Kompakt informieren
- Wohngebäude nach dem Standard „Effizienzhaus Plus“ haben die Marktreife erreicht, sind aber weiterhin auf Förderung, beispielsweise nach einem noch zu etablierenden Modell KfW 55+, angewiesen.
- Die Ergebnisse des wissenschaftlichen Begleitprogramms über einen Zeitraum von 24 Monaten deuten jedoch darauf hin, dass bei der Lernkurve der Beteiligten noch ein großes Potenzial für Verbesserungen und Optimierungen besteht.
- Obwohl die Anforderungen an ein Gebäude nach dem Standard Effizienzhaus Plus technologieoffen definiert sind, zeichnet sich die Kombination aus PV-Anlage, Batteriespeicher und Wärmepumpe als ideal und wirtschaftlich machbar ab. Solarthermie spielt in dieser Liga so gut wie keine Rolle mehr.
- Die vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung herausgegebene Planungsempfehlung „Effizienzhaus Plus“ aus der Reihe Forschung für die Praxis (Band 15) leistet einen wichtigen Beitrag zum Bau und Betrieb künftiger Effizienzhaus-Plus-Gebäude.
Für Hans Erhorn, bis dato Leiter der Abteilung Energieeffizienz und Raumklima am Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) in Stuttgart, dürfte der 14. Workshop in der Disziplin Effizienzhaus Plus der krönende Abschluss seines offiziellen Schaffens am IBP gewesen sein, in beratender Funktion für das IBP wird er das Projekt aber weiterführen. Seit Beginn seiner Tätigkeit beim IBP hat Erhorn die bauliche Energieforschung sowohl wissenschaftlich als auch durch marktnahe Entwicklungen vorangebracht, zuletzt mit dem über einen Zeitraum von neun Jahren angelegten Forschungsprojekt „Effizienzhaus Plus“.
Eine wichtige Bestätigung für seine vielen Verdienste dürfte das Votum der Workshop-Teilnehmer gewesen sein, die Entwicklung Effizienzhaus Plus habe die Marktreife erreicht: von 65 abgegebenen Stimmen meinten nur etwa 2 %, das werde nie etwas. 62 % sehen beim Plus-Haus die Marktreife erreicht, jedoch mit weiterem Bedarf an Forschung und Förderung. Rund 94 % der Teilnehmer votierten für die Fortsetzung der Veranstaltungsreihe.
„Effizienzhaus Plus als Flaggschiff ganz nach vorne bringen“
Mit Spannung wurde vom Auditorium der Vortrag von Ministerialrat Peter Rathert vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) zum Stand des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) erwartet. Ein Exkurs in die wechselnden Zuständigkeiten verschiedener Ministerien (BM Bau, BMWi, BMU) für das Energieeinspargesetz (EnEG) und die Energieeinsparverordnung (EnEV) sowie aktuell das GEG macht deutlich, welchen Einflüssen die Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD, Energy Performance of Building Directive, Webcode 296893) in nationales Recht und damit dem dort geforderten Niedrigenergiegebäude-Standard unterliegt.
Ratherts aktueller Arbeitsplatz beim BMI ist das inzwischen vierte Ministerium, in dem er das Thema Gebäude und Energie betreut. Er betont, dass die ehemals angedachte Verschärfung des Anforderungsniveaus um 25 % gegenüber der EnEV 2016 aufgrund der Festlegungen im Koalitionsvertrag1) nicht durchsetzbar sei. Hintergrund ist die Befürchtung der Bundesregierung, dass sich mit steigenden Gebäudeenergie-Anforderungen die Baukosten weiter verteuern und damit die auf dem „Wohngipfel“ im letzten Jahr gefassten Beschlüsse nach bezahlbarem Wohnen und Bauen nicht eingehalten werden können.
Im Hinblick auf die Umsetzung des Klimaschutzplans der Bundesregierung sieht Rathert jedoch noch erheblichen Handlungsbedarf. Ziel sei ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand bis zum Jahr 2050. Der durchschnittliche Wärmebedarf für Wohngebäude läge dann bei 40 kWh/(m2 a), bei Nichtwohngebäuden bei 52 kWh/(m2 a). Ein wichtiger Zwischenschritt sei das Sektorziel 2030. Bis dahin sollen im Bereich Bauen die Treibhausgasemissionen von aktuell etwa 130 Mio. t/a auf 70 bis 72 Mio. t/a reduziert werden.
Geplant sei, eine neue Kommission mit dem Namen „Zukunft der Gebäude“ zu etablieren, die bis zur Sommerpause 2019 möglichst schon Ergebnisse über die Vorgehensweise liefern soll. Diplomatisch korrekt hielt sich Rathert mit persönlichen Kommentaren zum GEG und zum Klimaschutzplan 2050 zurück. Nur so viel: „Der Effizienzhaus Plus-Standard bringt deutlich mehr als andere CO2-Minderungsmaßnahmen“. Und weiter: „Man müsste den Standard Effizienzhaus Plus als Flaggschiff ganz nach vorne bringen.“
Effizienzhaus Plus ohne Fördergeld
Während ein Großteil des Auditoriums im Rahmen einer Abstimmung für eine künftige Förderklasse „KfW 55+“ votierte, belegte der Vortrag über die Effizienzhaus-Plus-Siedlung „Hügelshart“ in Friedberg bei Augsburg, dass solche Projekte bereits heute privatwirtschaftlich funktionieren. Dort hat es die Asset Bauen Wohnen GmbH, Augsburg, in Kooperation mit der BayWa AG, München, durch ein übergreifendes, wirtschaftlich ausgerichtetes Qualitätsmanagement und den Einsatz hocheffizienter, aber konventioneller Baustoffe fertiggebracht, „Effizienzhäuser Plus“ mit nur geringen Mehrkosten gegenüber EnEV-Standard zu realisieren.
Steffen Mechter, BayWa Baustoffe, erklärt die Vorgehensweise so: „Wir haben sehr intensiv geplant und dabei die Varianten mit dem besten Verhältnis aus Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit gewählt. Dabei wurde auch der Bedarf an Haushaltsstrom in die Planung einbezogen.“ Sehr viel Wert habe man auf effiziente und wirtschaftliche Detaillösungen gelegt, zum Beispiel auf die Qualität der Bodenplatte oder eine monolithische Außenwandkonstruktion aus Ziegelsteinen mit hochwärmegedämmtem Kern und Fenster mit Dreifachverglasung.
Aus wirtschaftlichen Gründen wurde eine Stromeigenversorgung über Photovoltaik von „nur“ etwa 70 % gewählt. Hierfür sind die Dächer winteroptimiert ausgeführt, also steiler als sonst üblich, was sich in diesem schneereichen Winter schon ausgezahlt hat. Herzstück des Energiekonzepts ist die Kombination aus Luft/Wasser-Wärmepumpe mit Invertertechnik, Heizkreispufferspeicher, Speicher zur Trinkwassererwärmung, PV-Anlage und einem Zwei-Tages-Batteriespeicher. Eine Besonderheit für ein Einfamilienhaus ist mit Sicherheit die Heiz- und Kühldecke zur ganzjährigen Temperierung der Wohnräume. Durch die Deckentemperierung sei eine um 3 K niedrigere Vorlauftemperatur möglich; damit werde eine Energieeinsparung von ca. 18 % erreicht, so Mechter. Die Option „Raumkühlung“ war offensichtlich ein mit entscheidendes Verkaufsargument.
Während die Gebäudetechnik der Häuser über ein Energiemanagementsystem gesteuert wird, verzichtete der Objektentwickler auf die „intelligente Verknüpfung“ der Hausgeräte mit der PV-/Batterieanlage. Mechter begründet das so: „Familien können sich nicht nach den Vorgaben intelligenter Hausgeräte richten. Bei einer Familie mit Kindern muss die Wäsche zum Zeitpunkt X fertig sein, egal ob die PV-Anlage Strom liefert oder nicht.“
Konflikte um das volatile, von der Sonne abhängige Stromangebot gibt es dennoch: Das Monitoring der Energieanbieter (PV, Netz) und der Energieverbraucher (Wärmepumpe, Haushalt, Ladepunkt Elektroauto) zeigt, dass die Gleichzeitigkeit von Wärmepumpenbetrieb und Beladung des Elektroautos die Energiebilanz eines Effizienzhauses Plus und damit die Eigenversorgung mit Strom signifikant verschlechtert.
9300 Komponenten auf Effizienz geprüft
Der Bau neuer Niedrigstenergiehäuser jeglichen Standards wird allerdings kaum Auswirkungen auf die Ziele des Klimaschutzplans der Bundesregierung haben, so der Tenor der Veranstaltung. Viel wichtiger seien die energetische Ertüchtigung des Gebäudebestands sowie Maßnahmen zur Sektorkopplung. Ein Projekt aus Österreich zeigt, dass selbst betagte Bürogebäude mit einem bauarttypischen Primärenergiebedarf von 458 kWh/(m2BGF a) sich zum Plus-Energie-Gebäude umwandeln lassen.
Helmut Schöberl vom Bauphysikbüro Schöberl & Pöll GmbH, Wien, erklärte am Beispiel eines Gebäudes der TU Wien aus den 1970er-Jahren, dem sogenannten Chemiehochhaus am Getreidemarkt, welche Schritte dazu notwendig sind: Im Zuge einer Generalsanierung mit Entkernung wurden Fassaden und Gebäudetechnik zunächst nach Passivhaus-Standard aufgebaut und durch Plus-Energie-Technik (PV-Anlage Dach/Fassade, Serverabwärmenutzung, neue Aufzugstechnik) ergänzt.
Voraus ging eine, Zitat, „extreme Optimierung des Energieverbrauchs“ von insgesamt 9300 (!) Komponenten. Der Schwerpunkt des Energiekonzepts lag auf der Wärmerückgewinnung aus Servern und Aufzügen sowie auf möglichst energieeffizienten Bewegungsmeldern (1800 Stück) und stromsparenden Standcomputern.
So konnte beispielsweise durch die Verwendung der besten und wirtschaftlichsten Bewegungsmelder deren Stand-by-Stromverbrauch um bis zu 97 % (!) gegenüber handelsüblichen Produkten gesenkt werden. Bei den Standcomputern zeigte eine Marktanalyse, dass hocheffizient nicht unbedingt teurer sein muss. Während die Bestands-PC der TU Wien rund 60 W im Leerlauf und rund 2 W im Stand-by-Modus verbrauchen, kommen die ausgewählten preisgünstigen Rechner PC Intel NUC gerade noch auf 6,6 W im Leerlauf und 0,3 W im Stand-by-Modus.
Eine weitere Besonderheit im Plus-Energie-Gebäude der TU Wien ist das 24-V-Netz (AC) als Ersatz für dezentralisierte, meist ineffiziente Netzteile. Auch bei der Sonnenschutzsteuerung kommen 24-V-Module zum Einsatz. Dadurch konnte die Stand-by-Leistung von 1,2 auf 0,1 W reduziert werden, so der sehr empfehlenswerte Forschungsbericht. Mit rund 13 500 m2 Nettogrundfläche und einer Höhe von 55 m gilt der ehemalige Chemiebau der TU Wien als weltweit erstes Plus-Energie-Bürohochhaus (Download des Endberichts „Österreichs größtes Plus-Energie-Bürogebäude am Standort Getreidemarkt der TU Wien“, 158 Seiten, auf www.schoeberlpoell.at über www.bit.ly/tga1122).
Anlagentechnik einfach halten
Erfrischend praxisnah stellte Antje Bergmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer-Institut für Bauphysik, die quer ausgewerteten Ergebnisse der 37 Häuser des Modellvorhabens „Effizienzhaus Plus“ vor. Die Auswertung zeigt, dass trotz wissenschaftlicher Begleitung die Planung, der Bau und der Betrieb solcher Gebäude keinesfalls trivial sind. Auch versierte Planer und qualifizierte Fachfirmen können von den gewonnenen Eckwerten und Empfehlungen profitieren, denn die Lernkurve hat anscheinend noch ein hohes Potenzial.
Für das Wärmeschutzniveau nach Standard Effizienzhaus Plus (EHP) gilt nach den jetzt vorliegenden Erfahrungen, dass eine um 40 % bessere Ausführung gegenüber dem Wärmeschutzniveau des EnEV-Referenzgebäudes notwendig ist. Erstaunlich ist, dass die im realen Betrieb gemessenen Jahresarbeitszahlen der Wärmepumpen-Anlagen keine überzeugenden Werte liefern und die meisten Anlagen die Zielwerte des EEWärmeG verfehlen.
Betrachtet man den Bilanzraum 3, also Wärmequelle, Wärmepumpe, Heiz- und Trinkwarmwasserspeicher sowie Lade- und Heizkreispumpen, liegen nach den Auswertungen des IBP die mittleren Jahresarbeitszahlen (JAZ) bei etwa 1,5 für Wasser/Wasser-Wärmepumpen, 2,2 für Luft/Wasser-Wärmepumpen und 2,5 für Erdreich-Wärmepumpen.
Als Gründe werden in einer gesonderten IBP-Mitteilung (549) genannt:
- heizungsrelevante Anlagenteile waren oft ganzjährig in Betrieb und verursachten dadurch erhöhte Stand-by-Verluste
- um bis zu 3 K höhere Innenraumtemperaturen gegenüber Normauslegung und ein erhöhter Trinkwarmwasserbedarf verschlechtern die JAZ
- fehlende Optimierung beeinflusst Regelstrategie und dadurch die JAZ
- durch Normen und Richtlinien geforderte erhöhte Systemtemperaturen zur Vermeidung von Legionellen in der Trinkwarmwassererwärmung von Mehrfamilienhäusern beeinflussten die JAZ negativ.
Interessant ist das Ergebnis des Monitoring, wonach in Gebäuden mit KfW-40-Standard tendenziell schlechtere JAZ vorzufinden sind als in KfW-55-Gebäuden. Der Grund liegt im höheren Anteil der Bereitstellung der Wärme zur Trinkwassererwärmung in KfW-40-Häusern. Sehr praxisnah ist der Hinweis zur Dimensionierung der PV-Anlage: Diese sollte etwa 10 bis 20 % größer dimensioniert werden als zur Deckung des Endenergiebedarfs erforderlich.
Einfacher erscheinen Energieeffizienzmaßnahmen im Haushalt zu sein. Der Mittelwert der untersuchten EHP-Häuser für Beleuchtung und Haushaltsgeräte (Nutzerstrom) liegt bei nur 20 kWh/(m2NGF a).
Zusammengefasst könne man aus den Ergebnissen des Monitoring trotz der lokalisierten Mängel den Schluss ziehen, dass Häuser nach dem Standard „Effizienzhaus Plus“ marktreif sind, so Bergmann. Allerdings sei ein Mindest-Monitoring notwendig, um die Anlagen in Balance zu halten bzw. zu bringen. Wichtig sei auch, die Anlagentechnik so einfach wie möglich zu gestalten. Weiteren Entwicklungsbedarf sieht Bergmann bei den Batteriespeichern; hier sei es bei den verbauten Batterietypen zum Teil zu langen Ausfallszeiten gekommen. Bei Mehrfamilienhäusern sei es wichtig, die Rahmenbedingungen für Stromvermarktungs- bzw. Mietpreismodelle zu optimieren. Bergmann abschließend: „Für alle Beteiligten gilt, in Weiterbildung zu investieren und das Know-how auszubauen.“
Solarthermie hat das Rennen verloren
Es liegt jedoch nicht nur an der Lernkurve, dass Anlagen nicht so funktionieren, wie ursprünglich geplant. Prof. Dr. M. Norbert Fisch, Steinbeis-Transferzentrum, Energie-, Gebäude- und Solartechnik, Stuttgart, sieht einen Grund in der schleppenden Umsetzung energieeffizienter Maßnahmen bei Gebäuden hauptsächlich in den ausufernden Normen und Vorschriften. „Wir sind in Deutschland zu kompliziert, wir müssen die Prozesse am Bau verschlanken“, mahnt Fisch.
Zur Unterstützung beim Bauen von Gebäuden nach Effizienzhaus-Plus-Standard schlägt er die Etablierung eines „KfW 55+“-Standards vor. Als planerische Grundlage künftiger Plus-Energie-Gebäude empfiehlt Fisch die 100 Seiten umfassenden Planungsempfehlungen „Effizienzhaus Plus“ aus der Serie „Zukunft Bauen“, Forschung für die Praxis, Band 15. Architekten, Fachplaner und Bauherren finden dort Daten, Checklisten, Benchmarks und Gewichtungen aus der wissenschaftlichen Begleitforschung von 37 Effizienzhaus-Plus-Wohngebäuden in Deutschland (kostenfreie Bestellung über zb@bbr.bund.de, Stichwort Plan EHP, oder Download auf www.forschungsinitiative.de über www.bit.ly/tga1123).
Wichtig für künftige Planungen solcher Gebäude seien weniger deren Simulation, sondern der Rückgriff auf die nun vorliegenden Erfahrungswerte, so Fisch. Um die von der Bundesregierung definierten Klimaschutzziele zu erreichen, sei es jetzt wichtig, sich vermehrt um Lösungen für den Gebäudebestand zu kümmern. Grundsätzlich habe sich die Kombination Wärmepumpe und Eigenstromerzeugung über PV-Anlage bewährt. Dagegen habe die Solarthermie das Rennen um die wirtschaftlichsten Lösungen verloren, da PV-Strom preisgünstiger sei und sich vielfältiger einsetzen lasse. Vieles sei jedoch auch von der Qualifizierung des Handwerks abhängig. Hier müsse verstärkt investiert werden, so Fisch.
Weitere Informationen
[1] www.forschungsinitiative.de/effizienzhaus-plus
[3] www.ibp.fraunhofer.de Mediathek / Publikationen / IBP-Mitteilungen: IBP-Mitteilung 549 Energieeffizienz elektrisch angetriebener Wärmepumpen – Praxisergebnisse aus dem Monitoring, Download: www.bit.ly/tga1124
Fußnoten
1) Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode, ab Zeile 5346: „Wir werden das Ordnungsrecht entbürokratisieren und vereinfachen und die Vorschriften der EnEV, des EnergieeinsparG und des EEWärmeG in einem modernen Gebäudeenergiegesetz zusammenführen und damit die Anforderungen des EU-Rechts zum 1. Januar 2019 für öffentliche Gebäude und zum 1. Januar 2021 für alle Gebäude umsetzen. Dabei gelten die aktuellen energetischen Anforderungen für Bestand und Neubau fort. Wir wollen dadurch insbesondere den weiteren Kostenauftrieb für die Mietpreise vermeiden. Zusätzlich werden wir den Quartiersansatz einführen. Mögliche Vorteile einer Umstellung künftiger gesetzlicher Anforderungen auf die CO2-Emissionen werden wir prüfen. Die mögliche Umstellung soll spätestens bis zum 1. Januar 2023 eingeführt werden.“
Evolution der Niedrigstenergiehäuser
Bis zum heutigen Gebäudeenergiestandard „Effizienzhaus Plus“, aber auch bis zur Marktreife des Passivhauses, war es ein langer Weg. Der Autor erinnert sich noch, wie Mitte der 1980er-Jahre ganze Heerscharen von deutschen Architekten, Fachingenieuren und Bauphysikern nach Schweden und Finnland pilgerten, um die dort bereits als Standard vorhandenen Niedrigenergiehäuser zu begutachten, auch wegen der damals für deutsche Verhältnisse noch sehr exotischen Wohnungslüftungsanlagen. Hans Erhorn, einer der Protagonisten der Niedrigstenergiehaus-Bewegung, hat die Entwicklung in seinem Berufsleben von Beginn an begleitet, angefangen bei den sogenannten Solarhäusern über Niedrigenergiehäuser, 3-Liter-Häuser und Passivhäuser bis hin zu Plus-Energiehäusern.
Anfangs überzeugte weder die Solararchitektur der 1980er-Jahre (zu warm im Sommer, hoher Energieverbrauch im Winter) noch der Niedrigenergiestandard in seinen Anfängen (zu viel Technik, anspruchsvoller Betrieb). Auch Versuche mit saisonalen Speichern im Gebäudeenergiestandard „3-Liter-Haus“ scheiterten letztendlich an der Komplexität der Technik und an den Kosten. Durch die über 30-jährige Erfahrung mit allen Facetten energiesparenden Bauens eröffnet sich mit 37 Häusern des Standards „Effizienzhaus Plus“ nunmehr die Chance, einen neuen Gebäudestandard zu etablieren, bei dem mehr Energie aus regenerativer Energie erzeugt wird als zum Heizen – gegebenenfalls zum Kühlen – und zur Versorgung der elektrischen Geräte inklusive Licht nötig ist.
Dass es weder an der Technik, den Materialien noch an den theoretischen Grundlagen liegt, dass solche Plus-Energie-Gebäude noch eher die Ausnahme sind als die Regel, liege in erster Linie am fehlenden Mut und mangelnden Know-how von Architekten, Fachplanern und ausführenden Firmen. Erhorn: „Die Forschungsprojekte waren bei der Entwicklung energiesparender Gebäudesysteme sowohl zeitlich als auch quantitativ den vom Gesetzgeber festgelegten Mindestanforderungen immer ein Stück voraus.“ Der Regelsetzer, also die Bundesregierung, solle deshalb bei der Festlegung neuer Gebäudeenergiestandards mehr Mut zeigen und letztendlich mehr in die Fortbildung der Akteure investieren.
Gebäudestandards im Wandel
Aktuell gültige Standards
National: Maximaler durchschnittlicher Primärenergiebedarf Gebäude (EH: Effizienzhaus):
EnEV 2014: EH 100 ca. 75 kWh/(m2 a)
EnEV 2016: EH 75 ca. 56 kWh/(m2 a)
Europäisch: Gebäuderichtlinie Niedrigstenergiegebäude-Standard 2019/2020, Primärenergiebedarf:
Altbau EH 100 ca. 75 kWh/(m2 a)
Neubau EH 75 ca. 56 kWh/m2 a)
International: Klimaverpflichtung
Klimaneutraler Gebäudebestand ab 2050
durchschnittlicher Primärenergiebedarf:
Wohngebäude ca. 40 kWh/(m2 a)
Nicht-Wohngebäude ca. 52 kWh/(m2 a)
Effizienzhaus Plus
Anforderungen
positive Jahres-Primärenergiebilanz
positive Jahres-Endenergiebilanz
Bedingungen nach aktueller EnEV
EnEV-Nachweis nach DIN18599
Gemitteltes CO2-Einsparpotenzial von Gebäuden nach Effizienzhaus Plus-Standard, beheizte Nettogrundfläche gegenüber gesetzlichem Mindeststandard bei Wohngebäuden:
Neubau: 50 kg/(m2 a)
Altbau: 121 kg/(m2 a)
Auswirkungen des Energiehaus-Plus-Standards auf Klimaschutzplan / CO2-Minderungspotenzial gegenüber gesetzlichem Mindeststandard:
2018 37 Modellvorhaben: ca. 1000 t/a
2030 bei 15 % Marktdurchdringung im Neubau und Bestandssanierung: 6 Mio. t/a
2050 bei 15 % Marktdurchdringung im Neubau und Bestandssanierung: 14 Mio. t/a
Quelle: Petra Alten, BMI, Referat BWI 3
Wolfgang Schmid
ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de