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- Viele Kommunen haben es in den letzten Jahren versäumt, ihre Bauverwaltung mit ausreichend Ingenieuren und TGA-Experten auszustatten. Im Gegenteil, parallel wurde sogar Personal abgebaut – Kapazitäten, die bereits heute fehlen.
- Da zudem in den nächsten zehn Jahren mindestens ein Viertel der derzeit aktiven TGA-Ingenieure in den Ruhestand gehen dürfte, benötigt die öffentliche Bauverwaltung dringend Ersatz, um alle anstehenden Bauaufgaben erfüllen zu können.
- Insgesamt bräuchte die öffentliche Bauverwaltung dafür 13 800 TGA-Fachkräfte statt der derzeit rund 7500. Dazu kommt ein altersbedingter Ersatzbedarf von etwa 1800 TGA-Ingenieuren.
Wie ist der aktuelle, bundesweite Bestand an TGA-Ingenieuren – und wie wird sich der künftige Bedarf entwickeln? Diese Ausgangsfragen hat der Auftraggeber der Studie, das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, gestellt. Eine berechtigte Fragestellung, denn die Technische Gebäudeausrüstung erfährt als Branche aktuell einen enormen Bedeutungszuwachs – Stichworte hier sind Digitalisierung und steigendes Umweltbewusstsein.
Die Leistungen von TGA-Spezialisten werden für vielfältige Projekte aufgerufen, sie betreuen etwa Universitäten, Wohn- und Verwaltungsgebäude, Krankenhäuser, Laborgebäude bis zu großen Industriekomplexen. Dabei ist die TGA im klassischen Sinne ein Teilgebiet der Versorgungstechnik; ihre Ingenieure beschäftigen sich mit fünf Kerndisziplinen (VDI-Definition):
- Heizung: also Wärmeerzeuger sowie -speicher und -lagerung, Vertrieb und Abgabe
- Sanitär: etwa Wasserverteilung, Abwasser oder Zubehör wie Waschbecken, Duschen, Badewannen etc.
- Lüftung und Kühlung: Hier werden z. B. Lüftungsanlagen oder Klimaanlagen samt Zubehör installiert.
- Elektrotechnik: Dabei geht es rund um die Elektroinstallationen (Verlegung von Leitungen, Beleuchtung etc.), um IT-Infrastrukturen, Steuerungs- und Sicherheitstechnik.
- Fördertechnik: primär die Personenbeförderung in Gebäuden, also Aufzüge und Rolltreppen
Aktueller Bestand an TGA-Ingenieuren
Zunächst vielleicht überraschend: In Deutschland wird eine eigenständige Berufs- oder Berufsuntergruppe „Technische Gebäudeausrüstung (TGA)“ nicht erfasst! Nach welchen Quellen kann also dennoch der Bestand an TGA-Ingenieuren im Arbeitsmarkt abgeschätzt werden? Die Kombination dieser drei Statistiken bietet sich an:
- Statistisches Bundesamt: Erwerbsbeteiligung der Bevölkerung. Ergebnisse des Mikrozensus zum Arbeitsmarkt. Fachserie 1 Reihe 4.1 – 2017.
- Statistisches Bundesamt: Mikrozensus: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit – Beruf, Ausbildung und Arbeitsbedingungen der Erwerbstätigen in Deutschland. Fachserie 1 Reihe 4.1.2 – 2015.
- Bundesagentur für Arbeit: Beschäftigte nach Berufen (Klassifikation der Berufe 2010) – Deutschland, West/Ost und Länder (Quartalszahlen) – Dezember 2017.
Mit dieser Datenlage ist es möglich, eine Annäherung für den Bereich TGA zu ermitteln. Zunächst geschieht dies über die Berufshauptgruppe „34 Gebäude- und versorgungstechnische Berufe“. Hier sind für die TGA-Branche relevante Berufsgruppen zusammengefasst Abb. 2. In dieser Berufshauptgruppe 34 führt das Statistische Bundesamt für 2015 insgesamt 891 000 Erwerbstätige auf Abb. 3.
Nur 8 % der TGA-Stellen in der öffentlichen Bauverwaltung
Interessant ist im Weiteren die Frage, in welchen Wirtschaftsbereichen die Erwerbstätigen in der Berufshauptgruppe „Gebäude- und versorgungstechnische Berufe“ arbeiten. Platz eins belegt das Baugewerbe mit 32 %, gefolgt von der Wohnungswirtschaft mit 21 %. Die öffentliche Bauverwaltung folgt erst an sechster Stelle, hier sind rund 8 % oder 75 000 Erwerbstätige aufgeführt Abb. 4.
Die vorliegende Statistik erlaubt es nun, diese 75 000 Erwerbstätigen in der „öffentlichen Verwaltung“ noch einmal zu unterteilen – in drei Berufsuntergruppen. Danach entfallen gut zwei Drittel auf die Berufsgruppe „Gebäudetechnik“, ein gutes Viertel auf die Berufsgruppe „Ver- und Entsorgung“ – und der verbleibende Rest ist der Berufsgruppe „Klempnerei, Sanitär, Heizung, Klimatechnik“ zuzurechnen Abb. 5.
TGA: Jeder Zehnte ist Spezialist oder Experte
Wenn im Jahr 2015 also 75 000 Personen in der öffentlichen Verwaltung im Bereich Gebäude- und Versorgungstechnik arbeiten, bleibt doch die Frage: auf welchen Positionen? Wenngleich hier nur der Bestand an TGA-Ingenieuren interessiert, so machen diese doch nur ein Segment der Berufshauptgruppe „Gebäude- und versorgungstechnische Berufe“ aus. Der Mikrozensus des Statistischen Bundesamts erfasst alle Beschäftigten – von der angelernten Kraft bis zum akademisch ausgebildeten Geschäftsführer der Gebäudewirtschaft.
Trotzdem kann dieser Berufsstand eingegrenzt werden, hier hilft die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit weiter. Für alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in den einzelnen Berufshauptgruppen werden auch Anforderungsprofile erhoben. Konkret sind die Beschäftigten eingeteilt in die Kategorien Helfer, Fachkraft, Spezialist und Experte.
TGA-Ingenieure sind den Kategorien „Spezialist“ und „Experte“ zuzurechnen: Bei den „Spezialisten“ werden die notwendigen Kenntnisse im Rahmen von Fort- und Weiterbildung (Meister / Techniker) oder über einen Bachelorabschluss an der Hochschule erworben. Zur Einstufung als Experte führt eine mindestens vierjährige Hochschulausbildung.
In konkreten Zahlen ausgedrückt arbeiteten im Dezember 2017 in der Berufshauptgruppe „Gebäude- und versorgungstechnische Berufe“ 8 % der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten als „Spezialisten“ und 2 % als „Experten“. Zusammen sind dies 10 % aller aufge-führten Personen Abb. 6. Diese relative Größe lässt sich nun auf die 75 000 Beschäftigten der Gebäude- und Versorgungtechnik im öffentlichen Dienst übertragen: Somit kann ein Bestand von kumuliert rund 7500 Beschäftigten, die als Spezialisten und Experten in der Gebäude- und Versorgungstechnik tätig sind, errechnet werden.
Und der künftige Bedarf an TGA-Ingenieuren?
Aktuell leisten also rund 7500 TGA-Ingenieure ihre Dienste in der öffentlichen Bauverwaltung. Dies ist bereits heute keine ausreichende Zahl an Personen – erst recht nicht in zehn Jahren. Denn zum einen wird aus dem alters- bzw. demografiebedingten Ersatzbedarf eine hohe Personalnachfrage resultieren. Viele der heute erwerbstätigen Ingenieure werden bis 2028 aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Zum anderen schlägt hier auch der gesamtwirtschaftliche Zusatzbedarf zu Buche – mit anderen Worten: Wie viele Ingenieure werden aufgrund langfristiger Wachstumstrends zusätzlich benötigt?
Starten wir mit der Demografie: Wie viele neue Ingenieure braucht es in den kommenden zehn Jahren, um zumindest den Bestand aufrechtzuerhalten? Im Mikrozensus für 2015 werden in der fraglichen Berufshauptgruppe 30 % der Erwerbstätigen als „55 Jahre und älter“ aufgeführt. Ein Kraftakt – auch in absoluten Zahlen: Bezogen auf die Grundgesamtheit der Gruppe steht hier bis 2028 ein altersbedingter Ersatzbedarf von ca. 261 000 Personen an Abb. 7.
Demografie: Rund ein Viertel ist bis 2028 im Ruhestand
Überträgt man nun rechnerisch die 30 % des altersbedingten Ersatzbedarfs auf die öffentliche Bauverwaltung, müssten dort von den 75 000 Erwerbstätigen also rund 22 500 Stellen in den nächsten zehn Jahren aus Altersgründen ersetzt werden.
Allerdings dürfte in der öffentlichen Verwaltung der Anteil der über 65-jährigen Erwerbstätigen bei Weitem nicht so hoch ausfallen wie im Unternehmenssektor, da hier zu den Erwerbstätigen auch die Selbstständigen zählen. Insofern kann bei der öffentlichen Bauverwaltung die Altersgrenze auf 65 Jahre angesetzt werden, was entsprechend einem Anteil der zu ersetzenden Personen von rund einem Viertel entspricht (24 %) bzw. in absoluten Zahlen 18 000 Erwerbstätigen.
Übertragen auf die 7500 Spezialisten und Experten im Bereich der öffentlichen Gebäude- und Versorgungstechnik wären hier in den nächsten zehn Jahren etwa 1800 Personen zu ersetzen.
Das große Plus: Zusatzbedarf an TGA-Ingenieuren
Wird das derzeitige volkswirtschaftliche Wachstum nachhaltig anhalten, steigt der Bedarf an Ingenieuren zusätzlich. Besonders die Nachfrage steigern werden wachsende Bauinvestitionen der öffentlichen Hand. Der zusätzliche Bedarf ist immens – es gilt, einen enorm hohen Investitionsstau abzubauen, der sich auch im kommunalen Bereich aufgebaut hat. Beispiel KfW-Kommunalpanel: Für 2017 liegt der von den befragten Städten, Gemeinden und Landkreisen angegebene Investitionsrückstand bei 159 Mrd. Euro Abb. 8. Die größten Investitionsbedarfe der Kommunen zeigen sich in der Verkehrsinfrastruktur und bei Schulen.
Zur Abarbeitung dieses Investitionsrückstands ist der Einsatz weiterer TGA-Ingenieure erforderlich. Derzeit wird in den Kommunen ein Investitionsvolumen von zuletzt 18 bis 19 Mrd. Euro/a realisiert Abb. 9.
Soll der Investitionsrückstand von 159 Mrd. Euro innerhalb von zehn Jahren abgebaut werden, müssten pro Jahr zusätzlich knapp 16 Mrd. Euro verausgabt werden. Statt rund 19 Mrd. Euro wie im Mittel der vergangenen zehn Jahre müssten künftig 35 Mrd. Euro ausgegeben werden, was einem Anstieg um 84 % entspricht.
Die jetzigen Bauinvestitionen in Höhe von durchschnittlich 19 Mrd. Euro werden mit einem Bestand von rund 7500 Beschäftigten als Spezialisten oder Experten für die Gebäude- und Versorgungstechnik mehr schlecht als recht erbracht.
Wollte man eine um 84 % höhere Investitionssumme realisieren, so würden allein hierzu weitere 6300 TGA-Ingenieure benötigt. Damit würde sich die Zahl der Spezialisten bzw. Experten für die Gebäude- und Versorgungstechnik auf 13 800 erhöhen!
Zusammen mit dem altersbedingten Ersatzbedarf in Höhe von 1800 Personen benötigt die öffentliche Bauverwaltung also weitere 6300 TGA-Spezialisten und -Experten für die Gebäude- und Versorgungstechnik, um alle künftig anstehenden Bauaufgaben erfüllen zu können.
Insgesamt käme die öffentliche Bauverwaltung also auf ca. 8100 zusätzliche/neue TGA-Experten bzw. -Spezialisten, was mit plus 107 % etwas mehr als einer Verdoppelung des derzeitigen Bestandes entspräche.
Die Frage aller Fragen: Woher den Zusatzbedarf nehmen?
Ist die Rekrutierung des dringend benötigten TGA-Personals angesichts der Konkurrenz etwa zum Baugewerbe und den Ingenieurbüros derzeit grundsätzlich bereits schwierig, so verschärft sich die Situation noch durch die Entwicklung beim Nachwuchs: Leider ist die Zahl der Studienanfänger in den besonders TGA-relevanten Bereichen Versorgungstechnik, Elektrotechnik und Bauingenieurwesen seit dem Wintersemester 2011/12 rückläufig Abb. 10.
Das Studium ausgerechnet dieser drei wichtigen ingenieurwissenschaftlichen Disziplinen konnte also nicht vom generellen Studentenboom der vergangenen Jahre profitieren. Auch wenn sich bei den Bauingenieuren aktuell eine vorsichtige Trendwende abzeichnet, so wird diese erst in einigen Jahren auf den Markt durchschlagen – wenn überhaupt.
Das Forschungsprojekt
„Entwicklung eines Konzepts zur Gewinnung von Ingenieurnachwuchs für die öffentliche Bauverwaltung, insbesondere im Bereich TGA“ läuft noch bis Ende 2019. Die hier dargestellten Ausführungen basieren auf dem ersten Teil des Forschungsprojekts, einer grundlegenden Bestands- und Bedarfserhebung. In einem zweiten Teil wurden aus dem entwickelten Konzept verschiedene Maßnahmen abgeleitet, die bis Ende 2019 umgesetzt werden. Unter anderem zählt dazu auch ein spezieller Karrieretag für die öffentliche Bauverwaltung, der am 13. November 2019 im Wissenschaftspark in Gelsenkirchen stattfindet und bei dem die Ausstellergebühren für Arbeitgeber der öffentlichen Bauverwaltung über das Forschungsprojekt getragen werden.
Weitere Auskünfte: e.paulsen@bwi-bau.de. Dr. Enno Paulsen ist im BWI-Bau zuständig für das Ressort Branchenanalyse/Baumarktökomomie und verantwortet im Forschungsprojekt die Ermittlung von Annäherungswerten für die Bestands- und Bedarfserhebung.
Weitere Auskünfte zum Forschungsprojekt und zum Karrieretag Öffentliche Bauverwaltung: e.bodenmueller@bwi-bau.de. Dipl.-Kfm. Elvira Bodenmüller verantwortet als Prokuristin die Leitung des Forschungsprojekts und koordiniert die verschiedenen Maßnahmen.