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Heizungsoptimierung

Wetterdienst setzt auf Warmfronten

Im Herbst 1973 traf die Ölkrise die Gesellschaft wie ein Kulturschock. Zum ersten Mal wurde man sich der Begrenztheit der Ressource Öl bewusst und reagierte darauf hektisch, fast panisch mit „autofreien Sonntagen“, um den Ölverbrauch im Lande drastisch zu reduzieren. Die Architektur hingegen zeigte sich von dem Kulturschock – der Autofahrer-Deutschland mitten ins Herz getroffen hatte – nahezu unbeeindruckt. Fast schon beispielhaft lässt sich dies an einem Gebäudekomplex ablesen, der dem Deutschen Wetterdienst (DWD) in Hamburg gehört und derzeit komplett saniert wird.

Für rund 14 Mio. DM hatte der Bund als Bauherr Anfang der 70er Jahre die zwei dreigeschossigen und zwei eingeschossigen Baukörper mit insgesamt rund 4000 m2 Nutzfläche errichten lassen. 14 Mio. DM, mit denen die Verantwortlichen sogar noch 4 Mio. DM unter der eigentlichen Kostenschätzung blieben – ein selbst damals ausgesprochen löbliches Ergebnis. Denn eigentlich hatte die öffentliche Hand im Gegensatz zu heute noch Geld im Überfluss und wusste es gerne auszugeben für Prestigebauten, die mit viel Waschbeton, Glas und Stahl dem nüchtern-technischen Fortschrittsglauben auch im Stadtbild Ausdruck ver­leihen sollten.

Heizleistung statt Wärmedämmung

4 Mio. DM Baukosten-Unterschreitung, man hätte sie wohl seinerzeit besser in Wärmedämmung investiert. Denn die fand in keinem der Gebäude wirklich statt, wie der mit der Renovierung beauftragte Projektleiter Dipl.-Ing. Michael Lembke lakonisch zusammenfasst: „Die Wandkonstruk­tionen ungedämmt, die großen Fensterflächen mit Aluminiumrahmen und schlecht schließenden Oberlichtern als Kältebrücken, die Heizkörper in Fensternischen hinter Klappen versteckt kaum ­regelbar – unter energetischen Gesichtspunkten sind die Gebäude nach dem heutigen Stand der Technik wahre Energieschleudern.“

Dass es den rund 80 Mitarbeitern des Deutschen Wetterdienstes während ihrer Arbeit aber dennoch warm genug wurde, dafür sorgte schlicht die Heizungsanlage. Mit zwei als Kaskade geschalteten Kesseln stellte sie solide 1,4 MW Heizleistung als Spitzenlast bereit. Das reichte selbst im kältesten Winter für Wohlfühlwärme in den Büros, Seminarräumen, Werkstattbereichen, Laboren und sogar auf den Fluren aus, wo ebenfalls großzügig ausgelegte Radiatoren in üppiger Zahl installiert waren.

Sanierung von Grund auf

Entsprechend umfassend fällt die Sanierung des Gebäudekomplexes aus, mit der jetzt im Bauteil B begonnen wurde. Ausgelöst durch die, in Objekten aus den 70er Jahren wohl unvermeidliche, Asbestbelastung, wird für rund 4 Mio. Euro über Dämm- und Brandschutzmaßnahmen hinaus die komplette Haustechnik ausgetauscht.

Für Lembke vom Ingenieurbüro Herkommer in Hamburg in der Ausführungsplanung eine Herausforderung, denn die Komplexität der Gebäudetechnik bot zahlreiche Ansätze, den Energieverbrauch drastisch zu reduzieren. Auf der anderen Seite war die sich mittelfristig möglicherweise ändernde Nutzung der Räumlichkeiten zu berücksichtigen, was eine gewisse Flexibilität erforderte. Als dritte Zielvorgabe bestand zudem die Forderung, das für Bauteil B entwickelte Sanierungskonzept möglichst eins zu eins auf die sukzessive anstehende Sanierung der anderen DWD-Gebäude übertragen zu können.

Komplett neue Heiztechnik

Ein zentraler Ansatz war für Fachplaner Lembke daher der gesamte Komplex Wärme­erzeugung, Wärmeverteilung und Wärmeübergabe. Gemäß Norm-Heizlastberechnung nach DIN EN 12831 als Eingangsvoraussetzung ergab sich unter Berücksichtigung der vorgesehenen Dämmmaßnahmen und der komplett neuen ­Wärmeverteilung eine Heizlast von 57 W/m2. Ein in dieser Höhe zwar rechnerisch korrekter, für die Auslegung allerdings nicht akzeptabler Wert. Lembke: „Im Gegensatz zur alten DIN 4701 führten die neuen Abschirmungskoeffizienten bei dem hohen Anteil an Fensterflächen, die es in den DWD-Gebäuden gibt, zu einer völlig ­praxisfernen Überbewertung der Lüftungswärme­verluste.“

Gerade rechtzeitig kam daher die Empfehlung des Normenausschusses, nicht mehr mit den Abschirmungskoeffizienten aus Tabelle8 des nationalen Normen-Anhangs, sondern mit den Werten aus Anhang D der EN 12831 zu rechnen. Und mit einem Schlag verringerte sich die Heizlast auf 48 W/m². Zur Abdeckung des Wärme- und Warmwasserbedarfs reichen damit in Zukunft zwei in Kaskade geschaltete Gas-Brennwertheizkessel mit einer Gesamtleistung von knapp 600 kW völlig aus.

Optimierte Wärmeübergabe

Auch, weil Lembke die Wärmeverteilung bis ins Letzte ausgereizt hat: Anstelle konventioneller Plattenheizkörper platzierte er unter jedem der fast 300 Fenster in Bauteil B in der Breite exakt passende Flachheizkörper des Typs „Therm X2“ von Kermi. „Die Erfahrung hat gezeigt“, so der Hamburger Fachplaner, „dass gerade in Übergangszeiten von den Nutzern die Intensität der Wärmeabgabe eines Heizkörpers sehr subjektiv wahrgenommen wird. Obwohl seine Wärmeabgabe im Teillastbetrieb zur Raumtemperierung ausreicht, führt die damit einhergehende, nur punktuelle Abstrahlung zu Unbehagen. Völlig überflüssig wird das Thermostatventil dann weiter geöffnet, der Raum überheizt und die überschüssige Wärme über kurz oder lang durch Öffnen der Fenster wieder abgeführt. Ein solches Verhalten konterkariert die Ziele der Energieeinsparung und des Anspruchs auf thermische Behaglichkeit gemäß VDI 6030 gleichermaßen.“

Während für den Nutzer das Strahlungsverhalten der zweilagigen Therm X2-Heizkörper der entscheidende Punkt ist, sieht der Fachplaner den Vorteil der seriellen Heizkörperdurchströmung eher im anlagen- und gebäudetechnischen Gesamtkontext. Das allgemein dynamischere Verhalten mit einer um rund 25 % kürzeren Aufheizphase, die reduzierten Abstrahlverluste an die Außenwände und die im Vergleich zu konventionell durchströmten Heizkörpern größere Temperaturdifferenz zwischen Vor- und Rücklauf im Teillastbetrieb führen nach seiner Einschätzung allein schon zu einer Reduzierung des Energieverbrauches von rund 8 bis 10 %. Bezogen auf den bisherigen Zustand sind die Unterschiede allerdings noch viel erheblicher: Während bisher eine Vorlauf-/Rücklauftemperatur von 90/70 °C anliegt, beträgt sie künftig im Auslegungsfall nur noch 50/40 °C.

Für die exakte Temperaturhaltung in der Verteilung sorgen unter anderem elektronisch geregelte Pumpen und die etagenweise installierten Strangregulierventile, durch die jeder abzweigende Verteilkreis präzise einreguliert werden kann. Lembke: „Selbstverständlich ist der Hydraulische Abgleich zudem im Vorfeld genau durchgerechnet worden, schon um die Rohrnetze passend auslegen zu können.“

Überzeugter Bauherr

Das damit in der Summe verbundene Einsparpotenzial überzeugte auch Dipl.-Ing. Heinz Hensen, der neben zahlreichen anderen Aufgaben für die Haustechnik im Hamburger DWD-Gebäudekomplex während der Bauphase verantwortlich zeichnet. Bezogen auf die Nutzungsdauer eines Gebäudes machen die Betriebskosten bekanntlich ein Vielfaches der Investitionskosten aus. Damit relativieren sich die geringfügigen Mehrkosten für die Therm X2-Heizkörper automatisch.

Hinzu kommt der geringe Aufwand für die Installation der Heizkörper durch deren Mittenanschluss, so Obermonteur Hans-Joachim Baudis von der bauausführenden Firma Sunnus aus Bad Doberan: „Statt zeitaufwendig präzise ausmessen zu müssen, wo die Vor- und Rücklaufleitungen zu enden haben, konnten wir die Verrohrung generell ‚mittig Fenster’ verlegen und mussten lediglich die Einhaltung des Stichmaßes beachten. Bei rund 600 Anschlüssen pro Gebäude addieren sich so ganz schnell etliche Stunden Arbeitszeit auf, die der Auftraggeber sonst teuer bezahlt.“

Fast schon zum Nebenaspekt degradiert wird da die Flexibilität, die Fachplanern wie Fachhandwerkern gerade bei so umfangreichen Sanierungsarbeiten im Bestand immer wieder abverlangt wird. Denn trotz aller Präzision in der Planungsphase macht es der Baufortschritt auch beim DWD in Hamburg doch immer wieder nötig, hier einen etwas schmaleren Heizkörper, dort einen um wenige Zentimeter breiteren als ursprünglich vorgesehen zu montieren, weil sich lichte Maße geändert haben. „Mit den im Zentimeterraster verfügbaren Therm X“-Heizkörpern können wir auf solche Änderungen problemlos reagieren“, hat Fachplaner Lembke die Erfahrung gemacht. Was ihm besonders wichtig ist, denn neben aller Funktionalität – wie der über die volle Breite flächigen Abschleierung der Fenster – darf aus seiner Sicht auch im Zweckbau eines nie vergessen werden: „Gut aussehen soll die Wärme­übergabe schließlich auch noch!“

Hans-Jürgen Heigl, Produktmanagement Heiztechnik Kermi

Therm X2 — das Funktionsprinzip

Im Gegensatz zu konventionellen Flachheizkörpern werden die Platten des Therm X2 nicht parallel (gleichzeitig), sondern seriell durchströmt. Die Frontplatte ist dazu mit den dahinter liegenden Platten in Reihe geschaltet, so dass sie immer zuerst komplett durchströmt wird. Die hintere „kalte“ Platte übernimmt im Teillastbetrieb so die Funktion eines Strahlungsschutzes. Erst mit steigendem Leistungsbedarf trägt auch sie mit hohem Konvektionsanteil zur Raumerwärmung bei.

Durch die priorisierte Durchströmung der Frontplatte steigt die für das Behaglichkeitsempfinden entscheidende mittlere Oberflächentemperatur auf der Raumseite auch im Teillastbetrieb. Bei einer Vorlauftemperatur von 50°C und 10 % des Auslegungsmassenstroms liegt sie beispielsweise nach 10 min um 29 %, nach 20 min sogar um 36 % über der eines parallel durchströmten Heizkörpers.

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