Kompakt informieren
- Der im November 2016 verabschiedete Klimaschutzplan enthält Reduktionspfade für eine weitgehende Treibhausgasneutralität bis 2050 in den Sektoren Energiewirtschaft, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und Gebäude.
- Über Zwischenschritte ist geplant, den Primärenergiebedarf im Gebäudebereich gegenüber 2008 um 80 bis 95 % zu verringern.
- Das Ziel eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2050 ist nach heutigem Kenntnisstand nur durch eine Kombination aus Energie-effizienz und dem verstärktem Einsatz erneuer-barer Energien erreichbar.
- Dabei wurde berücksichtigt, dass einige technisch mögliche Optionen aufgrund der Auswirkungen in den anderen Sektoren nicht oder nur in sehr begrenztem Umfang realisierbar sind.
- Die im Gebäudebereich involvierten Unternehmen werden sich einem erheblichem Veränderungs- und Anpassungsdruck stellen müssen.
Der weitere Anstieg der globalen Temperatur muss durch die deutliche Reduktion der Emission klimawirksamer Treibhausgase (THG) in die Atmosphäre verringert werden. Die Wirkzusammenhänge und Handlungsebenen sind umfassend beschrieben und die notwendigen Maßnahmen werden bereits sukzessive auf der Basis internationaler und abgeleiteter nationaler Programme realisiert.
Der im November 2016 verabschiedete Klimaschutzplan der Bundesregierung enthält Reduktionspfade für eine weitgehende Treibhausgasneutralität bis 2050 (auch vereinbartes Ziel im Übereinkommen von Paris) in den Sektoren Energiewirtschaft, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und Gebäude [1].
Im Gebäudebereich soll die Klimaneutralität durch die schrittweise Weiterentwicklung der energetischen Standards für Neubauten und im Bestand durch umfangreiche Sanierungen erreicht werden. Über Zwischenschritte ist geplant, den Primärenergiebedarf im Gebäudebereich gegenüber 2008 um 80 bis 95 % zu verringern. Das Ziel eines „nahezu klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050“ ist nach heutigem Kenntnisstand nur durch eine Kombination aus Energieeffizienz, also Energieeinsparung, und dem verstärktem Einsatz erneuerbarer Energien erreichbar. Die massive Minderung des Primärenergiebedarfs von Gebäuden erfordert eine Kombination aus Endenergieverbrauchs-Einsparung sowie eine Substitution fossiler Energieträger im Bereich der Wärmeerzeugung.
Für die Steigerung der Energieeffizienz und des Einsatzes erneuerbarer Energien werden im Klimaschutzplan technische und wirtschaftliche Grenzen aufgezeigt. Die bereits im Bundeskabinett im November 2015 beschlossene „Energieeffizienzstrategie Gebäude – Wege zu einem nahezu klimaneutralen Gebäudestand“ [2] beschreibt notwendige Maßnahmen und Schritte. Der resultierende Zielkorridor liegt bei 36 bis 54 % Energieeinsparung sowie einem Ausbau erneuerbarer Energien auf 57 bis 69 % im Gebäudebereich Abb. 1.
Das Regelwerk im Gebäudesektor
Der Klimaschutzplan 2050 integriert unter anderem die EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) [3] und die daraus für Deutschland abgeleitete Energieeinsparverordnung (EnEV) [4] und das Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) [5]. Begleitet wird die EnEV unter anderem durch das deutsche Normenwerk DIN V 18 599 [6], das die für den Planungsprozess notwendigen Regeln, Anforderungen und Methoden beschreibt.
Gemäß EU-Gebäuderichtlinie (zurzeit in der Revision) müssen öffentlich genutzte Gebäude, die ab 2019 errichtet werden, Nearly Zero-Energy Buildings (NZEB, Niedrigstenergiegebäude) sein. Privatwirtschaftlich genutzte Gebäude müssen diesen national genauer festzulegenden Standard ab 2021 erfüllen.
Aktuell gibt es eine Gesetzesinitiative der Bundesregierung für eine Zusammenführung des Energieeinsparungsgesetzes (EnEG), der EnEV und des EEWärmeG in einem „Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz – GEG)“. Aufgrund der oben genannten Fristen der EU-Gebäuderichtlinie und des erforderlichen Vorlaufs für die Adressaten soll das Gesetzgebungsverfahren noch in der laufenden Legislaturperiode abgeschlossen werden und am 1. Januar 2018 in Kraft treten.
Der Zeitplan dafür ist äußerst eng: Erst am 23. Januar 2017 haben das Bundeswirtschafts- und das Bundesbauministerium eine aktuelle Version ihres GEG-Referentenentwurfs [7] an die Länder und Verbände mit wenigen Tagen Zeit für eine Stellungnahme versendet. Das im GEG-Entwurf durch Abschläge gegenüber dem EnEV-2016-Prinzip festgelegte Anforderungsniveau für die Errichtung von Nichtwohngebäuden der öffentlichen Hand entspricht ungefähr dem KfW-Effizienzhausstandard 55 [8], für privat genutzte Gebäude soll der Standard später festgelegt werden. Bis zum Redaktionsschluss (22.02.) wurde dem Bundeskabinett keine Gesetzesvorlage für das GEG vorgelegt. Um das Gesetzgebungsverfahren vor der Bundestagswahl durchlaufen zu können, ist ein Kabinettbeschluss bis zum 29. März 2017 erforderlich.
Sektorkopplung
Unter Sektorkopplung wird die Vernetzung der Bereiche Energiewirtschaft, Verkehr, Industrie, Landwirtschaft und Gebäude verstanden, die gekoppelt – also gemeinsam – optimiert werden sollen. Bisher werden die Sektoren außer bei der Kraft-Wärme-Kopplung mit Fernwärme weitgehend unabhängig voneinander betrieben. Da die Sektorenkopplung Synergieeffekte, insbesondere bei der Integration von hohen Anteilen erneuerbarer Energien ermöglicht, wird sie als Schlüssel für den Aufbau von Energiesystemen mit nahezu 100 % erneuerbaren Energien betrachtet.
Es besteht ein zunehmender Konsens der involvierten Kreise, dass eine Verzahnung der Sektoren zur Optimierung des Gesamtenergiesystems notwendig ist, damit die gesetzten Ziele erreicht werden. Die Herausforderungen der fluktuierenden Stromeinspeisung aus Photovoltaik- und Windkraft-Anlagen können durch die Kopplung der Sektoren wesentlich verringert werden.
Exemplarisch hierfür steht die technisch vergleichsweise einfache Nutzung regenerativ erzeugter Stromüberschüsse im Wärmebereich (Power-to-heat). Zudem ist die Sektorenkopplung wichtig, da sie den Aufbau eines effizienten Gesamtenergiesystems ermöglicht, das sowohl ökonomisch als auch ökologisch machbar ist. Beispiele für die Sektorkopplung enthält Abb. 2. Die unter der Individualheizung aufgeführten Heizsysteme werden unten behandelt.
Dekarbonisierung und Selektion
75 % des Endenergieverbrauchs für Raumwärme und 66 % für Trinkwarmwasser werden derzeit durch fossile Energieträger gedeckt Abb. 3. Der Anteil erneuerbarer Energien fällt mit 14 % bzw. 9 % bisher eher bescheiden aus [9]. Die aktuell deutliche Dominanz der fossilen Energieträger im Hauswärmebereich im Vergleich zu dem oben genannten Zielkorridor deutet an, dass hier ein Umbruch zur Dekarbonisierung erforderlich ist.
Ein simpler Ersatz der fossilen Energieträger durch regenerative Pendants ist jedoch schon aufgrund der Verfügbarkeit nicht möglich, vielmehr ist unter den besten verbleibenden Lösungen eine Selektion erforderlich. Nach [9] dürfen künftig nur noch folgende Energieträger und -quellen bzw. Konzepte genutzt werden:
- Biomasse
- Solarthermie
- Tiefengeothermie
- elektrische Wärmepumpen, betrieben mit regenerativ erzeugtem Strom
- Gaswärmepumpen, betrieben durch Gas, das über Power-to-Gas-Anlagen auf Basis von regenerativ erzeugtem Strom gewonnen wurde
Sollen künftig neben Biogas weitere Gasmengen klimaneutral (ohne CO2-Kompensation) genutzt werden, muss dazu in Power-to-Gas-Anlagen (P2G) zunächst Wasserstoff und dann Methan mithilfe von Strom aus regenerativen Kraftwerken erzeugt werden. Technisch ist es prinzipiell ohne Weiteres möglich, Gas-Brennwertheizkessel oder KWK-Anlagen mit Gas aus P2G-Anlagen zu betreiben. Da dafür aber erhebliche Mengen an regenerativem Strom erforderlich sind, scheiden diese Konzepte aufgrund unzureichender Effizienz in der Gesamtbetrachtung aus.
Die Ausbaupotenziale für die Deckung des unvermeidbaren Wärmebedarfs durch Biomasse, Solarthermie sowie Tiefengeothermie sind in Deutschland begrenzt. Die Nutzung von Biomasserohstoffen ist im dicht besiedelten Deutschland nur noch in geringem Umfang erweiterbar. Bei der Solarthermie und der Tiefengeothermie machen vor allem ökonomische Aspekte einen signifikanten Ausbau eher unwahrscheinlich. Ein in Deutschland bisher wenig genutzter Ansatz ist die Einbindung von größeren Solarthermie-Einheiten in Nahwärmenetze, um die Wirtschaftlichkeit zu verbessern.
[9] spielt eine Dekarbonisierung des Wärmesektors bis 2040 mit verschiedenen Konzepten durch. Für die Annahme, dass der Energiebedarf für Raumwärme und Trinkwarmwasser nicht durch Effizienzmaßnahmen gesenkt wird (Zubau an Biomasse, Solarthermie und Tiefengeothermie aus vorstehenden Gründen begrenzt), würde der Anteil der fossilen Energieträger gemäß Abb. 3 dann rund 500 TWh/a betragen.
Um diesen Energiebedarf mit Brennwertheizkesseln und Gas aus regenerativ angetriebenen P2G-Anlagen zu decken, würde ein zusätzlicher Strombedarf von 770 TWh entstehen. Dieser würde die gesamte heutige Bruttostromerzeugung von 628 TWh deutlich übersteigen. Der dafür nötige Zubau regenerativer Kraftwerksleistung ist völlig unrealistisch. Deshalb muss der zusätzliche Strombedarf im Wärmesektor durch Effizienzmaßnahmen und eine effizientere Verwendung des regenerativ erzeugten Stroms gesenkt werden.
Abb. 4 vergleicht verschiedene regenerative Wärmeversorgungskonzepte und ihren Strombedarf [9]. Basis ist ein energetisch nicht saniertes Gebäude mit einem Jahresheizwärmebedarf von 30 000 kWh/a. Erfolgt die Wärmeversorgung über einen Brennwertheizkessel mit Gas aus einer regenerativ angetriebenen P2G-Anlage, beträgt der resultierende Strombedarf 46 000 kWh/a. Die zusätzliche energetische Sanierung des Baukörpers führt zu einer Reduktion auf 23 000 kWh/a (bei einem Jahresheizwärmebedarf von 15 000 kWh/a). Der Einsatz einer dezentralen KWK-Anlage, der Brennstoff ist weiterhin Gas aus einer P2G-Anlage, führt dort zu einem Strombedarf von 38 000 kWh/a, der durch eine vollständige Rückspeisung von 10 000 kWh/a in das Netz verringert wird. Der Netto-Strombedarf von 28 000 kWh liegt aber noch deutlich über dem Jahresheizwärmebedarf von 15 000 kWh/a. Ein Vorteil gegenüber dem Brennwertheizkessel würde sich erst bei einem deutlich besseren elektrischen Wirkungsgrad der KWK-Anlage ergeben.
Eine deutliche Verringerung des Strombedarfs ist erst durch den Einsatz von Wärmepumpen erreichbar. Eine Elektro-Wärmepumpe mit einer Jahresarbeitszahl von 3 benötigt zur Deckung des Jahresheizwärmebedarfs nur 5000 kWh/a regenerativ erzeugten Strom. Dieser Strombedarf kann durch eine auf 5 verbesserte Jahresarbeitszahl auf 3000 kWh/a verringert werden.
Anhand des Vergleichs schlussfolgert [9]: „Gas-Brennwertkessel und KWK-Anlagen sind daher für die Dekarbonisierung bei der Energiewende nicht geeignet. Soll die Dekarbonisierung im Jahr 2040 abgeschlossen sein, dürfen solche Anlagen ab dem Jahr 2020 nicht mehr neu gebaut werden.“ Annahme ist dabei ein Produktzyklus von 20 Jahren bei Heizsystemen, sodass die Grenze im zehn Jahre länger dauernden Klimaschutzplan das Jahr 2030 wäre.
Folgende Zitate aus dem Klimaschutzplan 2050 verdeutlichen, dass die Bundesregierung ähnlich denkt:
- „Die Bundesregierung wird [..] die Austausch-förderung für ausschließlich auf fossilen Energieträgern basierende Heiztechniken zum Jahr 2020 auslaufen lassen und gleichzeitig die Förderung für erneuerbare Wärmetechnologien verbessern, mit dem Ziel, dass erneuerbare Heizsysteme deutlich attraktiver als fossile sind.“
- „In den nächsten Jahrzehnten müssen wir den Brennstoff Erdgas durch CO<sub>2</sub>-neutrales, regenerativ erzeugtes Gas ersetzen.“
- „Von allen treibhausgasrelevanten Investitionen haben Gebäude mit ca. 100 Jahren die längste Nutzungsdauer und auch die dort integrierte Gebäudetechnik bleibt häufig über 20 Jahre im Einsatz.“
- Im Kapitel Meilensteine bis 2030: „Um ‚Lock in-Effekte<sup>1)</sup>‘ zu vermeiden, werden die Förderbedingungen so gestaltet, dass die Nutzung von Heizsystemen, die erneuerbare Energien nutzen, deutlich attrak-tiver ist, als die Nutzung von Heizsystemen auf Basis fossiler Energien.“ (Im Kapitel
Abb. 4 berücksichtigt nicht die zeitliche Verfügbarkeit von Strom bzw. die Speicherfähigkeit der Energieträger. Bei Wärmepumpen ist eine dezentrale Wärmespeicherung von wenigen Stunden einfach zu realisieren, synthetisch produziertes Methan kann in der vorhandenen Erdgasinfrastruktur mehrere Monate gespeichert werden. Bezogen auf die unstete Produktion von Wind- und Solarstrom ist das ein großer Vorteil. Die Umwandlungspfade verdeutlichen aber, dass die Nutzung von regenerativ erzeugtem Gas aus einer P2G-Anlage in einem Heizkessel oder in einer KWK-Anlage energetisch nicht mit einer zentralen Verstromung und anschließender Nutzung in einer Elektro-Wärmepumpe mithalten kann.
Die thermische Optimierung des Baukörpers oder der nachträgliche Einbau einer Wärmepumpe ohne Berücksichtigung der Randbedingungen des späteren Betriebs sind energetisch nicht zielführend. Die Hebung des Potenzials hoher Jahresarbeitszahlen erfordert zwingend niedrige Heizmitteltemperaturen. Dies gilt sowohl für neu errichtete Gebäude, die heute üblicherweise mit Flächenheizungen ausgestattet werden, als auch für die energetische Modernisierung im Gebäudebestand. Generell zeigen heute alle Signale in die Richtung, eine spätere Modernisierung der Wärmeerzeugung ab sofort bei allen Entscheidungen für die Wärmeübergabe zu berücksichtigen.
Der Weg zum Niedrigstenergiegebäude
Nach der ersten Öl(preis)krise Anfang der 1970er-Jahre wurde in Deutschland durch gesetzgeberische Maßnahmen der Energiebedarf von neu errichteten Gebäuden fortwährend reduziert. Abb. 5 zeigt den Pfad der Entwicklung seit 1980 und die damit erzielten Erfolge beim energiesparenden Bauen am Beispiel des Primärenergiebedarfs einer Doppelhaushälfte [11]. Detaillierte Informationen zum energetischen Gebäudestandard der letzten drei Jahrzehnte enthält Abb. 6 [12].
Der „fast bei Null liegende oder sehr geringe Energiebedarf“ des kommenden Niedrigstenergiegebäude-Standards soll zu einem ganz wesentlichen Teil durch Energien aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Diese sollen idealerweise am Standort oder in der Nähe erzeugt werden [3].
Die geforderte Technologieoffenheit ermöglicht die Entwicklung neuer ganzheitlicher Gebäudekonzepte. Somit werden die zukünftigen Niedrigstenergiegebäude nicht nur Energieverbraucher sein, sondern zeitgleich als Energieerzeuger und Energiespeicher für die Bereiche Wärme, Strom und Mobilität im Sinne der beschriebenen Sektorkopplung fungieren.
Ein wichtiger Entwicklungsschritt zum Niedrigstenergiegebäude ist das Passivhaus. Seine energetische Definition begrenzt den maximal zulässigen Jahresprimärenergiebedarf auf 15 kWh/(m2 a). Die maximal zulässige Heizlast beträgt 10 W/m2 und muss auch im Winter an ungünstigen Tagen über die Zuluft einbringbar sein [13]. Erforderlich sind dazu eine drastische Reduzierung des Transmissionswärmebedarfs und eine deutliche Verminderung des Lüftungswärmebedarfs.
Diese Erfordernisse werden mit einer sehr dichten Gebäudehülle und einem sehr hohem Wärmedämmstandard erreicht. Eine hygienisch ausreichende Be- und Entlüftung erfordert unter diesen Rahmenbedingungen eine mechanische Be- und Entlüftungsanlage, häufig mit Wärmerückgewinnung.
Der Heizwärmebedarf kann nach Meinung der Passivhaus-Protagonisten überwiegend aus äußeren und inneren Wärmegewinnen gedeckt werden. Die dann noch fehlende Heizwärme wird über Nachheizregister innerhalb der Lüftungsanlage gedeckt. Problematisch kann dabei eine extrem geringe relative Luftfeuchtigkeit werden, wie Beschwerden von Passivhausbewohnern berichten. Konventionelle Heizsysteme sind kein Bestandteil des Passivhaus Konzepts, werden jedoch i. d. R. durch die Bauherrn nachgefragt und häufig eingesetzt. Hintergrund dürfte wohl auch der Austausch mit erfahrenen Passivhausbewohnern sein, die deutliche Temperaturunterschiede zwischen einzelnen Räumen als unangenehm empfinden.
Regenerativer Strom für Raumwärme
Während in der Vergangenheit die Nutzung von Strom im Wärmesektor zunehmend in Misskredit geraten ist – bedingt durch den relativ schlechten Wirkungsgrad bei der Stromerzeugung in thermischen Kraftwerken mit fossilen Energieträgern – vollzieht sich durch den forcierten Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor derzeit ein Paradigmenwechsel: War Strom bislang zum größten Teil ein Sekundärenergieträger, der aus fossilen Energieträgern erzeugt werden musste, so wird Strom aus den erneuerbaren Energien Wasser, Wind und Sonne zu einem Primärenergieträger. Die bislang vorgebrachten Argumente gegen eine Nutzung von Strom im Wärmesektor treffen in Szenarien mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien nicht mehr zu [14].
Abb. 7 beschreibt die Entwicklung der Primärenergiefaktoren, insbesondere für Strom auf der Zeitachse bis 2050. Der deutliche Rückgang der Primärenergiefaktoren für Strom und Fernwärme resultiert aus den steigend angenommenen erneuerbaren Anteilen am Energieträgermix.
Sektorkopplung / Energiespeicherung
Der Ausgleich von aktueller Energienachfrage und dem aktuellen Energieangebot kann durch ein Lastmanagement verringert werden, erfordert aber zusätzlich Speicher. Die Speicherung chemischer, thermischer und elektrischer Energie wird eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Sektorkopplung und damit der „Energiewende“ spielen.
Es sind bereits vielfältige Konzepte und Techniken der zentralen und dezentralen Speicherung am Markt verfügbar oder in der Entwicklung bzw. Erprobung. Marktgängiges Produkt im Hauswärmebereich ist der bewährte thermische Speicher mit dem Medium Wasser. Als Kurzfristspeicher für elektrische Energie werden Batterien bzw. Akkumulatoren eingesetzt. Für die mittelfristige oder saisonale Speicherung von thermischer Energie stehen ebenfalls technische Lösungen bereits jetzt zur Verfügung. Die systematische Beschreibung von thermischen und elektrischen Speichern in Gebäuden erfolgt in der in Arbeit befindlichen VDI-Richtlinie 4657 [15].
Zentrale Wärmespeicherung
Bei der bisher am weitesten verbreiteten Hybridheizung wird Wärme über thermische Solarkollektoren erzeugt, gespeichert und über einen Heizkessel Wärme zugeführt, sobald die Leistung der thermischen Solaranlage nicht mehr ausreicht bzw. der Pufferspeicher entladen ist. Die zentrale Anlagenkomponente ist dabei der Pufferspeicher.
Eine weitere Hybrid-Lösung ist die Kombination der thermischen Solaranlage mit einer elektrisch betriebenen Wärmepumpe (und ggf. einem Pufferspeicher). Dabei wird der Trinkwarmwasserbedarf im Sommer überwiegend durch Solarthermie gedeckt und die Wärmepumpe wird erst zu Beginn der Heizperiode im Sinne der Sektorkopplung mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben Abb. 8. Eine noch weitergehende Hybrid-Lösung ist die Kombination mit einem Wasser führenden Scheitholz- oder Holzpellet-Ofen.
Die Fähigkeit zur Energiespeicherung vergrößert den „Spielraum“, wie das Sonnenhaus-Konzept verdeutlicht, das mit einem ähnlichen Anlagenprinzip arbeitet. Das Gebäude entspricht dabei dem KfW-70-Standard [8]. Besonderheiten sind die Pufferspeicheranordnung innerhalb der gedämmten Gebäudehülle und die Speichergröße Abb. 9. Auch die thermische Solaranlage ist wesentlich größer als bei Anlagen zur Trinkwassererwärmung und Heizungsunterstützung, sodass der Deckungsgrad der jährlichen Heizenergie durch die Solaranlage über 50 % beträgt.
Die Speicherverluste werden als innere Wärmegewinne zur Raumheizung genutzt. Die Beladung erfolgt dabei saisonal vorwiegend außerhalb der Heizperiode während der Sommermonate. Die fehlende Heizenergie wird über Holzpellet- oder Scheitholzkessel erzeugt und dem Speicher zugeführt. Daumenwerte für ein Einfamilienhaus sind 30 m2 Solarkollektoren und ein Pufferspeicher mit ca. 4500 l. Das Sonnenhaus ist ein Gesamtkonzept von Gebäudehülle und Anlagentechnik. Der Primärenergiebedarf entspricht dem des Passivhaus-Standards von max. 15 kWh/(m2 a). Um die Speicherkapazität bestmöglich zu nutzen, werden in Sonnenhäusern Fußboden-, Wand- oder Deckenheizungen eingebaut.
Dezentrale Wärmespeicherung
Monovalente Power-to-heat-Lösungen zeigt Abb. 2. Im Sinne der Sektorenkopplung gehört dazu auch die mit EE-Strom betriebene Elektrospeicherheizung oder die Elektrofußbodenspeicherheizung, bei der Wärme im Estrich gespeichert wird. Eine weitere Bauform ist die Kombination aus Elektrofußbodenspeicherheizung und Elektrofußbodendirektheizung, die die Vorteile beider Systeme zusammenführt. Über intelligente Lademodelle kann den Bedürfnisse der Stromwirtschaft und den Anforderungen an die thermische Behaglichkeit entsprochen werden.
Stromspeicherung in Gebäuden
Einen Schritt weiter gehen Plus-Energiehäuser Abb. 1, die durch ihren Stromüberschuss auch den Sektor Mobilität einkoppeln können. Wesentliche Bestandteile sind meistens eine Photovoltaik-Anlage und ein Stromspeicher. Über das System können dann auch die Akkus von Elektroautos geladen werden. Inzwischen gibt es auch erste Konzepte, die Stromspeicher zu einem virtuellen Kraftwerk bzw. Batteriepool bündeln und so dem Netz gezielt Strom entnehmen und zur Verfügung stellen. Schon vor einigen Jahren ging man davon aus, dass dies künftig auch über die Stromspeicher von Elektrofahrzeugen möglich ist, allerdings existieren bisher weder eine geeignete Infrastruktur noch eine ausreichende Anzahl an Fahrzeugen mit geeigneten Akkus.
Digitalisierung
Die Ziele der Energiewende bezüglich Öko-logie, Ökonomie und Nachhaltigkeit sind ohne informatorische Verknüpfungen der beteiligten Prozessebenen nicht realisierbar. Automatisierte Verbrauchserfassungen und Nutzer-Rückmeldung können die Grundlage dafür schaffen, dass individuelle Einsparpotenziale erkannt, quantifiziert, und so erschließbar / nutzbar werden.
Die Mess-, Steuer- und Regelungstechnik wird im Niedrigstenergiegebäude stark an Bedeutung gewinnen und über die klassische Haustechnik hinaus weitere Aufgaben aus den Bereichen Sicherheit und Kommunikation abbilden. Heute noch überwiegend parallel angebotene Lösungen für die Hausautomation, Smart Metering und Smart Grid werden funktional und auch als Lösung zusammenwachsen. Intelligente Messsysteme sind die Voraussetzung für die Einführung variabler Stromtarife [19]. Die Digitalisierung wird dann dazu beitragen, die Effizienz des Energieeinsatzes zu erhöhen und ihn mit steigenden Anteilen aus volatiler Energieerzeugung zu synchronisieren.
Ausblick
Der Klimaschutzplan 2050 leitet einen Paradigmenwechsel ein: Erneuerbare Energien und Energieeffizienz werden künftig Standard für Investitionen sein. Der Klimaschutzplan enthält einen (groben) Fahrplan für einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050. Versorgungssicherheit sowie bezahlbaren und wettbewerbsfähigen Energiepreisen kommt dabei der gleiche Stellenwert wie nationalen Emissionsminderungszielen zu.
Je weiter die Umsetzung vorankommt, desto größer wird die Interaktion zwischen den Sektoren Energiewirtschaft, Verkehr und Gebäude sowie Industrie (Sektorkopplung). Dabei kommt der regenerativen Stromerzeugung eine Schlüsselstellung zur CO2-neutralen Entwicklung der Sektoren zu. Die Transformation zu einer Stromversorgung auf Basis erneuerbarer Energien bis etwa 2050 ist bei gleichzeitiger Wahrung der Versorgungssicherheit technisch machbar.
Dabei ist die zentrale Herausforderung, Erzeugung und Verbrauch jederzeit in Einklang zu bringen und gleichzeitig die Bezahlbarkeit von Strom für Verbraucher sicherzustellen. Die kontinuierliche Verbesserung der Energieeffizienz und Energieeinsparungen sind wesentliche Bestandteile der Strategie zur Dekarbonisierung, nur so lässt sich der zusätzliche Bedarf an erneuerbarer Stromerzeugung decken. Von zentraler Bedeutung ist deshalb die (schrittweise) Weiterentwicklung der energetischen Standards für Neubauten und die Sanierung von Bestandsgebäuden. Darüber hinaus wird im Klimaschutzplan 2050 deutlich gemacht, dass bei Heizsystemen die Förderung auf solche konzentriert wird, die auf erneuerbaren Energien basieren.
Die wirtschaftlichen, sozialen und daraus resultierenden politischen Herausforderungen bei der Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 sind enorm. Viele Geschäftsmodelle der involvierten Industrien und Wirtschaftskreise werden sich einem erheblichen Veränderungs- und Anpassungsdruck stellen müssen. Ein exponiertes Beispiel für politischen Handlungsbedarf sind die Strompreise. Durch eine Vielzahl an Abgaben und Steuern zahlen Verbraucher für Strom aktuell etwa 27,5 Ct/kWh, Heizöl und Erdgas kosten aber nur 5 bis 7 Ct/kWh.
Literatur
[1] Klimaschutzplan 2050. Klimaschutzpolitische Grundsätze und Ziele der Bundesregierung. Berlin: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. 14. November 2016
[2] Energieeffizienzstrategie Gebäude – Wege zu einem nahezu klimaneutralen Gebäudebestand. Berlin: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, November 2015
[3] EU Richtlinie Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD)
[4] Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung – EnEV) vom 24. Juli 2007. Berlin: BGBl I S. 1519, zuletzt durch Artikel 3 der Verordnung vom 24. Oktober 2015 BGBl I S. 1789 geändert
[5] Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmebereich (Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz – EEWärmeG) vom 7. August 2008. Berlin: BGBl I S. 1658, zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 20. Oktober 2015 BGBl. I S. 1722 geändert
[6] DIN V 18 599 Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung. Berlin: Beuth Verlag, aktuelle Version Oktober 2016
[7] Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit: Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung Erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden – Gebäudeenergiegesetz (GEG). Berlin: 23. Januar 2016
[8] www.kfw.de/inlandsfoerderung/Privatpersonen/Neubau/Das-KfW-Effizienzhaus/
[9] Volker Quaschning. Sektorkopplung durch die Energiewende. Berlin: HTW Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin, 2016
[10] Handlungsempfehlungen zur Sektorkopplung durch Power-to-Heat in Hybridheizungen. Hamburg: IWO Institut für Wärme und Öltechnik, 2016
[11] Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP. Stuttgart
[12] Materialien aus Gastechnik, Zahlen, Daten, Fakten. Berlin: BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft
[13] Passivhaus-Institut in Darmstadt, www.passiv.de
[14] VDE-Studie Strom im Raumwärmemarkt – Kopplung von Strom- und Wärmesektor für eine erfolgreiche Energiewende – Status Quo, Technologien und Anwendungsfelder, Szenarien bis 2050. Studie der Energietechnischen Gesellschaft im VDE (ETG). Frankfurt: März 2015
[15] VDI 4657 Planung und Integration von Energiespeichern in Gebäudeenergiesysteme. Düsseldorf: VDI, Richtlinie in der Projektphase
[16] Instationäre gekoppelte energetische und wärmephysiologische Bewertung von Regelungsstrategien für HLK Systeme. Dresden: Abschlussbericht, TU-Dresden, 2011
[17] Bildquelle: Sonnenhaus-Institut, www.sonnenhaus-institut.de
[18] Wege zum Effizienzhaus Plus – Grundlagen und Beispiele für Gebäude. Berlin: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Januar 2016
[19] Grünbuch Energieeffizienz – Diskussionspapier des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi). Berlin: August 2016
Fußnoten
1) Unter Lock-in-Effekt (englisch lock in, „einschließen“ oder „einsperren“) versteht man die enge Kundenbindung an Produkte / Dienstleistungen oder einen Anbieter, die es dem Kunden wegen entstehender Wechselkosten und sonstiger Wechselbarrieren erschwert, das Produkt oder den Anbieter zu wechseln.
" class="chapter-heading">Klimaschutzplan
Der Klimaschutzplan 2050 (91 Seiten) basiert unter anderem auf einem breit angelegten Beteiligungsprozess von Bundesländern, Kommunen, Verbänden und Bürgern. Laut Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks ist er das erste Regierungsdokument, das den Weg in ein weitgehend treibhausgasneutrales Deutschland im Jahr 2050 aufzeigt. Der Plan enthalte auch erstmals Klimaziele für einzelne Wirtschaftszweige. www.klimaschutzplan2050.de
Dipl.-Ing. Joachim Plate
ist freier Fachjournalist und Sachverständiger, Akademie für Technische Kommunikation i.G., Telefon (01 76) 43 65 38 43, joachimplate@t-online.de