Der 9. September 2009 hat die Heizungsbranche kräftig aufgeschreckt. An diesem Tag gaben der Energieversorger Lichtblick und der Autobauer Volkswagen bekannt, dass man bis 2020 im Rahmen eines Exklusivvertrags 100000 Mini-KWK-Anlagen zu einem virtuellen Spitzenlastkraftwerk kombinieren werde. Die bis dato im Heizungskeller fest etablierten Marktplayer mussten zusehen, wie Tageszeitungen, Magazine, Rundfunk und Fernsehen die besten Plätze für die Berichterstattung über die „ZuhauseKraftwerke“ freimachten [4]. Bei den potenziellen Kunden ist seitdem das Interesse spürbar gestiegen.
Welche Dimension das Vorhaben trotz potenziell mehr als 3 Mio. für ZuhauseKraftwerke geeignete Gebäude hat, verdeutlicht die aktuelle Studie „Mikro-KWK“ [1] des Instituts für Trend- und Marktforschung trend:research. Sie prognostiziert im Referenzszenario von 2010 bis 2020 „nur“ einen Zubau von etwa 66500 Mikro-KWK-Anlagen mit einer elektrischen Leistung von weniger als 15 kW. Damit sind die auf 20 kWel konfektionierten ZuhauseKraftwerke nicht Bestandteil der Studie. Durch ihr Spitzenlasterzeugungskonzept buhlen sie aber um Gebäude, die auch für Mikro-KWK-Anlagen mit herkömmlichen Betriebskonzepten und deutlich weniger als 15 kWel geeignet sind.
Markttreiber und…
Im Rahmen der Studie wurden die Branchenexperten (Hersteller und Energieversorger) zu Markttreibern und -hemmnissen bei Mikro-KWK-Anlagen befragt. Für die Hälfte (50 %) der Anlagenhersteller stellen Fördermechanismen (Impulsförderung bzw. weitere regionale Förderprogramme) und der KWK-Bonus die wesentlichen Markttreiber für Mikro-KWK-Anlagen dar. An zweiter Stelle wurden politische Ziele, Programme und Gesetze von 35 % der Hersteller genannt. Hierbei bezogen sich die Befragten auf den politischen Willen zum Ausbau der KWK, der Einhaltung von Emissionsrichtwerten und auf Vorgaben bei der Gebäudesanierung bzw. im Neubau. Steigende Strompreise bilden nach Einschätzung der Befragten einen weiteren Markttreiber (25 %).
Die Antwortmöglichkeit „Engagement der Versorgungsunternehmen“ wurden ebenfalls von einem Viertel der Befragten gewählt und insbesondere auf den Aufbau von „virtuellen Kraftwerken“ bezogen. Eine deutlich geringere Bedeutung wurde dem allgemeinen Wettbewerb (15 %), dem Abhängigkeitsgefühl der Kunden (10 %), Image und Umweltbewusstsein (10 %) und der Gebäudesanierung (5 %) beigemessen.
…Markthemmnisse
Analog wurden sowohl Hersteller als auch Energieversorger um eine Einschätzung hinsichtlich der Markthemmnisse gebeten, die sich in den kommenden Jahren ergeben könnten oder bereits vorzufinden sind. Aus Sicht der Hersteller bilden gesetzliche Unsicherheiten das größte Hindernis für die Marktdurchdringung von Mikro-KWK-Anlagen. Damit verbunden sehen viele der befragten Anlagenhersteller die Einstellung bzw. Kürzung von Förderprogrammen als kritisch für die weitere Marktentwicklung an. Ohne eine Zuschussförderung verlängert sich die Amortisationszeit der Anlagen. Bei den aktuellen Rahmenbedingungen (Anlagen-, Strom- und Gaspreis) rechnen sich die Anlagen dann nur noch bei hohem Wärmebedarf und langen Betriebslaufzeiten pro Jahr.
Einsatz im Ein- und Zweifamilienhaus
2009 betrug die Gesamtzahl der in Deutschland installierten Mikro-KWK-Anlagen laut trend:research ca. 26500 Anlagen. Der überwiegende Teil ist in kleinen Gewerbe- und Handwerksbetrieben installiert. Ursache für diese Dominanz ist, dass Anlagen für Ein- und Zweifamilienhäuser bisher noch nicht auf dem Markt verfügbar sind und die größeren Anlagen (>3 kWel) aufgrund ihrer Leistung in der Regel überdimensioniert sind und damit die Betriebslaufzeit zu gering ausfällt.
Dies soll sich nach Angaben vieler Interviewteilnehmer ändern: Anlagen mit einem Leistungsspektrum von ca. 1 kWel sollen im Bereich der Ein- und Zweifamilienhäuser an Bedeutung gewinnen. Durch die Erschließung dieser neuen Zielkundengruppen ergibt sich ein sehr großes Marktpotenzial.
Viele Hersteller gaben an, dass ein Vertrieb der Anlagen im Rahmen einer Kooperation mit Energieversorgern beabsichtigt ist. Die Energieversorger stellen sich bereits auf dieses Geschäftsfeld ein – rund zwei Drittel der befragten Unternehmen haben sich schon mit dem Thema Mikro-KWK-Anlagen beschäftigt oder führen entsprechende Anlagen bereits in ihrem Portfolio.
Nach Ansicht der Mehrheit der befragten Energieversorger lassen sich Mikro-KWK-Anlagen dazu am besten im Rahmen des Contracting- oder Wärmedienstleistungsangebotes in das eigene Produktportfolio integrieren. Nahezu alle befragten Energieversorger bieten bereits Beratungsleistungen für Kunden mit Interesse an Mikro-KWK-Anlagen an, die teilweise aber nur sehr selten in Anspruch genommen werden. Nach Aussage einzelner Befragungsteilnehmer wird dabei häufig von Mikro-KWK abgeraten, da die Berater der Versorger keine Wirtschaftlichkeit in den spezifischen Einzelfällen ausmachen können. Seit der Veröffentlichung des Vertriebskonzepts der „Zuhausekraftwerke“ hätten sich aber mehr Kunden als vorher nach Mikro-KWK-Anlagen und den Leistungen der Versorgungsunternehmen in diesem Bereich erkundigt.
Wachstumsszenarien
In der trend:research-Studie erfolgt auf Basis des Status Quo, Einschätzungen von Branchenexperten sowie eingehender Analyse der Märkte die Prognose der Marktentwicklung für Mikro-KWK-Anlagen bis 2020 in verschiedenen Szenarien. Im Referenzszenario, dem Szenario mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit, steigt die Anzahl der Mikro-KWK-Anlagen (< 15 kWel) in Deutschland bis 2020 kontinuierlich auf ca. 93000 Anlagen. Dies entspricht einem Marktvolumen beim Neubau von Mikro-KWK-Anlagen in 2020 von über 150 Mio. Euro.
Der geringe Zuwachs in 2010 und 2011 erklärt sich aus der gestoppten Förderung für Mikro-KWK-Anlagen. Im „degressiven“ Szenario 1 sind 2020 insgesamt nur ca. 60000 Anlagen installiert und im „optimistischen“ Szenario 3 steigt die Anzahl dynamisch auf knapp 145000 Einheiten. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es etwa 50000 installierende SHK-Handwerksunternehmen.
In allen Szenarien steigt die Anzahl der Anlagen besonders in der zweiten Hälfte des nächsten Jahrzehnts, da die Anzahl der Marktteilnehmer, die mit attraktiven Anlagen zu günstigeren Preisen auf dem Markt aktiv ist, weiter wächst. Positive Effekte für den Markt ergeben sich langfristig sowohl im Referenzszenario wie auch im Szenario 3 durch die Annahme, dass die Integration der Mikro-KWK-Anlagen ins Stromnetz verbessert wird. Die Entwicklung von Smart Grids und virtuellen Kraftwerken, in denen auch Mikro-KWK-Anlagen zum Einsatz kommen, wirkt sich aber erst ab 2016 spürbar aus, bis zu diesem Zeitpunkt sind laut der Studie nur geringe Zuwächse durch diesen Einfluss zu erwarten.
Technik und Wettbewerb
Ein wesentlicher Faktor für die weitere Marktentwicklung wird die staatliche Förderung von Mikro-KWK-Anlagen sein. Sie kann auch Einfluss darauf nehmen, ob und welche der Technologien sich am Markt durchsetzen bzw. eine Chance erhalten. Heute und in den nächsten Jahren wird der Mikro-KWK-Anlagenmarkt klar von Aggregaten mit Verbrennungsmotoren dominiert. Es ist aber zu erwarten, dass der Stirlingmotor in den kommenden Jahren Marktanteile gewinnt. Brennstoffzellen-Heizgeräte werden laut der trend:research-Studie erst am Ende des Betrachtungszeitraums an Bedeutung gewinnen, da der Preis dieser Anlagen zunächst noch nicht mit den motorgetriebenen Anlagen mithalten kann.
Im gesamten Betrachtungszeitraum existiert für die Mikro-KWK-Anlagen eine Konkurrenzsituation zu anderen Heizungssystemen mit geringem Primärenergieverbrauch, wie Wärmepumpen und Holzpellet-Heizungen. In vorhergehenden Studien von trend:research werden im Referenzszenario bis 2020 etwa 385000 installierte Holzpellet-Heizungen prognostiziert, bei Wärmepumpen lag der Jahresabsatz 2008 mit 62500 Einheiten etwa auf dem Niveau des gesamten Mikro-KWK-Zubaus in den nächsten zehn Jahren von 66500 Einheiten. Allein 2020 werden im trend:research-Referenzszenario etwa 120000 Wärmepumpen installiert.
Die Interviews mit den Marktteilnehmern ergaben, dass es bei Mikro-KWK-Anlagen mit Verbrennungsmotoren aufgrund der ausgereiften (Motoren-)Technologie in den nächsten Jahren keine wesentlichen Neuentwicklungen geben wird. Für rund ein Viertel der befragten Anlagenhersteller stellt die Option, zukünftig Mikro-KWK in Verbindung mit Kältetechnologien zu nutzen und so die jährliche Laufzeit der Anlagen zu erhöhen, eine interessante technologische Erweiterung dar. Die gleiche Anzahl der Befragten erwartet Weiterentwicklungen bei der Brennstoffzelle sowie die generelle, kontinuierliche Verbesserung der bestehenden Motoren-Konzepte. Jochen Vorländer
Quellen und Literatur
[1] Die Potenzialstudie „Mikro-KWK“ für Deutschland, Österreich und die Schweiz basiert auf einem umfangreichen Desk Research sowie 96 Experteninterviews, umfasst 1180 Seiten und kostet 5500 Euro. Bremen: trend:research, Juni 2010. http://www.trendresearch.de
[2] TGA-Dossier „Mini-KWK“, Webcode 716 auf http://www.tga-fachplaner.de
[3] Vorländer, Jochen: Wärmemarkt – KWK vom Energiedienstleister. Stuttgart: Gentner Verlag, TGA 4-2010
[4] Vorländer, Jochen: ZuhauseKraftwerk – Mini-KWK neu definiert. Stuttgart: Gentner Verlag, TGA 10-2009
Mikro-KWK vom Energieversorger
Das erste marktverfügbare erdgasbetriebene Stirling-Mikro-BHKW WhisperGen von Efficient Home Energy mit (12 kWth, 1 kWel) wird unter anderem von den Energieversorgern badenova und Gasag als Komplettlösung für Ein- und Zweifamilienhäuser angeboten. Im badenova-Pauschalpreis ab 18990 Euro sind alle Komponenten und Dienstleistungen von der ersten Planung über den Einbau bis zur Inbetriebnahme enthalten: Das WhisperGen-Modul DE1, ein 800-l-Pufferspeicher, eine Regelungseinheit, das Abgassystem, ein Verrohrungsset, die Umwälzpumpe und alle Teile, die für Einbau und Betrieb nötig sind. Auch der Einbau durch geschultes und zertifiziertes Fachhandwerk aus der Region ist im Preis enthalten. Außerdem nimmt das badenova-Angebot den Kunden lästige BHKW-Bürokratie ab: Der Energieversorger kümmert sich um die Rückerstattung der Mineralölsteuer und um die Vergütung des erzeugten Stroms.