Die meisten Krankenhäuser sind historisch gewachsen. Abgegrenzte Fachbereiche, in separaten Gebäuden oder Stockwerken angesiedelt, sind die Regel. Diese oftmals campusartigen Gebäudestrukturen mit langen Wegen zwischen den verschiedenen Abteilungen stehen meist in krassem Gegensatz zu dem heute geforderten „Workflow“ im Gesundheitswesen. Viele dieser Kliniken stammen aus dem 19. Jahrhundert, als man die Übertragung und Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten durch möglichst große Abstände zwischen den Gebäuden verhindern wollte. Heute gelten solche Krankenhaus-Ensembles als kostentreibend und schwierig mit anderen Abteilungen zu vernetzen. Davon abgesehen stehen viele alte Krankenhäuser unter Denkmalschutz, was in der Regel Umbauten und Optimierungen erschwert.
IT- und Finanzfachleute planten
Während Krankenhausneubauten meist von klassischen Krankenhausarchitekten und Krankenhausfachplanern in Anlehnung an vorhandene Vorbilder gebaut werden, gingen die Initiatoren des „Hospital da Luz“ in Lissabon neue Wege und beauftragten Fachleute aus Unternehmensberatung, Finanzen und IT mit der Planung des neuen Gesundheitscampus. Diese Vorgehensweise kommt nicht von ungefähr, ist doch die Eigentümerin des Klinikkomplexes die portugiesische Bankengruppe „Espirito Santo“, die erst vor wenigen Jahren mit der Holdinggesellschaft Espirito Santo Saude ins Gesundheitswesen eingestiegen ist.
Vorgabe für den Neubau war, mehr als 30 Spezialkliniken und Praxen in einem Gebäude zu integrieren und über IT zu vernetzen, damit das medizinische Personal so effizient und wirtschaftlich wie nur möglich arbeiten kann. Angegliedert an das Allgemeinkrankenhaus mit 130 Betten sind ein Pflegeheim mit 150 Betten sowie ein Seniorenheim mit 115 Apartments. Die Entwurfsvorgabe lautete, den demografischen Wandel in der Bevölkerung bei der wirtschaftlichen Ausrichtung des Krankenhauses zu berücksichtigen und eine durchgängige Gesundheitsdienstleistung durch ein multidisziplinäres Team und einheitliche Koordination der Behandlung anzubieten.
Die Investitionskosten für Krankenhaus, Wohn- und Pflegeheim lagen bei 130 Mio. Euro. Der Investor will sich mit diesem Angebot – stationäre und ambulante Pflegeleistungen in Kombination mit Wohn- und Pflegeeinheiten für selbständige und pflegebedürftige ältere Menschen – als führender Anbieter im portugiesischen Gesundheitsmarkt positionieren. Die Kombination aus Klinik, Pflegeheim und Seniorenheim auf einem Gesundheitscampus ist in Lissabon bisher einmalig und hat deshalb Modellcharakter über die Ländergrenzen hinaus. Insbesondere sollen durch das multidisziplinäre medizinische Angebot und der auf IT basierenden einheitlichen Koordination von medizinischem und gebäudetechnischem Betrieb neue Maßstäbe hinsichtlich Wirtschaftlichkeit – auch für das öffentliche Gesundheitswesen – aufgezeigt werden.
Konsortium reduziert Schnittstellen
Bei der Umsetzung des Projektes in die Praxis zeichnete sich ab, dass ein solch komplexes Vorhaben nur innerhalb eines gut eingespielten Konsortiums mit möglichst wenig Gewerkeschnittstellen realisiert werden kann. Beispielsweise galt es, vertrauliche Patientendaten, allgemeine Kommunikation, Intra- und Internetzugang, Audio-/Video-Unterhaltung sowie die Bedienfunktionen für Raumklima, Beleuchtung und Sonnenschutz so in nur einem System zu integrieren, dass alle Daten für sich gesichert am Bett des Patienten über das Bedienterminal zur Verfügung stehen.
Als Alternative zur ursprünglich anvisierten konventionellen, also gewerkespezifischen Ausschreibung, bildete der Siemens-Bereich Industrial Solutions and Services (I&S) zusammen mit dem portugiesischen HLK-Anlagenbauer Sousa Pedro ein Konsortium. Neben den mechanischen Gewerken Heizungs-, Lüftungs-, Klima- und Sanitärtechnik baut es weitgehend auf Siemens-Komponenten und -Systemen von Automation & Drives (A&D), Power Transmission & Distribution (PTD), Communications (COM), Medical Solutions (MED) und Building Technologies (SBT) auf. Ähnliche Großprojekte scheitern oft an problem- und verlustbehafteten Gewerkeschnittstellen und an den meist nicht definierbaren Verantwortlichkeiten für das Gesamtsystem.
Home Office im Klinikbett
Wesentlicher Anteil an der hohen Wirtschaftlichkeit des Angebots hatte der gewerkeübergreifende Ansatz „Total Building Solutions“. Während im klassischen Krankenhaus fast jedes Gewerk eine eigene Systemstruktur aufbaut und dadurch eine ganze Anzahl paralleler Systeme bedient, gewartet und später migriert werden muss, wurden beim Hospital da Luz möglichst viele Funktionen auf ein IT-System mit nur noch einer Bedienebene zusammengeführt. Das gilt sowohl für die Gebäudeautomation als auch für die Raumfunktionen. Neu ist die Schnittstelle zwischen der medizinorientierten IT und der Gebäude- bzw. Raumautomation in Form des Bedienterminals „HiMed Cockpit“, das alle Teilsysteme auf einer Bedienoberfläche zusammenführt. Am Patientenbett stehen damit folgende Funktionen und Angebote auf einem Flachbildschirm per Touchscreen-Funktion zur Verfügung:
- Patientendaten für den Arzt
- Patienten- und Klinikinformationen
- Notruf an Pflegepersonal
- Kommunikation wie Telefon, Intra- und Internetzugang, E-Mail, TV, Radio, später auch Web-Kamera und Video-on-Demand
- Bediengerät für die raumweise Bedienung der Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlage sowie Licht- und Sonnenschutzeinrichtungen.
Patienten mit weniger schweren Erkrankungen oder solche, die sich nur zur Abklärung in der Klinik aufhalten, können so vom Krankenzimmer aus über das HiMed Cockpit mit ihrer Firma kommunizieren oder Alltagsgeschäfte erledigen. Durch den zunehmenden Wettbewerb im Gesundheitswesen gilt diese Option künftig für viele Patienten als mitentscheidend bei der Auswahl eines Krankenhauses.
Wirtschaftlicher durch TBS
Auch innerhalb der Gebäudetechnik setzt Siemens auf Synergien durch Integration. So ist das eigenständig arbeitende Sinteso-Brandmeldesystem – rund 2400 Brandmelder, 24 Loops, 2 Zentralen, 20 Stockwerkterminals, 137 manuelle Alarmgeber, 38 Gasdetektoren für CO2 und Gase – auf der Managementebene mit dem Gebäudeautomationssystem Desigo verbunden. Das gleiche gilt für das Gefahrenmanagement MM8000 (Zutrittskontrolle, Videoüberwachung, Einbruchschutz), das ebenfalls in das Desigo-Gebäudeautomationssystem eingebunden ist. Mit dieser so genannten Total Building Solution (TBS) auf der Basis des Desigo-Systems wird die technische Infrastruktur der Klinik weitgehend zusammengeführt. Als künftige Entwicklungsaufgabe sieht Siemens die Verknüpfung ihres für das Gesundheitswesen entwickelten Workflow-Managements „Soarian“ mit dem Gebäudeautomationssystem Desigo, um zusätzliche Synergien zwischen den Gesundheitsversorgungssystemen und den gebäudetechnischen Systemen zu nutzen.
Fazit
Immer häufiger entdecken Banken und Investoren das Gesundheitswesen als Kapitalanlage und Geschäftsmodell. Das nach ökonomischen Vorgaben errichtete „Hospital da Luz“ unterscheidet sich ganz wesentlich vom klassischen Krankenhaus. Die „geplante“ Wirtschaftlichkeit beruht auf optimierten Prozessen, die die administrativen, diagnostischen, therapeutischen, logistischen und gebäudetechnischen Abläufe über ein integriertes IT-System miteinander verbinden.
Der Vorteil für den Klinikbetreiber der hier realisierten Alles-aus-einer-Hand-Lösung liegt im umfassenden medizinischen und gebäudetechnischen Know-how von Siemens. Bei gleicher technischer Ausstattung stehen durch das TBS-Konzept mehr Funktionalitäten bei geringerem personellen Aufwand zur Verfügung. Dadurch kann der Fokus auf den Patienten verstärkt und die Qualität der Pflege erhöht werden. Mit dem Multifunktions-Flachbildschirm hat der Patient alle Optionen, seinen Klinikaufenthalt nach eigenem Gusto zu gestalten und ggf. auch online mit Büro, Kunden, Familie und Freunden zu kommunizieren.
Wolfgang Schmid
ist Freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, E-Mail: wsm@netsurf.de
Hospital da Luz in Kürze
Akute Krankenpflege: 130 Betten
Betreutes Wohnen: 115 Wohneinheiten
Pflegewohnheim: 150 Betten
Technische Anlagen: Konsortium Siemens Portugal / Sousa Pedro, Lissabon
Bebaute Fläche: 96000 m2
Investition gesamt: 130 Mio. Euro
Volumen Siemens-Konsortium: 16,2 Mio. Euro,
davon SBT: 1,5 Mio. Euro
SBT-Gebäudemanagementsystem
4 Management- und Bedienstationen
HLK-Regelung
Lichtsteuerung
Alarmierung
10 DDC-Controller
600 Energiezähler
190 Zimmer mit Bedienterminal (HiMed Cockpit)
870 Raumregler
SBT-Brandmeldesystem Sinteso
2400 Brandmelder
34 Loops
2 Zentralen
20 Stockwerkterminals
137 manuelle Alarmgeber
187 Controllermodule
38 Gasdetektoren für CO2 und explosive Gase mit Bedienzentrale
SBT-Zutrittskontrollsystem
72 Ausweisleser
41 Türsteuerungen
1 Bedienzentrale
Schnittstelle zu Brandmeldesystem und Liftsteuerung
HiMed Cockpit
Unterstützende Funktionen:
Lichterregelung
Klimaregelung
Jalousienregelung
Klinikrelevante Funktionen:
elektronische Patientendaten
Notruf an Pflegepersonal
Multimedia Funktionen:
Internet
Intranet (Abrechnungen, Menübestellungen)
TV, Radio, Videobestellung
Telefon
Künftige Entwicklungen:
Integration von Webkameras
Integration von „Soarian“ (Workflow-Management im Gesundheits wesen) mit Gebäudemanagement