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Lebensmittelmärkte

Mehr Gewinn mit Energiekonzept

Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Ernst Pfister hatte sich als Schirmherr der Fachtagung „Energie im Sonderangebot – Energieeffizienz im Einzelhandel“ am 19. Februar im Haus der Wirtschaft in Stuttgart gut vorbereitet. So appellierte er an die rund 120 Teilnehmer, sich künftig beim Bau von Lebensmittelmärkten nicht mit vermeintlich günstigen Lösungen zufriedenzugeben, sondern die Energieeffizienz und damit auch die Lebenszykluskosten als strategisches Werkzeug in künftige Planungen mit einzubeziehen. „Der Edeka-Aktiv-Markt Koch in Schömberg hat gezeigt, was heute machbar ist“, unterstrich Pfister seine Forderung nach einem Umdenken in einer Branche, die in Deutschland rund 3 % des Verbrauchs elektrischer Energie verantwortet.

Leuchtturmprojekt

Der Edeka-Markt der Gebrüder Koch in Schömberg [1] gilt in der Branche inzwischen als eine Art Leuchtturmprojekt. Für das Gros der Lebensmittelhändler ist das Thema Energie­effizienz und Energieeinsparung bisher eher ­nebensächlich, denn anders als die Label „Öko“ und „Bio“ lässt sich nach Auffassung der ­Ladenbauer und Marketingstrategen das Thema „Energie“ beim Kunden kaum vermarkten. Im ­Gegenteil: Die Branche befürchtet sogar, der Kunde störe sich daran, wenn bisher offene Kühlregale plötzlich geschlossen sind und Kühltruhenabdeckungen den direkten Zugriff auf Tiefkühlware etwas verzögern.

Dass dem nicht so ist und das Thema Energieeffizienz im Lebensmitteleinzelhandel durchaus auch zum Imagegewinn und zur Gewinnverbesserung beitragen kann, beweist der Edeka Aktiv-Markt in Schömberg und dessen zahlreiche Nachfolgeprojekte überdeutlich. „In unseren neuen Edeka-Aktiv-Markt haben wir alle Erkenntnisse einfließen lassen, die wir in unseren anderen Läden gesammelt haben“, erklärt Klaus Koch, der zusammen mit seinem Bruder Gerd 2006 mit dem Umweltpreis des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet wurde, sein Engagement für einen sparsamen Umgang mit Energie.

Die wichtigste Triebfeder sei für ihn allerdings das Einsparen von Betriebskosten, also die Steigerung des Gewinns gewesen und erst in zweiter Linie die Ökologie. Deshalb gaben sich die Brüder Koch bei der ursprünglichen Planung ihres neuen Marktes nicht damit zufrieden, dass sie einerseits mit der Abwärme aus der Kälteerzeugung für die Lebensmittelkühlung die Umgebung aufheizen und andererseits für die Beheizung von Laden, Lager und Büro zusätzlich Heizöl verbrennen sollen. Zusammen mit dem Kältespezialisten Hafner-Muschler und Zent-Frenger entstand so ein integriertes Energiekonzept. Danach wird die Abwärme der Kälteanlagen über ein Kälte-/Wärmepumpenaggregat entweder an die Heizungsanlage bzw. die Trinkwassererwärmung nutzbringend abgegeben oder in der heizfreien Zeit über vertikale Sonden im Erdreich gespeichert.

Bis etwa –4 °C Außentemperatur reicht die Abwärme aus, um den Lebensmittelmarkt zu heizen und mit Warmwasser zu versorgen. Das bedeutet, dass für rund 84 % der Jahresheizarbeit die Abwärme aus den Kälteanlagen zu Heizzwecken genutzt werden kann. Bei den meisten der 57000 Lebensmittelmärkte in Deutschland wird die Abwärme dagegen ungenutzt in die Umgebung abgeführt, gleichzeitig aber Heizöl oder Erdgas verfeuert.

Beleuchtung: Doppelte Entlastung

Nach Aussagen von Prof. Dr.-Ing. Michael Kauffeld, Hochschule Karlsruhe für Technik und Wirtschaft, steht dem Lebensmitteleinzelhandel inzwischen ein ganzes Sortiment an bewährten und wirtschaftlich vertretbaren Energiespar- und Energieeffizienzmaßnahmen zur Verfügung. Die schnellste Wirkung erreiche man mit einer effizien­teren Beleuchtung, denn damit spare man Strom und entlaste gleichzeitig Klima- und Kälteanlagen. Glasabdeckungen auf Kühltruhen und Glastüren an Kühlregalen würden den Energieverbrauch von Kälteanlagen sogar um bis zu 40 % senken.

Weiter empfiehlt der Kälteingenieur den Einbau überfluteter Verdampfer, die Erhöhung der Verdampfertemperatur, mehrstufige oder drehzahlgeregelte Verdichter sowie den Einsatz von CO2 als Kältemittel, dann in völlig neuen hocheffizienten Kältekonzepten. Damit könne sowohl der direkte wie auch der indirekte Treibhauseffekt von Kälteanlagen drastisch reduziert und die Kosten gesenkt werden.

„Der Lebensmittelhändler muss nicht einmal viel Geld in die Hand nehmen, um Energiekosten einzusparen“, versichert Andreas Pries vom Inge­nieurbüro Genesis, Rhede. Die Reinigung eines Kältemittel-Verflüssigers würde nicht viel kosten, aber eine hohe Einsparung bringen. Wichtig sei die Vermeidung von elektrischen Lastspitzen, denn diese treiben die Energiekosten in die Höhe, ohne dass man mehr Energie verbraucht. Bei nachträglichen Einsparmaßnahmen, wie effizienteren Beleuchtungen oder Glasabdeckungen, sei es wichtig, dass auch die Kälteleistung an den verminderten Kältebedarf angepasst werde. Die Anlagen gerieten sonst ins Takten, wodurch der Wirkungsgrad und die Lebensdauer der Anlage sinke. Dass sich Energiesparmaßnahmen für den Lebensmittel-Einzelhandel auf alle Fälle lohne, zeige eine einfache Rechnung: Um einen Gewinn von 1000 Euro zu erwirtschaften, müsse man rund 50000 Euro an Lebensmitteln umsetzen. 1000 Euro bei den Energiekosten zu sparen, sei heute schon mit einfachen Mitteln möglich.

Gewerketrennung aufheben

Die vergleichsweise schlechte Gesamtenergieeffizienz selbst neu erstellter Lebensmittelmärkte liegt nach Auffassung von Fritz Nüßle, Geschäftsführer Zent-Frenger, weitgehend an der Trennung von Bauplanung und Ladenbau sowie von Kälte-, Heizungs-, Lüftungs- und Klimatechnik. „Wir haben es beim Bau von Lebensmittelmärkten mit ganz unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und vielen Gewerkeschnittstellen zu tun, die in der Summe zu einer geringeren Gesamtenergieeffi­zienz führen“, bemängelt Nüßle die aus heutiger Sicht überholte Vorgehensweise. Würde sich der Projektentwickler beispielsweise schon während der Planungsphase mit dem Energiekonzept beschäftigen, könnte man in jedem Fall auf einen klassischen Heizkessel verzichten und die Energiekosten für die immer wichtiger werdende Raumkühlung und den Energiebedarf für das stetig wachsende Angebot an Tiefkühl- und Frischekost signifikant senken.

Ein Lebensmittelmarkt ließe sich sehr gut mittels eines thermoaktiven Fußbodens auf komfortable Temperaturen halten, so die Erfahrungen von Zent-Frenger. In den meisten Fällen würde eine einfache Lüftungsanlage ausreichen, die lediglich die hygienisch erforderliche Frischluftmenge während der Ladenöffnungszeit bereitstellt. Die Einbindung einer Geothermieanlage in das Kälte-, Wärme- und Raumkühlkonzept müsse jedoch sorgfältig geplant und der Energiespeicher Erdreich nachhaltig bewirtschaftet werden.

In diesem Fall seien optimal abgestimmte erdgekoppelte Kälteanlagen mit Wärmepumpenfunktion einer konventionellen Lösung weit überlegen, so Nüßle. Die Leistungszahl des Kälteprozesses sei hier größer und das Druckniveau im Kältemittelverflüssiger deutlich niedriger. Dies führe zu weniger Verschleiß, einer längeren Lebensdauer und einer höheren Verfügbarkeit, auch bei extrem hohen Außentemperaturen. Letzteres Argument werde immer wichtiger, da viele Kälteanlagen bei den sich häufenden extremen sommerlichen Außentemperaturen aus Sicherheitsgründen abschalten. Da bei Geothermie-Anlagen die Kälteaggregate über den Sondenkreislauf rückgekühlt werden, spiele hier die Außentemperatur keine Rolle. Die wichtigste Innovation sieht Nüßle im Einsatz von CO2 als Kältemittel für den Tiefkühlbereich mit Auskoppelung von Normalkühlung über eine Kaskade. Damit ließen sich die Kältemittelmenge und hier insbesondere der Einsatz von F-Gasen minimieren und die Anlageneffizienz verbessern.

Da viele Lebensmittelketten das Thema energieeffiziente Kälte-/Klimatechnik erkannt hätten, will Hafner-Muschler/Zent-Frenger künftig das geothermische Kälte-Wärme-Verbundsystem als vorgefertigtes, skalierbares Modul anbieten, das anschlussfertig und komplett verdrahtet in einer Art Fertiggarage angeliefert wird. Mit diesem Fertigmodul ließen sich auch die Bauzeiten verkürzen, so Nüßle.

Fazit

Die Tagung hat gezeigt, dass man bei fallenden Margen im Lebensmittelbereich durch Effizienzmaßnahmen bei Kälte-, Klima-, Heizungs- und Beleuchtungsanlagen die Gewinnsituation deutlich verbessern kann. Um die heute zur Verfügung stehende Technik optimal nutzen zu können, bedarf es allerdings eines Umdenkens bei den Entwicklern von Lebensmittelmärkten. Je früher innovative Energiekonzepte in die Planung einbezogen werden, desto wirkungsvoller und wirtschaftlicher sind die Maßnahmen. Wo immer möglich, sollten geothermische Konzepte umgesetzt werden, denn nur damit können sich die Betreiber von Lebensmittelmärkten zuverlässig gegen hitzebedingte Abschaltungen von Lebensmittel-Kälteanlagen schützen. Wolfgang Schmid

Literatur

[1] Bitsch, Friedrich; Nüßle, Fritz: Nachhaltiges Energiekonzept für Edeka-Aktiv-Markt – Geothermischer Kälte-Wärmeverbund. Stuttgart: Gentner Verlag, TGA, 05-2006