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Stephan Greitzke, Wilo:

“CAN-Bus schafft intelligente Systeme“

TGA: Herr Dr. Greitzke, was wird heute ­unter den Begriff „Gebäudeautomation“ gefasst, und was ist zurzeit Standard?

Greitzke: Gebäudeautomation steht für die Gesamtheit von Überwachungs-, Steuer-, Regel- und Optimierungseinrichtungen, die von einer zentralen, rechnergestützten Leitstelle aus verwaltet werden. Die wichtigsten Funktionen umfassen dabei die Steuerung von technischen Komponenten oder Systemen in Abhängigkeit von Bedarf, Zustand, Witterung, Wettervorhersage, Tages- und Jahreszeit. Ebenso gehören die Laststeuerung und Optimierung auf Basis der Verbrauchsdatenerfassung, z.B. der elektrischen oder hydraulischen Energie, sowie die Steuerung oder Regelung unterschiedlicher Feldgeräte, wie Pumpen, Ventile, Stellklappen, zur Optimierung des Gesamtsystems dazu. Auch automatisierte Meldungen von Störungen oder unzulässigen Betriebszuständen sowie entsprechende Alarmierungen und die Dokumentation von Betriebs-, Zustands- und Störmeldungen sind integrative Bestandteile der Gebäudeautomation. Und schließlich dient sie zur Werterhaltung der Haustechnik durch zustands- und verschleißabhängige Wartung der installierten technischen Komponenten. Besonders innovative Systeme bieten zudem umfassende Diagnosefunktionen. Dabei wird eine Vielzahl von Daten gewonnen, mit denen sich das Gebäude z.B. bei Nacht- und Feiertagsschaltungen oder im Hinblick auf Wartungsintervalle noch effizienter betreiben lässt. Auch die ­Fehlerdiagnose und die Koordination von Reparaturaufträgen werden erheblich erleichtert, indem die haustechnischen Systeme Fehler nicht nur melden, sondern auch lokalisieren.

Nun zum Stand der Technik: Da besonders die Einbindung von Pumpen in die Gebäudeautomation höchste Wirtschaftlichkeitseffekte erzielt, hat Wilo ein durchgängiges modulares Plattformkonzept entwickelt, mit dem alle Elektronikpumpen in die unterschiedlichsten Systemumgebungen der Gebäudeautomation integriert werden können. Dazu haben diese Pumpen eine Schnittstelle, in die ein auf die Anforderungen der jeweiligen Leittechnik abgestimmtes IF-Modul gesteckt wird, das die Pumpen nach den heute üblichen Standards PLR (Pumpenleitrechner) und LON (Local Operating Network) busfähig macht. Während LON eine weltweit einheitlich standardisierte Bus-Schnittstelle ist, werden die PLR-Anbindungen über busfähige, digitale Schnittstellenkonverter realisiert, die das Pumpenleitrechner-Protokoll über eine RS-485-Schnittstelle umsetzen.

TGA: Was ist das Besondere an diesem ­Plattformkonzept?

Greitzke: Die Elektronikpumpen von Wilo – ob nun TOP-E, Stratos, MHI-E, MVI-E, MVIS-E, IP-E oder IL-E – haben durchgängig die gleiche funktionale Schnittstelle. Von hier aus können sämtliche ausgewertete Protokolldaten über das IF-Modul im PLR- oder LON-Standard an die GA-Leitstelle kommuniziert werden. Diese Standardisierung mit dem werksseitig vorbereiteten Steckplatz in den Regeleinheiten besteht schon seit Jahren und wird auch bei neuen Anbindungskonzepten künftig so bleiben. Das heißt, selbst wenn ein Betreiber in fünf oder zehn Jahren noch eine PLR-Installation in seiner Gebäudeautomation hat, kann er eine Wilo-Pumpe mit einem entsprechenden Modul bekommen. Das bietet eine langfristige Investitionssicherheit.

TGA: Welche Daten werden von den Pumpen an die Gebäudeautomation kommuniziert?

Greitzke: Alle elektrischen, mechanischen, thermischen und hydraulischen Sensordaten, wie Druck, Durchflussmenge und Leistungsaufnahme, Stromaufnahme und Betriebsstundenzahl, aber auch unterschiedlichste Stör- und Fehlerzustände werden über Datenprotokolle an die Gebäudeleitzentrale übertragen. Ebenso können Steuer- und Regelbefehle zur Pumpe gesendet werden.

TGA: Welche Innovationen sind hier von Wilo zu erwarten?

Greitzke: Wir haben den in der Industrieautomation und im Automobilbereich bewährten Standard CAN als eine weitere Kommunikationsplattform an die Anforderungen der Gebäudeautomation adaptiert und damit den Schritt von der Stand-alone-Lösung zum System getan. CAN bietet eine deutlich höhere Übertragungsgeschwindigkeit und kann vollkommen herstellerunabhängig eingesetzt werden. Hierzu sind sowohl die von den IF-Modulen bekannten Übertragungsfunktionen als auch Schnittstellen zu anderen Netzwerken wie BACnet, Ethernet, EIB, KNX, LON, DALI oder ProfiBus möglich. Als offenes System erlaubt es auch den Anschluss von Controllern, Bus-fähigen Sensoren und allen künftigen Entwicklungen in diesem Bereich. Es wird auch I/O-Module und Gateways geben, die sich über den CAN als Highspeed-Bus modular an alle – die älteren, aktuellen und künftigen – Bussysteme ankoppeln lassen.

TGA: Man kann also die Pumpen mit CAN onboard auch mit ­anderer Technologie vernetzen?

Greitzke: Das ist der große Vorteil, der diesen Standard so flexibel macht. Wir haben einen Highspeed-Bus, der mit zukunftssicheren 125000 Baud Übertragungsgeschwindigkeit arbeitet, der auch für zeitkritische Anwendungen in der Industrie und im Automobilbereich entwickelt wurde. Bei dynamischen Pumpensystemen muss oft auch schnell reagiert werden, zum Beispiel bei der Druckregelung. Mit diesem Multimaster-Bus lassen sich in der Gebäudeautomation wirklich intelligente Systeme schaffen. Jetzt können Pumpen mit Sensoren, Aktoren, Controllern oder auch Gateways zu anderen standardisierten Bussystemen vernetzt werden. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit und Leistungsfähigkeit erhält man ein sehr schnell arbeitendes, dynamisches System mit einer hohen Funktionalität und Reaktionszeit. Mit dieser Technik können in Verbindung mit entsprechenden Sensoren oder Reglern die Regelungsfunktionen noch stärker dezentralisiert werden.

TGA: Heißt das, dass nicht alles über den Leitrechner geregelt werden muss?

Greitzke: Völlig richtig. Mit diesem Plattformkonzept ist es auch möglich, im Sinne einer Gesamteffizienzsteigerung über den Bus zu regeln. Das heißt, es ergeben sich ganz neue Systemmöglichkeiten durch die hohe Übertragungs- und Regelabtastzeit. Das Zusammenspiel von Aktoren, Druck-, Temperatur- und Durchflusssensoren, Stellklappen und Regelventilen lässt sich nun mit dem multimasterfähigen Bussystem zu einem intelligenten System ausbauen.

TGA: Ein standardisierter Hochgeschwindigkeitsbus ist neu im Pumpenbereich. Was gab den Anstoß zu dieser Entwicklung?

Greitzke: Wir haben umfangreiche Studien auf der Basis von Umfragen bei Anwendern, Kunden und Gebäudeautomations-Herstellern erarbeitet. Da es nicht „den Bus“ gibt, wollten wir eine Plattform entwickeln, mit der wir auf unterschiedlichste Bussysteme reagieren können. Aus diesen Studien ist dann das System entstanden, das zum einen eine Standardisierung und auf der anderen Seite für den Kunden eine sichere und kostengünstige Lösung ist. Aufgrund der Verwendung im Automobilbereich ist der CAN extrem leistungsfähig und ausgereift, „Kinderkrankheiten“ sind schon lange beseitigt und durch die hohen Stückzahlen ist das System kostengünstig.

TGA: Bleiben wir bei den Kosten: Wie hoch sind die Einsparmöglichkeiten gegenüber konventionellen Systemen?

Greitzke: Durch die Umstellung auf Gebäudeautomation können etwa 10 bis 30 % Betriebskosten gegenüber nicht vernetzten Systemen gespart werden. Hierzu tragen unter anderem reduzierte Wartungskosten bei: Wenn das System Fehler nicht nur meldet, sondern auch schon vorher auf kritische Betriebszustände aufmerksam macht, können turnusmäßige Wartungen entfallen. Die Früherkennung im vernetzten System führt außerdem dazu, dass den eigentlichen Fehlerursachen rechtzeitig und bei intelligenten Komponenten automatisch entgegengewirkt werden kann. So können kleine Fehler, wie fehlender Druck im System, rechtzeitig erkannt und größere Folgeschäden vermieden werden.

TGA: Wann ist die neue Technik erhältlich?

Greitzke: Im zweiten Quartal 2008 werden die Stratos-Pumpen mit diesem System ausgeliefert. Später folgen die anderen Elektronik-Baureihen. CAN wird dann der Standard bei Wilo für die nächsten fünf bis zehn Jahre sein. Und auch danach können wir weitere Entwicklungen trotz zunehmender Datenraten und Funktionalitäten auf dieser Kerntechnologie aufsetzen, da die Plattform nach verschiedenen Seiten – und das ist das Entscheidende – offen ist.

TGA: Vielen Dank für das Gespräch.

https://wilo.com/de/de/

Stephan Greitzke

“Wir haben den Standard CAN an die Anforderungen der Gebäudeautomation adaptiert und damit den Schritt von der Stand-alone-Lösung zum System getan.“

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