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Viega-Fachsymposien Planen in 360°

Komplexe Gebäudetechnik erfordert integrale Planung

Herausfordernde Projekte, wie das Gebäudeensemble am Potsdamer Platz in Berlin, das Militärhistorische Museum in Dresden, die mit Bauverzögerungen kämpfende Elbphilharmonie in Hamburg oder der neue Berliner Großflughafen sorgen in der öffentlichen (Bau)Diskussion immer wieder für Schlagzeilen. Sie zeichnen sich alle durch eine ungeheuer komplexe Gebäudetechnik aus, die aus Planer-Sicht für einen nie da gewesenen Paradigmenwechsel steht:

Über die zunehmenden Wechselwirkungen zwischen den Systemen der Technischen Gebäudeausrüstung, sowie teilweise gegenläufige Planungsziele rund um Betriebssicherheit, Energieeffizienz, Trinkwassergüte oder vorbeugenden Brandschutz, bekommen die Bauprojekte eine Dimension, die mit den herkömmlichen, „arbeitsteiligen“ Planungsprozessen nicht zu bewältigen ist. In kleinerem Maßstab wiederholt sich der Konflikt im anspruchsvoll ausgestatteten Einfamilienhaus oder in komfortablen Geschossbauten.

Konzeptionsphase ist entscheidend

Dieser Konflikt ist nicht „systemimmanent“, sondern ihm kann durch eine Integrale Planung erfolgreich begegnet werden, die auf einer in der Konzeptionsphase eines Objektes durchgeführten Bedarfsplanung aufsetzt. Das war die Kernbotschaft des Fachplaner-Symposiums „Planen in 360°“ in Bonn, zu dem Viega Professor Achim Heidemann, Professor Dr. Thomas Kistemann, Dieter Hellekes, Brandoberrat a. D. Dipl.-Ing. Marc Stolbrink und Professor Dr.-Ing. Klaus Heikrodt als Referenten gewinnen konnte.

Professor Achim Heidemann, der sich seit Jahren intensiv mit der Notwendigkeit Integraler Planung auseinandersetzt, ging in seinem Auftaktvortrag auf ein zentrales Problem ein: „Integrale Planung ist schon lange als Erfolg versprechender Lösungsansatz bekannt, damit Architekten und Ingenieure der gestiegenen Komplexität und den höheren Anforderungen ihrer Arbeit gerecht werden können. Aber bisher wurde nicht gewerkeübergreifend definiert, was unter diesem Begriff zu verstehen ist!“

Ebenso fehlten die Klarstellungen, welche Prozesse eine Integrale Planung auszeichnen und in welcher Organisationsstruktur sie am besten umzusetzen sind. So sei diese Form der Zusammenarbeit bisher eher „als ein Mysterium anzusehen, ein Allheilmittel, nach dem sich viele Planer sehnen, um den täglich zunehmenden Problemen in Bauprojekten Herr zu werden.“

Die Konsequenz daraus ist für Heidemann klar: „Schon zum Start jeder Planung gehören die TGA-Fachplaner mit ins Team, denn ohne die frühzeitige, konkrete Beteiligung aller TGA-Fachplaner geht es gar nicht. Damit die Zusammenarbeit gelingt, muss aber aufgrund von Kompetenzüberschneidungen unbedingt die Zusammenarbeit zwischen Architekten und TGA-Fachplanern reformiert werden.“

„Brennende“ Schnittstellenprobleme

Welche dieser Schnittstellen besonders konfliktbeladen sein können, zeigte Dipl.-Ing. Marc Stolbrink an diversen Fallbeispielen aus seiner Berufspraxis als Planer und ehemaliger Feuerwehrmann auf: „Brandschutzkonzepte für Gebäude haben zwangsläufig viele Bezugspunkte zur Planung der TGA. Umso schwerer wiegen Planungs- oder Ausführungsmängel. Hinzu kommt, dass häufig Abweichungen von den Standardvorgaben zum baulichen Brandschutz notwendig sind, die geeignet kompensiert werden müssen. Das aber wirkt sich sofort auf die Komplexität und damit auf Investitionskosten und Funktionalität, später sogar auf die Betriebskosten von Bauwerk und TGA aus.“

Als Konsequenz forderte der Brandschutz-Fachmann wie sein Vorredner eine frühzeitige und durchgehende Einbindung der Brandschutz-Ingenieure, da die Brandschutzplanung als „Querschnitts-Kompetenz“ übergreifend fast alle Gewerke der TGA berühre. Außerdem sei von der Bauantragsplanung über die Bauausführung bis zur Bauabnahme ein verantwortlicher Brandschutz-Ingenieur in den Projektleitungsstab zu integrieren. Der könne dann auch während des Baufortschritts überprüfen, ob Planer und Handwerker regelgerecht unter Berücksichtigung der einschlägigen Normen usw. arbeiten.

Ganzheitlich Planen und Denken

Speziell in der Betriebsphase eines Gebäudes nicht minder gefährlich sind in der TGA-Planung die Schnittstellen zum Erhalt der Trinkwassergüte, machte Professor Dr. Thomas Kistemann deutlich. Der Hygieniker stellte die dringliche Forderung auf, bereits in der Planungsphase einer Trinkwasser-Installation das „Wirk-Dreieck“ aus Temperaturhaltung, Wasseraustausch und Durchströmung zu berücksichtigen: „Dafür müssten schon frühzeitig die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, und zwar über ein gemeinsam mit dem Betreiber dezidiert aufzustellendes Lastenheft, ein Raumbuch nach VDI 6023.“

Dies sei umso wichtiger, da sich das Trinkwasser in den modernen, komplexen Trinkwasser-Installationen sowohl in hygienisch-mikrobiologischer als auch in chemischer Hinsicht nachteilig verändern könne. Die Trinkwasser-Installation müsse also auf jeden Fall über einen ganzheitlichen Ansatz vom ersten Entwurf bis hin zum bestimmungsgemäßen Betrieb betrachtet werden.

Ganz neue Forschungsergebnisse stellte Kistemann in diesem Zusammenhang zur Überwachung der Trinkwassergüte vor: Die für Hausinstallationen zwischenzeitlich definierten Beprobungsstellen sind entgegen der Erwartungen nicht belastbar aussagefähig. Stattdessen sei ein gewisses Monitoring zu physikalischen Größen wie Temperaturhaltung oder Vermeidung von Stagnation die weitaus sicherere Maßnahme. Vor allem, wenn dieses Monitoring in einen umfassenden Wassersicherheitsplan (WSP) eingebettet werde, der letztlich den bestimmungsgemäßen Betrieb der Trinkwasser-Installation und dessen Einhaltung in Gänze abbilde.

Gewerkeübergreifendes Energiekonzept

Ein gewerkeübergreifendes Energiekonzept forderte beim Viega-Symposium auch Prof. Dr.-Ing. Klaus Heikrodt: „Die TGA-Fachplaner sind, wie ihre Kollegen für Anlagentechnik, Tragwerk oder Bauphysik, immer auf ihrem Spezialgebiet die Experten. Je nach Komplexität kommen dann noch Fachleute beispielsweise für Beleuchtung, Fassaden oder bestimmte nutzungsspezifische Anlagen hinzu. Das Thema ‚Energie‘ ist jedoch übergreifend hinsichtlich dieser Fachkompetenzen zu sehen, denn die Arbeiten sämtlicher Beteiligter und die Wechselwirkungen zwischen ihnen wirken sich auf die Energieeffizienz und den späteren Energieverbrauch eines Gebäudes aus.“

Um eine für den Investor wie den späteren Nutzer gleichermaßen optimale Lösung zu erarbeiten, sei also über die Integrale Planung zu Beginn des Planungsprozesses ein gewerkeübergreifendes Energiekonzept zu entwickeln. Das sei möglichst schon in der Projektierungsphase eines Objekts aufzustellen, die weitere Detailplanung habe sich dann anzuschließen: „Spätestens mit Inkrafttreten der nächsten EnEV-Novellierungsstufe Anfang 2016 wird es ohne diese interdisziplinäre Zusammenarbeit bei komplexen Projekten nicht mehr möglich sein, den erforderlichen EnEV-Nachweis für eine erfolgreiche Bauantragstellung ohne TGA-Planer zu erbringen.“

Technische Lösungen gibt es bereits

Aber unabhängig von den Fragen zum Erhalt der Trinkwassergüte oder zum bau-lichen Brandschutz, zur komfortablen Versorgung der Nutzer mit Wärme und Warmwasser oder zu den möglichst günstigen Rahmenbedingungen für den wirtschaftlichen Betrieb eines Objektes – zusammengeführt und realisiert werden müsse die Integrale Planung immer über die entsprechenden Produkte und Systeme, so Viega-Schulungsleiter Dieter Hellekes.

„Hier laufen die Anforderungen letztlich immer direkt zusammen, und auf der Baustelle müssen die beschriebenen Schnittstellen-Probleme dann spätestens wieder aufgelöst werden!“ Die notwendigen technischen Lösungen dafür gebe es schon seit Jahren, aber „grundlegende Fehler, die in der lange zuvor abgeschlossenen Planungsphase gemacht wurden, lassen sich dann auch nicht mehr heilen. Selbst wenn – wie aktuell beim Brandschutz nahezu sämtliche Rohrleitungssysteme und Installationsvarianten miteinander geprüft sind – es kommt immer zu einem Mehraufwand, der durch die Integrale Planung im Vorfeld auf jeden Fall vermieden werden kann und vermieden werden sollte!“

Die Chancen nutzen

In den vergangenen zehn Jahren stieg der Umsatz der Gebäudetechnik-Branche um fast 40 %, während der Hochbau als solcher nahezu stagnierte, das hat der Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung (BTGA) ermittelt. Bezeichnender lässt sich kaum belegen, wie komplex die TGA mittlerweile geworden ist – und welche wachsende Bedeutung sie damit für die tägliche Arbeit aller am Bau Beteiligten bekommt, vor allem aber für Architekten, Fachplaner und Ingenieure. Die zentrale Herausforderung der kommenden Jahre wird sein, sich frühzeitig auf die Integrale Planung einzustellen. Da waren sich die Besucher in Bonn als erstes Fazit des Viega-Fachsymposiums einig.

Viega-Geschäftsbereichsleiter Dirk Gellisch sieht zugleich, stellvertretend für die Hersteller der Haustechnik-Branche, das Potenzial, das damit verbunden ist: „Hinter jeder Herausforderung steckt bekanntlich auch eine Chance. Und die ist gerade in der modernen TGA besonders groß, denn die Ansprüche der Menschen an komfortables, gesundes Wohnen werden weiter wachsen. Jetzt gilt es nur noch, diese Dynamik zu erkennen und sie in einer gemeinsamen Anstrengung über den Integralen Planungsansatz in praxisgerechte Bauprozesse zu überführen – um auf diese Weise einen viel versprechenden Zukunftsmarkt aktiv mitzugestalten.“

Integrale Planung als VDI-Fachbuch

Interessierte Fachplaner, die nicht an dem Symposium „Planen in 360°“ teilnehmen können, seien auf das neue VDI-Fachbuch „Integrale Planung der Gebäudetechnik – Erhalt der Trinkwassergüte – Vorbeugender Brandschutz – Energieeffizienz“ mit einem Vorwort von Professor Dr.-Ing. U. Franzke verwiesen, das alle Teilnehmer an den Symposien am Ende der Veranstaltung als Tagungsband erhielten. In Fachbuch werden auf rund 400 Seiten die Inhalte der Vorträge des Fachsymposiums mit zahlreichen Tabellen und Abbildungen ausführlich erläutert.

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