Kompakt informieren
- Der AHO-Bürokostenvergleich zeigt, dass eine Verbesserung der Honorarsituation in den Ingenieur- und Architekturbüros dringend erforderlich ist. Ein Drittel der Büros macht Verluste.
- Die am Bau tätigen Ingenieure erhalten im Vergleich zu anderen Ingenieurberufen deutlich niedrigere Gehälter. Das verstärkt die Nachwuchsproblematik.
- In der aktuellen HOAI-Reform werden die Leistungsbilder und die Honorartafeln zusammen überarbeitet.
- Über die Rückführung der Planungsleistungen der Teile VI, X…XIII HOAI 1996 in den verbindlichen Teil der HOAI wird erst im Frühjahr 2013 „politisch“ entschieden.
Bundeswirtschaftsminister Dr. Philipp Rösler bezeichnet sich gerne „als Verbündeten der Architekten und Ingenieure“. Sein Ministerium (BMWi) ist federführend bei der Reform der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) und arbeitet dabei sehr eng mit dem Bundesbauministerium zusammen. Von Bundesbauminister Dr. Peter Ramsauer gibt es ähnliche Äußerungen. Was sie wert sind, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Denn prüfbaren Verordnungstext gibt es bisher noch nicht. Erst wenige Stunden vor dem Beginn der Herbsttagung des AHO1) am 11. Dezember 2012 hatte das BMWi das rund 2000 Seiten umfassende Forschungsgutachten zum Aktualisierungsbedarf der Honorarstruktur für die 7. Novelle der HOAI erhalten.
Niedrige Gehälter – kein Nachwuchs
Das Gutachten lag damit fast pünktlich im „modifizierten Zeitplan“, der anlässlich der Ausschreibungspanne zu dem Gutachten (Webcode 342993) vom BMWi vorgelegt wurde. Doch die jetzt folgenden Schritte Im Reformprozess müssen alle im Zeitplan bleiben. Sonst kann der von Rösler erst kürzlich neu bestätigte Abschluss der HOAI-Reform in der laufenden Legislaturperiode – und damit die Hoffnungen der Branche auf auskömmliche Honorare – noch in Gefahr geraten: Spätestens ab der Sommerpause im Juli 2013 beginnt die heiße Phase des Bundestagswahlkampfs. Vorher sind noch viele wichtige Meilensteine zu erreichen, siehe Info-Kasten. Ernst Ebert, Vorsitzender des AHO-Vorstands wies darum nochmals darauf hin, dass es keine weitere Verzögerung mehr geben dürfe und viele Dinge parallel bearbeitet werden müssen.
In Deutschland gibt es rund 100000 Architektur- und Ingenieurbüros mit insgesamt etwa 600000 Beschäftigten und einem Umsatz von rund 46 Mrd. Euro pro Jahr. Doch ihre Existenz ist bedroht. Nicht weil es an Aufträgen mangelt, sondern weil sie nicht kostendeckend bearbeitet werden können. Zu einem unguten Teil funktionierten immer mehr Büros nur noch durch Selbstausbeutung und Ausbeutung. Unbezahlte Überstunden und Gehälter, die deutlich unter denen vergleichbarer Ingenieurtätigkeiten liegen, nagen an der Substanz. Auch vor dem Hintergrund des allgemeinen Ingenieurmangels. Der Nachwuchs wandert in die Industrie ab, weil hier deutlich höhere Gehälter gezahlt werden. Zunehmend „ausgebeutet“ werden auch die Aufträge: Waren Nachträge vor wenigen Jahren eher die Ausnahme, scheinen sie inzwischen zur Regel zu werden. Anders wissen sich die Büros offensichtlich nicht mehr zu helfen. Ein zweiter Weg, über den die Branche nicht gerne spricht, ist bei den Leistungen zu sparen. An Stammtischen wird aber kein Hehl daraus gemacht. Glücklich ist über die prekäre Zwangslage niemand.
Leistungsbilder und Tafelwerte
Die aktuelle Fassung der HOAI gilt seit dem 12. August 2009. Die Neufassung konzentrierte sich vor allem darauf, die Verordnung europafest zu machen, weswegen die Honorarordnung heute nur noch für „Inländer“ gilt. Aus der Sicht der Ingenieure und Architekten viel wichtigerer Modernisierungsbedarf an anderen Stellen blieb unerledigt. Zwar sind 2009 erstmals nach fast 14 Jahren auch die Tafelwerte um 10 % angehoben worden, doch der tatsächliche Bedarf ist über das Tafelwerk sehr unterschiedlich verteilt und laut AHO-Bürokostenvergleich 2011 in weiten Teilen deutlich höher, um überhaupt die Kosten der Büros (im Wesentlich für das unterbezahlte Personal) zu decken. Denn die der HOAI zugrunde liegenden Leistungsbilder entsprechen vielfach nicht mehr den erforderlichen Leistungen. Dazu kommen gestiegene Anforderungen, wie auch das vom AHO beauftragte Gutachten „Qualitative Entwicklung der Planungsprozesse 1992 bis 2012“ zeigt Abb. 1. In der Praxis wird der Mehraufwand geleistet, aber nicht bezahlt.
Die laufende HOAI-Reform soll nun die Leistungsbilder und die Tafelwerte an den tatsächlichen Bedarf anpassen – naturgemäß wird es mindestens bei der Honorarhöhe unterschiedliche Auffassungen geben. Dabei gibt es von der Politik eine klare Aussage. Patrick Döring MDB, Generalsekretär der FDP: „Es besteht völliges Einvernehmen, an der Honorartafelsituation etwas zu verbessern. Darüber gibt es gar keinen Streit mehr.“ Auch der für die HOAI zuständige Referatsleiter im BMWi, Dr. Thomas Solbach, unterstrich das gemeinsame Ziel, mit der Umsetzung der HOAI einen Interessenausgleich aller am Planungsprozess Beteiligten sicherzustellen. Aufgrund langer Projektlaufzeiten wird es jedoch mehrere Jahre dauern, bis sich bessere Honorarregeln in den Bilanzen der Planungsbüros bemerkbar machen können.
Reparaturbedarf besteht insbesondere beim Bauen im Bestand. Die Teilnehmer einer Podiumsdiskussion auf der AHO-Fachtagung zu den Praxiserfahrungen nach drei Jahren HOAI 2009 kamen zu der Einschätzung, dass sich die neue Regelung zum Planen im Bestand mit einem Umbauzuschlag bis 80 % nicht bewährt hat. In der Praxis habe sich gezeigt, dass Umbauzuschläge allenfalls bis 40 % Akzeptanz finden. Hohe Umbauzuschläge lassen sich wohl am einfachsten durchsetzen, wenn sie über eine Vergleichsrechnung mit der vorherigen HOAI ermittelt wurden. Angesichts zunehmender Planungsaufgaben im Bestand müsse darum der Wert der mitzuverarbeitenden vorhandenen Bausubstanz bei den anrechenbaren Kosten wieder angemessen berücksichtigt werden, so die übereinstimmende Auffassung der Experten. Reformbedarf wurde zudem im Bereich der Allgemeinen Vorschriften und des Kostenberechnungsmodells identifiziert.
Rückführung der Teile VI, X…XIII
2009 sind von der damaligen Bundesregierung einige Leistungsbilder ohne zwingenden Grund als „Beratungsleistungen“ eingestuft und in einen unverbindlichen Anhang der HOAI verschoben worden. Obwohl es einen breiten Konsens, beispielsweise mit einstimmigen Beschlüssen der jüngsten Bau- und der Wirtschaftsministerkonferenzen, für die Rückführung der Planungsleistungen der Teile VI, X…XIII HOAI 1996 (Umweltverträglichkeitsstudie, Thermische Bauphysik, Schallschutz und Raumakustik, Bodenmechanik, Erd- und Grundbau sowie Vermessungstechnische Leistungen) in den verbindlichen Teil der HOAI gibt, will Rösler darüber erst im Frühjahr 2013 im Gesamtkontext entscheiden.
Das klingt vernünftig, wenn man auf Basis von Fakten entscheidet. Unwohlsein erzeugt aber bei den in diesen Leistungsbildern arbeitenden Planungsbüros, dass die Rückführung innerhalb der Bundesregierung weiterhin als „politische Grundsatzfrage“ betrachtet wird. Diverse Gutachten haben inzwischen bestätigt, dass es sich um integrale Planungs- und nicht um Beratungsleistungen handelt. Bezogen auf die Gesamtkosten eines Bauwerks haben die herausgenommenen Planungsleistungen ohnehin nur einen vernachlässigbaren Anteil – wenn Preisdumping allerdings ihre Qualität negativ beeinflusst, können die Folgekosten für die Auftraggeber gravierend sein.
AHO-Bürokostenvergleich
Dass eine Anpassung der HOAI-Honorartafeln dringend erforderlich ist, hat erneut der AHO-Bürokostenvergleich 2011 aufgezeigt. Die Honorarsituation der Architektur- und Ingenieurbüros hat sich im Vergleich zum Jahr 2010 zwar leicht verbessert, entspricht aber noch nicht dem wirtschaftlich Erforderlichen. Die Bürostundensätze sind weiterhin auf niedrigem Niveau. Ein Drittel der Büros, darunter vorwiegend kleinere, schreiben rote Zahlen. Jochen Vorländer
1) AHO: Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung.
Weitere Fachberichte zum Thema enthält das TGAdossier HOAI: Webcode 714
Reform der HOAI
„Modifizierter Fahrplan“
- Überprüfung der HOAI-Struktur durch das BMWi(Gutachten), Abschluss bis Ende November 2012 (leicht in Verzug, Gutachten wurde am 10. Dezember 2012 übergeben)
- parallel: Erstellen des Referentenentwurfs
- Ressortabstimmung: Februar 2013
- Versand des Referentenentwurfs an die Länder und Verbände: März 2013
- Kabinettsbeschluss: April 2013
- Bundesrat: Mai/Juni 2013 (letzte Plenarsitzung vor der Sommerpause: 5. Juli)
- Inkrafttreten: August 2013