Kompakt informieren
- Insbesondere bei komplexen Gebäude- und Nutzungsformen ist die grafische Eingabe der thermischen Gebäudehülle mithilfe von 3D-Gebäudemodellern gegenüber der tabellarischen Erfassung einfacher und übersichtlicher.
- Die Hüllflächen werden nachvollziehbar dokumentiert und über Schnittstellen an die EnEV-Programme übergeben.
- Neben der EnEV-Bilanzierung liefern 3D-Gebäudemodeller auch 2D- und 3D-Darstellungen, farbige Zonierungspläne der Geschosse, Zonen-Flächenverteilungsübersichten oder 3D-Gebäudeansichten.
- Änderungen der Gebäudegeometrie bereiten jedoch Probleme und eine parallele architektonische, statische, gebäudetechnische und energetische Planung ist trotz BIM noch nicht möglich.
Energiebilanzen nach dem EnEV-Referenzgebäudeverfahren setzen eine präzise Beschreibung der Gebäudehülle voraus, was bei komplexen Geometrien aufwendig ist. So müssen für Wände, Fenster, Decken und Dachflächen als Wärme übertragende Umfassungsflächen der U-Wert, die Neigung und Ausrichtung definiert werden, ebenso die Position, Ausrichtung, Verschattung und Größe von Fenstern, Dachflächenfenstern und Haustüren.
Bei Nichtwohngebäuden oder gemischt genutzten Gebäuden kommt die Einteilung des Gebäudes in Zonen mit den unterschiedlichen Nutzungsrandbedingungen nach DIN V 18 599 [2] hinzu. Das Gebäude wird anschließend in separate Flächen zerlegt, die dann zonenweise die einzelnen Hüllflächen für die Berechnung bilden.
CAD ist nicht gleich CAD
Auch wenn das Gebäude bereits vom Architekten oder Statiker digital vorliegt, muss die Gebäudegeometrie im EnEV- oder Energieberater-Programm fast immer neu eingegeben werden. Das liegt daran, dass die Geometriedaten häufig nur zweidimensional und nicht vollständig vorliegen und zu viele nicht relevante Informationen oder Fehler enthalten.
Auch wenn der TGA-Fachplanung bereits ein 3D-Gebäudemodell zugrunde liegt, ist keineswegs sichergestellt, dass für die energetischen Berechnungen relevante Daten aus der CAD-Konstruktion, den Raumeigenschaften und Nachbarbeziehungen generiert werden können.
Denn CAD ist nicht gleich CAD. Während CAD für Planer Bauteile konstruktiv und volumenorientiert definiert, erfassen 3D-Modellierwerkzeuge für die Energiebilanzierung lediglich Wärme übertragende Hüllflächen sowie Öffnungen. Hinzu kommt, dass Regelwerke wie DIN EN 12 831 [1], VDI 2078 [3] und DIN V 18 599, unterschiedliche Rechenverfahren, Innen-, Mittel- und Außen-Bemaßungsregeln verwenden, um etwa Heiz- oder Kühllasten zu berechnen.
Während für die Heizlastberechnung in DIN EN 12 831 festgelegt ist, dass „bei den Abmessungen der Bauteile als Länge und Breite die äußeren Abmaße bzw. einschließlich halber Innenwanddicke, als Höhen der Wände die Geschosshöhen und als Abmessungen der Fenster und Türen die Maueröffnungen einzusetzen sind“, ist für die Kühllastberechnung in VDI 2078 festgelegt: „…Für die Abmessungen von Innenbauteilen sind die lichten Maße zu verwenden. Die Fläche eines Außenbauteils ist das Produkt der Breite des Außenbauteils […], ermittelt von Wandmitte zu Wandmitte (Rastermaß), und der Höhe des Außenbauteils, die von OKF zu OKF ermittelt wird […].“
Schnittstellen sind ein weiteres Problem: Standards wie DXF oder DWG übertragen lediglich grafische Grundelemente anstelle von Bauteildaten. Selbst der IFC-Datenstandard für den Transfer von BIM-Bauteildaten liefert, je nach Schnittstellenversion, unzureichende Ergebnisse, sodass die thermische Hülle oder Bauteilattribute im Detail manuell nachdefiniert werden müssen.
Sonderfall Gebäudebestand
Trotz fortgeschrittener Computerisierung liegt nur ein Bruchteil aller Pläne von Bestandsgebäuden in digitaler Form vor. Deshalb bieten 3D-Modeller auch Lösungen für die Energiebilanzierung im Bestand. Sind die Bestandspläne in Papierform noch halbwegs aktuell, kann sich eine manuelle Eingabe auf Grundlage „untergelegter“ Bestandspläne lohnen. Dazu wird die Planvorlage gescannt und in einem vom CAD-Programm, respektive 3D-Gebäudemodeller lesbaren Datenformat (PDF oder Pixelformate) importiert.
Bevor das Gebäude auf der Basis von Grundriss- und Schnittplänen dreidimensional eingegeben werden kann, muss die Vorlage kalibriert, das heißt maßstäblich geeicht werden. Teilweise muss die Scanvorlage auch gedreht oder entzerrt werden, wofür die 3D-Modeller-Software ebenfalls entsprechende Werkzeuge bereithalten sollte. Danach kann das Gebäudemodell auf Grundlage des darunterliegenden Grundrisses eingegeben werden. Dazu werden markante Eckpunkte, wie Wand- oder Fensterecken, mit dem Mauszeiger selektiert und das 3D-Bauteil wird an entsprechender Stelle eingegeben. Bauteil für Bauteil entsteht so auf der Grundlage der gescannten 2D-Planvorlage das 3D-Gebäudemodell.
Teilweise bieten die Programme Eingabehilfen, beispielsweise eine Pixel-Lupe. Damit lässt sich in einem Fenster die jeweilige Fadenkreuzposition um ein Vielfaches vergrößert darstellen, was die Selektion erleichtert. Weitere Eingabehilfen sind der automatische Fang markanter Punkte innerhalb einer definierten Suchdistanz, wie Eck- oder Kreuzungspunkte. Da alle relevanten Punkte der Vorlage möglichst exakt mit der Fadenkreuzlupe selektiert werden müssen, ist dieses Verfahren jedoch relativ mühsam und bei schlechten Vorlagen trotz des Aufwands nicht besonders präzise.
In vielen Fällen ist deshalb ein digitales Vor-Ort-Aufmaß und eine anschließende Neueingabe die bessere Lösung, wofür es zahlreiche Lösungen gibt (siehe auch TGA 12-2014: Messen mit K(n)öfpchen Webcode 622425 und 06-2013: Für jede Messaufgabe das richtige Werkzeug Webcode 537467).
Ein Gebäudemodell für alle(s)?
Bei der Energiebilanzierung ist meistens der Energieausweis das Ziel. Die Aussteller sind jedoch oft gleichzeitig Experten für Heizung, Lüftung, Geothermie, Solartechnik oder Bauphysik – und planen auch Umbau- und Sanierungsmaßnahmen. Auch aus einer Energieberatung kann schnell ein Planungsauftrag für eine Bestandssanierung resultieren, die eine CAD-Planung und einen Datenaustausch zwischen Architekt und Fachplanern erfordert.
Ein zentrales, universelles 3D-Datenmodell, aus dem man sowohl Gebäudedaten für Energieausweise und Berechnungen als auch Baupläne ableiten kann, hätte also Vorteile. Einmal erfasste Projektdaten werden optimal genutzt und der Konstruktions-, Planungs- und Berechnungsaufwand minimiert. Das von den Projektbeteiligten mit dem Planungsfortschritt sukzessive erweiterte und vielfältig auswertbare BIM-Datenmodell bietet sich hier geradezu an.
Doch BIM (Building Information Modeling) funktioniert derzeit nur innerhalb der Produktlinie eines Softwareherstellers und innerhalb eines Büros einigermaßen reibungslos. Tatsächlich sind aber fast immer mehrere Partner beteiligt und es werden teilweise auch nicht BIM-fähige Programme für die Projektplanung verwendet, was zwangsläufig zu Dateninkonsistenzen führt. Sobald Daten zwischen Bau-, Stahlbau-, Holzbau-, TGA- oder Statik-CAD-, respektive zwischen Berechnungs- oder Simulationsprogrammen unterschiedlicher Hersteller ausgetauscht werden müssen, knirscht es und man kommt um eine Neueingabe geometrischer und energetischer Daten nicht herum.
Nicht zuletzt deshalb köcheln Hersteller von EnEV-Programmen ihr eigenes Süppchen. Nahezu jeder Anbieter verfügt inzwischen über einen 3D-Hüllflächenmodeller – entweder als Eigenentwicklung oder als ein von einem Drittanbieter adaptiertes Produkt mit Schnittstellen zur eigenen EnEV-Berechnungssoftware. Diese Lösungen haben aber häufig das Problem, dass Anwender an Grenzen stoßen, sobald die Geometrie komplexer wird.
Insbesondere, wenn es krumm und schräg wird – etwa im Dachbereich bei komplexen Dachlandschaften und individuellen Dachgauben, bei runden oder frei geformten Objekten – entstehen geometrische Verschneidungen, die den CAD-Kern der 3D-Hüllflächenmodeller schnell überfordern. Einige Aufgabenstellungen lassen sich überhaupt nicht oder nur mit Tricks lösen, etwa ein unterschiedlicher Wandaufbau innerhalb einer Wand. Diese und andere in der Praxis gängigen Details müssen aufwendig angepasst werden, indem etwa die Hüllflächentabelle manuell korrigiert wird. Noch problematischer ist, dass alles erneut eingegeben werden muss, sobald das Gebäudemodell geändert wird.
Was bietet der Markt?
Programme für die Erfassung von Gebäudehüllflächen, respektive die grafische Zonierung von Nichtwohngebäuden, offerieren nahezu alle Anbieter von Programmen für die Gebäude-Energieberatung und die Erstellung von bedarfsorientierten Energieausweisen. Entweder sind die 3D-Hüllflächenmodeller bereits im Programm integriert, ein kostenpflichtiges Zusatzmodul (ab 300 Euro, zzgl. MwSt.) oder modularer Bestandteil entsprechender Pakete.
Häufig handelt es sich um Varianten des 3D-Gebäudemodellers E-CAD, einer abgespeckten Version der Architektur-CAD-Software CasCADos von FirstInvision. So haben E-CAD etwa BKI, Envisys, Rowa-Soft und Solar-Computer mit funktionalen Unterschieden in ihre jeweilige EnEV-Lösung integriert (siehe auch Anbieterübersicht).
Die Software ermöglicht die Eingabe auch komplexer Gebäudegeometrien im 2D- und 3D-Modus, eine alternative Plandatenübernahme per DXF/DWG-Schnittstelle oder die Vektorisierung von Papierplänen, ferner die globale oder individuelle Zuweisung von U-Werten für Fenster, Türen, Wände etc., die grafische Zonierung von Gebäuden nach DIN V 18 599, die Ausgabe sämtlicher Hüllflächen, sortiert nach Zonen sowie eine Übergabe der Objektdaten in die jeweilige EnEV- oder Berechnungssoftware.
Daneben gibt es auch alternative Lösungen. So bietet etwa Kern Ingenieurkonzepte ein zur Bauphysik-Software Dämmwerk optional erhältliches Modul „Faltmodelle“. Es basiert auf zweidimensionalen polygonalen Flächen und ist eine Alternative für weniger CAD-affine Anwender bei der Gebäudezonierung nach DIN V 18 599, für den sommerlichen Wärmeschutz oder für raumakustische Berechnungen.
Beispiele: Gbis und HottCAD
Teilweise offerieren Softwarehäuser auch mehrere Lösungen. So hält etwa Solar-Computer zusätzlich zum Programm K12 „Raumtool 3D“, einer an Vorgaben von Solar-Computer angepassten Version von E-CAD, auch das „Gbis-Tool“ bereit. Es dient der bidirektionalen Verknüpfung zwischen den Autodesk-Programmen AutoCAD Architecture, AutoCAD MEP, Revit Architecture und Revit MEP mit den Berechnungsprogrammen von Solar-Computer.
Mit Gbis lassen sich energetische Berechnungen nach EnEV 2014 oder DIN V 18 599 ebenso durchführen, wie die Heizlast nach DIN EN 12 831, die Kühllast nach VDI 2078, respektive VDI 6007, der sommerliche Wärmeschutz nach DIN 4108-2 sowie der Energiebedarf nach VDI 2067-10 berechnen. Eine IFC-Schnittstelle ermöglicht zusätzlich die Übertragung aus anderen CAD-Programmen, z. B. der TGA-CAD-Software Plancal. Importiert werden die Gebäudedaten von Revit über das Green Building-XML-Datenformat (gbXML).
Gbis erkennt Raum-Umschließungsflächen und -Volumina mit ihren TGA-spezifischen Abmessungen (Innen-, Mittel- bzw. Außenmaße), alle TGA-Normbauteile mit ihren jeweiligen Eigenschaften sowie alle Nachbarschaftsbeziehungen und relevanten Raum-Eigenschaften. Das Tool prüft die gelesenen Daten auf Plausibilität und Relevanz für die Verwendung in den normbedingten Berechnungen und erstellt einen Report, der gegebenenfalls Plausibilitäts-Widersprüche auflistet. Die Bauteile können mit Standard- oder vorgegebenen U-Werten aus der Zeichnung übernommen, in der Berechnung verarbeitet oder mit Schichtaufbau- und weiteren Daten belegt und berechnet werden. Die berechneten U-Werte werden in das BIM-Modell von Revit zurückgeschrieben, ebenso wie alle anderen Berechnungsergebnisse: Heiz- und Kühllast, Zusatzaufheizleistung, Raumtemperatur, Zonierung etc.
Auch Hottgenroth / ETU setzt mit HottCAD auf eine Eigenentwicklung. Bei der Eingabe der Gebäudegeometrie, gegebenenfalls auf der Basis von DXF- oder gescannten Architektenplänen, wird ein für alle Berechnungs- und Auslegungsprogramme von Hottgenroth nutzbares, einheitliches Gebäude-Datenmodell generiert. Das macht Mehrfacheingaben überflüssig. Kern der netzwerk- und mehrplatzfähigen Software ist ein BIM-Datenmodell, auf dessen Grundlage sowohl Heiz- und Kühllasten, Heizflächen, Rohrnetze für Heizung und Trinkwasser berechnet als auch Wärmepumpen, BHKW-, Solarthermie- und Photovoltaikanlagen integriert werden können.
Bei der Gebäudeerfassung definiert der HottCAD-Anwender Räume, Innen- und Außenwände, die bei der Auswertung automatisch erkannt werden. Liegen Architektenpläne, etwa aus ArchiCAD oder AutoDesk-Anwendungen bzw. als DXF- oder IFC-Datei vor, wird die Hüllflächenerfassung vereinfacht.
Mit der Energie-App für die Betriebssysteme Android oder iOS verfügt Hottgenroth / ETU zusätzlich über eine mobile Gebäudeerfassung mit Datenabgleich zu seiner EnEV-Software. Grundriss, Dachform, Baujahr, Fenstertypen und weitere Angaben werden in Form eines virtuellen 3D-Gebäudes erfasst. Neben der Geometrie können Bauteilen, wie dem Dach oder den Außenwänden, eigene U-Werte zugewiesen werden. Zusätzlich zur Erfassung der Heizungsanlage und der Dimensionierung des Warmwasserspeichers können auch die Verbrauchswerte der letzten Jahre vor Ort erfasst werden. Mit der in der Mobilhardware integrierten Kamera lassen sich Fotos aufnehmen und Notizen hinterlegen. Die Datenübertragung erfolgt per mobiler Internetverbindung über die Hottgenroth / ETU-Cloud.
Wunschzettel: ganzheitliche Planung
Gebäudemodeller vereinfachen zweifellos die Ermittlung von Gebäudehüllflächen oder die Zonierung von Nichtwohngebäuden und machen sie transparenter. Kritisch ist jedoch die datentechnische Trennung zwischen der Architektur- und Tragwerksplanung, Gebäudetechnik und Energieberatung: Ändert der Architekt, etwa aufgrund von Bauherrenwünschen die Gebäude- oder Dachform, während der Energieberater parallel energetische Varianten berechnet oder der Haustechniker bereits die Leitungsführung plant, wird es problematisch.
Im schlimmsten Fall muss man dann die kompletten Hüllflächeneingaben, Bauteilzuweisungen und Zonierungen im digitalen Mülleimer entsorgen. Im besten Fall kann man mithilfe von Vergleichslisten oder grafischen Markierungen erkennen, was sich geändert hat, und diese Bereiche gezielt aktualisieren. Durchgängige Lösungen, die auf Basis eines Gebäudemodells sowohl eine Architektur-, Statik- und Gebäudetechnikplanung als auch eine normenkonforme Hüllflächenauswertung, Zonierung und Übergabe an Berechnungsprogramme ermöglichen, wären wünschenswert.
Einen Ausweg verspricht der BIM- bzw. IFC-Standard, aber der funktioniert fachübergreifend ohne eine spezielle Verabredung der Projektbeteiligten noch nicht reibungslos. Anwender müssen sich deshalb wohl bis auf Weiteres mit den Unzulänglichkeiten arrangieren und auf künftige Entwicklungen hoffen.
Marian Behaneck
Literatur
[1] DIN EN12 831 Heizungsanlagen in Gebäuden – Verfahren zur Berechnung der Norm-Heizlast. Berlin: Beuth Verlag, August 2003
[2] DIN V 18 599 Energetische Bewertung von Gebäuden, Teile 1 bis 11. Berlin: Beuth Verlag, Oktober 2016 (die gleichzeitig zurückgezogenen Teile 1 bis 11 mit Ausgabedatum Dezember 2011 sind weiterhin für EnEV-2014-Nachweise anzuwenden)
[3] VDI 2078 Berechnung der thermischen Lasten und Raumtemperaturen (Auslegung Kühllast und Jahressimulation). Berlin: Beuth Verlag, Juni 2015
Programme / Anbieter*)
BKI E-CAD www.baukosten.de
E-CAD 3D-Gebäudemodell www.envisys.de
E-CAD Modul bmz-shop.de
E-CAD www.rowa-soft.de
Ecotech line www.ecotech.cc
HottCAD www.hottgenroth.de
IBP:18599 E-CAD Modul www.ibp-18599.de
ProjektCAD www.enev.net
Raumtool 3D www.solar-computer.de
ZUB E-CAD www.zub-systems.de
*) Auswahl