Kompakt informieren
- Die Kindertagesstätte Rut-Bahlsen-Zentrum wurde gezielt mit schnell regelbaren Deckenstrahlplatten ausgestattet, um die Betriebskosten zu minimieren.
- Eine Klimasimulation hatte ergeben, dass eine Verschattung und Kühlung des Gebäudes zur Einhaltung von Temperaturgrenzwerten erforderlich ist.
- Die Gruppenräume, Bäder und WCs wurden über ein 3-Leiter-System angeschlossen. Abgeführte Überschusswärme kann bei gleichzeitigem Heizbedarf in anderen Räumen genutzt werden.
- Die Temperaturregelung in den Räumen erfolgt über Strahlungstemperaturfühler, die Lüftung über Raumluftqualitätssensoren.
Der eingeschossige Neubau der Kindertagesstätte Rut-Bahlsen-Zentrum Abb. 1 wurde 2011/12 auf einem 2900 m2 großen städtischen Grundstück von der Rut- und Klaus-Bahlsen-Stiftung und der Landeshauptstadt Hannover in Massivbauweise errichtet. Die Stiftung finanzierte den Bau zu 80 % und stellte dafür 3 Mio. Euro zur Verfügung. Darüber hinaus beteiligt sie sich fünf Jahre lang mit 100000 Euro/a an den integrationsbedingten Folgekosten für Beratung und Betreuung. Das Rut-Bahlsen-Zentrum betreut behinderte und nicht behinderte Kinder von der Krippe bis zum Hort. Der Startschuss zum gemeinsamen Engagement fiel 2009 mit der Auslobung eines Architektenwettbewerbs, aus dem das Architekturbüro Venneberg & Zech, Hannover, als Gewinner hervorging.
Der Grundriss entspricht einem E, dessen Öffnungen nach Süden ausgerichtet sind Abb. 2. Den einzelnen Fingern wurden die verschiedenen Altersgruppen zugeordnet: Krabbelgruppe, Kindergarten- sowie Hortgruppe. Zwischen den einzelnen Trakten liegen die Garten- bzw. Hofbereiche sowie der barrierefreie Zugang zum gemeinsamen weitläufigen Außengelände mit altem Baumbestand. In der Nordzeile des 1200 m2 großen Gebäudes befinden sich der gemeinsame Essbereich, die Verwaltung sowie die Räume der Beratungs- und Kontaktstelle.
Die Haustechnik
Nicht nur das integrative Architekturkonzept, sondern auch die Technische Gebäudeausrüstung gilt als innovativ und berücksichtigt explizit Zertifizierungsrichtlinien des Gütesiegels der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB). Die TGA-Fachplanung lag in Händen des Ingenieurbüros Lorek VDI-TGA aus Hannover. Die gesamte Kindertagesstätte erhielt eine dezentrale Lüftungstechnik. Die geringen Kanalquerschnitte ermöglichten es, die Abhängungshöhe zu minimieren. Die Regelung der Lüftung erfolgt bedarfsgerecht über Raumluftqualitätssensoren. Die Zentralküche erhielt eine nutzungsspezifische RLT-Anlage.
Durch das Schleifen der Versorgungsleitungen über Doppelwandscheiben wird ein ständiger Durchfluss in der Trinkwasser-Installation gewährleistet. Die Wasserqualität kann über Probe-Entnahmeventile kontrolliert werden.
Die Wärmeversorgung des Gebäudes erfolgt über das Fernwärmenetz der Stadtwerke Hannover und eine Fernwärme-Kompaktstation mit zentraler Trinkwassererwärmung. Die Wärmeverteilung wurde in vier Heizkreise strukturiert.
Heizen – Kühlmöglichkeit inklusive
Zwei Beheizungsarten wurden projektiert: Für die Büros und die Flure wurde zwei Heizkreise mit dem dezentralen Pumpensystem Wilo-Geniax ausgestattet. Für die Gruppenräume, Bäder und WCs konzipierte der TGA-Planer ein 3-Leiter-System, das zusätzlich zum Vor- und Rücklauf der Heizung eine Kühlleitung beinhaltet. Das Konzept mit dem Heizen bzw. Kühlen über Deckenstrahlplatten wurde mit dem klaren Ziel gewählt, die Betriebskosten zu minimieren: Im Vergleich zu anderen Heizsystemen lassen sich die Kosten um bis zu 50 % senken.
Zum Einsatz kam die Ausführung HKE-CS von Best, eine besonders leichte Deckenstrahlplatte aus Kupferrohren 15 × 0,75 mm und Kopfstücken 28 × 1,5 mm, die strömungsgünstig ausgehalst und zu Registern verlötet werden. Die Rohre werden mit einem speziellen Verfahren in das standardmäßig gelochte und 1 mm dicke Aluminiumstrahlblech eingepresst. Die Elemente weisen eine Aufkantung von 75mm nach oben sowie eine Doppelkantung nach innen zur Längsversteifung bzw. Justierung der oberen Wärmedämmung auf Abb. 3.
Im Rut-Bahlsen-Zentrum wurden die Deckenstrahlplatten mit einer Spezial-Gipskartondecke mit eingewobenen Grafitanteilen zur besseren Wärmeleitung beplankt Abb. 3. Aufgrund der Wärmeübertragung über die gesamte Deckenfläche bilden die beiden Komponenten eine technische Einheit. In die Decke wurden verschiedene Komponenten integriert: Leuchten, Rauchmelder und die Deckenauslässe der Lüftungstechnik Abb. 4. Neben der „normalen“ Beheizung über den Wärmeerzeuger bietet das 3-Leiter-System eine weitere Möglichkeit, Wärme zu nutzen: Die Überschusswärme aus bereits gekühlten Zonen lässt sich über das erwärmte Rücklaufwasser in anderen Räumen zum Heizen nutzen.
Kühlwasser wird über eine Absorptionskältemaschine bereitgestellt. In den 3-Leiter-Kreisen muss die Regeltechnik besonderen Anforderungen gerecht werden: Da am Mischventil sowohl Kälte als auch Wärme anstehen, ergibt sich eine besondere Regler-Kennlinie. Zur Überwachung des Sollwerts, also der operativen Temperatur im Raum, muss der Fühler sehr flink und dem Temperaturempfinden der Personen entsprechend reagieren. Eingesetzt wurden Strahlungstemperaturfühler, die neben der Lufttemperatur auch den Strahlungsanteil erfassen. Ein Taupunktfühler am Vorlauf der Deckenstrahlplatte schützt vor einer Durchfeuchtung der Decke beim Kühlen.
Vorteile der Heiz-/Kühldecke
Als wichtigste Pluspunkte der Heiz-/Kühldecke sind die energieeffiziente Betriebsweise und die positive Auswirkung auf das Raumklima zu nennen. Die Strahlungswärme auf niedrigem Temperaturniveau wird praktisch nicht wahrgenommen – ein Merkmal für höchste thermische Behaglichkeit. Die geringe Staubaufwirbelung verbessert die Hygiene. Gleichzeitig arbeitet die Deckenstrahlheizung sehr wirtschaftlich, denn die höhere Temperatur der Umgebungsflächen sowie eine geringe Luftbewegung bewirken eine höhere Empfindungstemperatur: Bei gleicher thermischer Behaglichkeit ist weniger zu heizen, ein typischer Wert ist eine um 2 bis 3 K niedrigere Raumlufttemperatur. Auch der Energiebedarf für die Umwälzung ist gering.
Das eingesetzte Heiz-/Kühldecken-System reagiert aufgrund seiner geringen Speicherfähigkeit sehr schnell, sodass die gewünschte Temperatur ohne große Verzögerung erreicht wird – in gut gedämmten Gebäuden macht sich dies im Vergleich zu konventionellen Systemen besonders bemerkbar. Da die gesamte Technik „unsichtbar“ in der Decke versteckt ist, bleibt die gesamte Raumfläche frei zur individuellen Nutzung und lässt sich leichter reinigen. Zudem gelten die Komponenten als wartungsfrei. Sie verursachen auch keine Geräusche, können jedoch gezielt zur Verbesserung der Raumakustik beitragen, beispielsweise durch eine perforierten Sichtfläche und eine entsprechende Auflage.
Fazit
Im Rut-Bahlsen-Zentrum wurden inhaltlich wie technisch hohe Ansprüche umgesetzt. Das integrative Betreuungskonzept findet seine Entsprechung in einer Gebäudeausführung, die moderne technische Komponenten zum Wohl und Nutzen der Kinder und Betreuer einsetzt. Dazu zählt auch die Heiz-/Kühldecke, die beste Rahmenbedingungen im Winter wie im Sommer schafft. Marion Paul-Färber
Pressebüro Dieter Last
Klimasimulation
Die Stadt Hannover legte fest, dass die Neubauplanung des Rut-Bahlsen-Zentrums mit einer Simulation auf die zu erwartenden thermischen Zustände zu überprüfen war. Diese akribische Vorbereitung wurde als sinnvoll erachtet, weil das Gebäude mit allen Elementen eines Passivhauses errichtet werden sollte. Das mit der Simulation beauftragte Ingenieurbüro sollte folgende Fragen beantworten: Ist eine Kühlung unter Berücksichtigung der aufgeführten Vorgaben erforderlich? Wie stellt sich das dynamische Verhalten des Gebäudes in Wechselwirkung mit Klima, Nutzern und Gebäudetechnik dar?
Als Vorgaben für die äußeren Lasten waren die Architekturplanung, der Lageplan mit Nachbarbebauung bzw. Verschattung durch Nachbargebäude, die Bauphysik und die Vorgaben aus der Energieeinsparverordnung und der in Bezug genommenen DIN-Normen sowie die Wetterdatenbank des Deutschen Wetterdienstes mit der Statistik 2010 einzubeziehen. Als innere Lasten waren die Beleuchtung, Maschinenwärme sowie die Personen zu berücksichtigen.
Dabei wurden verschiedene Varianten untersucht: Vollverschattung einschließlich Außentüren sowie Teilverschattung (ohne Außentüren), einmal ohne Kühlung, einmal mit Kühlung mittels RLT-Zuluft und Heiz-/Kühldecke. In drei Zonen des Gebäudes wurden die Auswirkungen auf die thermische Situation mit zwei Fragen exemplarisch kontrolliert: Wird die Bedingung der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen an die Raumlufttemperatur (max. 24,5 °C) erfüllt? Wird eine Raumtemperatur von 26 °C gemäß der Arbeitsstätten-Richtlinie erfüllt?
Außerdem wurden drei Jahressimulationen durchgeführt, bei denen es um die Kühlung durch Zuluft und die Zeiträume der Kühlung ging. Zusätzlich wurde als Alternative zur Raumkühlung ein Konzept mit Lüftungsschlitzen untersucht; bei der vorgesehenen Baukonstruktion konnte es jedoch die gewünschte Kühlung bzw. die Einhaltung von Temperaturgrenzwerten nicht bewirken.
Zusammenfassend wurde festgestellt, dass die Kühlung mittels RLT-Zuluft und aktiver Heiz-/Kühldecke plus Verschattung der Außentüren die geforderten Temperaturwerte erbrachte. Bei Nichtverschattung der Außentüren ergab sich, dass die Temperatur von maximal 24,5 °C nur bei einer um 4 kW höheren Kühlleistung der Kältemaschine zu erzielen ist.
Bautafel Rut-Bahlsen-Zentrum
Bauherr
Stadt Hannover, FB Gebäudemanagement
Architekt
Architekten BDA Venneberg & Zech, 30161 Hannover, http://www.vundz.de
TGA-Fachplanung
Lorek Ingenieurbüro VDI-TGA, 30559 Hannover
Ausführung Heizungstechnik
Hartmann & Buchholz, 30453 Hannover, http://www.hartmann-buchholz-hannover.de
Ausführung Lüftungstechnik
Kees Klima- und Kältetechnik, 30952 Ronnenberg, https://www.keesnet.de/
Ausführung Sanitärtechnik
Sanitär Technische, 30171 Hannover, http://www.sanitaer-technische.de
Ausführung MSR-Technik
Max Weishaupt, 30539 Hannover, https://www.weishaupt.de/
Deckenstrahlplatten
237 m2 Heiz-Kühlelemente HKE-CS von Best, 30916 Isernhagen, https://www.best-kuehlheizen.de/