Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
GEBÄUDETECHNIK

Heizen und kühlen in Leichtbau-Passivhaus

Das neuartiges Haustechnikkonzept verhilft dem Null-Heizenergie-Haus trotz leichter Bauweise und notwendiger sommerlicher Kühlung zu einem Heizwärmebedarf von lediglich 11,3 kWh/(m2a). - Variotec - © Variotec
Das neuartiges Haustechnikkonzept verhilft dem Null-Heizenergie-Haus trotz leichter Bauweise und notwendiger sommerlicher Kühlung zu einem Heizwärmebedarf von lediglich 11,3 kWh/(m2a). - Variotec
An seinem Null-Heizenergie-Haus hat Variotec 1) mit Forschern des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme ISE ein neuartiges Haustechniksystem getestet. Ganzjährig werden über zwei in das Erdreich eingebettete Regenwasser-Zisternen, ein in Wände und Decken integriertes Rohrleitungssystem mit Temperatur-Verteilblechen sowie Phasenwechsel-Materialien (PCM: Phase Change Material) in dem Leichtbau die Heiz- und Kühllasten umweltfreundlich abgeführt. Wichtigstes Ziel des dreijährigen Forschungsvorhabens war es, die Komponenten für einen minimalen Energieverbrauch aufeinander abzustimmen.

Winterlicher Wärmeschutz...
Die zum Teil nur 15 cm dicken vakuumgedämmten Außenwände mit U-Werten von bis zu 0,06 W/(m 2 K) bilden den Hauptgrund für die notwendige Kühlung. Auf der einen Seite stellt die Variotec-Sandwichkonstruktion „QASA“ aus Kreuzlagenholz-, Furniersperrholz- und Betonelementen mit integrierter Vakuumdämmung eine absolute Weltneuheit dar. Übliche Passivhäuser warteten bislang bei gleichem Dämmwert mit Wandstärken von mehr als 50 cm auf. Große, nach Süden orientierte Fensterflächen machen in der kalten Jahreszeit die Solareinstrahlung zur Gebäudebeheizung nutzbar. Den Luftwechsel in dem mit n 50 =0,33 h -1 extrem gut abgedichteten Gebäude, stellt eine zentrale Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung sicher.

...kontra Hochsommer
Auf der anderen Seite kann das Optimum an winterlichem Wärmeschutz im Sommer schnell zur Überhitzung des Gebäudeinneren führen. Das liegt an der Leichtbauweise der Obergeschosse, gepaart mit den geringen Wandstärken. Es fehlt Masse und Wärmespeicherfähigkeit, die im sonst üblichen Holzbau durch entsprechende Wärmedämmpakete, z.B. aus Holzfaserdämmplatten und im Massivholzbau mittels dickeren Holzwänden erreicht wird. Bei der Variotec-Konstruktion können die Wände jedoch die zeitweise auftretende Wärmespitzen nur bedingt an das Gebäudeinnere abgeben. Deshalb mussten die Planer für das Gebäude ein Kühlsystem entwickeln.

Überwachung bis in die letzten Winkel
Um die Jahresenergiebilanz nicht zu gefährden, sollte dabei soweit wie möglich auf eine natürliche passive Kühlung zurückgegriffen werden. Diese versteckt sich nun unter anderem in Form zweier Regenwasser-Zisternen 3 m unterhalb des Erdbodens und ist über eine komplexe Haustechniksteuerung mit dem Gebäude verbunden. Außerdem helfen in Wände und Decken integrierte PCMs bei der Senkung der Temperaturspitzen. Mit einem bis in die letzten Winkel des Gebäudes reichendem Monitoringsystem aus Temperatur- und Feuchtigkeitsmessfühlern sowie CO 2 -Sonden sammelten die Wissenschaftler vom ISE während des Forschungsvorhabens Daten im 3-Minuten-Takt.

Schema der Wärme- und Kälteversorgung. - Variotec - © Variotec
Schema der Wärme- und Kälteversorgung. - Variotec


Haustechnik nutzt natürliche Ressourcen
Die Haustechnik des Null-Heizenergie-Hauses arbeitet in einem perfekt abgestimmten Kreislauf. Auf dem Dach produziert eine knapp 37 m 2 große Photovoltaikanlage (4 kW p ) Strom. Die Fläche reichte beispielsweise im Jahr 2007 aus den gesamten Strombedarf des Gebäudes inkl. Haustechnik von April bis September zu decken. Die Energieerträge der 12 m 2 großen Solaranlage mit Vakuumröhrenkollektoren auf dem Garagendach erwärmen einen 1000-Liter-Heizwasser-Schichtenspeicher im Erdgeschoß. Von Juli bis September 2007 konnte der tägliche Bedarf an Trinkwarmwasser allein von der Solaranlage gedeckt werden. Sonst erfolgt die Nachheizung elektrisch.

Wärme- und Kältezisterne
Der Schichtenspeicher liefert zudem einen Teil der Heizenergie für die kalte Jahreszeit: Überschreitet das Wasser im Schichtenspeicher eine Temperatur von 60 °C, wird eine 11-m 3 -Wärmezisterne knapp drei Meter unterhalb der Erdoberfläche damit befüllt. Dort befindet sich in gleicher Tiefe auch die zum passiven Heiz- und Kühlsystem gehörende Kältezisterne mit einem Fassungsvermögen von 12,5 m 3 . Beide Behältnisse nutzen die im umgebenden Erdreich vorherrschenden Temperaturen, je nach Jahreszeit zwischen 8 und 12 °C, als Energiespeicher. Das Wasser für die Kältezisterne kommt vom Dach des Gebäudes. Die 80 m 2 große Satteldachfläche des Null-Heizenergie-Hauses füllt vor allem in den Übergangsmonaten die Kältezisterne. Ist sie voll, sorgt ein Überlauf zur Wärmezisterne für den Ausgleich. Wegen der temperaturabhängigen Dichte gelangt zuerst das warme Wasser aus der Kälte- in die Wärmezisterne. Reicht der Regen für die Befüllung der Kältezisterne nicht aus, hilft eine Trinkwasserleitung nach und bringt weiteres Kühlpotenzial in die Kältezisterne ein.

Lasten verschieben und zwischenspeichern
Rohrleitungssystem mit Temperatur-Verteilblechen. - Variotec - © Variotec
Rohrleitungssystem mit Temperatur-Verteilblechen. - Variotec
Das in den Sommermonaten nicht benötigte Warmwasser dient im Winterhalbjahr als Wärmequelle für die Wasser/Wasser-Wärmepumpe des Hauses mit einer Heizleistung von 6,7 kW. Die Wärmepumpe deckt die notwendige Restheizwärme des Gebäudes mit einer Vorlauftemperatur von maximal 30 °C ab. Das Rohrleitungssystem mit Temperaturverteilblechen wurde raumseitig mit PCM-Platten verkleidet. Um die Kapazität des Systems zu erhöhen, integrierten die Planer zusätzlich PCM-Materialien in die Oberflächen des Ober- und Erdgeschosses. Die in Gipsputz und Trockenbauplatten eingebetteten mikroverkapselten Paraffine wechseln ihren Aggregatzustand im Temperaturbereich zwischen 23 und 26 °C und können so, je nach Raumtemperatur, Kühl- bzw. Heizlasten einspeichern und dadurch die Raumtemperatur stabilisieren. Ist an heißen Tagen die PCM-Speicherkapazität erreicht (das Paraffin hat sich verflüssigt), erfolgt die (Teil-)Regeneration durch die Hinterströmung mit Kaltwasser. Sinkt die Oberflächentemperatur an normalen Tagen, erstarrt das Paraffin und gibt die gespeicherte Wärme wieder an die Räume ab. Durch die 3-Pumpen-Kreisläufe kann das Gebäude sowohl geschossweise als auch pro Raum individuell klimatisiert werden – ein Novum im Passivhausbau.

Schwachstellen unter der Lupe
Als das Gebäude, ausgestattet mit zahlreichen Innovationen, im Winter 2005/06 bezogen wurde, waren die Haustechnikkomponenten auf Basis der Berechnungen bereits voreingestellt. Allerdings entdeckten die Forscher vom ISE anhand der Messdaten, dass noch Optimierungspotenzial bestand. Angefangen vom Nutzerverhalten über die Abstimmung der Systeme untereinander bis hin zur Leistung der Pumpen ließe sich noch einiges verbessern.

Nutzerverhalten ermöglicht schlankes System
Einbau einer Zisterne in das Erdreich. Die Behälter fassen 11 bzw. 12,5 m3 Wasser. - Variotec - © Variotec
Einbau einer Zisterne in das Erdreich. Die Behälter fassen 11 bzw. 12,5 m3 Wasser. - Variotec
Unter anderem empfahlen die Forscher des ISE eine konsequente Nutzung der Verschattung im Sommer. Sie berechneten, dass durch die reine Zisternenkühlung im Hochsommer eine Temperatursenkung im Innenraum von bis zu 10 °C erreicht werden könne. Dafür dürften die Nutzer aber den Sonnenschutz nicht zu spät aktivieren, da sich die Innenräume sonst zu sehr aufheizen würden. Von einer Dauerkühlung durch die Zisterne riet das Institut ab, da sonst die Kapazität für plötzlich auftretende Temperaturextreme, wie im Sommer 2003, nicht ausreichen würde bzw. eine größere Zisterne erforderlich sei. Außerdem würde durch die Dauernutzung der Kühlung auch die Temperatur in der Kühlzisterne steigen. Grundsätzlich bescheinigten die Forscher dem Zisternensystem jedoch eine „maßgebliche positive Beeinflussung“ des sommerlichen Wohnkomforts. Das bis auf den Pumpenstrom „passiv kühlende“ System gewährleistete in allen Sommermonaten angenehme Temperaturen von unter 24 °C.

Hydraulik muss sorgfältig geplant werden
Ein großes Manko sahen die Forscher im zu hohen Energieverbrauch der Umwälzpumpen. Sie verbrauchten während der Messungen 28 % des gesamten Haustechnikstromes. Mit einer geänderten Leitungsführung oder -dimensionierung sowie dem Einsatz hocheffizienter Pumpen mit einem kleineren Leistungsspektrum ließe sich die Hilfsenergie entscheidend minimieren. Außerdem gewänne eine größere Solaranlage, verbunden mit einer größeren Warmwasserzisterne, noch mehr Energie auf regenerativem Wege. Auch bei der Wärmepumpe und dem anfänglich nicht exakt abgestimmten Heiz- und Kühlmodus sahen die Forscher Verbesserungspotenzial. So erzeugte das elektrische Nachheizregister in den ersten Monaten nach Bezug einen Großteil der benötigten Wärme durch elektrischen Strom. Infolge des Fertigstellungstermins im Dezember 2005 waren keine nennenswerten Warmwasservorräte vorhanden. Dies schmälerte die Gesamtenergiebilanz im ersten Betriebsjahr.

Passivhausvorgaben erfüllt
Seit April 2007 wird die Anlage mit einer neuen Regelstrategie betrieben. Die Zwischenergebnisse der letzten beiden Jahre sind vielversprechend. Der Heizwärmebedarf, gewonnen aus überschüssiger sommerlicher Solarthermie, pegelte sich im Schnitt bei 11,3 kWh/(m 2 a) ein und lag damit unter dem Passivhauskriterium von 15 kWh/(m 2 a). Zukünftige Messergebnisse werden zeigen, wie sich die neuen Geräteeinstellungen auf die langfristige Gesamtenergiebilanz des Forschungsobjektes auswirken. In einem sind sich die Projektbeteiligten jedoch bereits heute sicher: Mit dem Null-Heizenergie-Haus wurde demonstriert, dass sich aus innovativen Ideen praxisgerechte und baustellentaugliche Lösungen entwickeln lassen. ToR

1) Variotec stellt Außen-, Spezial- und Funktionstüren her und entwickelt neben Passivhausfenstern und Wandsystemen auch vakuumgedämmte Sandwichelemente für das energieoptimierte Bauen und Sanieren. Einen Meilenstein in der Forschung setzte Variotec mit dem Bau seines Null-Heizenergie-Hauses im Jahr 2005. An dem dreistöckigen Gebäude erforschte das Unternehmen in Voggenthal mit einem Team aus Wissenschaftlern die Praxistauglichkeit und das Langzeitverhalten von vorgefertigten vakuumgedämmten Fertigteilen für den Rohbau sowie weitere Bauteile.

Weitere Artikel zum Thema auf TGAonline
TGA-Dossier: Passivhaus, Null- und Plus-Energie-Haus
Geothermiekonzept: Thermisch aktivierte Fassade