Kraftstoff aus Biomasse. Das Thema fasziniert schon seit längerem Forscher, Ingenieure, Chemiker sowie Investoren und neuerdings auch Politiker. Bereits 1860 verwendete Nikolaus August Otto in den Prototypen seines Verbrennungsmotors Ethanol. Rund 50 Jahre später konzipierte Henry Ford das legendäre T-Modell ebenfalls auf der Basis von Ethanol. Er hatte die Vision einer nachhaltigen Mobilität unter Einbeziehung der Landwirtschaft als Kraftstofflieferant. Der aus Pflanzen gewinnbare Alkohol sollte aber nicht das Rennen machen.
Das damals in den USA geltende Alkoholverbot und der Einfluss der Rockefellers stellten die Weiche auf Benzin aus Erdöl. Weltweit wurde der gleiche Weg eingeschlagen, nur Brasilien baute schon früh auch auf Bioethanol und deckt damit heute fast die Hälfte seines Benzinverbrauchs. Rund 100 Jahre später wird die Weiche zurückgestellt. Oder zumindest ein dickes Nebengleis eröffnet. Erntedank im Autotank1). Der massenhafte und großtechnische Einsatz von Biomasse zur Kraftstofferzeugung wird auch Einfluss auf unsere Branche haben, nicht nur beim Tanken von Baustellenfahrzeugen.
In Biomasse gespeicherte Sonnenenergie ist die dominierende heute genutzte Energiequelle. Allerdings wurde sie bereits vor mehreren Millionen Jahren photosynthetisiert und setzt heute als Kohle, Erdöl und Erdgas das damals der Atmosphäre entzogene Kohlendioxid wieder frei. Zumindest die Freisetzungsgeschwindigkeit ist ein Problem. Der Anstieg der CO2-Konzentration seit der Industrialisierung durch die Nutzung fossiler Energie lässt sich nicht leugnen. Und die Wissenschaft ist sich einig, dass dadurch das Klima besorgniserregend verändert wird. Abhilfe dagegen soll auch die vermehrte Nutzung frischer Biomasse schaffen.
Tortillas im Tank
Momentan herrscht im Bereich Energie aus Biomasse noch Goldgräberstimmung, insbesondere dort, wo üppig Förderung sprudelt. Vergleicht man jedoch die weltweit in Gang gesetzten Projekte, Biomasse zu möglichst universellen handelbaren Produkten umzuwandeln, wird schnell eines klar: Es existiert kein globaler Plan. Das Fatale daran: Die Umwandlungseffizienz der Biomasse zu Energieprodukten scheint lediglich eine untergeordnete Rolle zu spielen und es wird überwiegend auf die zu substituierenden Produkte geschielt.
Beispiel Amerika: Seit dem George W. Bush auf heimischen Sprit drängt, wird hektisch an zusätzlichen Anlagen geschraubt. Gefüttert werden sollen sie mit Mais- und Getreidekörnern, um daraus zur benzinorientierten Automobilflotte passenden Ethanol zu destillieren. Mit magerer Ausbeute: Unter günstigen Bedingungen lassen sich etwa 1600 l Benzinäquivalent gewinnen, wovon noch mindestens 10 % für die Landmaschinen abzuziehen sind. 2005 wurden in den USA etwa 15 Mio. m3Ethanol produziert, 2006 waren es vermutlich über 17 Mio. m3, Tendenz stark steigend. Wenig freuen sie sich darüber in Mexiko. Dort ist Mais ein Grundnahrungsmittel und in Mexiko-Stadt verteuerten sich Tortillas innerhalb weniger Wochen um mehr als 80 %. Man stelle sich den Aufschrei in Deutschland vor, wenn ein Laib Brot plötzlich das Doppelte kostet.
Dabei ließe sich aus dem Mais erheblich mehr Energie erzeugen. Beispiel Deutschland. Hier wird in Biogasanlagen die gesamte Pflanze eingesetzt und von einem Hektar ein Ertrag von fast 5000 l Benzinäquivalent in Form von Biogas produziert. Daneben bleiben in den Gärresten die Nährstoffe zurück, der Einsatz von Kunstdünger ist nicht oder nur sehr begrenzt erforderlich. Das spezifische Problem beim Biogas: Es wird vorrangig an stadtfernen Produktionsstandorten in Gasmotoren verstromt, die Wärme lässt sich selten in vollem Umfang nutzen. Außerdem konzentrieren sich die Biogasanlagen in Norddeutschland, wo es ohnehin schon Klimmzügen bedarf, den Windstrom in die Verbrauchszentren abzuleiten. Die Einspeisung in das Erdgasnetz von weiter aufbereitetem Biogas ist erst im Kommen, technisch aber einfach möglich wenn, bestimmte Randbedingungen eingehalten werden. Für den wirtschaftlichen Betrieb ist aber eine bestimmte Mindestgröße der Biogaserzeugung erforderlich.
Dieselbe Pflanze, gänzlich unterschiedliche Substitutionseffekte. Und Folgen im globalen Ausmaß. Und auch für Europa hat die Substitution von Benzin durch Bioethanol in Amerika Konsequenzen: Durch die starke Verbreitung von Dieselkraftstoff entstehen in den Raffinerien Benzinüberschüsse, die bisher nach Nordamerika exportiert werden.
Flüssiges Holz
Noch ist Holz der zurzeit weltweit wichtigste nachwachsende Energielieferant. Direkt verbrannt heizt er Kochstellen und erwärmt stückig, geschreddert oder pelletiert in Öfen und Heizkesseln eingesetzt Räume und Trinkwarmwasser. Dazu kommt der Einsatz in größeren Anlagen als Voll- oder Teilsubstitution fossiler Energieträger mit Kraft-Wärme-Kopplung, überwiegend mit Dampfkraftprozessen. Anlagen mit Holzvergasung und nachgeschaltetem Gas- und Dampfturbinenprozess versprechen zwar einen deutlich höheren Wirkungsgrad der Stromerzeugung, sind aber noch in der Entwicklung. Abgesehen von Kochstellen und offenen Kaminen und richtig aufbereitete Brennstoffe sowie moderne Technik vorausgesetzt, spart Holz bei diesen Einsatzfällen seinen Energieinhalt nahezu 1 : 1 an fossiler Primärenergie ein. Nur bei Kaminöfen ist die Ressourcenschonung durch den schlechteren Wirkungsgrad etwas geringer.
Holz lässt sich aber auch zu Kraftstoff synthetisieren. Biomass to Liquid (BTL) heißt das Zauberformel, die erstmalig im industriellen Maßstab (Beta-Anlage von Choren Fuel Freiberg) in diesem Jahr SunDiesel aus zerhäckseltem Holz produzieren soll. Erster Verfahrensschritt ist die Einschleusung der trockenen (Feuchtegehalt 15 20 %) Biomasse in einen Nieder-Temperatur-Vergaser. Bei 400 bis 500 °C spaltet er die Biomasse in Koks und teerhaltiges Schwelgas. Letzteres wird anschließend im sogenannten Carbo-V-Vergaser mit Wasserdampf und Sauerstoff teiloxidiert, die unerwünschten Kohlenwasserstoffe werden oberhalb von 1400 °C vorwiegend in CO und H2umgewandelt. Unmittelbar danach wird in das heiße Gasgemisch der zermahlene Koks eingeblasen, wodurch Rohgas mit einer Temperatur von 800 °C entsteht. Das Temperaturniveau wird über Wärmeübertrager zur Prozessdampferzeugung (Strom und Heizdampf) genutzt.
Nach einer Entstaubung wird das Gas gewaschen, wobei Chlor und Schwefel entfernt werden. Anschließend werden in der Fischer-Tropsch-Synthese2)aus dem verdichteten Rohgas mit Hilfe eines Kobalt-Katalysators kettenförmige Kohlenwasserstoffe (Paraffine) gewonnen. Das aus dem Reaktor austretende Synthesegemisch wird gekühlt, dabei das Synthesewasser abgetrennt. Aus dem Rohprodukt wird anschließend in weiteren Aufbereitungsschritten SunDiesel gewonnen. Als Nebenprodukt anfallendes Wachs kann durch Hydrocracking zu weiterem Dieselkraftstoff verarbeitet werden.
Der Lohn im Basis-Autark-Szenario ohne externe Energiezufuhr und mit integrierter Luftzerlegung: Aus 6 kgatroBiomasse wird ein 1 kg SunDiesel. Der heizwertbezogene Wirkungsgrad für den Prozess liegt bei schlaffen 45 %. Biomasseveredlung oder Biomasseverschwendung? Man kann auf einen Blick erkennen: Bezogen auf die Ressourcenschonung wäre die direkte Holzverfeuerung sinnvoller.
Noch fällt die Beta-Anlage mit einer geplanten Produktionsmenge von 15 000 t/a SunDiesel bei der Rohstoffbilanz kaum ins Gewicht. Ganz anders klotzt da schon die nächste Generation ran: Ab 2010 soll sie etwa 1 Mio. t/a Trockenmasse mit hohem Holzanteil und bis zu 30 % halmartige Biomasse zu 0,22 Mio. t/a SunDiesel umwandeln. Um den Mahlstrom von 2750 t/d Biomasse zu befriedigen, wäre auf der Basis sehr ergiebiger Energiepflanzen (Miscanthus) rechnerisch ein Umkreis von mehr als 25 km im Durchmesser erforderlich. Bei Kurzumtriebsplantagen mit rund 10 t/(ha a)atroerweitert sich der Kreis auf fast 36 km. Insgesamt vier Anlagen dieses Kalibers sind von Choren für Deutschland geplant. Um sie mit dem erforderlichen Rohstoff zu versorgen, sind mindestens 400000 ha Fläche erforderlich. Rund 1 Mio. Tonnen BtL-Kraftstoff würden sie produzieren, allerdings längst nicht eine entsprechende Menge Dieselkraftstoff ersetzen, weil die Anlagen nicht wie im Basis-Autark-Szenario vorgesehen sind.
Ohne Importe begrenztes Wachstum
Zurzeit importiert Deutschland fast seinen gesamten Bedarf an Erdöl- und Erdgas. In Deutschland angebaute Biomasse kann diesen Bedarf auch nicht bei kühnsten Ertragsszenarien decken, man würde dazu fast die gesamte Fläche Deutschlands benötigen. Deswegen muss Biomasse mit maximaler Effizienz eingesetzt werden. Und wir müssen für eine Quote über 20 % Bioenergie (bezogen auf Primärenergie) Biomasse oder aus Biomasse produzierte Energieträger importieren. Um auf diesem Weg nicht gleichzeitig Umweltzerstörung zu exportieren, wird zurzeit an Zertifizierungssystem gearbeitet, die eine nachhaltige und sozialverträgliche Produktion gewährleisten sollen.
Parallel zur Entwicklung auf dem Bioenergiesektor steigt die Erdbevölkerung von aktuell 6,5 auf rund 9 Mrd. Menschen bis 2050. Und in den bevölkerungsreichen aufstrebenden Nationen wächst der Hunger auf Fleisch. Neueste Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sagen eine Verdoppelung der Fleisch- und Milchproduktion bis zum Jahr 2050 mit gigantischem Mehrbedarf an Produktionsfläche voraus. Realität wird der Flächenkonflikt schon lange vorher, weil gleichzeitig riesige Flächen durch Erosion, Versalzung und Ausbreitung der Wüsten für die landwirtschaftliche Produktion verloren gehen. Das wird auch Europa erreichen. Die langfristigen Klimaprognosen sind beispielsweise für Spaniens Agrarwirtschaft in vielen Regionen vernichtend .
Nahrungsmittelknappheit, sich verschlechternde Anbaubedingungen, begrenzte Flächen und auch die Gefahren von Monokulturen sind das ideale Klima für die Gentechnikbranche. Ihre Produkte sollen Schädlinge abwehren, die Erträge steigern und fette Ernten auch auf kargen und trockenen Böden sichern. Kritiker befürchten, dass mit der Ausbreitung von genveränderten Pflanzen neue Probleme entstehen und fordern, stattdessen auf alternative Anbaumethoden zu setzen. Damit ist das Konfliktpotenzial aber längst nicht ausgereizt: Umweltbelastungen durch Pestizide, Herbizide und Düngemittel, Emission von Klimagasen beim Pflanzenwuchs, Versauerung von Böden und Gewässern, sinkende Artenvielfalt, zerstörte Lebensräume, Wasserkonsum Die Liste ist lang. Und schließlich der Klimawandel selbst. Der trockene Sommer 2006 gab in vielen Regionen einen Vorgeschmack auf ausbleibende Ernteerträge. Ohne genaue Analysen ist auch heute schon klar, dass Bioenergie auf der Rohstoffseite deutliche Preissteigerungen auslösen wird. Mit in den Sog geraten also viele andere Produkte, die ebenfalls auf diese Rohstoffe angewiesen sind. Das Klagen hat dort längst begonnen.
Wer bekommt welche Biomasse?
Ordnung schaffen will die Bundesregierung jetzt mit einem Plan, der die verfügbare Biomasse auf die verschiedenen Nutzungen verteilt. Als erster Entwurf soll er noch im 1. Halbjahr 2007 zur Diskussion gestellt werden. Aufschreie sind vorprogrammiert. Ende 2006 bekannt gewordene Auszüge deuten beispielsweise darauf hin, dass der Wärmeerzeugung aus Biomasse in Einzelanlagen ab etwa 2010 der Brennstoff für weiteres Wachstum verwehrt wird. Einen wahren Boom sollen hingegen Nahwärmenetze auf der Basis von Biomasse erleben. Aber auch nur zeitlich begrenzt. Nach den Szenarien aus dem Bundesumweltministerium steigt die Wärmeerzeugung aus Biomasse ohnehin nur noch bis etwa 2020. Ab dann müssen vermehrt Solarthermie und Erdwärme ran.
Die Energieerzeugung aus Biomasse steht zwar erst am Anfang, die Erwartungen und die Hoffnungen einzelner Branchen sind jedoch extrem hoch. Auch bei der Geräteindustrie und beim Großanlagenbau, um sich für den Weltmarkt mit ihrer Technik in Position zu bringen. Es wird fast zwangsläufig Enttäuschungen geben. Für den Wärmebereich aus Einzelanlagen deuten sie sich bereits an, was ein völlig anderes Bild zeichnet als beispielsweise die BDH-Marktdaten (siehe Seite 46). Die direkte Verfeuerung von Biomasse erzielt bei vielen Bewertungskriterien für ihre Verwendung die besten Werte. Ob das System auch die beste Lobby hat, wird sich erst in den nächsten Monaten herausstellen. Jochen Vorländer
1)Überschrift aus DER SPIEGEL, Ausgabe 8-2007
2)Fischer-Tropsch-Synthese: Adsorption von Kohlenmonoxyd und Wasserstoff an der Katalysatoroberfläche, Kettenwachstum mit Spaltung des Kohlenmonoxyds und anschließender Addition des Wasserstoffs an Kohlenstoff und separat an Sauerstoff. Kettenabbruch und Desorption des Moleküls von der Katalysatoroberfläche.