Kompakt informieren
- Die Wohnungsbaugesellschaft GWG Kassel hat aus der eigenen Problemerfahrung ein System zur bedarfsgerechten Regelung von Einrohrheizungen entwickelt.
- Das indiControl-System besteht aus einer Temperaturdifferenzmessung und einem Ventil in jedem Teilheizkreis sowie einer zentralen Steuereinheit.
- Das Ventil wird so gesteuert, dass sich die gemessene Temperaturdifferenz einem anlagenspezifisch ermittelten Referenzwert annähert.
- Das System wird mit einem kompletten Servicepaket angeboten.
Einrohrheizsysteme werden heute weitgehend als problematisch betrachtet. Sie wurden überwiegend in den 1960er- und 1970er-Jahren installiert. In den östlichen Bundesländern erfolgte der Wechsel vom Einrohr- zum Zweirohrheizsystem noch etwas später. Es wird geschätzt, dass in Deutschland insgesamt in mindestens 1,5 Mio. Wohnungen Einrohrheizsysteme eingebaut sind. Gleichzeitig sind diese Wohnungen begehrt, da sie in der Regel relativ zentral liegen, gut ausgestattet sind, häufig über Balkone verfügen und optimal in das ÖPNV-Netz eingebunden sind.
Unkomfortabel und problematisch?
Für die Wohnungswirtschaft ist es ein bekanntes Problem: Einrohrheizsysteme geben auch ohne Bedarf Wärme ab. Speziell bei dem Rietschel-Henneberg-Einrohrheizsystem führt eine meistens ungedämmte Heizungsleitung durch mehrere Wohnungen. An der sind alle Heizkörper wie an einer Perlenkette aufgereiht. Die Vorlauftemperatur des Heizwassers muss so eingestellt werden, dass auch der letzte Heizkörper noch mit einer ausreichenden Temperatur zur Deckung der Heizlast versorgt wird.
Dies führt zwangsläufig zur Überversorgung der Räume am Anfang der Heizungsleitung. Obwohl die Thermostatventile an den Heizkörpern geschlossen sind, entstehen zum Beispiel in Schlafzimmern durch die ungeregelte Wärmeabgabe der Heizungsleitungen ungewünscht hohe Temperaturen.
Dieses generelle Problem der Einrohrheizsysteme wird durch eine energetische Sanierung der Gebäudehülle zusätzlich verstärkt, da sie dann bis zu 70 % weniger Wärme nach außen abgeben. Doch die Mieter öffnen zur Temperaturregulierung die Fenster – die Energie wird abgelüftet – und der Wohnkomfort leidet. Und die Mieter sind unzufrieden und ärgern sich über die in jeder Heizperiode stattfindende Energieverschwendung.
Je nach eingesetztem Mess- und Ablesesystem kann die über die Heizungsleitung abgegebene, nicht steuerbare Wärme individuell abgerechnet werden oder muss im Umlageverfahren auf alle Mieter verteilt werden. Im letzteren Fall zahlt der Mieter mit geringem Wärmebedarf den gleichen Satz wie der sehr wärmebedürftige Mieter, der viel heizt. In Wohnungsanlagen mit stark unterschiedlichen Heizprofilen beinhaltet dies immer wieder Konfliktpotenzial, das oftmals Anlass für Streitigkeiten bezüglich der Nebenkostenabrechnung gibt. Dem Wohnungsunternehmen drohen nicht selten Imageverluste durch Prozesse.
Die Lösung: Dynamischer Abgleich
Die GWG Kassel hat 2200 Wohnungen mit Rietschel-Henneberg-Einrohrheizsystemen in ihrem Wohnungsbestand. Auch hier gab es Mieter, die aufgrund der Eigenarten des Heizsystems dauerhaft unzufrieden waren. Heiko Steppan Abb. 3, Teamleiter Heizungsanlagen der GWG, nahm sich des Problems an und entwickelte eine Systemlösung, die den Wohnkomfort steigert und Energie einspart.
Steppan empfand Mieterbeschwerden aufgrund der Überheizung immer ärgerlich: „Irgendetwas musste man doch machen können. Dann haben wir mit der Durchflussregulierung der Heizkreise experimentiert.“ Das war 2011. Heraus kam indiControl – ein System, das einen ständigen, dynamischen hydraulischen Abgleich vornimmt.
So funktioniert indiControl
Im Gegensatz zu herkömmlichen Systemen ermöglicht das von der GWG Kassel ent-wickelte System indiControl die bedarfsgerechte Steuerung der Volumenströme. Dabei werden separat regelbare Teilheizkreise genutzt, die grundsätzlich bereits vorhanden sind, aber noch nicht als selbstständige Teilheizkreise aktiviert sind. Das System regelt diese Teilheizkreise lastabhängig und reagiert so flexibel auf den individuellen Wärmebedarf der Mieter.
In jeden Teilheizkreis werden dazu zwei Temperaturfühler und ein Ventil eingebaut Abb. 1; außerdem eine zentrale Steuereinheit für die Gesamtanlage. Die Messdaten der Temperaturfühler werden kontinuierlich mit einem anlagenspezifisch ermittelten Referenzwert abgeglichen. Daraus berechnet die indiControl-Steuereinheit die notwendigen Impulse für das motorische Ventil.
Ist die gemessene Temperaturdifferenz größer als der jeweilige Referenzwert, wird also mehr Wärme abgenommen, gibt die Steuereinheit das Signal zur Erhöhung des Volumenstroms an das Ventil weiter. Sinkt die Temperaturdifferenz, reduziert das Ventil den Volumenstrom um bis zu 80 % Abb. 2. Durch den reduzierten Volumenstrom wird automatisch auch die Wärmeabgabe reduziert und die Überheizung einzelner Räume deutlich verringert.
Großes Einsparpotenzial
Das Bewusstsein für die Tragweite dieser „kleinen Idee“ entwickelte sich mit den ersten positiven Ergebnissen, die in GWG-Liegenschaften realisiert wurden und über den Erfahrungsaustausch mit anderen Wohnungsunternehmen mit gleicher Problemstellung. Mittlerweile wurden 750 Wohnungen mit indiControl ausgestattet. Alle Mieter können die Temperatur aktiv und an ihr Wärmeempfinden angepasst in den Räumen regeln und so ein deutlich verbessertes Wohnraumklima genießen. Für die GWG Kassel ist allein das schon ein Erfolg.
Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Anerkennung der Effizienz des Systems durch die KfW. Bei der Beantragung von Fördermitteln kann indiControl als eine Maßnahme zur Energieeinsparung – und somit als förderfähige Investition – anerkannt werden. Bei den aktuell niedrigen Zinssätzen oder bei Nutzung eines Modernisierungskredites der KfW amortisiert sich die Investition in die Effizienzsteigerung des Einrohrheizsystems in weniger als zehn Jahren.
Bei anderen Unternehmen im Test
Aktuell testen auch die Joseph-Stiftung und die Baugenossenschaft Wiederaufbau eG indiControl in ihren Liegenschaften. Ziel der GWG ist es, mit den Testergebnissen eine valide Aussage zu den Energieeinsparungen treffen zu können. In den GWG-Liegenschaften konnte der Energieverbrauch mindestens um 19,2 % gesenkt werden, maximal um 34,2 %. Im Durchschnitt betrug die Verbrauchsminderung 27,2 % im nachgerüsteten Wohnungsbestand. Die GWG Kassel ist davon überzeugt, dass diese Ergebnisse durch die externen Tests bestätigt werden.
Vor allem für Gebäude, die demnächst energetisch modernisiert werden sollen, ist der Einbau von indiControl interessant. Die Alternative zur Modernisierung der Einrohrheizung ist der aufwendige und kostenintensive Ersatz durch eine Zweirohrheizung. indiControl hingegen kann schnell und einfach installiert werden. Die Mieter werden nicht beeinträchtigt. Die Investition für die Modernisierung des Einrohrheizsystems beträgt 975,80 Euro pro Wohneinheit (brutto). Von den Kosten pro Wohneinheit entfallen netto 320 Euro auf die Planungsleistung und die Lizenzgebühr und 500 Euro auf den Einbau von indiControl.
Der Mieter einer 65 m2 großen Wohnung wird über einen Modernisierungszuschlag von ca. 10 Euro monatlich an den Kosten beteiligt. Demgegenüber stehen monatliche Energieeinsparungen von ca. 12 Euro (beim mittleren Einsparungspotenzial von 27,2 %). Neben dem Komfortgewinn senkt die Nachrüstung für den Mieter also die Wohnkosten Abb. 4.
Servicepaket
Bei der europaweiten Vermarktung und planerischen Betreuung der Kunden setzt die GWG Kassel auf ihre 100%ige Tochtergesellschaft GWG Service GmbH, die ein Servicepaket anbietet. Es beinhaltet:
- Vor-Ort-Analyse und Planung der baulichen Maßnahmen
- Prüfung der fachgerechten Umsetzung der baulichen Maßnahmen, die von dem beauftragenden Wohnungsunternehmen durchgeführt wurden
- Ermittlung des anlagenspezifischen Referenzwerts
- verschlüsselte Programmierung der Steuereinheit vor Ort
- System-Inbetriebnahme und Einweisung des Fachpersonals
- Technische Beratung in der Startphase
- Bewertung der Einsparungsergebnisse
- Zurverfügungstellung allgemeiner Kunden- bzw. Nutzerinformationen
- Übertragung des objektspezifischen Patentnutzungsrechts für indiControl
Zur Erstellung der planerischen Vorgaben zur Systeminstallation benötigt die GWG Service vor Planungsbeginn Gebäudegrundrisse und -schnitte für alle Geschosse im Maßstab 1 : 100, Raumflächen- und Raumvolumenberechnungen, Strangschemata der eingebauten Heizungsanlage, aktuelle Energiebedarfsberechnungen nach der maßgeblichen EnEV und Heizkostenabrechnungen für die letzten drei Abrechnungsperioden.