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Ikea in Kaarst

Wasserrecycling auf hohem Niveau

Kompakt informieren

  • Ikea hat in seinem neuen Einrichtungshaus in Kaarst ein umfassendes Nachhaltigkeitskonzept umgesetzt, zu dem die Nutzung von Regenwasser und die Aufbereitung des Grauwassers von 35 Handwaschbecken zu Betriebswasser gehört.
  • Die mehrstufige Grauwasseraufbereitung basiert auf mikrobiologischen Abbauprozessen und einer Membranfiltration mit einer Filterfeinheit von 0,00005 mm zur vollständigen Rückhaltung von Schmutzpartikeln und Bakterien (0,001 mm).
  • Die Aufbereitungsanlage wurde auf eine Leistung von 4500 l/d für das Spülen der 57 Toiletten ausgelegt. Das Grauwasser wird über ein 160 m langes separates Leitungsnetz gesammelt.

Mehr als 100 Mio. Euro hat Ikea in den neuen Vorzeigebau investiert. „More Sustainable Store“ nennt die Bauherrschaft ihr Flaggschiff Abb. 1. Es ist mit 25 000 m2 fast dreimal so groß wie der bisherige Standort in Kaarst, der mit rund 9000 m2 Verkaufsfläche das kleinste Ikea Einrichtungshaus in Deutschland war. „In der Produktausstellung legen wir einen besonderen Schwerpunkt auf unsere nachhaltigen Produkte, denn wir möchten auch unsere Kunden zu einem nachhaltigeren Leben zu Hause inspirieren“, sagte Einrichtungshauschef Stephan Laufenberg bei der Eröffnung im Oktober 2017. Das Ziel sei es, bei diesem internationalen Pilotprojekt die drei Säulen Ökologie, Ökonomie und Soziales bestmöglich in Einklang zu bringen.

Zum ganzheitlichen Ansatz des Einrichtungshauses in Kaarst zählt ein spezielles Architekturkonzept: Die einzelnen Gebäudeteile sind durch begrünte Terrassen miteinander verbunden, große Fensterflächen lassen viel Tageslicht ins Haus. Die Holzfassade sowie die Gestaltung der Außenbereiche sorgen für eine Wohlfühlatmosphäre. Das Outdoor-Konzept mit vielen Grünflächen wurde in Kooperation mit dem Nabu entwickelt. Zahlreiche Sport- und Freizeitmöglichkeiten sind ein Angebot an Kunden, Mitarbeiter und an die Bevölkerung von Kaarst – auch außerhalb der Öffnungszeiten.

Beim Energiekonzept für das neue Einrichtungshaus setzt Ikea auf eine Kombination aus effizienten und ressourcenschonenden Techniken – vom Blockheizkraftwerk über eine Solarthermie- und Photovoltaikanlage, besonders gute Dämmung, tageslichtabhängig gesteuerte LED-Beleuchtung bis hin zur Wiederverwendung von Regen- und Abwasser.

Wasserrecycling

Abwasser, das nach dem Händewaschen in den Sanitärräumen auf drei Geschossen des Einrichtungshauses anfällt, wird als Grauwasser gesammelt, über die Reinigungsanlage zu Betriebswasser aufbereitet und für die Bewässerung der Außenanlagen sowie für Urinale und WC-Spülkästen genutzt. „Sollte der Bedarf an Betriebswasser die Menge anfallenden Grauwassers übersteigen, wird gereinigtes Regenwasser aus der Zisterne, die ein Fassungsvermögen von 188 m3 hat, nachgespeist Abb. 2. Ist das aufgebraucht, wird die Versorgungssicherheit über einen vorgehaltenen Trinkwasseranschluss gewährleistet“, erklärt Franz Epping, kaufmännischer Geschäftsführer für Vertrieb und Einkauf bei Zilisch in Ahaus. Sein Unternehmen hatte unter anderem den Auftrag zum Einbau der Regenwasseranlage im Technikraum EG und der Grauwasserzentrale im 1. UG und ist für die Realisierung des Wasser-Recycling-Systems mit dem Deutschen TGA-Award 2018 in der Sparte Neubau/Gewerbebau/Sanitärtechnik ausgezeichnet worden.

Die eingesetzte Technik zur Aufbereitung und Nutzung von Grauwasser (ewu-aqua PowerClear MC 5000) Abb. 3 funktioniert nach einem bereits bewährten Verfahren. Mehrere Wohn- und Geschäftsgebäude in Mönchengladbach und verschiedene Studentenwohnheime in Düsseldorf wurden in den letzten Jahren damit ausgestattet. Danach folgten für den Hersteller iWater aus Troisdorf weitere Aufträge in ganz Deutschland und Europa. Auch eine Forschungsstation in der Antarktis und ein Krankenhaus in Afghanistan zählen zu den Referenzen.

Grauwasseraufbereitung

Der Abfluss von 35 Waschbecken des Einrichtungshauses wird in einem separaten Abwassernetz zur Aufbereitung in der Grauwasserzentrale gesammelt. Sie besteht aus drei Kunststoffbehältern mit je 3000 l Fassungsvermögen. In den ersten Tank fließt das Grauwasser per Sammelleitung im freien Fall – das benötigt keine Energie. Das Kernelement der Aufbereitung ist die Membranfiltertechnik im mittleren Behälter. Je nach Filterfeinheit hat das Verfahren unterschiedliche Bezeichnungen.

Die in Kaarst verwendete Ultrafiltration hält zurück, was größer als 0,00005 mm (0,05 µm) ist, und wird unterstützt durch einen Belüfter, welcher von außen Luft in den unteren Teil des Grauwassertanks drückt. Die Filtermembranen stehen, zu einem Block gebündelt, mittendrin. Die Luft blubbert permanent am hauchdünnen Membrangewebe entlang und befreit es so von Ablagerungen und versorgt die Mikrobiologie mit Sauerstoff. Das herausgefilterte Material wird automatisch als Feinschlamm abgesaugt.

Kleine, automatisch gesteuerte Pumpen fördern das Wasser vom ersten in den zweiten und, nach Passage der Membranen, in den dritten Tank, der als Vorratsbehälter das klare und geruchsfreie Betriebswasser enthält. Die nachgeschaltete Druckerhöhungsanlage sorgt für gleichmäßige Druckverhältnisse im Verteilnetz Abb. 2. In dieser Hinsicht gibt es für die Nutzer keinen spürbaren Unterschied zu einem Anschluss der Bewässerung bzw. der Toilettenspülung an das Trinkwassernetz.

Qualität und Sicherheit

Timo Will vom Hersteller iWater Wassertechnik: „Eine Grauwasseranlage muss störungsfrei und wartungsarm funktionieren. Wir optimieren die ökologische und ökonomische Effizienz, indem wir die Überwachung und Steuerung als auch den Pumpenbetrieb so stromsparend wie möglich konzipieren.“ Vorrangiges Ziel sei allerdings die Wasserqualität. Besonders wichtig und in der Trinkwasserverordnung festgeschrieben: Es darf keine Beeinträchtigung des öffentlichen Trinkwassernetzes geben. Die vom Gesetzgeber geforderte Sicherheit gewährleistet eine Übergabeeinrichtung nach DIN EN 1717. Sie ist Bestandteil der bei iWater im Werk vorgefertigten Anlage.

Laut Will ist die Art der Aufbereitung bei diesem Projekt für die Behandlung von Grauwasser aus den Waschbecken in den Sanitäranlagen ausgelegt. „Unsere Technologie garantiert durch die Barrierewirkung der Ultrafiltrationsmembran einen nahezu vollständigen Bakterienrückhalt. Selbst die hygienischen Vorgaben der europäischen Richtlinie für Badegewässer werden eingehalten.“ Die Besucher des Ikea Einrichtungshauses sollen allerdings in diesem Wasser nicht baden – es dient schließlich nur zur Toilettenspülung und Bewässerung und ist in dieser Hinsicht mit gefiltertem Regenwasser vergleichbar.

Ökonomisch statt autark

Geplant wurde das Wasserrecycling, wie die übrige Haustechnik, von der bundesweit agierenden Ingenieurgesellschaft emutec aus Norderstedt. Deren Projektleiter Markus Tüpker (heute mit dem Ingenieurbüro KiT, Butzbach, selbstständig) weist darauf hin, dass für Sammlung und Verteilung von Grauwasser grundsätzlich ein separates Leitungsnetz erforderlich ist – bei Ikea in Kaarst ist es ca. 160 m lang. Tüpker hat die Aufbereitung auf eine Leistung von 4500 l/d ausgelegt. „Das genügt bei Spitzenbedarf für das Spülen der 57 Toiletten. Die 27 Urinale funktionieren ohne Wasser. Durch eine übergeordnete Regelungstechnik und Motor-Kugelventile erfolgen ab und zu automatische Hygienespülungen mit Betriebswasser.“

Die Balance von Ertrag und Bedarf ist bei der Nutzung von Grauwasser prinzipiell gegeben. Kommen viele Besucher, steigt der Bedarf an Spülwasser. Gleichzeitig fällt durch das Händewaschen entsprechend mehr Grauwasser an. Besteht an Spitzentagen zusätzlich Bewässerungsbedarf, wird auf die Regenwasserzisterne zugegriffen. Und an einigen Tagen im Jahr, wenn auch diese Vorräte aufgebraucht sind, sorgt ein automatisch öffnender Trinkwasseranschluss übergangsweise für Abhilfe. Fällt zu viel Ertrag an, geht der Überlauf des Regenwassers in die Versickerungsrigole, der Überlauf des Grauwassers in den öffentlichen Kanal.

Aus ökonomischer Sicht ist es ratsam, nicht den allergrößten Regenspeicher einzubauen, um bei Starkregen auch „den letzten Tropfen zu fassen“ und ganz auf Trinkwassernachspeisung verzichten zu können. Ebenso verhält es sich bei der Bemessung einer Grauwasseranlage. Es werden ein gelegentlicher Überlauf bei zu hohem Grauwasseranfall und ein „Trinkwasser-Zukauf“ bei Grauwassermangel bewusst in Kauf genommen. Das Ziel ökologischer Projektplanung ist nicht die Autarkie, sondern eine effiziente, ressourcenschonende Technik, die auch wirtschaftlich so interessant ist, dass sie viele Nachahmer findet. www.ikea.de

www.zilisch.de

www.ewu-aqua.de

Literatur

König, K. W.: Grauwassernutzung – ökologisch notwendig, ökonomisch sinnvoll. Troisdorf: iWater Wassertechnik (Verlag), Fachbuch, 1. Auflage, 2013

Dipl.-Ing. Klaus W. König

ist Fachjournalist und Buchautor sowie von der Industrie- und Handelskammer Bodensee-Oberschwaben öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Bewirtschaftung und Nutzung von Regenwasser. Schwerpunkte seiner Arbeit sind Vorträge und Veröffentlichungen zur wasserorientierten Stadtplanung. König ist Mitglied der Fachvereinigung Betriebs- und Regenwassernutzung fbr und Mitarbeiter im DIN-Ausschuss NA 119-05-08 AA Wasserrecycling/Regenwasser- und Grauwassernutzung. Er ist Lehrbeauftragter an der ESB Business School in Reutlingen und an der Hochschule Neubrandenburg. 88662 Überlingen am Bodensee, www.klauswkoenig.com

Bild: Klaus W. König

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