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Gebäudeplanung und -betrieb

Mehr Qualität durch Commissioning?

Zur Qualitätssicherung und zur Verbesserung der Energieeffizienz von Gebäuden ist durch ASHRAE (American Society of Heating, Refrigerating and Air-Conditioning Engineers) 1989 eine Richtlinie zum „Commissioning“ erarbeitet und 1996 erweitert [1] worden. Darauf aufbauend wurde ein weiterer Standard erstellt und Anfang 2008 veröffentlicht [2], der u.a. auf die Herausforderung „Green Building“ verweist. Diese Entwicklung korrespondiert mit der europäischen Gebäudeeffizienzrichtlinie EPBD [3] und DIN V 18599 [4], die für Nichtwohngebäude seit der EnEV 2007 [5] Bestandteil der Energieeinsparverordnung ist.

Vor diesem Hintergrund wurden in der Masterarbeit „Commissioning – Qualitätssicherung von RLT-Anlagen“ [6] die Qualitätssicherung und die Energieeffizienz bei raumlufttechnischen Anlagen insbesondere unter dem Aspekt der Planung eingehend analysiert und bewertet.

Der Commissioning Prozess

  • wird als ein systematischer Prozess definiert [7], der sicherstellen soll, das die vereinbarten Leistungen gewährleistet werden;
  • ist ein qualitätsorientierter Prozess, der dazu dienen soll, dass die Leistungen von Anlagen, Systemen und Komponenten in Bezug auf die vereinbarten Ziele und Kriterien kontrolliert und dokumentiert werden;
  • soll gewährleisten, dass alle am Planungsprozess Beteiligten, angefangen vom Auftraggeber (Eigentümer, Investor), über die Planer und die Ausführenden bis zum Betreiber (Instandhaltung und Wartung) für die Qualität ihrer Arbeit verantwortlich sind und die Zielsetzung des Auftraggebers durchweg erfüllt werden;
  • beinhaltet insbesondere Steuerungsaufgaben, die sich durch jede Planungsphase hindurch ziehen sollen, um die Qualität zu sichern und
  • verfolgt die Absicht, sowohl die Investitions- als auch die Betriebskosten zu optimieren.

Der Commissioning Prozess (auch: Cx-Prozess) wird als ein übergreifender ganzheitlicher Prozess verstanden, der einerseits die Schaffung einer gemeinsamen Plattform ermöglicht und andererseits alle Aktivitäten und Ergebnisse während der Planung zentral an einer Stelle bündelt. Verantwortlich für diesen Prozess soll ein „unabhängiger Fachmann“ zeichnen, der von einem entsprechenden Team unterstützt wird.

Der Cx-Prozess beschreibt in seiner Richtlinie [7] die Prozessschritte, das Projektmanagement und die Verantwortlichkeiten des Cx-Teams (Bild 1). In Deutschland gibt es dagegen eine Reihe von zum Teil eigenständigen Systemen, die eine Analogie zu Bestandteilen des Cx-Prozesses ausweisen, beispielsweise:

  • Zertifizierungssysteme
  • Konformitätsbewertung z.B. von RLT-Geräten
  • Facility Management
  • Qualitätsmanagement
  • Energiemanagement und Energieberatung
  • Integrale Planung

Bild 2 zeigt eine Gegenüberstellung zwischen dem im Preisrecht der HOAI [8] hinterlegten Planungsprozess und dem Cx-Prozess. Während die HOAI eine stärkere Untergliederung in den Planungsphasen vornimmt und in der oft nicht beauftragten Objektbetreuung nur die Funktionsüberprüfung im Rahmen der Gewährleistung ausweist, umfasst der Cx-Prozess auch die Betriebs- und Nutzungsphase.

Bewertungsaspekte

Die Qualitätssicherung der Planung bis zum Betreiben eines Gebäudes – inklusive der Anlagentechnik sowohl aus Sicht der Investitionskosten als auch der Betriebskosten (besonders der Energiekosten) und unter Umständen öko­logischer Aspekte – erscheint für den Auftrag-geber und/oder Nutzer ein logischer und sinnvoller Ansatz zu sein. Bei der Verwirklichung über einen Bewertungsprozess muss man sich aber ­einerseits über die sehr große Komplexität des Planungs­prozesses bewusst sein (Bild 4) und andererseits die mögliche Vielfalt einer Qualitäts­bewertung beachten.

Die Qualität eines Gesamtergebnisses wird von der Qualität der einzelnen Elemente bzw. von den Eingangsgrößen bestimmt. Sie kann deshalb nie besser oder genauer sein als die Eingangswerte. Ein weiteres Bewertungsproblem ergibt sich aus der Kontrolle der tatsächlich realisierten Elemente und der festgestellten Abweichungen bzw. Toleranzen.

In produktiven Bereichen und bei der Er­stellung von Komponenten und Anlagengruppen ist die Qualitätssicherung, Gewährleistung und Dokumentation entsprechend ISO 9000 eine unbedingte Notwendigkeit. Jedoch dort, wo die Qualität, in welcher Form auch immer durch indi­viduelle, gesellschaftliche, politische, ökonomische und ökologische Forderungen, Leistungen, Bedürfnisse und Ansprüche beeinflusst werden können, erscheint es aus Sicht des Autors äußerst schwierig, eine „objektive“ Qualitäts­bewertung durchführen zu können. Dies kann nur unter bestimmten Umständen gelingen, wenn eindeutige Kriterien vorgegeben werden können.

Ein Beispiel dafür ist das Zertifizierungssystem der DGNB (Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen), die Schutzziele und Nachhaltigkeitskriterien definiert (Bild 3), die wiederum durch detaillierte Kriterien untersetzt werden können. Allerdings kann es in der Planung äußerst schwierig werden, sie entsprechend dieser Leitlinien umzusetzen, weil der reale Planungsprozess nach teilweise diametralen Kriterien abläuft, beispielsweise

  • Verringerung des (vergüteten) Planungsaufwands (beispielsweise keine Beauftragung der Grundlagenermittlung; Funktionalausschreibungen)
  • Vorgaben zur Energieeinsparung bzw. Einsatz von Technik oder Lösung aus förderpolitischer Sicht
  • Minimierung der Investitionskosten ohne Beachtung der Folgekosten für die Nutzung (Verlagerung der Kosten auf den Nutzer)
  • Hierarchische Planungsorganisation (Bild 5) statt integraler Planung
  • Die gegenwärtige HOAI honoriert nicht in ausreichendem Maß Planungsleistungen, die zu optimierten Betriebskosten bzw. Lebenszykluskosten führen.

Ist Qualität delegierbar?

Auch erscheint das Delegieren der Verantwortung für den Prozess auf eine „unabhängige“ und „fachlich kompetente“ Person bzw. (s)ein Team kaum realisierbar und sinnvoll. Realistisch betrachtet ist dies nur in geringem Maß zu verwirklichen und auch kaum kostenneutral, qualitätsfördernd und effektivitätssteigernd durchführbar. In der realen Planungspraxis kann dies am Beispiel des „Projektsteuerers“ belegt werden, der zwar organisatorisch den Planungsprozess führen kann, aber fachlich und bauorganisatorisch oft überfordert ist.

Auch das Beispiel der energetischen Bewertung von Nichtwohngebäuden nach DIN V 18599 belegt, dass es durch eine einzelne Person kaum möglich ist, einen komplexen Prozess umfassend richtig zu bewerten. Im Allgemeinen ist dazu ein Team von Fachleuten mit den jeweils notwendigen Ausprägungen erforderlich.

Ausdrücklich positiv ist aber der Ansatz, dass der Bewertungsprozess über den Zeitraum der Abnahme hinausgeht, d.h. ein Vergleich zwischen Zielsetzung und verwirklichtem Ergebnis vorgenommen wird. Erst damit wird es möglich, für analoge Projekte die entsprechenden Schlussfolgerungen für die notwendigen Annahmen und ihre Genauigkeit sowie für die Wertung des Endergebnisses abzuleiten. Allerdings gilt es zu bedenken, dass durch die unterschiedliche Nutzung von Gebäuden und die häufig gewollte Gestaltung als „Unikat“ eine Übertragung nicht ohne weiteres möglich ist.

Als ein Vorteil des Commissioning wird oft auf die möglichen Energieeinsparungen u.a. durch angepassten und effizienten Anlagenbetrieb, Reduzierung der Betriebs- und Wartungskosten und verbesserte Koordination zwischen Planung, Ausführung und Nutzung [10] verwiesen. Dies ist für bestehende Gebäude und Anlagensysteme nachvollziehbar, aber für den Neubau sollte eine Planung und Ausführung, beispielsweise unter der Zielvorgabe minimaler Betriebskosten, selbstverständlich sein.

Schluss­folgerungen

Ein Qualitätsmanagement beim Planen und Bauen von Gebäuden ist notwendig und sinnvoll. Es sollte grundsätzlich zuerst bei einzelnen Komponenten bzw. einfachen und überschaubaren Systemstrukturen erfolgen, um diese unter Berücksichtigung von Kosten fachlich beeinflussbar und bewertbar bzw. überprüfbar gestalten zu können.

Je komplexer die zu bewertenden Systeme werden, umso schwieriger wird es, die­se nachvollziehbar zu bewerten und entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen. Ein Qualitätsmanagement für (individuelle) komplexe Systeme bzw. Systemabläufe ist deswegen von seiner Effizienz, seiner Wirksamkeit, seiner Nachhaltigkeit und auch seiner Kosten sehr differenziert zu betrachten und eher als problematisch einzustufen.

Für eine richtige Bewertung sind eindeutige Bewertungskriterien zu formulieren, deren Wertigkeit untereinander zu spezifizieren und die Bilanzgrenzen klar zu umreißen. Investitionskostenminimierung, restriktive Vorgaben und „Zeitdruck“ sowohl in der Planung und der Ausführung als auch beim Betreiben können die Ziele erheblich negativ beeinflussen.

Jedwede Bewertung und die Erstellung von Bewertungskriterien einschließlich der Kontrolle verursacht Kosten. Ob diese durch Kosteneinsparungen kompensiert werden können, mag mathematisch plausibel darstellbar sein. Optimierte Lösungen bei unterschiedlicher Verantwortung für Bau- und ­Betriebskosten und bei zementierten Verträgen auch durchzusetzen, ist jedoch meistens eine viel größere Herausforderung. Mehr Qualität bei Gebäudeplanung und -betrieb zu etablieren, erfordert deswegen neben einem geeigneten Qualitäts­management auch Bewusstseinsveränderungen und Reformen in vielen anderen Bereichen.

Literatur

[1] ANSI/ASHRAE/IESNA Standard 90.1 Energie Standard for Buildings Except Low-rise Residental Buildings. Atlanta, 2001 (2007)

[2] BSR/ASHRAE/USGBC/IESNA Proposed Standard 189.1P Standard for the Design of High-Performance Green Building Except Low-Rise Residential Buildings. Atlanta, 2008

[3] Richtlinie 2002/91/EG des Europäischen Parlaments und des Rates Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden, 16. Dezember 2002 (wird zurzeit überarbeitet)

[4] DIN V 18599 Energetische Bewertung von Gebäuden – Berechnung des Nutz-, End- und Primärenergiebedarfs für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwarmwasser und Beleuchtung; Teil 1 bis 10. Berlin: Beuth Verlag, Februar 2007

[5] EnEV 2007: Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Gebäudetechnik bei Gebäuden. BGBl. 34, 26. Juli 2007 (die EnEV 2009 tritt voraussichtlich am 1. Oktober in Kraft)

[6] Stefan Dose, Alexander Käppler: Commissioning – Qualitätssicherung von RLT-Anlagen. Erfurt: Fachhochschule Erfurt, Masterarbeit (unv.), November 2008

[7] The building commissioning guide. Washington, U.S. General Services Administration (GSA), 2005,

[8] AIHonO Verordnung über die Honorare für Leistungen der Architekten und der Ingenieure (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure HOAI). Zuletzt geändert durch Artikel5 des Gesetzes vom 10. November 2001 (BGBl. I S. 2992), aktuell steht die 6. Novelle an.

[9] Achim Trogisch: RLT-Anlagen. Leitfaden für die Planungspraxis. Heidelberg: C.F. Müller Verlag, Hüthig, (1. Auflage), 2001

[10] Energy Design Resources Building Commissioning Guidelines. Portland: Portland Energy Conservation Inc., 2001, (siehe auch: http://www.energydesignresources.com )

Achim Trogisch

Prof. Dr.-Ing., lehrt an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden (FH) im Fachbereich Maschinenbau/Verfahrenstechnik auf dem Gebiet TGA. Telefon (03 51) 4 62 27 89 E-Mail: trogisch@mw.htw-dresden.de http://www.htw-dresden.de/mb