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Forschung

Kühlen mit künstlichen Muskeln

Die Ingenieure Marvin Schmidt (l.) und Johannes Ullrich arbeiten im Forscherteam der Professoren Andreas Schütze und Stefan Seelecke an einer umweltfreundlichen und ressourcenschonenden Kühlmethode. - Oliver Dietze - © Oliver Dietze
Die Ingenieure Marvin Schmidt (l.) und Johannes Ullrich arbeiten im Forscherteam der Professoren Andreas Schütze und Stefan Seelecke an einer umweltfreundlichen und ressourcenschonenden Kühlmethode. - Oliver Dietze
Gekühlt wird auf der ganzen Welt. Kühlschränke laufen rund um die Uhr, Klimaanlagen kühlen Büros, Kühlsysteme halten Computer und Motoren in Gang. Und der Bedarf an Kühlung steigt mit dem Klimawandel, der wachsenden Weltbevölkerung und dem Streben der Menschen nach Wohlstand und Komfort. Um den steigenden Bedarf an Kühlenergie klimafreundlich und ressourcenschonend zu decken, sind neue Konzepte in der gesamten Prozesskette gefragt.

Eine umweltfreundlichere Kühlmethode entwickeln die Forscherteams der Ingenieurwissenschaftler Prof. Dr. Stefan Seelecke und Prof. Dr. Andreas Schütze von der Universität des Saarlandes gemeinsam mit den Werkstoffwissenschaftlern Prof. Dr. Gunther Eggeler und Dr. Jan Frenzel von der Ruhr-Universität Bochum. Ihr Verfahren kommt ohne treibhausrelevante Kühl- oder Kältemittel aus und soll auch weniger Energie verbrauchen als bislang übliche Kühl-Techniken.

Kühlsystem mit Formgedächtnis-Legierung

Seelecke: „Wir setzen Systeme mit Formgedächtnis-Legierungen (FGL)ein, um Wärme zu transportieren. Drähte oder Bleche aus der Legierung Nickel-Titan haben gewissermaßen ein Erinnerungsvermögen: Werden sie verformt, nehmen sie anschließend die alte Form wieder an. Hierdurch können sie wie Muskeln an- und entspannen. Den Effekt, dass sie dabei Wärme aufnehmen und wieder abgeben, nutzen wir zum Kühlen.“

Wird ein Nickel-Titan-Draht oder -Blech verformt oder gezogen, verändert sich die Gitterstruktur im Inneren des Metalls und es entstehen Spannungen. Diese sogenannten Phasenumwandlungen erwärmen das Material. Wird das Metall nach dem Temperaturausgleich mit der Umgebungstemperatur wieder entlastet, lösen sich die Spannungen und es kühlt stark ab: etwa 20 K das Umgebungsniveau.

Seelecke: „Die Grundidee ist, einem Raum – etwa dem Inneren eines Kühlschranks – Wärme zu entziehen, indem dort ein vorgedehntes, superelastisches Formgedächtnis-Material entlastet wird und es dabei stark abkühlen. Die dann aufgenommene Wärme gibt man außerhalb des Kühlschrankes an die Umgebung ab, indem das Material dort zur Temperaturerhöhung und Wärmeabgabe wieder belastet wird, bevor der Kreisprozess aufs Neue beginnt.“

Das Kühlverfahren funktioniert...

In den bisherigen Versuchsreihen und Simulationsmodellen haben die Wissenschaftler an der Saar-Uni und am Saarbrücker Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik (ZeMA) nachgewiesen, dass ein solches Kühlverfahren funktioniert und in der Praxis eingesetzt werden kann. Anhand eines Modellsystems erforschten sie, wie der Kühlmechanismus am effizientesten abläuft und untersuchten etwa, wie stark das Material gezogen oder gebogen werden muss, um eine bestimmte Kühlleistung zu erreichen, oder ob der Prozess langsam oder schnell effektiver ist. Mit einer Thermokamera analysierten sie, wie Erwärmung und Abkühlung exakt ablaufen.

...nun soll es optimiert werden

Prinzipskizze des Prototyps. - Marvin Schmidt - © Marvin Schmidt
Prinzipskizze des Prototyps. - Marvin Schmidt
Schütz: „Wir sind jetzt dabei, auf diesen Ergebnissen aufbauend einen optimierten Prototypen zur Luftkühlung zu bauen. Bei ihm stellen wir einen Kühlkreislauf her: Die warme Luft wird auf der einen Seite an einem rotierenden Bündel von Formgedächtnis-Drähten vorbeigeleitet. Das Bündel wird belastet, wird dabei wärmer, dreht sich, wird auf der anderen Seite entlastet und kühlt ab. Die zu kühlende Luft wird dort dann vorbeigeleitet, um so einen angrenzenden Raum zu kühlen. Um den Prozess noch weiter zu optimieren, werden alle Abläufe modelliert und die Modelle durch Vergleich mit Experimenten weiter verfeinert. Aus Modell und Experiment werden wir so beispielsweise ableiten, aus wie vielen Formgedächtnis-Drähten das rotierende Draht-Bündel idealerweise besteht, oder welche Drehzahl bei der Rotation die besten Ergebnisse liefert.“ ■

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