Die Open Hybrid LabFactory in Wolfsburg erforscht Materialien, Produktionsmethoden sowie Recycling- und Circular-Economy-Technologien für die Zukunft der Automobilindustrie. Eine wesentliche Rolle spielen dabei nachhaltige, energieeffiziente Herstellungsprozesse. Mit dem Sentron Powermanager von Siemens nutzen die Wolfsburger Forscher deshalb eine leistungsfähige Software, die eine Vielzahl von Funktionen zur Überwachung, Analyse und Steuerung von Energieverbrauch und -qualität bietet.
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Für die Forschungsprojekte in der Open Hybrid LabFactory (OHLF) ist eine genaue Erfassung von Energieverbräuchen zur Bestimmung des ökologischen Fußabdrucks von Produkten und Produktionsprozessen erforderlich.
■ Die im OHLF dafür eingesetzte Software Sentron Powermanager ermöglicht es, sämtliche Energieformen und Medienverbräuche vereint zu betrachten und so ein ganzheitliches Energie- und Ressourcenmonitoring.
Die Open Hybrid LabFactory e. V. (OHLF) in Wolfsburg ist eine Forschungseinrichtung, die sich seit der Eröffnung 2016 der Förderung von Innovationen in der Fahrzeugtechnik verschrieben hat. Mit einem breiten Leistungsportfolio und zahlreichen Forschungsprojekten hat sich der Forschungscampus, der auf eine Förderinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zurückgeht, schon jetzt als ein zentraler Akteur in der Branche etabliert. Die Zusammenarbeit mit Industriepartnern gewährleistet dabei eine praxisnahe Ausrichtung der Forschungsarbeiten und eine schnelle Umsetzung der Ergebnisse in der Industrie.
In vielen Forschungsvorhaben der OHLF spielt der Energieverbrauch für die Bestimmung der Lebenszyklen der entstehenden Produkte eine entscheidende Rolle. Denn Energie, die je nach Material und Prozess für die Herstellung aufgewendet werden muss, wirkt sich über die gesamte Nutzungsphase hinweg aus und bestimmt den ökologischen Fußabdruck der Produkte entscheidend mit. Aufgrund der hohen Relevanz suchten die Verantwortlichen der OHLF deshalb frühzeitig nach Möglichkeiten, die Energieverbräuche während der Entwicklung möglichst genau zu bestimmen, um Produkte von vornherein nachhaltig und effizient zu gestalten.
„Schon während der Bauphase der OHLF wurde deshalb entschieden, dass ein Energiemonitoring unabdingbar ist“, sagt Florian Holze. Als Leiter des Technikums verantwortet er das Herz der Forschungsfabrik, bestehend aus Maschinenpark und Labor- sowie Prüfräumen.
Bei der konzeptionellen Auslegung, Materialherstellung und beim Fertigungsprozess, aber auch bei der Demontage und dem Recycling wird elektrische Energie verbraucht, ebenso wie Wärme und Wasser. „Für die Lebenszyklusanalysen, wie wir sie anbieten, ist die genaue Spezifizierung des Energieverbrauchs unerlässlich“, betont Holze. „Uns war von Beginn der Bauphase an klar, dass wir genau sehen wollen, an welchen Anlagen während der Produktion und Forschung wie viel Strom verbraucht wird.“
Daten mit höchstmöglichem Detailgrad
Das sieht auch Sven Hartwig so, der als Professor am Institut für Füge- und Schweißtechnik der Technischen Universität Braunschweig auch in der OHLF forscht: „Die Besonderheit der Einrichtung ist ja gerade, dass sie eine Forschungsfabrik ist“, ruft Hartwig in Erinnerung. „Das heißt, wir haben kleine Anlagen im Forschungsmaßstab, aber auch sehr große Anlagen im Industriemaßstab.“ Anders als in Produktionsanlagen der Industrie entstehen im Technikum der OHLF zudem vollkommen unterschiedliche Produkte – teilweise mehrere verschiedene Prototypen aus unterschiedlichen Materialverbunden an einem Tag.
Selbst eine tagesaktuelle Messung der Energieverbräuche würde den Forschern deshalb nur ein unzureichendes Bild der Energieflüsse der einzelnen Prozesse liefern. Die Datenaufnahme auf den unterschiedlichen Ebenen ist deshalb die Voraussetzung für Lebenszyklusanalysen und die tiefergehende Untersuchung aller Prozesse mit höchstmöglichem Detailgrad.
Leistungsfähige Plattform für Messung, Analyse und Optimierung
Detaillierte Echtzeitdaten über Energieflüsse auf allen Ebenen des Prozesses und vielfältige Optionen zur Energieeffizienzoptimierung – genau diese Möglichkeiten bietet der Sentron Powermanager von Siemens. Die Plattform wurde für die Anforderungen von Produktionsbetrieben konzipiert und beinhaltet eine Vielzahl leistungsstarker Funktionen zur Überwachung, Analyse und Steuerung von Energieverbrauch und -qualität.
„Eine der zentralen Eigenschaften der Software ist die Fähigkeit, Echtzeitdaten aus elektrischen Anlagen zu erfassen und zu visualisieren“, erklärt Jens Witt, Geschäftsführer von VPW energy. Als Co-Creation-Partner entwickelt sein Unternehmen gemeinsam mit Siemens neue Funktionen zur selbstlernenden Datenanalyse und -interpretation für die Energiemonitoring-Software. Witt: „So bietet die Software nicht nur Einblick in Energiedaten, sondern ermöglicht auch Optimierungsmaßnahmen und Handlungsempfehlungen zur Energieeinsparung.“
Durch die Visualisierung von Energieverbräuchen und -flüssen erhalten Nutzer des Sentron Powermanagers klare Einblicke in Energieprofile und können gezielt Maßnahmen zur Verbesserung der Energieeffizienz ergreifen. Die Software ermöglicht es auch, Potenziale zur Lastverschiebung zu erkennen und somit Spitzenlasten zu reduzieren, was nicht nur Kosten einspart, sondern auch zur Stabilisierung des Energieverbrauchs beiträgt.
Mithilfe der umfassenden Datenanalyse bietet die Software leistungsstarke Tools zur Auswertung historischer Daten, um langfristige Trends und Verhaltensmuster zu identifizieren. Das ermöglicht es Anwendern, strategische Entscheidungen zur Energieoptimierung zu treffen und zukünftige Effizienzsteigerungen zu planen.
Energietransparenz in allen Prozessen und Projekten
Um die Energieverbräuche aller Forschungsvorhaben exakt erfassen und analysieren zu können, wurde im Rahmen der Ausschreibung aller Gewerke der OHLF auch das Energiemonitoring als Leistung ausgeschrieben. Die Entscheidung fiel auf VPW energy und die Implementierung des Sentron Powermanagers auf dem Forschungscampus. Denn der Leistungsumfang der Monitoring-Lösung überzeugte die Forscher.
Holze: „Der Detailgrad der Software ist sehr hoch, denn jede Verteilung und jeder Stromzähler wird separat erfasst. Das hilft uns unwahrscheinlich, die Stromverbräuche ordentlich einzuschätzen und wir sehen, welche Prozessschritte und -bestandteile die Hauptverbraucher sind. Die Software ist der Schlüssel, um gezielt Maßnahmen zu ergreifen beziehungsweise die Nutzung zu optimieren.“
Seit Inbetriebnahme des OHLF im Juli 2016 wird der Sentron Powermanager im Forschungscampus eingesetzt. Nach einer kurzen Implementierungsphase erfasst die Software seitdem kontinuierlich die Werte aller 73 Messzähler in der OHLF. Die gesammelten Daten wurden ursprünglich auf OHLF-fremden Servern gespeichert. Seit einer Umstrukturierung der Servertechnik im März 2023 werden jedoch alle Energiedaten auf eigenen Servern in der OHLF gespeichert und von dort durch Holze verwaltet.
Drei Typen von Strommessgeräten der Sentron 7KM PAC-Reihe von Siemens kommen dabei zum Einsatz. PAC steht für „Power Analyzer and Controller“, was die Kernfunktionen der Geräte verdeutlicht: die Analyse von elektrischer Leistung und die Steuerung von Energiesystemen. Installiert sind:
● 7 Sentron Messgeräte 7KM PAC4200, die als Server fungieren und über IP-Protokoll angesprochen werden
● 43 Sentron Messgeräte 7KM PAC3100, die als Client fungieren und über Modbus RTU angesprochen werden
● 22 Sentron Messgeräte 7KM PAC3200, die als Standardmessgeräte auf Maschinenebene fungieren und sowohl über Modbus RTU als auch Modbus TCP angesprochen werden
Witt: „Das PAC4200 ist ein qualitativ hochwertigeres Messgerät, welches zudem als Modbus-Server konfiguriert werden kann.“ Neben der Messung von Energieverbrauch, Spannung und Strom gehören dazu etwa die Leistungsfaktorüberwachung und die Frequenzmessung. Der Sentron Powermanager ist jedoch nicht auf Messgeräte von Siemens beschränkt und kann zudem auch andere Messgrößen als elektrische Energie erfassen.
„Um die Nachhaltigkeit einer Produktion zu kennen, muss man über alle Verbräuche Bescheid wissen – nicht nur, wie viel Strom verbraucht wird, sondern etwa auch, wie viel Wasser, und wie viel Rauchgase entstehen“, betont OHLF-Professor Sven Hartwig. „Nur mit einem ganzheitlichen Bild kann man die Produktion umfassend bewerten und immer nachhaltiger gestalten.“
Sämtliche Energieformen können vereint erfasst und betrachtet werden
Entsprechend relevant ist die Offenheit des Sentron Powermanagers für den Forschungscampus. Denn zu den Daten der Strommessgeräte von Siemens kommen Datensammler in Form von Steuerungen von Drittherstellern, die Wasser- und Wärmemengen aufzeichnen. „Die Kommunikationswege zu diesen Datensammlern unterscheiden sich von denen der übrigen Messgeräte. Über die Gateway-Steuerung des Powermanagers ist die Synchronisation und Verarbeitung aller Daten aber kein Problem“, erklärt Witt. „Die Software bietet also die Möglichkeit, sämtliche Energieformen und Medienverbräuche vereint zu betrachten und ermöglicht ein ganzheitliches Energie- und Ressourcenmonitoring mit Fokus auf Energie.“
Bei der Erstellung von Lebenszyklusanalysen spielt der Sentron Powermanager somit eine entscheidende Rolle. Hartwig: „Betrachtet man den gesamten Produktlebenszyklus, starten wir in unseren Projekten in einer sehr früheren Phase. Die Korrelation des Energieverbrauchs mit den Eigenschaften des Produkts steht dabei im Mittelpunkt.“
Für Multimaterialbauteile heißt das zum Beispiel: Reduziert man den Pressdruck, ohne die Qualität des Bauteils maßgeblich zu verändern, kann das den Energieverbrauch drastisch reduzieren. „Solche Potenziale für die Produktverbesserung können wir mit dem Energiemonitoring identifizieren“, berichtet Hartwig. „Die Daten können also nicht nur für die Verbrauchsermittlung verwendet werden, sondern auch, um die gesamten Produkteigenschaften so nachhaltig wie möglich zu gestalten.“
Energieeffizienter in die Zukunft
Für die Zukunft der Automobilindustrie ist der Energieverbrauch ein Schlüsselfaktor. Mit dem Sentron Powermanager haben die Forscher an der OHLF Einblicke in die kleinsten Details der Energieverbräuche in jedem einzelnen Prozess und bei sämtlichen Forschungsprojekten. Um nicht nur die entwickelten Produkte, sondern auch den Betrieb des Campus nachhaltig zu gestalten, plant der OHLF aber auch die nachhaltige Produktion von Strom am Standort. Energieerzeuger wie Photovoltaikanlagen können ebenso in die Software Sentron Powermanager eingebunden werden wie Stromspeicher und ins Netz eingespeiste Energie.
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