Wer regelmäßig Fachmessen wie die ISH, die IKK oder gar die Energie auf der Hannover Messe besucht, ist von der Enkon dezentral, Fachmesse für dezentrale Energietechnik, Energiewirtschaft und Energieeffizienz, in Nürnberg (18. bis 20. Oktober 2006) zunächst eher enttäuscht. Mit gerade einmal 82 Ausstellern, von denen man viele unter Sonstige einordnen kann, und rund 3800 Besuchern, erscheint die Enkon eher als ein Sanierungsfall und beileibe nicht als das vom Veranstalter und den fachlichen und ideellen Trägern angepriesene Juwel . Trotz magerer Zahlen melden die Veranstalter einen erfolgreichen Messeverlauf, zufriedene Aussteller und qualifizierte Besucher.
Ohne ein Zugpferd in Fußnähe, wie bei den letzten beiden Veranstaltungen mit der IKK, Internationale Fachmesse Kälte, Klima, Lüftung, mit ihren über 880 Ausstellern und knapp 29 000 Besuchern, wären selbst diese Ergebnisse kaum zu erzielen gewesen. Insbesondere die Kälte-Klima orientierten TGA-Planer nutzten die Möglichkeit, sich neben der IKK auf der Enkon über die Entwicklungstendenzen bei der dezentralen Energieerzeugung zu informieren. Wie es in zwei Jahren nach dem Umzug der IKK nach Stuttgart und der neuen Kälte-Klima-Fachmesse Chillventa Nürnberg mit der Enkon weitergeht, ist momentan noch unklar. Auch der Abschlussbericht des Messeveranstalters hält sich bedeckt: Die nächste Enkon dezentral findet turnusgemäß wieder 2008 statt.
Ungenutzte Synergien
Dabei bieten die Kraft-Wärme-Kopplung und die Kältetechnik durchaus Anknüpfungspunkte, ja Synergien, die aber von der KWK-Fraktion und den Anbietern thermisch angetriebener Kälteprozesse nicht groß genutzt oder zumindest auf der Messe nicht herausgestellt wurden. Immerhin ließen sich 22 der 82 Aussteller im Warenverzeichnis der Enkon dezentral - es gab nicht einmal einen ordentlichen Katalog - unter Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung bzw. Trigeneration eintragen. Allerdings zeigten nur EAW aus Westenfeld und M+W Zander Energie+Anlagen aus Kulmbach KWK-Lösungen mit Kältefunktion.
Das Spektrum von BHKW-geeigneten Absorbern reicht bei EAW von 15 bis 200 kW Kälteleistung. Entsprechende BHKW-Module für die Brennstoffe Heizöl, Biodiesel, Gas, Flüssiggas und auf Anfrage auch Biogas werden mit angeboten. Die M+W Zander-Tochter Energie+Anlagen stellte erstmals eine Ammoniak/Wasser-Absorptionskälteanlage vor (Kälteleistung 30 bis 500 kW je Modul), die Nutztemperaturen bis - 10 °C erreicht. Der zusammen mit dem ILK Dresden entwickelte Absorber ist in erster Linie für den Einsatz in der Lebensmittelindustrie, der chemischen und petrochemischen Industrie sowie zur Gasturbinenkühlung konzipiert.
Dass die zweifellos vorhandenen Synergien zwischen BHKW und Kälte nicht oder zu wenig genutzt werden, läge auch an einer gewissen Gleichgültigkeit des IKK-Veranstalters, so die inoffizielle Aussage eines Vertreters der Enkon-Trägerverbände. Aber auch die Enkon-Veranstalter räumen ein, dass sie den thermisch angetriebenen Kälteprozessen bisher nicht das gebührende Interesse entgegenbrachten. Auf dem Enkon-Fachforum war das Thema Kälte aus Wärme gerade einmal mit einem Vortrag vertreten. Dass man mit der Motoren- und Prozessabwärme nicht nur Absorptionskältemaschinen antreiben kann, sondern auch Adsorptionskältemaschinen, Desiccant Cooling Systeme, Flüssigsorptionssysteme und Rankine Cycle Turbinen, scheint dem Veranstalter und den Trägern der Enkon dezentral offensichtlich entgangen zu sein.
Auch die Entwicklungen im Zusammenhang mit Solar Cooling - bestens geeignet auch für die BHKW-Kopplung - sind in der BHKW-Branche noch nicht angekommen. Auf die Frage, warum die Motorenabwärme aus BHKWs so wenig zur Kälteerzeugung genutzt werde, hieß es bei den Anbietern von BHKW-Modulen eher lapidar, die TGA-Planer hätten kein Interesse an Kraft-Wärme-Kälte-Verbundlösungen, auch sei die Wirtschaftlichkeit der Kältefunktion meist schwierig nachzuweisen. Der Anstoß zu Verbundlösungen käme meist von Investoren, Bauherren oder industriellen Betreibern, die dem Thema Kälte aus Wärme offenbar einen höheren Stellenwert einräumen. Auch die Anbieter von Klein- und Mikro-KWK-Anlagen, also von BHKW-Modulen unter 50 kWel, berichten von einem wachsenden Interesse an thermisch angetriebenen Kältemaschinen seitens der Bauherren. Einig war man sich darin, dass im gesamten KWK-Anwendungsbereich noch erhebliche Informationsdefizite bestehen.
Wachstumsbranche Biogas
Das geringe Interesse an Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungssystemen ist nach Ansicht von BHKW-Modullieferanten aber auch ein Ergebnis des Booms bei Biogasanlagen der 500 kWel-Klasse. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz sieht für Anlagen dieser Größe eine Grundvergütung von 9,9 ct/kWh vor. Hinzu kommt der so genannte Nawaro-Bonus (Nawaro: Nachwachsende Rohstoffe) von 6 ct/kWh, wenn für den Antrieb nachwachsende Rohstoffe genutzt werden. Wird die Motorenabwärme zur Wärmeversorgung ausgekoppelt, gibt es weitere 2 ct/kWh als KWK-Bonus. Aufgrund dieser günstigen Rahmenbedingungen sind mittlerweile rund 2700 Biogasanlagen in Betrieb; allein im letzten Jahr seien es 70 % mehr gewesen als im Vorjahr. Etwa zwei Drittel der in den letzten Jahren neu installierten Motoren-BHKWs werden mit Biogas betrieben, so mehrere Lieferanten.
Brancheninsider bemängeln bei Biogasanlagen bereits einen gewissen Wildwuchs, der durch die wirtschaftlich attraktiven Förderbedingungen begünstigt werde. So gäbe es nur wenig Anreize, die Motorenabwärme aus der Biogasverstromung ganzjährig zu nutzen. Meistens werde die Wärme abgefackelt , so ein Branchenkenner. Ein weiterer Grund für den oftmals nicht realisierten Kraft-Wärme-Kälteverbund bei Biogasanlagen sei der Zielkonflikt zwischen dem Aufstellungsort der Biogasanlage und seine Nähe zu Wohnsiedlungen oder Gewerbe als Wärmeabnehmer. Geruchsbelastungen und der hohe Lärmpegel durch Versorgungs- bzw. Entsorgungsfahrzeuge sprechen eher für eine Platzierung der Biogasanlagen in der Nähe der Rohstoffquellen als bei den Wärmeabnehmern.
Wachsender Markt für Klein-BHKWs
Offenbar haben es die Anbieter von Klein-BHKWs geschafft, die teilweise schon euphorische Begeisterung des Endverbrauchers für (nicht lieferbare bzw. nicht bezahlbare) Brennstoffzellen-Heizgeräte auf das Mikro- und Klein-BHKW zu übertragen. Anders lässt sich der Erfolg der Hauskraftwerke kaum interpretieren, von denen in Deutschland mittlerweile an die 18 000 Seriengeräte installiert sein dürften. Allein Senertec meldete bis Ende 2005 rund 14 000 installierte Anlagen, PowerPlus Technologies (Ecopower) 1200. Otag liefert seit Januar 2006 die ersten Anlagen aus. Microgen, Sunmachine und Whispergen dürften ebenfalls demnächst auf den Markt kommen, noch kürzlich hatten sie als Markteintritt im Jahr 2006 angekündigt. Eine aktuelle Übersicht über Mikro-KWK-Anlagen gibt der Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung unter https://www.bkwk.de/startseite-bkwk/ heraus.
Neben den Otto- und Dieselmotorgeräten drängen jetzt auch Mikro-KWKs mit Stirlingmotor auf den Markt. Das variabelste Gerät mit Stirlingmotor dürfte das Solo Stirling 161-Modul sein, das die elektrische Leistung zwischen 2 und 9,5 kW, die thermische Leistung zwischen 8 und 23 kW stufenlos moduliert. Solo hatte bis Ende 2005 bereits 80 Geräte installiert. Eine Leistungsklasse darunter und noch flexibler arbeitet der lion-Powerblock mit Freikolbendampfmaschine und Lineargenerator von Otag mit einer elektrischen Leistung von 0,2 bis 2,5 kW und 2,5 bis 16 kWth. Die ersten Anlagen werden mit Erdgas betrieben, für 2007 sind Versionen mit Flüssiggas und Holzpellets angekündigt.
Das große Interesse an der Kraft-Wärme-Erzeugung im eigenen Keller hat jetzt weitere Hersteller zum Markteintritt in Deutschland bewogen. Die zur norwegischen Statoil-Gruppe gehörende EC Power A/S aus Hinnerup/Dänemark stellte in Nürnberg zwei Kompakt-BHKWs (Gas/Heizöl) mit einer modulierenden Leistung von 4 bis 13 kWel und 17 bis 29 kWth bzw. 4 bis 17 kWel und 11 bis 26 kWth vor.
Auch Capstone war in Nürnberg über E-quad Power Systems, Aachen, präsent, allerdings ohne Ausstellungsstück. Die Capstone Mikrogasturbinen mit 30 kWel und 70 kWth bzw. 65 kWel und 125 kWth arbeiten nach eigenen Angaben extrem schadstoffarm (NOx 9 ppmV bei 15 % O2). Durch die Luftlagerung der Welle (Drehzahl 96 000 U/min) werden keine Schmier- und Kühlmittel benötigt. Die Abgastemperatur beträgt rund 300 °C und bietet sich somit auch zum Antrieb einer Absorptionskältemaschine an.
Notstromfunktion noch nicht in Sicht
Mit den spektakulären Blackouts oder Sicherheitsabschaltungen im europäischen Stromverbundnetz - der letzte Vorfall ereignete sich Anfang November - wächst der Wunsch vieler BHKW-Interessenten nach einer Notstromfunktion. Speziell die Ein- und Zweifamilienhausbesitzer gehen in der Regel davon aus, dass ein Mikro-BHKW bei einer Netzabschaltung weiterläuft. Doch die Netzsynchronisation sei bei den kleinen Leistungen unverhältnismäßig teuer, sodass praktisch keine serienmäßig mit Notstromfunktion ausgestatteten Geräte am Markt sind, bzw. für den Inselbetrieb geeignete Aggregate nicht für solche Kundenkreise angeboten werden. Bei den BHKWs größerer Leistung gibt es dagegen eine Tendenz, das BHKW permanent als Notstromaggregat einzusetzen und das Netz als Backup zu nutzen. Da mittlerweile von mehreren Seiten, z. B. durch die Allianz-Versicherung, vor einer Häufung von Stromausfällen durch Kapazitätsengpässe und Naturkatastrophen gewarnt wird, rückt die Notstromfunktion bei BHKW-Neuanschaffungen stärker in den Vordergrund.
In den USA werden deshalb sehr große Hoffnungen auf die Notstromfunktion von Mikro-BHKWs gesetzt. Aus Sicht von US-Fachleuten reicht eine elektrische Leistung zwischen 1 und 2 kW aus, um einen Haushalt (ohne Klimatisierung) mit Notstrom zu versorgen. Autoren einer Veröffentlichung im ASHRAE Journal1) sind der Auffassung, dass Mikro-BHKWs bei entsprechenden Vorkehrungen ( when designed properly ) bei Netzausfall die Notstromversorgung für einen Haushalt übernehmen können. In einer Marktstudie wird der jährliche Bedarf an Mikro-BHKWs auf dem US-Markt auf rund 1 Million Module geschätzt, davon entfallen rund 200 000 Einheiten auf reine Notstromaggregate. Die Kosten für Standby-Generatoren im 1 bis 2 kW Bereich werden mit 4000 bis 6000 US-$ angegeben, die von Micro-CHP (Combined Heat and Powersystem) mit 12 000 US-$.
Bereits auf der zurückliegenden Hannover Messe zeichnete sich ab, dass die erste Serie von Kleinst-Brennstoffzellen mit elektrischen Leistungen zwischen 1 und 2 kW in den USA bevorzugt zur Sicherstellung der Notstromversorgung gekauft werden und erst in zweiter Linie zur Versorgung mit Wärme.
Fazit
Die Enkon dezentral vermittelt nur bedingt einen Überblick über das Marktgeschehen und die Optionen im Bereich der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung. Fertige Lösungen gibt es praktisch nicht. Hier sind die TGA-Fachplaner gefordert, die erweiterten Möglichkeiten des Marktes (Produktneuheiten, staatliche Förderung, Wunsch nach höherer Versorgungssicherheit/Notstromfunktion) in konkrete Projekte umzusetzen.
Wolfgang Schmid, Freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München
1) Robert Zogg, Tyson Lawrence, Kurt Roth, James Brodrick: Residential Emergency Power Systems. ASHRAE Journal, Oktober 2006, Seite 68-70