Nach der Reform ist vor der Reform. Die Politik hat sich mittlerweile bei wichtigen Gesetzen und Verordnungen damit arrangiert, dass sie eine Dauerbaustelle bleiben. Zumindest beim Wirken gilt das auch für die HOAI. Die letzte Novellierung trat erst 2009 in Kraft. Aber mit klaren Auflagen durch den Bundesrat: Den Reformprozess zu prüfen, falls erforderlich zu revidieren und den weiteren Reformbedarf anzugehen. Die aktuelle Bundesregierung hat dies in den eigenen Koalitionsvertrag übernommen: Wortwörtlich: „Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) wird auf der Grundlage des Bundesratsbeschlusses schnellstmöglich weiter modernisiert.“
Mittlerweile hat das Großprojekt Gestalt angenommen und sein Rahmen wurde abgesteckt. Als Fertigstellungstermin ist 2013 anvisiert. Was konkret bedeutet, dass das Finale im letzten Jahr der laufenden Legislaturperiode vor der Sommerpause und vor der heißen Wahlkampfphase stattfinden muss. Vorher sind viele Meilensteine pünktlich zu erreichen, sonst droht die Terminkette (siehe Kasten) ohne eine Chance auf Reparatur zu reißen. Für Ingenieure und Architekten also ein ganz normales Umfeld. Das Ziel heißt: Im Mai 2013 eine neue HOAI. Für langwierige Diskussionen ist im Zeitplan kein Puffer, es darf sie nicht geben.
Zu einem normalen Bauvorhaben unter Beteiligung der öffentlichen Hand gibt es bei der HOAI-Modernisierung allerdings einen wichtigen Unterschied: Für den „Bauherrn“ haben der Bundesratsbeschluss (siehe Kasten) und damit auch der Fertigstellungstermin höchste Priorität, Nachträge sind quasi chancenlos. „Jeder Vorschlag steht unter dem Vorbehalt der termingerechten Machbarkeit.“ Wichtige Anregungen der Branche wurden zwar als solche anerkannt, aber auch schon mit Verweis auf die Priorität der Liste für die folgende Novelle ergänzt, beispielsweise ein eigenes Leistungsbild für den Brandschutz. Auch eines der bedeutendsten Arbeitspakete wird in den nächsten drei Jahren wohl nur vorbereitet, aber dann der nächsten Bundesregierung übergeben: Das Planen/Bauen im Bestand im Preisrecht mit einem eigenen Leistungsbild realitätsnah zu verankern. Für viele Architektur- und Ingenieurbüros ist dies bereits heute das größte Betätigungsfeld. Nach der Reform ist vor der Reform.
Sachverstand ist wieder gefragt
Gründlich reformiert wurde von der Bundesregierung auch die Arbeitsweise an der HOAI-Reform. Hatte das federführende Bundeswirtschaftsministerium im Februar 2008 mit seinem HOAI-(Abschaffungs-)Entwurf noch einen Eklat provoziert und bis dahin die Beteiligung der Branche gemieden, baut man heute gezielt auf ihren Sachverstand. Auch das Bundesbauministerium hat jetzt eine starke Rolle im Reformprozess übernommen, nach der klassischen Rollenverteilung ist dies keine Selbstverständlichkeit. So ist die aktuelle HOAI-Reform eine Zwei-plus-zwei-Reform: Zwei Ministerien, der AHO – der Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung – sowie die Auftraggeberseite mit Vertretern aus den Ländern und der kommunalen Spitzenverbände.
Dass dies die volle Unterstützung der Bundesregierung hat, unterstrich der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) Hans-Joachim Otto MdB bei der Eröffnung der traditionellen AHO-Herbsttagung am 25. November 2010. Die konstruktive Zusammenarbeit mit dem AHO sei überaus wichtig bei der weiteren Novellierung der HOAI, zumal man das gleiche Ziel verfolge – eine moderne und praxisorientierte Honorarordnung. Mit dieser Vorgehensweise dürfte man das Ziel in allen Belangen besser erreichen, denn Irrwege kann man sich schon durch die terminlichen Zwänge nicht leisten.
Otto: „Der Austausch mit Ihnen, mit der Praxis, ist besonders wichtig und vorteilhaft. Wir wollen nicht, dass ausschließlich die Ministerialbeamten entscheiden. Was sollte falsch daran sein, die Menschen mit der Praxiserfahrung mit in den Prozess einzubeziehen? Was sollte falsch daran sein, widerstreitende Interessen möglichst früh zum Ausgleich zu bringen und sich Zeit für die Diskussion zu nehmen? Beide Ministerien sind selbstbewusst und aufgeschlossen genug, sich bereits in diesem frühen Stadium der Auseinandersetzung mit den Fachleuten zu stellen. Das verstehen wir unter moderner Gesetzgebung.“ Otto versprach eine moderne HOAI, die fachlichen, wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Anforderungen gerecht wird. Frühere Bestrebungen, die HOAI aufzuheben, seien eindeutig vom Tisch. Denn die HOAI bringe die Interessen aller Beteiligten in einen guten Ausgleich.
„Wir haben einen ehrgeizigen Zeitplan für ein ehrgeiziges Projekt“, betonte auch der Leiter der Abteilung Bauwesen, Bauwirtschaft und Bundesbauten im Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) Ministerialdirektor Günther Hoffmann. Gleichzeitig zeigte er sich optimistisch, dass dieses Ziel unter der engagierten Mitwirkung aller Beteiligter umgesetzt werden kann. Die baufachliche Aktualisierung und Modernisierung der Leistungsbilder der HOAI soll unter enger Einbeziehung des Berufsstands der Architekten und Ingenieure bereits im zweiten Quartal 2011 abgeschlossen sein. Darauf aufbauend wird das BMWi ein Gutachten zur Überprüfung der Honorarstruktur und zur erforderlichen Anpassung der Honorartafeln beauftragen.
AHO drängt auf Rückführung
Die starke Rolle des AHO ist für den Ausschuss in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung, zumal das enorme Pensum ehrenamtlich geleistet wird. Wer mit am Tisch sitzt, muss aber auch durch das zeitliche Korsett zu Kompromissen fähig sein und dann auch für sie bei den eigenen Mitgliedern und in der Branche werben. Der zurzeit überall gelobte persönliche Umgang der Beteiligten miteinander hat am Ende in der Waagschale kein Gewicht mehr. Denn die Erwartungen sind hoch. Der AHO-Vorstandsvorsitzende Ernst Ebert betonte, dass die Wiederaufnahme der Leistungen für Umweltverträglichkeitsstudien, Thermische Bauphysik, Schallschutz und Raumakustik, Bodenmechanik, Erd- und Grundbau sowie Vermessungstechnische Leistungen (ehemals Teile VI, X-XIII HOAI 1996) in den verbindlichen Teil der HOAI ein zentrales Anliegen des AHO ist. Nachdrücklich forderte er eine schnellstmögliche Entscheidung der beiden Ministerien in dieser zentralen Frage.
Unumstritten ist hier inzwischen, dass es sich bei den sogenannten „Beratungsleistungen“, die mit der letzten HOAI-Novelle in die unverbindliche Anlage 1 ausgelagert wurden, um originäre Planungsleistungen und damit untrennbare Teile eines interdisziplinären Gesamtplanungsprozesses handelt. Dazu hat der AHO auf seiner Herbsttagung auch eine Studie vorgelegt, die dies aus unterschiedlichen Blickwinkeln bestätigt. Die politische Grundsatzfrage ist damit allerdings noch nicht entschieden.
Dabei ist es bereits kurz nach dem Inkrafttreten deutlich, dass das begrenzte Live-Experiment „ohne verbindliches Preisrecht“ keine Gewinner hat. Langfristig ist sogar analog zu den Entwicklungen im Ausland eine Verteuerung der Anlage-1-Leistungen vorgezeichnet. Denn auch hier war die HOAI bisher kaum eine Einkommenssicherungs-Verordnung, sondern eher eine Einkommensbegrenzungs-Verordnung. Wichtigster Aspekt ist aber die Qualität, Leistungsmängel können hier schnell erhebliche Kostenauswirkungen für die Bauherren haben.
Honorare sind nicht auskömmlich
Im günstigsten Fall muss die Branche also rund vier Jahre mit der aktuellen HOAI leben. Eines der größten Probleme existiert durch die neuen Regelungen zum Planen/Bauen im Bestand. Hier besteht dringender Nachbesserungsbedarf. Sonst drohen massive Honorarverluste, wie die Diskussionsrunde „Praxisbilanz nach einem Jahr HOAI 2009“ auf der AHO-Herbsttagung verdeutlichte. Zwar könne man mit der neuen Regelung prinzipiell auf das gleiche Honorar kommen, der dann erforderliche Zuschlag (§ 35 Leistungen im Bestand, HOAI n.F.) für Leistungen bei Umbauten und Modernisierungen erreiche dabei aber eine unrealistische Größenordnung. Klaus Schetter, HTW Ingenieurgesellschaft für technische Gebäudeausrüstung, berichtete von einem konkreten Projekt, für das das Honorar nach alter und neuer Fassung ermittelt wurde. Durch den Wegfall der anrechenbaren Bausubstanz wurde ein Umbauzuschlag von 63 % ermittelt, um auf das gleiche Honorar mit ursprünglich 20%igem Umbauzuschlag zu kommen. Umbauzuschläge von über 50 % seien aber nicht marktfähig, waren sich die Teilnehmer der Diskussion einig, die von ähnlichen Werten für ihre Bereiche berichteten. Ein eigenes Leistungsbild „Planen im Bestand“ bis 2013 ist dennoch nicht realistisch. Hoffmann kündigte aber geeignete Bewertungskriterien an.
Dringenden Handlungsbedarf hat erneut auch der AHO-Bürokostenvergleich 2009 aufgezeigt. Die Ergebnisse sind schlechter als im Jahr 2008, allerdings ist der Einbruch angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht so stark wie befürchtet ausgefallen. Dennoch öffnet sich die Schere zwischen Kosten und Ertrag immer weiter, die Umsatzrendite der Büros sank im Durchschnitt von 5,8 % im Jahr 2008 auf nur noch 3,4 %. Zukunftsinvestitionen lassen sich davon nicht tätigen. Etwa 40 % der Büros, darunter vorwiegend kleinere, schreiben rote Zahlen. Auch die „Selbstausbeutung“ hat weiter zugenommen. Damit einher geht der Mangel und Verlust an Fachkräften. In benachbarten Branchen und der verwandten Industrie werden deutlich höhere Gehälter gezahlt und auch hier existiert kontinuierlich hoher Personalbedarf. Angesichts der Ergebnisse des AHO-Bürokostenvergleichs bekräftigte Ebert die Notwendigkeit zur Entwicklung zukunftsweisender Honorarstrukturen und einer deutlichen Anhebung der Tafelwerte im Zuge der weiteren HOAI-Novellierung.Jochen Vorländer
Mehr Infos zum Thema im TGAdossier HOAI: Webcode 717
Entschließung des Bundesrats
In seiner Sitzung am 12. Juni 2009 hatte der Bundesrat beschlossen, der Novelle der Bundesregierung zur Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) zuzustimmen. Gleichzeitig wurde eine Entschließung gefasst (Download des Volltextes über Webcode 302488):
1. Der Bundesrat erkennt an, dass die Verordnung seine Forderungen im Wesentlichen umsetzt und den Vorgaben der europäischen Dienstleistungsrichtlinie genügt. […]
2. Der Bundesrat bestärkt die Bundesregierung dabei in ihrem Vorhaben, die HOAI in einem zweiten Schritt inhaltlich weiterzuentwickeln.
3. Der Bundesrat begrüßt es weiter, dass mit der Novelle die Honorarsätze durchgängig um zehn Prozent angehoben werden.
4. Der Bundesrat hält nach Inkrafttreten der Verordnung eine weitere Modernisierung und redaktionelle Überarbeitung innerhalb der folgenden Legislaturperiode für erforderlich. Er bittet die Bundesregierung, dabei insbesondere
- eine Modernisierung und Vereinheitlichung der Leistungsbilder,
- eine Wiederaufnahme der in den Teilen X bis XIII der HOAI in der Fassung vom 1. Januar 1996 geregelten staatlichen Preisvorgaben in den verbindlichen Teil,
- eine Überprüfung der Honorarstruktur und
- eine weitere Verschlankung
unter dem Blickwinkel des Wandels der Berufsbilder, der Umweltbelange und der Regeln der Technik zu untersuchen.
5. Für nicht unproblematisch hält er jedoch, dass die Vorgabe verbindlicher Honorarsätze im Wesentlichen auf Planungsleistungen beschränkt wird und die Honorare für Beratungsleistungen nicht verbindlich geregelt werden, sondern künftig frei vereinbart werden können (§ 3 Absatz 1 Satz 2 HOAI). Der Bundesrat hält es für erforderlich, die Auswirkungen dieser Entscheidung kritisch zu begleiten und gegebenenfalls zur Verbindlichkeit der Honorare für Beratungsleistungen nach Anlage 1 der Verordnung zurückzukehren.
6. Der Bundesrat erinnert die Bundesregierung daran, dass die in Anhang 1 der Verordnung aufgenommenen Leistungsbilder und die damit zusammenhängenden Honorare teilweise nicht mehr den geltenden Regeln der Technik und vorgreiflichem öffentlichem Recht entsprechen und schnellstmöglich nachgearbeitet werden müssen.
7. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, ihm – auf Grundlage des von der Bundesregierung angekündigten Gutachtens – innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der novellierten HOAI über die Entwicklung sowie über möglicherweise notwendige Anpassungsmaßnahmen insbesondere im Hinblick auf die Auskömmlichkeit der Honorarstruktur, die Leistungsbilder, die Anrechenbarkeit nach Bausubstanz sowie die Regelung der Objektüberwachung der HOAI zu berichten.
8. Der Bundesrat teilt nicht die Einschätzung der Bundesregierung, dass kein Allgemeininteresse für eine verbindliche Regelung der Honorare für Leistungen der örtlichen Bauüberwachung bei Ingenieurbauwerken und Verkehrsanlagen und für die in die Anlage 1 ausgegliederten Ingenieurleistungen bestehe. […]
Terminplan zur HOAI 2013
- Abschluss der Untersuchungen zur Aktualisierung der Leistungsbilder im 2. Quartal 2011
- Darauf aufbauend soll ein Gutachten die Honorarstruktur überprüfen; die Ergebnisse müssen ca. im April/Mai 2012 vorliegen, um für das Verordnungsgebungsverfahren einen ausreichenden Zeitraum offenzuhalten.
- Vorlage des Referentenentwurfs im September 2012.
- Anhörung der Bundesländer und Verbände sowie Ressortabstimmungen im Oktober / November 2012.
- Entscheidung des Bundeskabinetts im Dezember 2012.
- Beteiligung des Bundesrats von Januar bis März 2012.
- Entscheidung des Bundesrats bis Ende März 2013.
- Veröffentlichung der HOAI im Bundesgesetzblatt im April / Mai 2013.