Kompakt informieren
- Die 18599 Gütegemeinschaft hat ein „Qualitätsmanagement der Software zur DIN V 18599“ initiiert, zertifizierte Software soll mit der Einführung der EnEV 2014 verfügbar sein.
- Das Qualitätsmanagement-System besteht aus drei Phasen, in der verbindlich Prüfvarianten definiert und dann berechnet werden. Es folgen eine Erstprüfung durch eine Prüfkommission und danach die Eigenüberwachung.
- Die Dokumentation des Qualitätsmanagements mit allen Beschlüssen, Auslegungen und Zwischenergebnissen erhalten die Nutzer mit dem Softwarekauf von den zertifizierten Softwareanbietern.
Die Bereitschaft, DIN V 18599 auch im Wohnungsbau anzuwenden, ist bisher eher verhalten. Angesichts der einfacheren und schon länger eingeführten Alternative DIN V 4701-10 / DIN V 4108-6 entscheiden sich viele Planer und Energieberater für das alte Verfahren. Vermeintliche oder tatsächliche Unterschiede und Abweichungen bei den Ergebnissen der 18599-Software verschiedener Anbieter spielen dabei zumindest unterschwellig eine Rolle. Für zusätzliche Verunsicherung sorgt, dass verifizierende Handrechnungen angeblich nicht mehr möglich sind. Zurückhaltung entsteht auch dadurch, dass mancher Nutzer nicht bereit ist, sich bereits ausreichend informiert an eine Software zu setzen. Die Software selbst ist zu einer Art Wissensspeicher geworden. So wird diskutiert und gestritten, wer denn für die Misere verantwortlich sein soll.
Das war der Anlass für ein „Qualitätsmanagement der Software zur DIN V 18599“. Damit soll das Vertrauen in die technischen Hilfsmittel wiedererlangt und eine breitere Akzeptanz der DIN V 18599 in der Praxis geschaffen werden. Träger der Initiative ist die 18599 Gütegemeinschaft, Köln.
Herausforderungen für das QM-System
Anforderungen, wie ein Qualitätssystem für Software aussehen kann, gibt es bislang in Deutschland nicht. Wohl aber besteht eine klare Vorstellung, was eine Software leisten muss. Ist „Qualität“ nur dann gegeben, wenn die erwarteten Ergebnisse voll mit den erreichten übereinstimmen, oder welche Abweichung kann für ein Ergebnis noch toleriert werden? Und was darf, was muss dem Nutzer überlassen werden, wenn er selbst seine Vergleiche anstellt?
Die Vielfalt dieser Fragen zeigt schon die erste Herausforderung für ein Qualitätsmanagement (QM). Ständige Überarbeitungen der DIN V 18599 sind eine weitere Hürde. Da nun aber mit der Ausgabe 12-2011 von DIN V 18599 [1] von einer gewissen Beständigkeit ausgegangen werden kann, hat sich die Fachkommission der Gütegemeinschaft entschlossen, im Januar 2013 mit der Qualitätsprüfung zu beginnen. Da DIN V 18599 in der jüngsten Fassung erst mit der EnEV 2014 für den öffentlich-rechtlichen Nachweis anwendbar wird, ist die Einführung des QM gegenwärtig auch für diesen Zeitpunkt geplant.
Dreiphasige Vorgehensweise
Das QM-System besteht aus drei Phasen Abb. 1:
- Prüfvarianten definieren
- Prüfvarianten berechnen
- Erstprüfung und Eigenüberwachung
Die Kombination in Phase 3 aus einem externen Prüfer bei der Erstprüfung und einer stetigen Eigenüberwachung durch den Hersteller des Produktes prägt auch dieses QM.
In Phase 1 werden zunächst alle Randbedingungen für die Beispielberechnung abgestimmt. Begonnen wird mit dem Wohnungsbau. Die Erfahrungen hieraus werden helfen, die etwas komplexere Struktur der Nachweise im Nichtwohnbau besser in den Griff zu bekommen. Welches Wohngebäude ausgewählt worden ist, zeigt Abb. 2. Das auf dem energetischen Niveau der EnEV 2009 basierende Gebäude ist [2] entnommen.
Die Berechnung des Gebäudes erfolgt nach der 2011 erschienenen Ausgabe der DIN V 18599. Die Prüfvarianten Abb. 3 schließen die typischen Praxisfälle ein und werden darum auch auf die Ergebnisse der meisten Praxisnachweise anwendbar sein. Wenn feststeht, dass die dargestellten Prüfvarianten im QM-System von allen Software-Anbietern der Gütegemeinschaft erfüllt werden, sind für die Kombinationen vorgenannter Prüfvarianten auch nur geringe Ergebnisabweichungen zu erwarten. Es ist aber nicht das Ziel des QM, alle möglichen Praxisfälle abzudecken. Wie bei QM-Systemen üblich, wird auch bei diesem auf die typischen 80 % abgestellt. Eine spätere Erweiterung auf andere Kombinationen ist möglich.
Abschluss der Phase 1 bildet eine Handrechnung mit Excel als Basis für den weiteren Abgleich. Diese ist der Start der internen Diskussion. Da die Handrechnung offen ist, kann jeder beteiligte Softwareanbieter die verwendeten Formeln und die vorhandenen Abhängigkeiten sehen und gegebenenfalls hinterfragen. Ziel ist es, die Handrechnung auf möglichst breiter Basis in der Gütegemeinschaft und im Normenausschuss zu diskutieren und damit Schwierigkeiten bei der Auslegung der Norm schnell zu klären und dafür Festlegungen zu finden. Die Handrechnung wird vom Leiter der Fachkommission zusammen mit einem Software-Anbieter der Gütegemeinschaft erstellt.
In Phase 2 sind die Softwarehersteller gefordert, mit den definierten Randbedingungen zu rechnen und mit der Handrechnung zu vergleichen. In dieser Phase sind noch alle Anpassungen möglich, auch Fehler, die es in der Handrechnung geben kann, werden korrigiert. Wenn erforderlich, wird weiteres Fachwissen aus dem Normungsgremium herangezogen, um die ein oder andere ungenaue Beschreibung in der Norm und – eher selten – auch Fehler in der Norm anzusprechen und zu korrigieren. Sind alle Berechnungen vorhanden, wird ein letzter interner Abgleich vorgenommen.
Welche Abweichungen gegenüber der Handrechnung akzeptiert werden können, ist Gegenstand der Diskussion. Die 18599 Gütegemeinschaft hat sich das Ziel gesetzt, dass die Abweichungen unter 1 % liegen sollen.
In Abb. 4 sind erste Ergebnisse der Phase 2 dargestellt. Die Spalte mit den nicht farblich hinterlegten Ergebnissen stellt die Handrechnung dar, alle anderen Spalten enthalten die Ergebnisse der jeweiligen Software und die Abweichung zur Handrechnung. Die größten Abweichungen stammen aus unterschiedlichen Ansätzen bei der Berechnung der Hilfsenergie von Pumpen. Dies konnte mittlerweile harmonisiert werden. Für die ersten acht Prüfgebäude wurden viele Themen diskutiert, abgestimmt und entschieden. Das Resultat kann sich sehen lassen: alle Softwarelösungen liegen wie geplant unter 1 % Abweichung.
Von den 16 Prüfvarianten Abb. 3 waren im September 2013 acht bereits erstellt und abgeglichen, etwas mehr Zeit erfordert die Umsetzung der Anlagen mit Wärmepumpen. Danach erfolgt in Phase 3 die Erstprüfung. Diese stellt einen Status der Software zum Zeitpunkt der Prüfung im Verhältnis zur Handrechnung fest. Dazu übergibt der Hersteller seine Software mit den bereits berechneten Prüfvarianten an die Prüfungskommission. Alle Prüfvarianten sind in der Software als Beispieldatei – auch für den späteren Nutzer, nicht nur für die Prüfung – enthalten.
Das Prüfteam besteht aus dem Vorsitzenden, Prof. Oschatz, und dem Leiter der Fachkommission der Gütegemeinschaft Torsten Schoch. Eigens dazu wird ein Kontrolltool von einem Software-Anbieter der Gütegemeinschaft entwickelt, das jedes Zwischenergebnis und das Endergebnis mit dem Sollwert aus der Handrechnung vergleicht. Nach bestandener Prüfung wird ein von beiden Prüfern unterzeichnetes Zertifikat für die geprüfte Softwareversion ausgegeben. Es werden bereits Gespräche geführt mit dem Ziel, dass das Zertifikat beispielsweise im Rahmen von Förderprogrammen auch eine öffentliche Bedeutung bekommt.
Kontinuierliche Eigenüberwachung
Software ist keine unveränderliche Massenware. Anforderungen von Nutzern, Verordnungs- oder Fördermittelgebern ändern sich, das Produkt wird angepasst. QM-Sicherungssysteme können einen Status zu einem bestimmten Zeitpunkt einfangen, aber nicht jede Änderung unter die Lupe nehmen. Das ist auch nicht erforderlich, denn nicht jede Änderung hat auch einen Einfluss auf die Ergebnisse. Garantiert wird jedoch, dass jeder Hersteller einer zertifizierten Software bei Updates die Qualitätsanforderungen selbst überprüft. Dies wird als Eigenüberwachung Abb. 5 bezeichnet.
Die Schritte der Eigenüberwachung werden ausreichen, für alle organisierten Softwareanbieter der Gütegemeinschaft ein hohes Maß an Sicherheit für die Ergebnisse zu garantieren. Der Anwender weiß, was er zu erwarten hat. Die typischen – und auch künftig nicht ausgeschlossenen – Bedienfehler ausgeklammert, wird die Verbindung aus Eigen- und Fremdüberwachung dazu beitragen, in Zukunft die DIN V 18599 als die Norm der energetischen Beurteilung von Gebäuden zu verankern.
QM-Systeme leben von einer nachvollziehbaren, verständlichen Dokumentation. Diese Dokumentation mit allen gefassten Beschlüssen, Auslegungen und Zwischenergebnissen wird der Nutzer von den zertifizierten Softwareanbietern erhalten – und das nicht nur auf Nachfrage, sondern generell. Ergänzend dazu werden die Prüfbeispiele in der Software als Beispieldateien gepflegt, sodass jede verwendete Eingabe und Randbedingung vom Nutzer noch einmal betrachtet und gegebenenfalls hinterfragt werden kann.
Eine erneute Überprüfung der Prüfkommission empfiehlt sich dann, wenn eine neue Fassung der DIN V 18599 vorliegt.
Ausblick
Das QM-System für Softwarelösungen nach DIN V 18599:2011 wird Bewegung in den Markt bringen. Sicherheit bei der Anwendung der Vornorm und die Überzeugung, sich auf Ergebnisse der Berechnung verlassen zu können, werden ihrer Anwendung einen kräftigen Schub verleihen. So sollte es gelingen, DIN V 18599 künftig auch für den Wohnbau als erste Wahl zu sehen. Ziel ist es, dass DIN V 18599 irgendwann zur einzigen Berechnungsnorm für Wohn- und Nichtwohngebäude wird. Diesen Prozess wird auch ein Forschungsvorhaben unterstützen, das der Gütegemeinschaft vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) erteilt wurde. Aufgabe dabei ist, eine Softwarelösung für die KfW zu erstellen, die eingereichte DIN-V-18599-Berechnungen prüft.
Mit dem QM-System zeigen sich die Hersteller der Gütegemeinschaft mit einer Offenheit, die für Berechnungssoftware in Deutschland nicht üblich ist. Nach derzeitigem Zeitplan wird mit Einführung der EnEV 2014 auch die zertifizierte Software auf der Basis von DIN V 18599 auf dem Markt verfügbar sein. •
Literatur
[1] DIN V 18599 Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung – Teil 1: Allgemeine Bilanzierungsverfahren, Begriffe, Zonierung und Bewertung der Energieträger; Teil 2: Nutzenergiebedarf für Heizen und Kühlen von Gebäudezonen; Teil 3: Nutzenergiebedarf für die energetische Luftaufbereitung; Teil 4: Nutz- und Endenergiebedarf für Beleuchtung; Teil 5: Endenergiebedarf von Heizsystemen; Teil 6: Endenergiebedarf von Lüftungsanlagen, Luftheizungsanlagen und Kühlsystemen für den Wohnungsbau; Teil 7: Endenergiebedarf von Raumlufttechnik- und Klimakältesystemen für den Nichtwohnungsbau (mit CD-ROM); Teil 8: Nutz- und Endenergiebedarf von Warmwasserbereitungssystemen; Teil 9: End- und Primärenergiebedarf von stromproduzierenden Anlagen; Teil 10: Nutzungsrandbedingungen, Klimadaten; Teil 11: Gebäudeautomation. Berlin: Beuth Verlag, Dezember 2011
[2] Schoch, T.: EnEV 2009 und DIN V 18599, Wohnbau, Kompaktdarstellung, Kommentar, Praxisbeispiele, 2. Auflage. Berlin: Bauwerk Verlag, 2010
Fachberichte über das TGA-Regelwerk und Hinweise auf neu erschienene Regelwerke enthalten die TGAdossiers Regelwerk und Regelwerk-Update: Webcode 723 bzw. 728
Die 18599 Gütegemeinschaft…
…wurde 2009 gegründet. Anlass waren die Bedenken zur Zuverlässigkeit der Software und der Wunsch des Verordnungsgebers, für den Kontakt zu den Softwarehäusern eine zentrale Anlaufstelle zu haben. Ein wesentliches Ziel ist es, durch ein Qualitätssicherungssystem für eine einheitliche und verlässliche Auslegung und Umsetzung des Berechnungsverfahrens zu sorgen. Mitglieder dieser Gütegemeinschaft sind fast alle Anbieter konventioneller Software für die DIN V 18599. Ihr Vorsitzender, Prof. Dr. Bert Oschatz, kommt als international renommierter Experte für Anlagentechnik vom ITG in Dresden und sorgt für den erforderlichen wissenschaftlichen Input. Weitere Informationen zu Zielen, Aufgaben und Mitgliedern unter: http://www.18599siegel.de
Dipl.-Ing. Torsten Schoch
ist Vorsitzender der Fachkommission der 18599 Gütegemeinschaft und Geschäftsführer der Xella Technologie- und Forschungsgesellschaft