturen für Wartungsarbeiten ist damit ohne großen Aufwand möglich.
Gewinn für Unternehmen und Umwelt
Allein die Matratzendämmung der insgesamt 300 Armaturen des Thermalöl-Systems im Borgers Werk in Hamminkeln-Dingden senkte die Energieverluste der gesamten Anlage von zuvor 2,98 auf 0,82 Mio. kWh/a. Der Produktionsstandort spart damit mehr als 73000 Euro/a bei den Energiekosten und hat seine CO2-Bilanz um 430 t/a verbessert Abb. 3. Hinzu kommen Einspareffekte bei der Belüftung der Fertigungshallen: Da durch das Beseitigen der Wärmebrücken in den Rohrleitungsnetzen erheblich weniger Wärme an die Umgebung abgegeben wird, konnte auch der Volumenstrom der Raumlufttechnik gesenkt werden.
Nach der erfolgreichen Armaturendämmung im Werk Hamminkeln-Dingden hat Johann Borgers inzwischen auch in der Betriebsstätte Bocholt sowie an Produktionsstandorten weiterer Unternehmensbereiche die Armaturendämmung an wärmeführenden Leitungssystemen umgesetzt.
Die Initiative EnergieEffizienz
Das Praxisbeispiel ist Bestandteil des Informationsangebots „Energieeffiziente Dämmung betriebstechnischer Anlagen in Industrie und Gewerbe“ der Initiative EnergieEffizienz1) der dena, unterstützt durch den Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB). Ziel ist es, über die wirtschaftlichen Energieeffizienzpotenziale durch die Dämmung von betriebstechnischen Anlagen zu informieren und Unternehmen zu ihrer Erschließung zu motivieren.
Die Initiative EnergieEffizienz stellt im Rahmen der Kooperation mit dem HDB Informationsmaterialien, Online-Angebote und Praxishilfen zur Verfügung, um Industriebetriebe bei der Umsetzung von Dämm-Maßnahmen zu unterstützen. •
http://www.industrie-energieeffizienz.de
1) Die Initiative EnergieEffizienz ist eine bundesweite Kampagne der dena und wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Hätten Sie das gewusst?
Laut einer Untersuchung der Forschungsstelle für Energiewirtschaft können Wärmeverluste durch die Dämmung von Bauteilen und Rohrleitungen betriebstechnischer Anlagen um 30 % gesenkt werden. Die durch die Dämmung erzielten jährlichen Energiekosteneinsparungen sind dabei sehr hoch. Insbesondere in Branchen mit energieintensiven Prozessen und bei hohen Prozesstemperaturen rechnen sich die Maßnahmen sehr schnell. In der Regel wird eine Kapitalrendite von über 50 % erzielt.
Annegret-Cl. Agricola
leitet den Bereich Energiesysteme und Energiedienstleistungen bei der Deutschen Energie-Agentur (dena), 10115 Berlin, https://www.dena.de/
Dietmar Gründig
ist Projektleiter im Bereich Energiesysteme und Energiedienstleistungen bei der Deutschen Energie-Agentur (dena), 10115 Berlin, https://www.dena.de/