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- Die Gesamtenergieeffizienz von Hallengebäuden lässt sich mit EnEV 2009 und DIN V 18599 nicht korrekt abbilden. Die unterschiedlichen Hallenheizsysteme sind kaum differenziert. Der berechnete Energiebedarf liegt oft signifikant über realen Verbräuchen.
- In Hallengebäuden hat die Wärmeübergabe einen deutlich höheren Einfluss als in Wohn- und Verwaltungsgebäuden.
- In einem Forschungsprojekt werden die Grundlagen für eine korrekte energetische Bewertung der Gesamtenergieeffizienz von Hallengebäuden sowie von Energieeinsparpotenzialen ermittelt.
Planer, Nutzer und TGA-Ausstatter von Hallengebäuden sind bei der gesetzlich geforderten energetischen Bewertung dieser Nichtwohngebäude über die aktuelle Energieeinsparverordnung EnEV 2009 mit einem erheblichen Problem konfrontiert: Die Normenreihe DIN V 18599 behandelt Nichtwohngebäude trotz stark differenzierender Gebäudetypen wie Turnhallen, Logistikhallen oder Produktionsstätten weitestgehend einheitlich.
Die Energieeffizienz in der Praxis bewährter und besonders für diese Hallentypen geeigneter Heizsysteme wird auch in den Berechnungen und Bewertungen der DIN V 18599 unzureichend berücksichtigt. Das führt heute dazu, dass Anbieter dezentraler Heizsysteme bei Hallenprojekten unter typischen Rand- und den realen Nutzungsbedingungen häufig garantieren, dass der tatsächliche Energieverbrauch den errechneten Energiebedarf um 30 bis 50 % oder sogar um bis zu 70 % unterschreitet. Dass dies realistisch ist, belegt auch eine Felduntersuchung. Hier wurde festgestellt, dass der errechnete Energiebedarf bei Hallengebäuden (n = 15) um 50…120 % über dem gemessenen Energieverbrauch liegt.
Infolge der starken Abweichungen von Berechnungstheorie und Betriebspraxis wird bei Hallengebäuden häufig nicht das geeignetste Heizsystem bzw. nicht das Heizsystem mit dem geringsten Primärenergiebedarf eingesetzt. Weil DIN V 18599 aber für alle Heizsysteme einen Primärenergiebedarf über dem sich in der Praxis einstellenden Primärenergieverbrauch ausweist, werden trotzdem viele Referenzprojekte zur energetischen Visitenkarte. Ein Irrtum, der momentan mangels Berechnungswerkzeugen und Vergleichszahlen kaum zu erkennen ist.
Wie bei allen anderen Gebäuden gibt es auch für Hallengebäude, die durch große Raumhöhen von etwa 4 bis 6 m (z.B. Werkstattgebäude, Montagehallen, Versammlungsräume) über 12 bis 15 m hohe Fertigungsbetriebe, Lager- und Logistikhallen bis zu 40 m in Werftgebäuden gekennzeichnet sind, kein universell ideales Heizsystem. Während in Wohngebäuden die Wärmeerzeugung den größten Einfluss auf die Energieeffizienz hat, verschiebt er sich in Hallengebäuden zur Wärmeübergabe im Raum. Doch die Wärmeübergabe durch Zwangskonvektion und Strahlung wird bisher nicht korrekt berücksichtigt. Hallengebäude unterliegen zudem einer ganz anderen Dynamik beim Heizen, die Hauptnutzungszeit hat oft nur einen Anteil von 30 %. Zudem gibt es durch Toröffnungen und Warenein- und -auslagerung abzubildende Lastsituationen.
Forschungsprojekt
Aus diesem Grund hat die figawa – Bundesvereinigung der Firmen im Gas- und Wasserfach – im Rahmen der „Forschungsinitiative Zukunft Bau“ ein Forschungsprojekt initiiert. Beauftragt wurde dafür das ITG Institut für Technische Gebäudeausrüstung in Dresden zusammen mit der Universität Kassel. Die Studie zur „Energieeffizienz von Hallengebäuden“1) zielt darauf ab, über DIN V 18599 künftig eine korrekte energetische Bewertung unterschiedlicher Hallengebäude mit verschiedenen Heizsystemen zu ermöglichen.
Im Rahmen des Vorhabens hat das Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Bert Oschatz (ITG Dresden) Standardnutzprofile von typischen Hallengebäuden und erste Vorschläge zur Verbesserung der normativen Berechnung des Energiebedarfs entwickelt. Die Forscher haben dabei Berechnungsansätze für die Bilanzinnentemperatur von Hallengebäuden bei zeitlich eingeschränktem Heizbetrieb erarbeitet sowie die Wärmespeicherfähigkeit von genutzten Hallengebäuden untersucht.
Bei der Analyse realer Verbrauchsdaten zeigten sich deutliche Abweichungen zwischen Energiebedarf und Energieverbrauch auf, was vor allem auf gebäude- und nutzungsbedingten Luftwechsel sowie die Bilanzinnentemperaturen von Hallengebäuden zurückzuführen ist. Ein weiterer Arbeitsschwerpunkt ist die differenzierte Bewertung der Energieeffizienz von verschiedenen Hallenheizsystemen und eine Gesamtanalyse der in Hallen genutzten Anlagensysteme. Auf Basis der fachlichen Grundlagen soll dem Verordnungsgeber aufgezeigt werden, an welchen Stellen Potenzial für eine weitere Verschärfung der Anforderungen besteht. Das Forschungsvorhaben soll im Juni 2011 abgeschlossen sein. Die wesentlichen Ergebnisse fließen bereits in den Normungssauschuss ein.
EnEV 2012
Für öffentlich rechtliche Nachweise werden diese dann mit der EnEV 2012 verbindlich, die aufgrund von Umsetzungsterminen in der EU-Gebäuderichtlinie (Webcode 296893) spätestens am 9. Juli 2012 erlassen und veröffentlicht sein muss. Da DIN V 18599 für den Bezug in der EnEV 2012 wesentlich eher veröffentlich werden muss, könnte der TGA-Branche schon bald ein Verfahren zur Verfügung stehen, mit dem die energetischen Unterschiede der Heizsysteme in Hallengebäuden sichtbar(er) werden.
Ob dezentrale oder zentrale Hallenheizungssysteme für eine bestimmte Nutzung besser geeignet sind, wird sich also künftig einfacher feststellen lassen. Den TGA-Planern kommt hier eine wichtige Aufgabe zu: Nur mit einer sorgfältigen Grundlagenermittlung stehen die Eingangsdaten für eine realitätsnahe energetische Bewertung zur Verfügung. Wie das Verfahren in DIN V 18599/EnEV 2012 genau aussieht, bleibt vorerst abzuwarten. Es ist aber wahrscheinlich, dass zunächst mit DIN V 18599 und den realen Nutzungsbedingungen eine Systemauswahl und -optimierung sinnvoll ist und erst dann mit diesem System der öffentlich-rechtliche Nachweis mit Standardprofilen geführt wird. Gleichzeitig wird auch die Energieeinsparung bei bestehenden Hallengebäuden transparenter: Nach einschlägigen Erfahrungen kann hier durch die Optimierung alter Heizsysteme der Energieverbrauch um über 30 % und in Verbindung mit baulicher Sanierung um bis zu 90 % reduziert werden.
Es ist zu hoffen, dass die Softwareanbieter schnellstmöglich mit verbindlichen Informationen versorgt werden, um ihre Programme entsprechend zu erweitern, denn diese fokussieren momentan insbesondere Wohngebäude und „Vielzoner“. Für den aktuellen Stand steht auch das Berechnungsmodul „Energieausweis für Hallengebäude DIN V 18599“ der figawa zur Verfügung, das zusätzlich einen Vergleich zentraler und dezentraler Heizsysteme ermöglicht. Jochen Vorländer
1) Die Untersuchung wird mit Mitteln der „Forschungsinitiative Zukunft Bau“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und des Deutschen Instituts für Normung (DIN) gefördert.
Mehr Infos zum Thema im TGAdossier Regelwerk. Mit dem TGAdossier Regelwerk-Update behalten Sie den Überblick über Neuerscheinungen: Webcode 723 bzw. Webcode 728