Büro- und Verwaltungsgebäude werden im laufenden Betrieb meist ganz anders genutzt als in der Planungsphase bekannt bzw. festgelegt. In der Konsequenz müssten Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen nach dem Einzug eines Mieters neu justiert werden. Solche zweite Inbetriebnahmen sind aber noch eher selten. Wenn dann auch noch am Betreiberkonzept gespart wird, laufen Gebäude energetisch leicht aus dem Ruder. Anbieter von Gebäudeautomationssystemen haben festgestellt, dass meist nur ein kleiner Teil der zur Verfügung stehenden Energiesparfunktionen einer Gebäudeautomation von den Betreibern auch genutzt werden.
Selbst Gebäude, die in der Planungsphase und in den Prospekten der Investoren als „grün“, „intelligent“, ökologisch“ oder „innovativ“ angepriesen werden, fallen so im Betrieb oft weit hinter die planerischen Zielvorgaben zurück. Auch die in Architektenkreisen gefeierten Glasbauten, wie Post Tower in Bonn, Sony Center in Berlin, Düsseldorfer Stadttor oder das Hochhaus der RWE in Essen, gelten betriebstechnisch als schwer beherrschbar und – aufgrund energiefressender Klima- und Lüftungstechnik – als energetisch eher abschreckende Beispiele.
In Bayern hat deshalb der Oberste Rechnungshof in seinem Jahresbericht 20071) den Bau staatlicher Gebäude mit hohem Glasanteil wegen der hohen Folgekosten bei Betrieb und Unterhalt gerügt. So sei der Energieeintrag durch Glasfassaden meist nicht ausreichend kontrollierbar und damit für die Gebäudeenergiebilanz kaum zu nutzen. Möglichen Energieeinsparungen im Winter stünde ein überdurchschnittlich hoher Energieaufwand zur Raumkühlung im Sommer gegenüber.
Doch selbst konventionelle Bürogebäude gelten inzwischen wegen der starken Wechselbeziehungen von Nutzung und Komfortansprüchen auf der einen Seite und Energieeffizienz und Produktivität auf der anderen Seite als komplex im Sinne eines nachhaltigen Gebäudebetriebes. Im neuen Forschungsbereich „Energieeffiziente Betriebsoptimierungen“, kurz EnBop2) genannt, sollen deshalb konventionelle und „innovative“ Büro- und Verwaltungsgebäude im laufenden Betrieb auf den Prüfstand gestellt und anschließend die Gebäudeperformance mit einfachen, nicht- oder gering-investiven Mitteln optimiert werden. Bis zu 40 % des Strom- und Wärmeverbrauchs könnten so eingespart werden, prognostizierten Mitarbeiter des mit dem Projekt beauftragten Instituts für Gebäude- und Solartechnik der TU Braunschweig.
Die schlechte Energieperformance von Nichtwohngebäuden scheint ein weltweit bekanntes Phänomen der Gebäudebewirtschaftung zu sein. Auf dem internationalen Kongress „Clima 2007 – Wellbeing Indoors“ in Helsinki berichteten Wissenschaftler, dass bei Messungen in Bürogebäuden Abweichungen vom Normenergiebedarf von bis zu 300 % festgestellt wurden, besonders dann, wenn Gebäude nicht betreut und sich selbst überlassen werden.
Neue Regelstrategien erforderlich
Doch die Probleme liegen tiefer: Um ein Gebäude nach den Vorgaben der Europäischen Energieeffizienzrichtlinie (EPBD) zu betreiben, scheinen die heute üblichen Steuerungs- und Regelungskonzepte wegen der komplexen Verknüpfungen von Anlagentechnik, Nutzeranforderungen und Bauphysik nur noch bedingt geeignet zu sein. Berechnungen des Instituts für Gebäude- und Energietechnik (IGE) an der Fachhochschule Biberach haben ergeben, dass durch die Optimierung der Steuerungs- und Regelungskonzepte von HLK-Anlagen in Verbindung mit Wärmerückgewinnungsanlagen Energieeinsparungen von bis zu 50 %, durch verbesserte Raumautomationskonzepte 20 bis 50 % möglich sind. Das neue Forschungsprojekt der Biberacher Wissenschaftler mit dem sperrigen Titel „Hardware-in-the-Loop-Lösungen für die Automation von HLK-Prozessen und die Raumautomation – HILGA“ zielt darauf ab, die in der Planungsphase übliche Gebäudesimulation in die künftige Regelungsstrategie mit einzubinden.
Auszug aus der Projektbeschreibung: „Ziel dieses FuE-Vorhabens ist der Aufbau einer offenen, modularen Modellbibliothek klima- und kältetechnischer sowie raumklimatischer Prozesse mit einer Ausrichtung auf steuerungs- und regelungstechnische Problemstellungen. Für die Implementierung und Nutzung der Modellbibliothek soll ein Hardware-in-the-Loop-System (HiL-System) als Prototyp entwickelt werden. Die echtzeitfähigen Modelle agieren als Prozess gegenüber einem Automatisierungsgerät, welches den Prozess steuert und regelt. Mit diesen HiL-Systemen kann die Entwicklungszeit für Regelungsstrategien und deren Inbetriebnahme deutlich verkürzt und die oben erwähnten Energieeinsparungen erzielt werden.“
Bisher sind solche Konzepte wegen der hohen Kosten für die Modellierung eher die Ausnahme. Das HILGA-Projekt soll dazu beitragen, dass auch kleine und mittlere Unternehmen diese Technik künftig nutzen können.
Auch andere Hochschulen sehen Entwicklungsbedarf bei der simulationsgestützten Automation von Gebäuden, insbesondere wenn es um klimatisierte Gebäude geht. So entwickeln die Hochschulen Stuttgart und Offenburg in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Verbundforschungsvorhaben mit Festo, Esslingen, Elektror Airsystems GmbH, Esslingen, sowie der Stadt Ostfildern eine „Simulationsgestützte Gebäudeautomation für die nachhaltige sommerliche Klimatisierung von Gebäuden“.
Dabei sollen auch auf online verfügbare klimatische Randbedingungen und Vorhersagewerkzeuge zurückgegriffen und diese Informationen intelligent in Regelungsverfahren eingebunden werden. Wichtig sei die Verbindung von Regelungsmöglichkeiten in der Gebäudehülle, beispielsweise von Sonnenschutz und fassadenorientierten Lüftungen mit adaptiven Regelungen für Lüftungs- und Klimaanlagen. Die hierfür entwickelten Softwaretools werden in standardisierten Bibliotheken für unterschiedliche Simulationsplattformen zur Verfügung gestellt. Aus Sicht der Projektbeteiligten muss insbesondere der Gebäudekühlung künftig mehr Beachtung geschenkt werden. Dabei gelte es, Sonnenschutz und alternative Kühlverfahren unter Zuhilfenahme von Daten aus der Wettervorhersage intelligent miteinander zu verknüpfen3).
Punktgenaue Wetterprognosen
Wetterprognosen sind in den letzten Jahren immer genauer geworden. Hintergrund der zunehmenden Prognosesicherheit ist die Entwicklung leistungsfähigerer Rechner, die eine Verfeinerung der Wettervorhersagemodelle ermöglichen. Heute liegt der Prognosezeitraum bei drei bis sechs Tagen mit einem Gitterabstand der Modelle von unter 3 km. Die steigende Rechnerleistung macht es möglich, auch kleinräumige Wetterentwicklungen zu prognostizieren, wie sie zum Beispiel für den Betrieb von Windkraftanlagen und Solaranlagen interessant sind. Diese Feindaten können durchaus auch für Wettervorhersage-Regelungen für Gebäude genutzt werden.
Nach Erkenntnissen von Wissenschaftlern lassen sich durch die Aufschaltung von Wetterprognosedaten auf die HLK-Regelung und Sonnenschutzsteuerung bis zu 35 % an Energie einsparen, in einzelnen Fällen könnten sogar bis zu 60 % erreicht werden. Da hierfür meist nur geringe Investitionen nötig sind, sollen sich solche Maßnahmen innerhalb kürzester Zeit rentieren.
Trotz hoher Einsparprognosen hält sich die MSR-Industrie mit Produktangeboten eher zurück. Bereits Ende der 1990er Jahre entwickelte die Honeywell INUcontrol AB, Boras/Schweden, und das Schwedische Meteorologische und Hydrologische Institut (SMHI), Norrköping, eine Wettervorhersage-Regelung für Gebäude, die zu einer etwa 10%igen Energieeinsparung bei Wohngebäuden führte. Statt die Heizungsvorlauftemperatur nach der Außentemperatur zu regeln, wurde dem Regler eine „äquivalente Temperatur“ auf der Basis der voraussichtlichen Wetterentwicklung zur Verfügung gestellt.
Siemens Building Technologies befasst sich bereits seit den 1980er Jahren mit dem Thema Wettervorhersage-Regelung. Jetzt hat das Unternehmen seine Arbeiten zu diesem Thema stark intensiviert, zumal auch die Genauigkeit der Wetterprognose gestiegen ist. Neben der Entwicklung von Regelungs- und Steuerungsstrategien, die Wetterprognosen mit einbeziehen, steht bei Siemens vor allem die Entwicklung von Methoden und Werkzeugen im Vordergrund. Damit ließe sich bereits in der Planungsphase abschätzen, welchen monetären Nutzen Wettervorhersage-basierende Regelungsstrategien bringen.
Eine Wetterdaten-basierende Gebäudeautomation soll beispielsweise in der neuen Monte-Rosa-Berghütte des Schweizerischen Alpenvereins in einer Höhe von 2795 m zum Einsatz kommen. Die dortige Ausgangssituation: Der für die Abwasserreinigungsanlage und sonstige Verbraucher benötigte Strom wird mit einer PV-Solaranlage und einer mit Flüssiggas betriebenen Kraft-Wärme-Kopplungs-Einheit erzeugt. Bei der automatischen Steuerung mit einer regelbasierten Steuerungsstrategie könnte folgende „wenn-und-dann-Strategie“ zur Anwendung kommen: Wenn die Batterie zur Hälfte geladen, der Abwassertank zur Hälfte gefüllt ist und die Wettervorhersage viel Sonnenschein verspricht, dann wird der Abwasserreinigungsprozess eingeschaltet. So wird die Batterie entladen und damit das Risiko vermindert, dass Sonnenenergie abgewiesen wird, weil die Batterie bereits geladen ist. Ist die Ausgangslage identisch, jedoch kein Sonnenschein zu erwarten, wird der Abwasserreinigungsprozess abgeschaltet. So kann das Risiko reduziert werden, dass sich die Batterie entlädt und die Kraft-Wärme-Kopplungseinheit eingeschaltet werden muss. Durch die automatische Anwendung solcher Regeln wird Flüssiggas eingespart und dadurch der Energie-Autarkiegrad der Hütte erhöht, der nach dem Willen der Planer mindestens 90 % betragen soll.
Als wichtigsten Anwendungsbereich für die Wettervorhersage-Regelung sehen Wissenschaftler und Regelfirmen Gebäude mit thermoaktiver Bauteiltemperierung. Bei Siemens liegen dazu bereits Erfahrungen in zwei Großgebäuden in Zürich vor, bei denen die Ein-Tages-Wettervorhersage anstatt der gemessenen Außentemperatur als Regelgröße dient. Das Herzstück ist ein modellprädiktiver Regelalgorithmus, der als Prototyp in der Automationsstation Desigo PX implementiert ist. Damit sei auch der Beweis erbracht, dass die Rechenkapazität der in solchen Geräten verwendeten Prozessoren für die rechenintensive Optimierung ausreiche, so Dr. Jörg Tödtli, Leiter Forschung HLK-Anwendungen bei Building Technologies, Siemens Schweiz AG. Bei Wettervorhersage-Regelungen anderer Hersteller wird der Rechenvorgang meist von einem externen Dienstleister erbracht und dann online als Stellgröße an die HLK-Regler im Gebäude übermittelt.
38 % Einsparung beim SIC
Mehr Aufschluss über die Rolle der Energieoptimierung auf der Basis von Wetterprognosen werden von einem Pilotprojekt der Hochschule Offenburg am Solar Info Center in Freiburg erwartet. Durch die Aufschaltung von Wetterdaten auf die vorhandene Gebäudeautomation könnten in dem ohnehin schon energieoptimierten 14000 m2 großen Multifunktionsgebäude nochmals 38 % Energie eingespart werden. Prof. Elmar Bollin, Hochschule Offenburg, setzt dabei auf „Fuzzy Decision Making“, also auf unscharfe Entscheidungen ähnlich den bekannten Fuzzy-Logik-Reglern. Durch „wenn-und-dann“-Entscheidungen wird beispielsweise die Nachtlüftung aktiviert. Beispiel:
- wenn T<sub>Raum</sub> = kalt und T<sub>Prognose</sub> = kühl, dann Nachtlüftung = null
- wenn T<sub>Raum</sub> = angenehm und T<sub>Prognose</sub> = warm, dann Lüftung = viel
- wenn T<sub>Raum</sub> = warm und T<sub>Prognose</sub> = heiß, dann Lüftung = voll
Die Daten des Wettervorhersage-Lieferanten werden von Internetportalen (Google, Ebay, Amazon usw.) über das SOAP-Protokoll an das Gebäudeautomationssystem übergeben und dort weiterverarbeitet. Neuerdings sind auch funkbasierende Wetterprognosesignale per Langwelle, ähnlich den Langwellen-Signalen von Funkuhren, im Angebot.
Ein wichtiges Anwendungsgebiet für die Wetterprognose-Regelung im Gebäudebetrieb sieht Bollin bei Gebäuden mit Bauteilaktivierung und Verschattungseinrichtungen. Damit könnten im Winter und in der Übergangszeit solare Wärme gezielt dem Gebäude zugeführt und im Sommer gegen Überhitzung geschützt werden. Besonders prädestiniert für die prädiktive Raumtemperatur-Regelung seien Schulen, da diese zu festen Zeiten mit konstanter Belegung genutzt werden. Durch das Zusammenspiel von Verschattung und Nachtauskühlung könne die Temperatur in den Schulräumen auch ohne Klimatisierung innerhalb der Komfortgrenzen gehalten werden. Gleichzeitig verbessere sich durch die freie Kühlung auch die Luftqualität.
Auf Light+Building noch kein Trend
Die Einbindung von Wetterdaten in die Regelung von Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen sowie Sonnenschutzvorrichtungen steht allerdings noch ganz am Anfang einer aus Sicht von Wissenschaftlern vielversprechenden Entwicklung. Eine Umfrage bei den Anbietern von Regelungs- und Gebäudeautomationssystemen auf der zurückliegenden Light+Building in Frankfurt am Main ergab folgendes Bild:
Neuberger: Erste Pilotprojekte mit Wettervorhersage-Regelungen wurden realisiert, z.B. das Verwaltungsgebäude der HUK in Coburg. Dort werden Eisspeicher strategisch geladen, wenn sich eine Wärmeperiode abzeichnet. Derzeit stelle man aber kein verstärktes Kundeninteresse fest.
Sauter: Regelalgorithmen für Wettervorhersage-Regelungen sind in einer Bibliothek hinterlegt und können gebäudespezifisch implementiert werden. Ideal für Wettervorhersage-Regelungen seien Gebäude mit fest voraussehbarer Nutzung, wie Schulen und öffentliche Gebäude. Weniger geeignet seien dagegen Hotels, Kaufhäuser oder Ladenzentren, da dort die Belegung oft stark variiere. Erfahrungen hätten gezeigt, dass 10 bis 30 % Energieeinsparung möglich sind.
Saia: Grundsätzlich könnten Saia-Systeme alle Dateien im Excel-Format verarbeiten, also auch standardisierte Daten von Wetterprognosen. Das Know-how über die Einbindung von Wetterprognosen in HLK-Regelungen läge allerdings bei den Saia-Systempartnern und nicht bei Saia selbst. Wetterprognose-Regelungen seien deshalb eine typische Engineering-Aufgabe.
Honeywell: Eher überrascht zeigte man sich bei Honeywell über die von Wissenschaftlern genannten Energieeinsparmöglichkeiten durch Wetterprognose-Aufschaltungen. Offensichtlich ist das Interesse von Planern, Bauherren und Betreibern an diesem Thema noch gering. Im Rahmen von Projekten mit „Bauer-Optimierungstechnik“ seien jedoch auch Wettervorhersage-Regelungen implementiert worden. Eine Erkenntnis am Rande: Allgemein scheint das „Bauer-System“ derzeit eines der Top-Themen der MSR-Branche zu sein.
Warema: Herkömmliche Wetterstationen für die fassadenweise Ansteuerung von Sonnenschutzeinrichtungen stoßen offensichtlich bei zunehmender Hochhausbebauung an ihre Grenzen. Warema arbeite deshalb an Sonnenschutzsteuerungen, die auch die Verschattung und die Reflexion von Nachbargebäuden mit einschließe. Hierbei spiele künftig auch die Einbindung von Wetterprognosen eine Rolle.
Gesytec: Der wohl einzige Aussteller mit einem auch physisch greifbaren Wettervorhersage-Regelungsgerät war die Gesytec mit der Wettervorhersage-Steuerung von Meteoviva, Aachen. Das auf einem Simulationsmodell beruhende Verfahren soll durch tägliche Betriebsoptimierungen durch Wetterprognose-Einspielungen je nach Art und Nutzung des Gebäudes 10 bis 35 % an Energie einsparen. Außer der Wetterentwicklung werden auch die Bauphysik, Nutzungsart und Nutzungszeiten bei der Simulationsrechnung berücksichtigt. Die Besonderheit des Meteoviva-Systems ist die externe Verarbeitung der Gebäudedaten mit periodischer Kommunikation über Modem, GSM oder DSL-Internet an ein im Gebäude installiertes Koppelgerät. Diese Meteoviva-Box mit dem Namen Gypsy dient auch der Aufzeichnung und Auskoppelung von Mess- und Steuerungsdaten, die stündlich an das Rechenzentrum übermittelt und verarbeitet werden. Meteoviva gibt an, dass durch die permanente Kommunikation mit der Kundenanlage auch Funktionsfehler in den HLK-Anlagen erkannt und dem Kunden gemeldet werden können. Im Gegensatz zur Siemens-Lösung, bei der der gesamte Regelalgorithmus in der Desigo PX-Automationsstation implementiert ist, liegt das Expertenwissen von Meteoviva in einem externen Rechenzentrum.
Deutsche eGain: Ein einfach zu montierendes Nachrüstset für die Wetterprognose-Steuerung bietet die Deutsche eGain GdR, Berlin, eine Entwicklung aus Schweden, die 10 bis 15 % Energie einsparen soll. Dabei wird der vorhandene Außenfühler der witterungsgeführten Heizkreisregelung durch einen Prognoseempfänger ersetzt. Dieser empfängt die von der Deutschen eGain generierten Prognosedaten über das GSM-Netz und steuert die vorhandenen Mess- und Regelungssysteme direkt an. Laut Deutsche eGain wird die Wetterprognose für jedes Gebäude einzeln berechnet und als Signal stündlich aktualisiert. Dazu muss mit eGain ein entsprechender Prognosevertrag abgeschlossen werden (Anmerkung: Das Unternehmen war auf der L+B nicht vertreten).
Fazit
Auch vermeintlich „grüne Gebäude“ laufen ohne qualifiziertes Gebäudemanagement energetisch schnell aus dem Ruder. Auf der Basis der bei der Planung eingesetzten Simulationswerkzeuge werden derzeit neue, effizientere Regelungsstrategien entwickelt. Mit vergleichsweise geringen Investitionen soll so Energie in erheblichem Maß eingespart werden.
Die Wettervorhersage-Regelung hat noch ein hohes Entwicklungspotenzial. Mit Einsparprognosen von 50 % und mehr – bei gleichzeitig geringen Investitionen – müsste ihr aber längst ein viel höherer Stellenwert zukommen. Begünstigt wird die Entwicklung durch das immer engmaschigere Netz von Wetterstationen bzw. die Möglichkeit der Meteorologie, kleinräumige meteorologische Phänomene aus real existierenden groben Gittern herauszurechnen. Mit zunehmender Leistungsstärke – der nächste Rechner für meteorologische Modellrechnungen soll um den Faktor 15 bis 30 mal schneller sein als der aktuelle – wird das Wetterdatennetz noch feinmaschiger und die Prognose noch genauer.
Die MSR-Industrie, aber auch Systemhäuser, Planer und Gebäudebetreiber scheinen das enorme Einsparpotenzial der Wettervorhersage-Regelung, aber auch die nutzungsorientierte Gebäudesimulation zur Optimierung der HLK-Anlagen und Sonnenschutzeinrichtungen noch nicht wirklich erkannt zu haben.
2) http://www.enob.info/de/forschungsfelder/enbop/
3) https://www.hft-stuttgart.de/forschung/struktur/kompetenzzentren/nachhaltige-energietechnik
Nowcasting macht Wetterfest
Die Nutzung der Wettervorhersage ist in vielen Branchen bereits Standard. So bietet beispielsweise die „Kachelmann-Tochter“ Meteomedia Energy spezielle Wetterprognosen für EVU und Netzbetreiber an, die zunehmend größere Mengen an Wind- und Solarstrom einspeisen und dafür Regelenergie bereithalten müssen. Da trotz immer genauerer Wetterprognosen dennoch mit kurzfristigen Wetteränderungen zu rechnen ist, betreibt Meteomedia Energy seit zwei Jahren zusätzlich zum „Forecasting“ ein eigenes „Nowcasting“-System. Hierfür werden Radarbilder in Echtzeit analysiert, Gewitterzellen extrahiert und deren Verlagerung, Zuggeschwindigkeit sowie ihr Gefährdungspotenzial ermittelt. Auch sich lokal aufbauende Gewitterzellen können somit frühzeitig erkannt und in die Wetterdatenübermittlung eingespeist werden.
Noch exakter und für den Gebäudebetrieb interessant sind Informationen zur unmittelbaren Gefahrenabwehr durch Unwetter, wie sie derzeit im Rahmen des sogenannten SAFE-Programms entwickelt werden (SAFE = Sensor-Aktor-gestütztes Frühwarnsystem bei Extremwetter). Dabei geht es in erster Linie um Nowcasting-Daten und deren Verarbeitung in Gefahrenabwehrprozessen. Über entsprechende Informationen an das Gebäudeautomationssystem könnten bei drohendem Unwetter automatisch beispielsweise Fenster geschlossen, Rückstauverschlüsse aktiviert oder Schleusen gegen Hochwasser geschlossen werden.
Wetterdaten fast umsonst
Qualifizierte Wetterdaten von professionellen Anbietern kosten Geld, aus Sicht interessierter Nutzer im Gebäudebereich viel Geld. Eine Alternative sind Geräte, die ihre Daten von bekannten Funkuhrensendern erhalten. Seit November 2006 werden über die europaweit empfangbaren Funkuhren-Signale auch Wettervorhersagen für weite Teile Europas ausgesendet (Schweiz: Sender „HBG“ in Prangins/VD; Deutschland: Sender „DCF“ in Mainflingen bei Frankfurt). Der angebotene Datenumfang und die Vorteile seien, so der schweizerische Anbieter Meteotime, „bestechend und revolutionieren alles bisher Verfügbare“. Das Angebot von Meteotime:
• für 60 meteorologische Regionen Europas werden Vorhersagen für 4 Tage übermittelt, zusätzlich für 30 Regionen 2-Tages-Vorhersagen
• die Vorhersagen werden hauptsächlich für Gebiete im Empfangsbereich der beiden Sender erstellt. Sie sind für die Nutzer lizenzierter Geräte ohne Abonnementkosten abrufbar
• das Gerät ist bezüglich der Vorhersagen immer auf dem neuesten Stand. Die Wettervorhersagen werden täglich aktualisiert.
Das Angebot von Meteotime richtet sich in erster Linie an Gerätehersteller, die eine Lizenz an der Wetterdatennutzung erwerben müssen. Endverbraucher sollen die Information gratis nutzen können, also ohne jegliche Abonnements- oder sonstige wiederkehrende Kosten.
Wolfgang Schmid
ist Freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, E-Mail: wsm@netsurf.de