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Lebenszyklusbetrachtung

ESG und Gebäudetechnik: Theorie und in der Praxis

Bild 1 Die Berücksichtigung von ESG-Prinzipien in der Gebäudetechnik ist für die Betreiber vorteilhaft, da hier geringe Umweltauswirkungen zumeist auch geringe Lebenszykluskosten bedeuten.

Parradee – stock.adobe.com

Bild 1 Die Berücksichtigung von ESG-Prinzipien in der Gebäudetechnik ist für die Betreiber vorteilhaft, da hier geringe Umweltauswirkungen zumeist auch geringe Lebenszykluskosten bedeuten.

Nachhaltigkeit hat viele Aspekte. Eine systematische Bewertung ist deshalb notwendig. Sie zeigt beispielsweise, dass und warum sich in der Gebäudetechnik einfache hydraulische Schaltungen positiv auf die Nachhaltigkeit auswirken.

Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Einfache hydraulische Konzepte sind ein Schlüssel für nachhaltige Gebäudetechnik. Regelgruppen mit einer Strahlpumpe machen die Hydraulik übersichtlich, verringern die Elektroarbeiten und halten die Anzahl an Datenpunkten gering.
■ Beispiele mit Strahlpumpen in TGA-typischen hydraulischen Schaltungen zeigen, dass sie gegenüber äquivalenten Lösungen mit Umwälzpumpen erhebliche Vorteile bei den Umweltauswirkungen und den Lebenszykluskosten aufweisen und eine höhere Verfügbarkeit erreichen.
 

ESG steht für Environment, Social und Governance. Im Kontext ESG-Prinzipien bzw. der EU-Taxonomie werden die drei englischen Begriffe zumeist mit „Umwelt“, „Soziales“ und / oder „Gesellschaft“ sowie „Unternehmensführung“ übersetzt. Sie bezeichnen Kriterien, anhand derer Unternehmen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitsleistung und ihres sozialen Engagements bewertet werden.

ESG-Richtlinien haben einen Einfluss auf die Gebäudetechnik, insbesondere auf die Planung, den Bau und den Betrieb von Gebäuden – schließlich gehören bei fast allen Unternehmen Gebäude zum Geschäftsbetrieb oder sogar zum Kerngeschäft.

Gleichzeitig können Gebäude in allen Lebenszyklusphasen einen erheblichen aber beeinflussbare Auswirkungen auf die Umwelt haben. Wie groß die Umweltauswirkungen sind, wird auch von der Gebäudetechnik beeinflusst. Insbesondere im Bestand (bzw. in der Nutzungsphase) spielt sie eine zentrale Rolle bei der Optimierung des Energieverbrauchs von Gebäuden – beispielsweise durch den Einsatz von energieeffizienten Heizungs-, Lüftungs- und Klimatisierungssystemen bzw. -konzepten und über intelligente Energiemanagementsysteme.

Nicht nur Theorie ist ebenso: Unternehmen, die ESG-Prinzipien auch in ihre Gebäudetechnik integrieren, positionieren sich in einer sich wandelnden Geschäftswelt positiv und haben bessere Chancen, ihr Geschäftsmodell zukunftssicher zu machen.

Beispielsweise müssen Bürogebäude in den Niederlanden staatlich vorgegebenen Nachhaltigkeitsanforderungen entsprechen. Maßgeblich ist die Energieeffizienzklasse. Danach ordnen die Niederlande Gewerbeimmobilien ein und entscheiden somit, ob sie künftig weiterhin vermietet werden dürfen. Die Konsequenzen können gravierend sein: Bürogebäude (größer 100 m2), die durch einen fossilen Energieverbrauch über 225 kWh/(m2 ∙ a) eine Effizienzklasse schlechter als „C“ haben, dürfen schon seit dem 1. Januar 2023 nicht mehr als solche genutzt werden. Ab 2030 sollen alle Bürogebäude mit einer Effizienzklasse schlechter als A betroffen sein.

Umwelt-Produktdeklaration

Eine EPD (Environmental Product Declaration) ist eine standardisierte Dokumentation, die Informationen über die Umweltauswirkungen eines Produkts liefert. Grundlage sind Ökobilanzen nach ISO 14040/44. So dokumentiert eine EPD alle Elemente, die Teil des gesamten Lebenszyklus eines Produkts sind – einschließlich Produktmaterialien, Verpackungen, verbrauchte Energie für Produktionszwecke und Abfallmanagement. Die Elemente haben verschiedene Umweltauswirkungen, insbesondere CO2-Emissionen, Wasserverschmutzung, Versauerung und Ozonabbau. Die EPD ist ein freiwilliges Typ-III-Umweltkennzeichen.

„In einer Umwelt-Produktdeklaration (EPD) […] werden die wissenschaftlich ermittelten Werte aus der Ökobilanz eines Produktes nach einem einheitlichen Schema zusammengefasst und dokumentiert. Sachlich, neutral, wissenschaftlich fundiert und vor allem ohne Bewertung. Genau darin besteht der Unterschied zu Typ-I- und Typ-II-Umweltkennzeichen. Die EPD ist kein Zertifikat. Es werden also keine Anforderungen an die Produktqualität gestellt, sondern an die Qualität und das Format der Daten.“ [3]

Unternehmen und Verbände können beispielsweise im Rahmen des EPD-Programms vom Institut Bauen und Umwelt (IBU) Umwelt-Produktdeklarationen für ihre Produkte erstellen. Beteiligte Akteure sind neben dem Hersteller und dem IBU als EPD-Programmbetreiber auch der Sachverständigenrat des IBU sowie unabhängige Prüfer und die interessierte Öffentlichkeit. Das gewährleistet Objektivität und Transparenz. Eine EPD wird in drei Schritten erstellt. Im dritten Schritt erfolgt die Verifizierung der EPD. Das bedeutet, ein vom Sachverständigenrat berufener unabhängiger Dritter prüft die EPD samt Hintergrundbericht nach den Grundsätzen der ISO 14025, der EN 15804 und den Programmregeln des IBU auf Vollständigkeit, Plausibilität und Konsistenz der Berechnungen und Angaben. Erst im Anschluss wird die EPD vom IBU veröffentlicht. Die Gültigkeit beträgt dann fünf Jahre, danach ist eine Aktualisierung erforderlich [3].

Bild 2 Beispiel für die Umwelt-Produktdeklaration (EPD) einer Umwälzpumpen (Grundfos Magna3 25-40), Abschrift nach [1, 2]. Die Zeilensumme des GWP beträgt 104,66 kg CO2-Äquivalent.

Gebauer; Quelle: [2]

Bild 2 Beispiel für die Umwelt-Produktdeklaration (EPD) einer Umwälzpumpen (Grundfos Magna3 25-40), Abschrift nach [1, 2]. Die Zeilensumme des GWP beträgt 104,66 kg CO2-Äquivalent.

Für die Gebäudetechnik sind bereits EPD für verschiedene Arten von Armaturen verfügbar. Ein Beispiel für eine elektronisch geregelte Heizungsumwälzpumpe Magna3 25-40 zeigt (Bild 2). Die Zeilensumme von 105 kg CO2e (CO2-Äquivalent) entspricht dem Jahreswert, bei 10 Jahren Nutzungsdauer einer Umwälzpumpe wird der Wert in Spalte B6 mit 10 multipliziert. Im Lebenszyklus der Pumpe mit 10 Jahren Nutzungsdauer werden dann bei einer durchschnittlichen Betriebsdauer Treibhausgasemissionen von 550 kg CO2e freigesetzt. Bei einem typischen Gebäude mit zehn Heizkreisen bedeutet dies Treibhausgasemissionen von 5500 kg CO2e innerhalb von 10 Jahren. Den größten „Fußabdruck“ verursacht der Energieeinsatz im Betrieb mit 4940 kg CO2e.

EPD als Planungskriterium

Wie kann die Umsetzung der EPD-Daten in die Planung von Gebäudetechnik einfließen? Im VDMA Einheitsblatt 24199 „Regelungstechnische Anforderungen an die Hydraulik bei Planung von Heizungs- und Lüftungsanlagen“ werden unterschiedliche hydraulische Schaltungen empfohlen. In der Rubrik „differenzdruckbehaftete Systeme“ gibt es u. a. die beiden in (Bild 3) dargestellten Varianten.

Die beiden in der Praxis sehr oft für identische Anforderungen eingesetzten Schaltungen, weisen allerdings bei der Nachhaltigkeit große Unterschiede auf. Die Umwälzpumpe (Bild 3, links) im Verbraucherkreis der Einspritzschaltung mit 2-Wege-Regelventil, kann mit der Schaltung nach (Bild 3, rechts) eingespart werden. Im direkten Vergleich werden dann alle Elemente im gesamten Lebenszyklus der nicht benötigten Pumpe gutgeschrieben – und das für alle Regelkreise des zu betrachtenden Gebäudes.

Bild 3 Einspritzschaltung mit 2-Wege-Regelventil und Umwälzpumpe (links). Mischregelung mit 3-Wege-Strahlpumpe (rechts).

Gebauer

Bild 3 Einspritzschaltung mit 2-Wege-Regelventil und Umwälzpumpe (links). Mischregelung mit 3-Wege-Strahlpumpe (rechts).

Beispiel 1: Hotel

Geregelte Strahlpumpen sind vielseitig einsetzbar zur Regelung von Verbraucherkreisen in Heizungs- und Lüftungsanlagen. In den Lüftungsanlagen im Hotel Hilton sind geregelte Baelz-Strahlpumpen seit 1989 mit bester Erfahrung im Einsatz. Denn die Strahlpumpentechnologie bringt große Vorteile: Die Hydraulik von Anlagen wird einfacher, durch die wartungsarmen und langlebigen Strahlpumpen steigt die Anlagenverfügbarkeit und die kompletten Umweltauswirkungen der Regelkreis-Umwälzpumpe entstehen nicht. Direkt profitieren die Betreiber vom entfallenen Stromverbrauch für die Umwälzpumpen, von geringeren Wartungs- und Instandhaltungskosten.

Die EPD für ein hochwertiges Regelventil und eine Strahlpumpe werden näherungsweise die gleichen (aber bei langjähriger Nutzung im Vergleich zu einer Umwälzpumpe sehr geringen) Umweltauswirkungen aufweisen (Bild 4). Zudem kann bei der Betrachtung von differenzdruckbehafteten Verteilsystemen der notwendige Druckverlust für die Ventilautorität der Regelventile und der Strahlpumpe gleichgesetzt werden und wird deshalb hier zur Vereinfachung nicht genauer betrachtet. Die im Hilton nicht benötigten 12 Umwälzpumpen ergeben in 20 Jahren eine Einsparung von ca. 13 845 kg CO2e. Für größere Umwälzpumpen gibt es bei Bedarf einen Umrechnungsfaktor, zum Beispiel für eine Magna3 25-80 wird der Wert in Spalte B6 mit 2,09 multipliziert [2].

Bild 4 Die EPDs für hochwertiges Regelventil und eine Strahlpumpe werden durch ihren vergleichbaren Materialbedarf näherungsweise die gleichen Umweltauswirkungen aufweisen. In der Hydraulischen Schaltung macht dann der Stromverbrauch der Umwälzpumpe den großen Unterschied bei den Umweltauswirkungen und den Lebenszykluskosten.

W. Baelz & Sohn

Bild 4 Die EPDs für hochwertiges Regelventil und eine Strahlpumpe werden durch ihren vergleichbaren Materialbedarf näherungsweise die gleichen Umweltauswirkungen aufweisen. In der Hydraulischen Schaltung macht dann der Stromverbrauch der Umwälzpumpe den großen Unterschied bei den Umweltauswirkungen und den Lebenszykluskosten.

Weiterhin sind die Aufwendungen für die Erneuerung der Umwälzpumpen zu kalkulieren. Nach der VDI 2067 sind 10 Jahre für die Nutzung von Umwälzpumpen anzusetzen. Durch die nicht erforderlichen 12 Umwälzpumpen verringern sich in 20 Jahren die Lebenszykluskosten um rund 40 000 Euro. Die hydraulischen Schaltungen mit geregelten Strahlpumpen sind somit sowohl aus Umweltaspekten als auch mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit zielführend. Zwar wurde oben bewusst eine Vereinfachung vorgenommen, wenn man aber trotzdem mit der TGA+E-Perspektive auch auf Details schaut, wird man weitere Vorteile zugunsten der Strahlpumpe beim Verkabelungsaufwand, bei der Schaltschrankbelegung und beim Einrichten und Pflegen von Datenpunkten erkennen.

Beispiel 1: Bildungsbau

Die Getec Energie AG, Magdeburg, bekam im Jahr 2000 den Zuschlag bei einer europaweiten Ausschreibung zum Energieeinsparcontracting an der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben. Ein Großteil der zu versorgenden 20 Gebäude stammt aus den Baujahren 1953 bis 1960.

Bild 5 Ursprüngliche Planung für die Fernwärmeanschlüsse der Gebäude der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben (links). Und im Rahmen eines Energieeinsparcontractings realisierte Fernwärmeanschlüsse der Gebäude der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben (rechts).

W. Baelz & Sohn

Bild 5 Ursprüngliche Planung für die Fernwärmeanschlüsse der Gebäude der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben (links). Und im Rahmen eines Energieeinsparcontractings realisierte Fernwärmeanschlüsse der Gebäude der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben (rechts).
Bild 6 Fernwärmeübergabestation in einem Gebäude der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben.

W. Baelz & Sohn

Bild 6 Fernwärmeübergabestation in einem Gebäude der Fachhochschule der Polizei in Aschersleben.

Bild 5 zeigt links die ursprüngliche Planung für die Fernwärmeanschlüsse, die tatsächliche und bis heute unveränderte Realisierung zeigt Bild 5, rechts, und Bild 6. Bereits die Investitionskosten verringerten sich im Jahr 2000 von 104 000 Euro auf 60 800 Euro. Die Einsparung bei den Lebenszykluskosten für die entfallenen Heizkreispumpen für 20 Gebäude ergeben innerhalb von 10 Jahren ca. 105 000 Euro. Legt man die in Bild 2 deklarierte Pumpe zugrunde, ergibt sich eine Einsparung von 11 000 kg CO2e. Damit wurden für den Betrieb der Liegenschaft bis heute rund 25 t weniger CO2e als es die ursprüngliche Planung vorsah freigesetzt. Die Berechnung der CO2e-Einsparung und der Verringerung der Lebenszykluskosten sind auf heutige Daten bezogen.

Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Regelwerk

Literatur

[1] PCR Anleitungstexte für gebäudebezogene Produkte und Dienstleistungen. Berlin: Programm für Umwelt-Produktdeklarationen des Instituts Bauen und Umwelt (IBU)

[2] Environmental-Product Declaration as per ISO 14025 and EN 15804+A1. Berlin: Owner of the Declaration: Grundfos Holding A/S; Publisher: Institut Bauen und Umwelt (IBU); Programme holder: Institut Bauen und Umwelt (IBU); Declaration number EPD-GRU-20180144-CCC2-EN; Issue date 20/11/2018; Valid to 19/05/2024; MAGNA3 25-40/60/80/100/120

[3] FAQ zum EPD-Programm. Berlin: Institut Bauen und Umwelt (IBU), www.ibu-epd.com/epd-programm-2

Dipl.-Ing. Marc Gebauer MBM
ist in Regionalleiter Vertrieb Ost im Technischen Büro Berlin von W. Baelz & Sohn, 74076 Heilbronn, berlin@baelz.de, www.baelz.de

W. Baelz & Sohn

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