Kompakt informieren
- Eine sorgfältige Bedarfsplanung ist die Grundlage für eine Gebäudeautomation mit hoher Nutzerzufriedenheit.
- Über die Automation von Funktionen hinaus sollte angestrebt werden, die Gebäudeautomation auch als Energie-Monitor und als dynamisches Betriebsführungs- und Optimierungswerkzeug einsetzen zu können.
- Um Gebäude nachhaltig betreiben zu können, ist eine Bewertung der Nachhaltigkeit im Betrieb erforderlich. Dazu muss frühzeitig ein Messkonzept geplant werden.
Vier Tage und drei Nächte Hamburg, zehn spannende Vorträge mit Blick über den Tellerrand, eine Vernissage mit Lösungen rund um die Gebäudeautomation, zwei außergewöhnliche Objektbesichtigungen mit Anwendungsbeispielen im Wilhelmsburger Energiebunker Abb. 1 und im Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ) Abb. 3 sowie ein attraktives Rahmenprogramm unter dem Motto „Kurs nehmen auf Hamburg“: Das von Saia Burgess Controls SBC initiierte Gebäudeautomationsforum vom 22. bis 25. Mai 2014 mit Referenzprojekten der Gesellschaft für wirtschaftlichen Energieeinsatz eNeG bot Planern, Systemintegratoren und Investoren beste Gelegenheit, sich abseits vom Tagesgeschäft aus unterschiedlichen Perspektiven über Trends und Technologien zu informieren und auszutauschen.
Nachhaltigkeit muss überprüft werden
Das nachhaltige Betreiben von Gebäuden erfordert eine intelligente Gebäudeautomation, die auf einem darauf ausgerichteten Lastenheft für die Konzeption, Planung und Ausführung entwickelt werden sollte, betont Prof. Dr.-Ing. Martin Becker, Hochschule Biberach. Die Erfahrung zeige, dass ein verbessertes Energie- und Gebäudemanagement nur zu erreichen ist, wenn frühzeitig eine systematische Inbetriebnahme, Energie-Monitoring und -Controlling sowie Betrieb, Inspektion und Wartung planerisch vorbereitet werden.
Doch selbst wenn dies alles perfekt umgesetzt ist: ein nachhaltig errichtetes und „eingestelltes“ Gebäude bleibt nicht automatisch nachhaltig. Dies kann nur eine kontinuierliche Optimierung auf der Basis von im Betrieb ermittelten Kenngrößen und Benchmarks leisten. Planungsziel sollte es darum sein, die Gebäudeautomation effizient als Energie-Monitor sowie als Betriebsführungs- und Optimierungswerkzeug einsetzen zu können. Tatsache sei jedoch, dass die Gebäudeautomation bisher nur selten als dynamisches Werkzeug für ein aktives Energie- und Gebäudemanagement konzipiert werde. Vielfach hapere es schon daran, dass gar keine Zählerkonzepte aufgestellt werden oder nur zentrale Zähler vorgesehen werden. Nachhaltigkeit kann man nicht auf dem Papier, sondern nur durch detaillierte Messungen und Optimierungen gewährleisten, so Becker.
Zur Sensibilisierung von Auftraggebern eigene sich ein Zitat aus dem „Leitfaden Nachhaltiges Bauen“ des Bundesbauministeriums: „Die Minimierung des Energieverbrauchs wird durch die Erstellung und Umsetzung eines Energie- und Messkonzeptes unterstützt. […] Im Messkonzept […] ist ein Monitoring der Ressourcenverbräuche und der Betriebskosten während der Nutzungsphase einzuplanen. Bereits in der Planungsphase müssen die Voraussetzungen für ein effizientes Gebäudemanagement geschaffen werden. Hierzu ist im Rahmen der Bedarfsplanung eine Zusammenarbeit der Planungsbeteiligten Nutzer / Maßnahmenträger (Eigentümer / Betreiber) / Bauverwaltung / Planer erforderlich.“
Als idealtypischen, systematischen Engineering-Prozess empfiehlt Becker:
- Bedarfsplanung mit Lastenheft: Funktions-Definition auf Basis der gewünschten GA-Effizienzklasse nach DIN EN 15 232 bzw. DIN V 18 599
- Formale Beschreibung (Pflichtenheft): verbale und grafische Beschreibung durch Ablaufdiagramme und Zustandsgraphen
- RA-Automationsschema (RA-S) und RA-Funktionsliste (RA-FL): Planung der Raumautomation (RA) nach VDI 3813 sowie
- Anlagenautomationsschema und GA-Funktionsliste: Planung der Anlagenautomation nach VDI 3814
- Ausführung: Umsetzung der Planung, beispielsweise in Form von Programmiersprachen nach IEC 61 131
Die Bedarfsplanung war auch Thema in den Kommunikationspausen. Werde diese unterlassen oder mangelhaft durchgeführt, zögen sich „rote Zahlen“ durch das gesamte Projekt, so der Tenor: hoher Nachbearbeitungsaufwand für die Planer und Systemintegratoren, unerfüllte Erwartungen der Bauherren und Betreiber, höhere Energieverbräuche und Betriebskosten sowie hohe Kosten für das Erkennen von Optimierungspotenzialen.
Raumautomation: Freund oder Feind?
Ist die Raumautomation Freund oder Feind?, hatte Prof. Dr. Michael Krödel, Hochschule Rosenheim, seinen Vortrag betitelt. Wie würde wohl der Normalbürger diese Frage beantworten? Wichtig sei es, eine Gebäudeautomation so zu planen und zu installieren, dass die Bedienung intuitiv (ohne jegliche Einweisung oder Anleitung) möglich ist und der Mensch die Erleichterung spürt und den Nutzen – Energieeffizienz, Komfort und Sicherheit – erkennt. Wenn sich Menschen allerdings über die Automation ärgern („Jalousie-Effekt“), sei nicht die Automation, sondern immer der Mensch dahinter verantwortlich: der Planer, der Anlagenbauer oder der nicht richtig beratene Besteller.
Wer traut sich zu, ein Auto inklusive der Extras zu bestellen? Millionen Menschen tun dies jedes Jahr in Deutschland – ohne jede Kfz-Ausbildung. Bezogen auf die Planung einer Raumautomation bedeute dies, dass man den Menschen zunächst einmal die Gelegenheit geben müsse, Wünsche zu äußern und zu diskutieren (Bedarfsplanung), so Krödel. Die Technik zur Umsetzung dürfe erst der zweite Schritt sein. Studien würden nämlich zeigen, dass die Nutzer häufig ganz andere Präferenzen als Techniker bezüglich der Funktionen haben.
Um die Kommunikation zu erleichtern, stellte Krödel einen „Türhänger Smart Home & Smart Office“ Abb. 2 analog zu den Türhängern in Hotels zum Ankreuzen von Serviceleistungen vor. Auf der roten Seite kann man ankreuzen: „Ich verzichte auf Unterstützung durch moderne Gebäudetechnik ...“. Auf der grünen Seite kann man verschiedene Funktionen ankreuzen, beispielsweise: „Ich möchte Energie sparen: Das übermäßige Heizen oder Beleuchten soll vermieden werden. Auch soll sich die Heizung bei Abwesenheit oder geöffneten Fenstern automatisch abschalten …“ Einen vollständigen Fragebogen für den Planungsprozess Smart Home & Smart Office stellt das von Krödel geleitete IGT – Institut für Gebäudetechnologie auf https://www.igt-institut.de/smart-building-planungsprozess/ zur Verfügung.
Voll ins Schwarze getroffen
Großen Anklang fand auch der Vortrag „die Potenziale von Corporate Happiness für Unternehmen und Gesellschaft“ von Prof. Dr. Hagen Krämer, Hochschule Karlsruhe, denn Mitarbeiterzufriedenheit zahlt sich auch für Planungsbüros und Handwerksbetriebe aus. Am Sonntag gab es noch eine Zugabe: Wer es schaffte, um 05.45 Uhr bereit zu sein, konnte den Hamburger Fischmarkt mit Frühstück in der Altonaer Fischauktionshalle besuchen. Dass SBC bei dem als Top-Event rund um die Gebäude- und Raumautomation angekündigten Forum mit Themen und Rahmenprogramm voll ins Schwarze getroffen hat, zeigt ein exemplarisches Zitat aus der Teilnehmerbefragung: „Super Organisation und Themenauswahl. Eine gelungene Veranstaltung mit dem Bezug zur Praxis. Interessante Gespräche und aktives Netzwerken machte die Veranstaltung zu einem High Light.“JV