TGA: Herr Gayer, mit dem Namen RWE verbinden Ihre Gesprächspartner vermutlich eher Themen wie Braunkohleverstromung und Kernenergie. Berühren Sie diese emotional aufgeladenen und negativ besetzten Felder im Alltagsgeschäft?
Gayer: Sie liegen richtig. Insbesondere vor den Eindrücken der schwerwiegenden Katastrophen und deren Folgen bei den Kernkraftwerken in Japan. Wir hatten damit aber auch schon vor den Ereignissen in Japan tagtäglich zu kämpfen. Die angesprochenen Themen fließen häufig automatisch in das erste Gespräch beim Kunden mit ein. RWE wird durch die Historie bedingt eher mit anderen Themen in Verbindung gebracht, als mit flexiblen Energiedienstleistungen oder wie man die Effizienz der Energieversorgung beim Kunden verbessern kann. Deswegen ist es für uns wichtig, gleich zu Beginn eines Kundengespräches zu erläutern, wofür wir stehen und dass wir ein „anderes“ RWE verkörpern und uns hier auch als eine Keimzelle neuer Dienstleistungen verstehen.
TGA: Wie sehen Ihre Leistungen aus? Was bieten Sie Ihren Kunden?
Gayer: Die Gesamtidee des Unternehmens RWE Energiedienstleistungen basiert auf der Aufgabe, bei unseren Kunden sowohl Energie zu sparen als auch den Umgang mit Energie effizienter zu gestalten. Wie setze ich meine Ressourcen optimal ein? Wie kann ich Stück für Stück die Effizienz meines Unternehmens erhöhen und auf diesem Weg Energie und Geld sparen? Das sind typische Fragen in unseren Kundenbeziehungen.
Das Spektrum der Aufgaben reicht dabei von der klassischen Energieberatung in Bezug auf das Gebäude über die Anlagentechnik bis hin zur Energieerzeugung und dem Energieverbrauch. Gleichzeitig geben wir das Versprechen und bieten die Verlässlichkeit, dass unsere Konzepte auch realisiert werden können und die gewünschten Ergebnisse liefern. Dazu bieten wir auch ein Energie-Controlling und sensibilisieren den Kunden erst einmal dafür, wo wie viel Energie verbraucht wird – in den Produktionsprozessen, in Gebäudeteilen oder der Versorgung von mehreren Gebäudeeinheiten.
Dafür analysieren wir nicht nur die Medien Wärme und Strom, sondern auch die Versorgung mit Kälte und weiteren Medien, beispielsweise Druckluft oder Dampf. Wir bewerten genauso die Lüftungstechnik in einem Krankenhaus wie die Energieversorgung in einer Druckerei oder in einem Mehrfamilienhaus. Dafür arbeitet bei uns ein Team von Energieberatern mit einem profunden technischen Wissen nicht nur aus der Gebäude-, sondern auch der Produktionstechnik, die in der Lage sind, auch nicht alltägliche Prozesse zu analysieren und darauf aufbauend Energieversorgungskonzepte zu liefern. Dabei geht es nicht in erster Linie um einen Anlagentausch, sondern oft auch einfach um die Parametrierung oder technische Ergänzung, sodass unsere Kunden primär einen echten Nutzen in puncto Kostensenkung haben.
TGA: Diese umfangreichen Leistungen werden komplett über eigene Fachplaner umgesetzt?
Gayer: Nein, wir haben zwar fest angestellte Fachplaner im Haus, können mit ihnen aber nur die Standardaufgaben abwickeln. Wir wollen jedoch weiter deutlich wachsen. Deswegen arbeiten wir bei der Projektentwicklung und Planung bundesweit mit freien Planungsbüros zusammen – teils nur bei Spezialaufgaben, teils aber auch in langjährigen Geschäftsbeziehungen. Dabei haben wir aktiv die Entscheidung getroffen, anders als der Wettbewerb, keine Planungsbüros zu übernehmen, sondern mit ihnen zu kooperieren.
Wir sind fest davon überzeugt, dass wir die jeweils erforderliche Spezialkompetenz viel besser über eine Kooperation bereitstellen können und wir uns auf unsere Kernkompetenz konzentrieren. Wir wollen mit höchster Flexibilität und bestem Fachwissen am Markt agieren – und das gelingt uns nur, wenn wir uns aus der Fülle der fachplanerischen Leistungen bedienen, die die Branche bereithält. Derzeit haben wir rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, der Großteil davon im Anlagenmanagement. Damit würden wir es nicht schaffen, alle erforderlichen Kompetenzen inhouse abzudecken.
Genauso anpassungsfähig sind wir im Bereich Contracting mit den Energielieferanten. Wir sind dabei nicht auf RWE als Lieferant fixiert, sondern richten uns auch hier flexibel nach den Wünschen des Kunden. Wenn er seine lokalen Stadtwerke als Partner wünscht, dann ist das für uns gesetzt. Genauso beliefern wir unsere Kunden mit allen Energieträgern, die für ihre Aufgabenstellungen die optimale Lösung darstellen. Das können neben Gas und Öl z.B. auch Hackschnitzel, Pellets oder Biogas sein. Wir bieten damit auch direkt viele Energieträger an, die der Konzern RWE gar nicht liefert. Gleichzeitig ist es nicht unser Primärziel, eine neue Energieversorgungsanlage zu verkaufen oder zu bauen. Wir sehen uns vielmehr als Energieoptimierer, die über den kompletten Vertragszeitraum den effizienten Betrieb einer optimalen Anlage verantworten. Wir optimieren Anlagentechnik und Energielieferung.
TGA: Sie bieten damit ein Bild, das sicher nicht alle potenziellen Partner auf der Planerseite erwarten oder gar kennen. Wie ist damit Ihre Position innerhalb des Konzerns?
Gayer: Innerhalb des RWE-Konzerns bilden wir eine vergleichsweise kleine Gesellschaft. Das Interesse für uns ist aber gewaltig – bietet unsere Aufgabenstellung doch ein zukunftsorientiertes Thema mit einem immens hohen Stellenwert. Wir werden mittlerweile als eine Keimzelle des neuen RWE gesehen – als das „effiziente Herz“. Wir sind darüber hinaus sehr unkonventionell und pragmatisch im Markt unterwegs. Diese Freiheit zu gestalten, ist für uns ein Riesenvorteil.
TGA: Gilt das Geschäftsmodell und Prinzip der Kooperation ausschließlich im Umgang mit Fachplanern oder verfahren Sie auch mit anderen Geschäftspartnern bzw. Dienstleistern ähnlich?
Gayer: Wir suchen und bilden in allen Bereichen Kooperationen mit unseren Partnern. Im Fachhandwerk haben wir im vergangenen Jahr beispielsweise die erste Kooperation zwischen einem Versorgungsunternehmen und einem Verbund aus Fachhandwerksbetrieben überhaupt geschlossen. Diese Partnerschaft umfasst insbesondere die gemeinsame Akquisition von Kunden im Contracting und die Planung, Installation sowie Inbetriebnahme exklusiv durch Unternehmen des Fachhandwerks-Verbundes °celseo.
Dabei bringen beide Partner offen Projekte ein. Projekte, die wir anstoßen, werden über °celseo umgesetzt. °celseo-Fachhandwerksunternehmen können wiederum ihren Kunden ein erweitertes Spektrum in der Umsetzung bieten und kooperieren bei allen Contracting-Aufgaben mit uns. Genauso stellen wir uns unsere Kooperationen mit allen Partnern vor – ein gegenseitiges Geben und Nehmen mit hoher Fairness und gegenseitiger Achtung.
TGA: Was sehen Sie dabei als Hauptleistung Ihres Unternehmens? Geht es eher um das Thema Contracting oder eher um Energieberatung und Effizienz in der Energieversorgung?
Gayer: Das reine Energie-Contracting umfasst für uns nicht nur die Wärmelieferung auf der Basis verschiedenster Energieträger, z.B. Biomethan, sondern auch die Kraft-Wärme-Kopplung oder Kälte- und Druckluftlieferung. Unsere Motivation für dieses Energie-Contracting ist die Schaffung eines langfristig wertschöpfenden Geschäftes aus der Nutzenergielieferung. Contracting als Life-Cycle-Produkt ist dabei das ideale Instrument, um für unsere Kunden maximale Energieeffizienz wirtschaftlich attraktiv zu erreichen. Treiber beim Contracting ist die Energieeffizienz, nicht ursächlich die Höhe der Investition. Die Energieberatung und energetische Optimierung ist in jedem Fall die wichtigste Voraussetzung dafür. Nur als Gesamtpaket erzielen wir den gewollten hohen Kundennutzen.
TGA: Ist dabei auch die Dezentralisierung der Energieversorgung ein gewünschtes Ziel?
Gayer: Wenn die Energieeffizienz beim Kunden gesteigert werden soll, kommt zwangsläufig oft Kraft-Wärme-Kopplung und damit die dezentrale Energieversorgung ins Spiel. Die BHKW-Technologie ist eine wichtige Möglichkeit und steht für mehrere neue und Erfolg versprechende Konzepte der dezentralen Energieversorgung. Wir realisieren sehr viele BHKW-Projekte. Es ist aber wichtig, dass diese Dezentralisierung in Deutschland nur erfolgreich umgesetzt werden kann, wenn auf der anderen Seite der Grundpfeiler der Netzstabilität steht. Und diese Netzstabilität und die Versorgungssicherheit lassen sich nach dem derzeitigen technischen Stand der Dinge nur durch zentrale Groß-Kraftwerke umsetzen. Diese Notwendigkeit kann mit dem weiteren technischen Fortschritt und der Investition in neue Versorgungsnetze zunehmend sinken.
TGA: RWE als multinationaler Konzern und kleine oder mittelständische Unternehmen als Kunden sowie Ingenieurbüros und Fachhandwerks-Unternehmen als Partner – wie passt das zusammen? Wie gewährleisten Sie, dass kleinere Kunden intensiv betreut werden können?
Gayer: Wir sind innerhalb des RWE Konzerns ein kleines mittelständisches Unternehmen, das sehr frei am Markt agiert. Wir sind damit auf einem völlig anderen Ast als der RWE Konzern, der Groß-Kraftwerke baut oder Hochspannungsnetze betreibt. Trotzdem können wir natürlich auf alle Funktionen im Gesamtkonzern zurückgreifen und sie dazu einsetzen, für unsere Kunden individuelle Lösungen zu schaffen. Insofern sind gerade kleinere Unternehmen unsere wichtigsten Kooperationspartner, weil sie unsere Sprache sprechen.
Um das auch „vor Ort“ entsprechend umsetzen zu können, verfügen wir über eine dezentrale Betreuungsstruktur, die sehr stark in der jeweiligen Region verankert ist. So hat jede Region ihren eigenen Ansprechpartner, der auch die örtlichen Strukturen sehr genau kennt und die Bedürfnisse einschätzen kann. Unsere Kundenstruktur hat derzeit tatsächlich den kleinen bis mittleren Unternehmer im Fokus. Nach energetischen Leistungen aufgeschlüsselt sind wir dabei aktuell hauptsächlich im Bereich bis 2 MW aktiv. Künftig wollen wir uns auch vermehrt in größeren und großen Projekten engagieren. Doch auch dabei wird der Grundsatz gelten, dass unsere Kunden in der Umsetzung des Energie-Contracting volle Flexibilität bei der Wahl der Einsatzstoffe, der Technik und des Primärenergielieferanten haben.
TGA: Wie werden und wollen Sie künftig insbesondere mit dem Fachplaner kooperieren?
Gayer: Derzeit führen wir bereits eigene Planer-Workshops rund um die Themen des Contracting durch. Darüber hinaus beteiligen wir uns an zahlreichen Planerforen – teils aus der SHK-, teils aus der TGA-Branche heraus. Wir werden derartige Kooperationen in den kommenden Jahren weiter ausbauen. Unser Fokus liegt dabei schwerpunktmäßig darauf, den Fachplanern das Contracting wie wir es verstehen als einen kompletten Lebenszyklus darzustellen, der die Effizienz immer an die oberste Priorität stellt. Wir wollen dem Fachplaner dabei auch verdeutlichen, dass wir mit dem Contracting aus dem klassischen Investor-Nutzer-Dilemma herausbrechen: Für gewöhnlich zahlt der Investor die technische Anlage und der Nutzer die damit verbundenen Betriebskosten. Die Interessen beider Beteiligten sind dabei grundsätzlich unterschiedlich. Diese Diskrepanz wird durch unsere Form des Contracting beseitigt – zum Vorteil aller Beteiligten.
TGA: Und wie sieht der ideale Fachplaner für eine Zusammenarbeit mit RWE Energiedienstleistungen aus?
Gayer: Er ist idealerweise in verschiedenen Gewerken unterwegs, sehr aufgeschlossen, innovativ und bereit, auch unkonventionelle Wege zu gehen, solange sie der Energieoptimierung bei Kunden dienen. Er sollte sich insbesondere auch gut mit der KWK auskennen und sich insofern nicht isoliert auf der Schiene Energieverbrauch bewegen. Von der Flexibilität her sollte er ein Dienstleister sein und sich auf die Wünsche der Kunden ausrichten können. Die Größe eines Planungs- oder Ingenieurbüros ist dabei für uns nicht entscheidend – vielmehr spielt die Innovationskraft die wichtigste Rolle und wie stark sich der Fachplaner mit der Thematik identifiziert, bei seinem Kunden Energie zu sparen.
TGA: Wie sehen die generellen Grundlagen in der Zusammenarbeit aus? Rechnen Sie nach der HOAI ab? Wer ist Vertragspartner?
Gayer: Wir richten uns in puncto Zusammenarbeit mit unseren Partnern ganz nach den Bedürfnissen des Kunden. Wenn unser Kunde gerne seinen Fachplaner als beratende Institution beauftragen möchte, ohne dass er in dem Konstrukt RWE aufgeht, dann ist das genauso eine Lösung wie wenn der Kunde die Leistung des Fachplaners innerhalb eines Contracting-Angebots wünscht. Wenn ein Fachplaner für uns arbeitet, ist es auch nicht unser Wunsch, dass er als Vertreter von RWE auftritt, sondern für sich oder sein Ingenieurbüro steht. Viel wichtiger ist es uns, dass die Fachplaner, mit denen wir zusammenarbeiten unsere – und damit ihre – Möglichkeiten kennen, Lösungen für die Kunden aufzustellen.
Genauso individuell handhaben wir auch die Abrechnungen, bei denen die HOAI den Handlungs- und Orientierungsrahmen bildet, wir aber immer eigenständige Vereinbarungen treffen. Sperrverträge, die unseren Partnern bei den Fachplanern verbieten, nach einem gemeinsamen Projekt für den jeweiligen Kunden eigenständig aktiv zu werden, haben bei uns keinen Bestand. Wir wollen keine künstlichen Hemmnisse aufbauen, dass Fachplaner letztendlich nicht mehr bereit sind, mit uns zu arbeiten, sondern wir wollen eine faire, partnerschaftliche Zusammenarbeit.
TGA: Vielen Dank für das Gespräch. •
Vita
Alfred Gayer, Jahrgang 1966, ist seit Juli 2008 Geschäftsführer der RWE Energiedienstleistungen GmbH. Als Dipl.-Ing. Maschinenbau und Dipl.-Wirtschaftsingenieur ist er seit 1992 für den RWE-Konzern tätig, bis 1996 als Referent Forschung und Entwicklung fossile Kraftwerke bei der RWE Energie AG, danach bis 2004 als Leiter Wärme-Service bei RWE Gas. Bei der RWE Westfalen-Weser-Ems AG leitet Gayer von 2004 bis 2005 den Vertrieb Geschäftskunden Handel/Dienstleistung und von 2005 bis 2008 die Vertriebssteuerung EVU.
Contracting
Beim Contracting erfolgt die Energieversorgung einer Liegenschaft durch einen Dritten – den Contractor. Alle Aufwendungen für Planung, Investition, Finanzierung und Wartung werden in der Regel mit einem festen monatlichen Betrag abgerechnet. Der Energieverbrauch wird über den Wärmepreis je Kilowattstunde mit einem garantierten Nutzungsgrad der Anlage gegenüber dem Kunden abgerechnet. Einsatzbereiche des Contracting sind in erster Linie kommunale und öffentliche Einrichtungen, Industrie- und Gewerbebetriebe sowie der Geschosswohnungsbau. Experten sagen dem Contracting-Markt bis 2014 eine Verdopplung des Volumens mit einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von über 15 % voraus. Die Gründe dafür liegen vor allen Dingen in der sinkenden Investitionsbereitschaft und den fehlenden finanziellen Möglichkeiten, in immer komplexere Anlagen zur Wärmeerzeugung zu investieren. Eine Lockerung der Rahmenbedingungen im Mietrecht könnte zusätzliche Chancen für das Contracting eröffnen. Gerade der verstärkte Trend zu erneuerbaren Energieformen sowie die schärferen gesetzlichen Rahmenbedingungen werden diese Entwicklung noch weiter forcieren. Im Markt erwarten die Kooperationspartner eine weitere Tendenz hin zu dezentralen Nahwärmekonzepten.