Schmid: Herr Buller, haben sich die Rahmenbedingungen für Mikro-KWK-Geräte in den letzten fünf Jahren eher verbessert oder eher verschlechtert?
Buller: Es gibt ganz unterschiedliche Einflüsse, die den Markt für Mikro-KWK-Geräte bzw. deren Wirtschaftlichkeit beeinflussen. Ich zähle mal einige davon auf:
- Die Vergütung des KWK-Stroms ist an die Quartalspreise des Baseload geknüpft. Da die Börsen-Strompreise zuletzt gesunken sind, wirkt sich dies negativ auf die Wirtschaftlichkeit von KWK-Systemen aus.
- Die Endkundenstrompreise sind hingegen gestiegen, sodass die Eigennutzung von KWK-Strom attraktiver geworden ist.
- Die Einflüsse der Novellierung des EEG können derzeit noch nicht quantifiziert werden, da das Gesetz noch nicht in Kraft getreten ist. Der Bundesrat hat am 23. Mai 2014 Stellung zur Novellierung bezogen. Er spricht sich für die Erweiterung der Bagatellgrenze für die elektrische Leistung von 10 auf 30 kW und für die elektrische Arbeit von 10 auf 30 MWh/a aus. Gleichzeitig fordert der Bundesrat, die Belastung durch die EEG-Umlage auf Eigenstromnutzung von 50 % auf 15 % zu reduzieren. Ob der Deutsche Bundestag das ähnlich sieht und ob der Bundesrat noch den Vermittlungsausschuss anruft, wird sich zeigen.
- Die Gaspreise für Endkunden sind in den letzten fünf Jahren nahezu konstant geblieben. Vor dem Hintergrund des steigenden Endkundenstrompreises ist dies von Vorteil für KWK-Anlagen.
- Aufgrund der vielen Gesetzesnovellierungen rund um das EEG ist die Planungssicherheit nicht verbessert worden. Dies ist aber allgemein gültig, denn viele Novellierungen sorgen bei den betroffenen Branchen zunächst für Verwirrung.
- Die Erhöhung der KWK-Förderung und die Einführung von bundes- und landesspezifischen Förderprogrammen hat die Stellung der Mikro-KWK-Geräte stark verbessert.
- Im Rahmen der novellierten EnEV können Mikro-KWK Systeme weiterhin gut zur Erfüllung der Vorgaben eingesetzt werden.
Es gibt also viele politische, marktorientierte sowie anlagen- bzw. herstellerspezifische Parameter, die sowohl positiv als auch negativ auf den Absatz von Mikro-KWK-Geräten wirken können. Somit bleibt abzuwarten, inwieweit die Novellierung des EEG zu einer Belastung für den Mikro-KWK-Gerätemarkt führen wird. Zurück zu Ihrer Frage: Ob sich in den letzten fünf Jahren die Situation für Mikro-KWK verbessert oder verschlechtert hat, hängt stark vom Blickwinkel des jeweiligen Marktteilnehmers ab. Aus meiner Perspektive wird sich der Markt weiter positiv entwickeln.
Schmid: Unabhängig von der Marktverfügbarkeit – welche realistischen Leistungsdaten, also Modulationsbereich der elektrischen Leistung und elektrischem Wirkungsgrad, müsste eine KWK-Anlage für den wirtschaftlichen Betrieb eines 2-Personen-Musterhaushalts mit bisherigem Strombezug von 3500 kWh/a und Erdgaseinkauf von 20 000 kWh/a für eine Brennwertheizung mit Trinkwassererwärmung bei einem Nutzungsprofil „berufstätig“ haben?
Buller: Der wirtschaftliche Betrieb von Mikro-KWK-Systemen ist von einer Vielzahl weiterer Einflussgrößen, wie Anlagenregelung, Speicherauslegung, Nutzerverhalten, Stromeigennutzung, Wetter, Energiepreisentwicklung etc. abhängig, sodass pauschale Antworten an dieser Stelle keinen Sinn machen.
Sicherlich ist die Modulationsfähigkeit zur korrelierenden elektrischen und thermischen Leistungsanpassung bei einer optimierten Anlagenregelung von Vorteil. Aus dem Verhältnis der von Ihnen aufgeführten Energiebedarfsgrößen ergibt sich eine objektseitige Stromkennzahl von rund 0,2. Inwiefern diese nun als optimal für das Objekt anzusehen ist, hängt stark von den oben aufgeführten Einflussgrößen, vor allem von der Anlagenregelung und der Speicherauslegung ab.
Bei der Optimierung von Systemen spielen üblicherweise neben der Wirtschaftlichkeit auch Fragen der CO2- beziehungsweise der Primärenergieeinsparung eine Rolle. Das bedeutet, alle am Markt verfügbaren KWK-Technologien haben ihre Daseinsberechtigung, da diese für die unterschiedlichsten Einsatzfälle und Optimierungszielstellungen genutzt werden können. Wichtig ist jedoch auch die Berücksichtigung der örtlichen Einbaubedingungen, denn diese haben einen großen Einfluss auf die Auswahl des Systems. Für nahezu jede Anwendung lässt sich auch eine optimale Anlagenkonfiguration finden. Dies setzt natürlich entsprechende Kenntnisse voraus.
Schmid: Neben der Novellierung des EEG nehmen die Themen Power-to-Heat, thermische Speicher versus Batteriespeicher und die Kombination mit PV-Anlagen auf Fachveranstaltungen einen immer größeren Raum ein. Kann man unter diesen Umständen derzeit überhaupt den Einbau einer Mikro-KWK-Anlage empfehlen?
Buller: Auf die Änderung der Rahmenbedingungen rund um das EEG bin ich bereits eingegangen. Aus meiner Sicht werden diese – je nach Ausgang der politischen Diskussionen – nur einen geringfügigen Einfluss auf die hocheffizienten Mikro-KWK-Systeme haben. Wie schon gesagt: Die Änderungen der Rahmenbedingungen wirken sich auch auf alle anderen marktverfügbaren Technologien aus, sodass der Wettbewerb gewahrt bleibt. Mikro-KWK-Anlagen werden in diesem Marktsegment immer – allein schon aus exergetischer Sicht – eine gute Position einnehmen beziehungsweise einnehmen müssen, um die Gesamtenergieeffizienz weiter zu steigern.
Schmid: Sehen Sie ein Zeitfenster, das sich für den Mikro-KWK-Zubau aufgrund der Entwicklung der äußeren Rahmenbedingungen schließen könnte?
Buller: Nein, ich sehe kein sich schließendes Zeitfenster – eher im Gegenteil – das Fenster ist noch gar nicht richtig geöffnet worden. Das Ziel der Bundesregierung sieht weiterhin den Ausbau des KWK-Stromanteils bis 2020 auf 25 % vor. Dazu können Mikro-KWK-Systeme einen deutlichen Beitrag leisten. Mikro-KWK-Geräte sind eine wichtige Option, die Zukunft der Energieversorgung zusammen mit anderen innovativen Ansätzen mitzugestalten. Die aktuellen politischen Diskussionen um das EEG werden möglicherweise einen Einfluss auf Mikro-KWK-Systeme haben, aber von einem sich schließenden Zeitfenster zu sprechen, ist schlichtweg Schwarzmalerei.
Schmid: Wie könnte aus Ihrer Sicht ein stromoptimierter Betrieb eines Mikro-KWK mit der Peripherie aus thermischem Speicher, Batteriespeicher und gegebenenfalls PV-Anlage aussehen?
Buller: Die Frage fasst wunderbar die noch zu adressierenden F&E-Themen zusammen. Genau dies untersucht das GWI in konkreten Projekten mit vielen Partnern aus der gesamten Prozesskette. Ich möchte an dieser Stelle auf die Internetseite http://www.100kwk.de verweisen, auf der die aktuellen Veröffentlichungen zum Projekt „100 KWK-Anlagen in Bottrop“ zu finden sind.
Vielen Dank für das Gespräch.
Vita
Michael Buller M.Eng. ist seit August 2013 Teamleiter am Gas- und Wärme-Institut Essen (GWI) für den Bereich Gerätetechnik in der Forschungsabteilung Brennstoff- und Gerätetechnik. Davor war er am GWI Projektleiter für nationale und internationale Projekte mit Fokus auf Kraft-Wärme-Kopplung. Für seine Masterarbeit „Ganzheitliche Betrachtung des Mikro-KWK-Potenzials im Wohngebäudebestand – Korrelation zwischen Kraft-Wärme-Kopplung und Dämmmaßnahmen“ im Masterstudiengang Technisches Management in der Energietechnik (FH Münster) wurde Buller unter anderem mit dem DVGW-Studienpreis Gas ausgezeichnet. https://www.gwi-essen.de/