Kompakt informieren
- Das Montrealer Protokoll ist bezüglich der Verminderung von Stoffen, die die stratosphärische Ozonschicht zerstören, ein großer Erfolg. Der weltweite Einsatz von Fluorchlorkohlenwasserstoffen ist um rund 97 % weltweit gesunken.
- Die als Ersatz eingesetzten teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) haben jedoch ein hohes Treibhausgaspotenzial und ohne verbindliche Regelungen würde ihre Verwendung stark zunehmen.
- Im Oktober 2016 wurde deshalb in Kagali, Ruanda, von den Vertragsparteien des Montrealer Protokolls beschlossen, die Herstellung und Verwendung von 17 teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) zu begrenzen und schrittweise zu verringern.
- Bis etwa 2030 sind die Minderungsziele von Kigali durch die F-Gase-Verordnung abgedeckt.
In einem Beitrag von Thomas Peter, Professor für Atmosphärische Chemie, und Johannes Stähelin, Professor für Ozonchemie, beide ETH Zürich, anlässlich des 30. Jahrestages der Unterzeichnung des Montrealer Protokolls vom 16. September 1987 (in Kraft trat es am 1. Januar 1989), würdigten die Autoren den länderübergreifenden wissenschaftlichen und politischen Erfolg dieses völkerrechtlich verbindlichen Vertrags des Umweltrechts. Immerhin haben alle 197 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen das Protokoll ratifiziert und sich damit verpflichtet, chlor- und bromhaltige Chemikalien zu reduzieren bzw. weitgehend abzuschaffen.
3 Mio. Hautkrebserkrankungen weniger
Durch den weltweiten Konsens konnten so geschätzt 3 Mio. Hautkrebserkrankungen vermieden werden, darunter ca. 300 000 Fälle mit hochgradig bösartigen Formen. Paradoxerweise begünstigte das Protokoll die Produktion von FCKW-Ersatzstoffen, bekannt unter dem Sammelbegriff FKW (Fluorkohlenwasserstoffe) bzw. HFKW (teilfluorierte Kohlenwasserstoffe). Diese weisen zwar kein oder nahezu kein Ozonzerstörungspotenzial mehr auf, tragen aber aufgrund ihrer hohen GWP-Werte (Global Warming Potential, GWP) sehr stark zum Treibhauseffekt und damit zum Anstieg der Globaltemperatur bei.
Sonnencreme bleibt wichtiger Begleiter
Obwohl durch das Montrealer Protokoll und den damit einhergehenden FCKW-Bann zwischen 1987 und 2017 Treibhausgasemissionen in Höhe von etwa 200 Mio. Tonnen an CO2-Äquivalent und damit ein zusätzlicher Temperaturanstieg von 0,3 °C vermieden werden konnte, sind FKW als FCKW-Ersatzstoffe zwar nicht Ozonschicht-schädigend, aber sehr starke Treibhausgase. Die Erfolgsgeschichte des Motrealer Protokolls sei also nicht ohne Makel und darum die Gefahr noch nicht gebannt, so die Autoren.
Die Ozon-Regeneration brauche Zeit. Erst um das Jahr 2050 werde das „Ozonloch“ wieder die Ozonmenge aufweisen wie in den 1980er-Jahren (FCKW haben eine Lebensdauer von 60 bis 80 Jahren). „Sonnencreme wird uns weiter ein wichtiger Begleiter sein“, resümieren die Autoren und weisen auf eine neuere Studie mit Beteiligung der Uni Bern hin, die zeige, dass es sogar noch 5 bis 30 Jahre länger dauern könnte, weil im Montrealer Protokoll die Chemikalie Dichlormethan1) bisher nicht reguliert wird. 30 Jahre Montrealer Protokoll hätten jedoch bewirkt, dass die arktischen Ozonsäulen nicht weiter ins Bodenlose stürzen. Offensichtlich sei der 5%ige Rückgang der Ozonmenge gestoppt, so Thomas Peter und Johannes Stähelin.
Ein weiteres Forscherteam der ETH Zürich unter der Leitung von William Ball stellte eher Unerfreuliches fest: Trotz FCKW-Bann gehe die Konzentration von Ozon im unteren Teil der Stratosphäre (15 bis 24 km), wo die Ozonschicht am dichtesten ist, zwischen den Breiten 60° nördlich und 60° südlich weiter zurück. Der Nachweis gelang dem Team mithilfe von Satellitenmessungen über drei Jahrzehnte sowie durch hochentwickelte statistische Messmethoden.
William Ball erklärt: „Seit 1998 nimmt Ozon in der oberen Stratosphäre, also oberhalb etwa 30 km, als Folge des Montrealer Protokolls wieder deutlich zu. Auch über den Polregionen erholt sich die Stratosphäre.“ Die global gemittelte Ozonsäule bleibe aber gemäß Messungen konstant, was in Fachkreisen als Indiz dafür gewertet wurde, dass das Ozon in der unteren Stratosphäre zurückgehen könnte. Einer der Gründe könnten sehr kurzlebige chlor- und bromhaltige Chemikalien (Very Short Lived Substances, VSLS) sein. Auch seien einige Ersatzstoffe für FCKW zwar weniger ozonschädlich, aber nicht neutral, sagt Ball. Diese kurzlebigen Substanzen könnten ein unzureichend berücksichtigter Faktor in den Modellen sein, vermutet Ball (Quelle: www.ethz.ch/medien).
Kigali und die F-Gase-Verordnung
Nach der Verabschiedung der F-Gase-Verordnung durch die Europäische Union hatte das Bundesumweltministerium im Januar 2014 erklärt: „Der weltweite Beitrag der F-Gase zum Treibhauseffekt liegt derzeit bei 2 % und entspricht damit dem des gesamten globalen Luftverkehrs. Aktuelle Studien prognostizieren ohne weitere Maßnahmen einen erheblichen Anstieg des Einsatzes von F-Gasen. Internationale Verhandlungen zu ihrer Eindämmung verliefen bislang erfolglos.“
Dann gab es allerdings einen Durchbruch: In Kigali haben sich die 197 Vertragsparteien des Montrealer Protokolls im Oktober 2016 darauf verständigt, die Herstellung und Verwendung von 17 teilfluorierten Kohlenwasserstoffen (HFKW) aufgrund ihres Treibhausgaspotenzials zu begrenzen und schrittweise um bis zu 85 % zu mindern – wegen der weltweit steigenden Nachfrage nach Kälte- und Klimaanlagen erleben sie derzeit einen starken Zuwachs. Der Verpflichtungszeitraum für Industrieländer läuft von 2019 bis 2036, für die Länder des Südens von 2024 bis 2045 beziehungsweise von 2028 bis 2047.
In der Begründung für den Entwurf für das „Gesetz zu der am 15. Oktober 2016 in Kigali beschlossenen Änderung des Montrealer Protokolls vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen“ schreibt das Bundesumweltministerium: „Zusätzliche Kosten für die Wirtschaft sind nicht zu erwarten. Insbesondere sind keine Bürokratiekosten aus Informationspflichten zu erwarten. […] Weitere Kosten beziehungsweise Auswirkungen auf das Preisniveau sind derzeit nicht ersichtlich.“
Hintergrund ist, dass die im Kigali-Beschluss enthaltenen Minderungsverpflichtungen innerhalb der EU für den Zeitraum bis 2030 bereits durch die seit dem 1. Januar 2015 geltende EU-Verordnung 517/2014 (F-Gase-Verordnung) erfasst sind. „Für den Zeitraum nach 2030 wird eine Anpassung der EU-Reduktionspflichten erforderlich sein“ heißt es in einer Schlussbemerkung des Gesetzesentwurfs. Bis 2022 wird die F-Gase-Verordnung durch die EU-Kommission überprüft, ob eine Anpassung der Verordnung erforderlich ist. Der F-Gase-Phase-down wird die Branche also noch die nächsten Jahrzehnte beschäftigen und auf Ausnahmeregelungen kann sie aufgrund der internationalen Verpflichtungen nicht hoffen.
Fußnoten
1) Dichlormethan (CH2Cl2) löst viele organische Substanzen und wird als Abbeizmittel für Lacke, Entfettungsmittel, Treibgas für Aerosole, Treibmittel bei der Herstellung von Schaumstoffen, Kältemittel in Kühlaggregaten sowie als Extraktionsmittel für Koffein, Hopfenextrakte und Aromastoffe verwendet.
" class="chapter-heading">Die Ozonschicht …
befindet sich in der unteren Stratosphäre in 15 bis 30 km Höhe über der Erde und schützt diese vor ultravioletter (UV-B) Strahlung der Sonne. Nimmt die Dichte der Ozonschicht ab, schädigt die Strahlung Pflanzen, Tiere und Menschen. Beim Menschen kann Hautkrebs die Folge der Strahlenbelastung sein. Besonders groß ist der Ozonschwund in der Nähe der Erdpole, wodurch der Begriff „Ozonloch“ geprägt wurde. Das Ozonloch über der Antarktis wurde 1985 nachgewiesen, aber bereits 1974 wurde die Hypothese veröffentlicht, dass FCKW-Moleküle die Ozonschicht schädigen.
Wolfgang Schmid
ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de