Thermografie- bzw. IR-Kameras vereinfachen die Kontrolle und Instandhaltung technischer Anlagen und machen potenzielle Schadstellen sichtbar. Eine wichtige Voraussetzung ist eine gute IR-Kamera. Was macht sie aus – und was sind die Unterschiede zur Einstiegs- und Oberklasse?
Der Artikel kompakt zusammengefasst
■ Mit IR-Kameras kann der thermische Zustand technischer Anlagen berührungslos, gefahrlos, unter Last und ohne Betriebsunterbrechung begutachtet werden.
■ Der anspruchsvolle TGA+E-Einsatzbereich setzt allerdings eine Thermografie-Kamera mit einem Detektorformat ab 320 × 240 IR-Pixel, einer thermischen Auflösung von mindestens 0,06 K sowie eine Kameraoptik mit einer präzise einstellbaren Fokussierung voraus.
■ Neben einer professionellen Wärmebildtechnik muss der Thermograf sowohl über ein durch Schulungen erworbenes und durch Zertifikate belegtes Fachwissen als auch praktische Erfahrung verfügen sowie einschlägige Richtlinien kennen, um thermische Auffälligkeiten richtig interpretieren und beurteilen können.
Für die Elektro- und Anlageninspektion spielt das die Bildqualität bestimmende Detektorformat sowie die thermische und geometrische Kameraauflösung eine entscheidende Rolle. Ist die Bildqualität ungenügend, besteht die Gefahr, dass man Probleme übersieht. Mit einer hochwertigen Thermografie- bzw. Infrarot(IR)-Kamera lassen sich diese Fehlerquellen vermeiden und Abläufe optimieren.
Während sich IR-Einsteigerkameras teilweise überhaupt nicht eignen oder mehrere Aufnahmen und kürzere Distanzen zum Messobjekt voraussetzen, um Details überhaupt erkennen zu können, genügt mit einer hochwertigen Kamera häufig eine einzige Aufnahme. Das beschleunigt sowohl die Erfassung als auch die Auswertung der Wärmebilder.
Was macht eine gute IR-Kamera aus?
Ein wichtiges Unterscheidungs- und Auswahlkriterium ist die Größe des Detektors. Dieses optoelektronische Bauelement wandelt Wärmestrahlung in ein elektrisches Signal um und macht es dadurch messbar. Detektoren handgeführter Thermografiekameras bestehen aus Mikrobolometer-Focal Plane Arrays (FPA) – einer Matrix aus winzigen Strahlungsdetektor-Zellen. Je dichter das Matrixraster ist und je mehr Detektorzellen vorhanden sind, desto höher ist die Bildauflösung (Infrarot-Auflösung).
Mittelklasse-Kameras verfügen über ein Detektorformat von 320 × 240 IR-Bildpunkten und damit über eine Bildauflösung, die auch im Sachverständigenbereich, für Gutachten oder juristische Beweismittel ausreicht. Zunehmend werden Mittelklasse-Kameras mit größeren Detektorformaten offeriert, beispielsweise mit 384 × 288 oder 640 × 480 IR-Bildpunkten und mehr. Das macht sich in der Bildqualität unmittelbar bemerkbar
Auch die von einigen Herstellern verwendete Resolution-Enhancement-Technologie (RET) zur Steigerung der IR-Auflösung trägt dazu bei, dass sich Wärmebilder der Bildqualität von visuellen Fotos langsam nähern. Neben dem Detektorformat hat die thermische Auflösung einen weiteren Einfluss auf die Bildqualität. Dieser auch als NETD (Noise Equivalent Temperature Difference) oder als thermische Empfindlichkeit bezeichnete Kennwert gibt die kleinste Temperaturdifferenz an, die vom Detektor erfasst werden kann. Er liegt bei Profi-Kameras zwischen 0,06 und 0,03 K bei 30 °C. Bei Highend-Kameras liegt er unter 0,03 Kelvin. Je kleiner dieser Wert ist, desto geringer ist das die Bildqualität beeinträchtigende „Bildrauschen“.
Die geometrische Auflösung, auch IFOV (Instantaneous Field of View) genannt, ist abhängig vom Detektorformat und vom Kameraobjektiv. Der in Milliradiant (mrad) angegebene IFOV definiert die kleinstmögliche Fläche auf dem Messobjekt (Messfleckgröße), die aus 1 m Entfernung einer einzelnen Detektorzelle in einem Wärmebild zugeordnet werden kann.
Zu den weiteren Qualitätskriterien gehören die Kameraobjektive. Während in Einsteigermodellen winzige Silizium-Objektive mit fester Brennweite verbaut sind, verfügen Mittelklasse-Kameras über höherwertige Objektive und einem manuell, teilweise zusätzlich auch motorisch einstellbarem Fokus. Zu den Qualitätsmerkmalen von Objektiven gehören die IR-Transmission, die angibt, wie viel Wärmestrahlung vom Objekt auf dem Detektor ankommt, das Auflösungsvermögen, die Abbildungstreue sowie die Qualität der Beschichtung.
Wie schnell und präzise der ergänzend zum manuellen Fokus zuschaltbare Autofokus anspricht, hängt wiederum von der eingebauten Optomechanik und Steuerelektronik ab. Letztere entscheidet auch darüber, wie schnell die Kamera nach dem Einschalten einsatzbereit ist. Auch andere Details, wie das Serviceangebot (Kalibrierung, Wartung, Schulungsangebote etc.) machen den Qualitäts- und Preisunterschied aus.
Die äußerlichen Unterschiede
Beim Gehäusedesign dominiert die Pistolen-Bauform. Auch hier zeigen sich die Unterschiede zur Oberklasse, die sich zunehmend durch Kamera-Designs mit großem Touchscreen und einem seitlich angeordneten drehbaren Objektiv auszeichnet. Ebenso wie Modelle mit einer baulich voneinander getrennten Sensor- und Bedieneinheit vereinfacht das beispielsweise Aufnahmen in beengten räumlichen Situationen, aus der Froschperspektive oder Überkopf-Aufnahmen.
Wichtig ist, dass die Kamera ausgewogen und nicht kopflastig ist, bequem und mithilfe einer individuell einstellbaren Handschlaufe sicher in der Hand liegt. Kameras aus dem mittleren Preisbereich verfügen meist über ein kratz- und schlagfestes ABS-Kunststoffgehäuse die voll- oder teilgummiert und damit griffiger sind. Für den rauen Outdoor-Einsatz sind fast alle Kameras gemäß Schutzart IP54 staub- und spritzwassergeschützt.
Das Bediendisplay verfügt in der Regel über eine Auflösung von 640 × 480 Pixel, ist bei Mittelklasse-Kameras aber meist nicht ausklappbar und um zwei Achsen in beliebige Richtungen drehbar. Dies ist erst bei Profikameras üblich. In der Mitteklasse wird man auch einen zusätzlichen Sucher, der auch Aufnahmen bei starker Sonneneinstrahlung ermöglicht – etwa bei der Untersuchung von Photovoltaik-Anlagen (Photovoltaik-Anlagen sicher und wirtschaftlicher betreiben, TGA+E 11-2023), vergeblich suchen.
Wie unterscheidet sich die Bedienung?
Bedient wird die Kamera in der Regel über Pfeiltasten oder einen Mini-Joystick und weitere, teilweise programmierbare Tasten. Einige Kameras lassen sich auch per Touchscreen bedienen, allerdings meist nicht mit Handschuhen. Wichtig ist, dass häufig benötigte manuelle Einstellungsfunktionen, insbesondere Messbereich, Emissionsgrad, reflektierte Temperatur, Temperaturskala und -spreizung etc., ohne umständliche Suche direkt aufrufbar sind.
Zu den mobilen Mess- und Analysefunktionen sollten die Hotspot-/Coldspot-Anzeige, frei positionierbare Messpunkte sowie eine in ihrer Größe änderbare und frei positionierbare Messbereichsmarkierung mit Minimal-, Maximal- und Durchschnittswertanzeige gehören. Damit lassen sich Wärmebilder – noch vor der eigentlichen Auswertung per Auswertungssoftware im Büro – bereits vor Ort am Kamera-Display begutachten.
Alarmmarken machen auf Messwertüber- oder -unterschreitungen aufmerksam, Isothermen heben alle Bildbereiche eines zuvor definierten Temperaturbereichs farblich hervor. Standard bei den meisten Kameras ist die Bild-im-Bild-Funktion oder die partielle Überlagerung von Thermografie- und Realbild. Damit lassen sich Sachverhalte anschaulicher darstellen und Problemstellen besser lokalisieren. Teilweise werden Wärmebild- und visuelle Bilddaten in Echtzeit rechnerisch zusammengefügt, was für einen höheren Kontrast im Wärmebild sorgt.
Bei sehr großen Messobjekten, etwa einem PV-Solarpark, kann eine in der Kamera integrierte Panorama-Funktion nützlich sein. Mit ihrer Hilfe lassen sich nacheinander in horizontaler und / oder vertikaler Richtung aufgenommene Einzelbilder schon bei der Aufnahme rechnerisch zu einem Gesamtbild passgenau zusammenfügen.
Was ist noch wichtig?
Praktisch ist auch eine lasergestützte Anzeige des aktuellen Objektabstands zur Ermittlung der kleinstmöglichen Messfleckgröße. Auch ein Headset für Sprachnotizen kann wertvolle Dienste leisten, weil man sich so Stift und Papier für Bildkommentare spart und die Hände frei hat. Funkübertragungsstandards wie etwa Bluetooth oder WLAN ermöglichen die drahtlose Datenübernahme etwa von externen Zangenstrommessern, die Anzeige von Wärmebildern auf einem Smartphone oder eine Kamera-Fernsteuerung.
Eine weitere, beispielsweise für die Instandhaltung technischer Anlagen nützliche Zusatzfunktion kann eine Messorterkennung per GPS-Modul sein, mit der sich Wärmebilder geografisch verorten lassen.
Ein Schwachpunkt bei nahezu allen Modellen ist die integrierte visuelle Digitalkamera. Bildauflösungen von 5, 3 oder noch weniger Megapixeln sind nicht mehr Stand der Technik und ermöglichen nur verschwommene Fotos, insbesondere bei schlechten Lichtverhältnissen. Abhilfe schaffen nur eine separate Digitalkamera oder ein Smartphone mit guter Fotoqualität.
Durch die Infrarotstrahlung auf den Detektor und Umwelteinflüsse kann sich das Messverhalten einer IR-Kamera im Laufe der Zeit verändern. Um weiterhin genaue Messwerte zu gewährleisten, ist eine jährliche oder zweijährliche Inspektion und Kalibrierung notwendig. Dabei werden die verschiedenen Temperaturbereiche, das Objektiv und der Umgebungstemperaturausgleich der Kamera überprüft und gegebenenfalls neu kalibriert. Die Kosten hierfür liegen zwischen 150 und 500 Euro.
Zum optionalen Serviceumfang des Anbieters sollten eine kostenfreie Servicehotline, regelmäßige Software-Updates zur Auswertung sowie ein umfassendes Schulungsangebot gehören. Dieses sollte sowohl Einstiegskurse als auch fachspezifische Schulungen oder Zertifizierungen umfassen. Insbesondere angehende Thermografen sollten diese Angebote nutzen, da die thermografische Erfassung, Auswertung und Interpretation technischer Anlagen sehr anspruchsvoll ist. Neben einer hochwertigen Wärmebildtechnik muss der Thermograf zwingend über fundiertes Fachwissen, das durch Schulungen und Zertifikate belegt ist, sowie praktische Erfahrung verfügen. Zudem sollte er die relevanten Richtlinien des jeweiligen Einsatzbereichs kennen, um thermische Auffälligkeiten korrekt interpretieren und bewerten zu können.
Was bietet der Markt?
Namhafte Anbieter wie Teledyne Flir, Fluke, Testo etc. haben gleich mehrere Modelle aus den verschiedenen Geräteklassen im Programm. Deshalb sollte man bei der Auswahl vorher sorgfältig überlegen, wie leistungsfähig die Kamera im Hinblick auf den jeweiligen Einsatzzweck sein soll. Dazu bietet dieser tabellarische Produktvergleich ausgewählter Mittelklasse-Kameras eine erste Orientierung. Verglichen werden die im Folgenden genannten technischen Parameter.
Zuvorderst stehen das native Detektorformat der Kamera und die geometrische Auflösung (IFOV). Das Seh- oder Bildfeld gibt in vertikaler und horizontaler Richtung den Erfassungsbereich der Standard-Optik an. Die Bildfrequenz sollte etwa um die 50 Hz (und höher) liegen und ist lediglich für die zeitliche Betrachtung thermischer Vorgänge relevant – etwa in der Maschinendiagnostik.
Weitere wichtige Parameter sind, neben dem Spektralbereich (Standard: 7,5 bis 14 µm), der erfasste Temperaturbereich, der im Elektro- und Anlagenbereich zwischen − 20 und + 500 °C liegen sollte, sowie die thermische Auflösung (NETD). Die Genauigkeit gibt die Messabweichung an; sie liegt bei ± 2 % oder ± 2 K.
Die IR-Kamera wird meist mit einem Standard- oder einem Weitwinkelobjektiv mit großem Sehfeld ausgeliefert, das optional durch ein Teleobjektiv erweiterbar sein sollte. Eine automatische Objektiverkennung macht den Objektivwechsel komfortabler und beugt Messfehlern vor.
Die Akkulaufzeiten sollten mindestens 3 bis 5 h betragen, damit man auch große Objekte ohne Akkuwechsel erfassen kann. Anbieterangaben hierzu sind allerdings häufig unrealistisch, denn sie basieren meist auf einem praxisfremden Nutzungsprofil. Deshalb sollte eine Ladestandsanzeige vorhanden und bei längeren Einsätzen ein geladener Ersatzakku immer in der Nähe sein. Der Standard-Lieferumfang einer IR-Kamera sollte mindestens ein Netzteil, eine Ladestation, ein Netz- und USB-Kabel, einen stabilen Transportkoffer und eine Auswertungs-Software umfassen. Darüber hinaus offerieren einige Anbieter ein umfangreiches optionales Zubehör, beispielsweise Wechseloptiken, Filter, Stative, Kamera-Schutzgehäuse, Datenkabel und anderes mehr. Marian Behaneck
Fachberichte mit ähnlichen Themen bündelt das TGA+E-Dossier Thermografie
Literatur
[1] DIN 54191 Zerstörungsfreie Prüfung - Thermografische Prüfung von elektrischen Anlagen,. Berlin: DIN Media, Oktober 2017
[2] VATh-Richtlinie Elektrothermografie: Niederspannung und Hochspannung. Nürnberg: Bundesverband für Angewandte Thermografie, Mai 2022, Download auf vath.de
[3] VdS 2851 Berührungslose Temperaturmessung (Thermografie) Hinweise für die Praxis. Köln: VdS Schadenverhütung, März 2021, Download auf shop.vds.de
[4] Schneider, D.: Einführung in die praktische Infrarot-Thermografie. Düren: Shaker Verlag, 2022
[5] Welche Kamera ist die Richtige?. Nürnberg: Bundesverband für Angewandte Thermografie, 2. Auflage, Stand 08-2024, Download auf vath.de
[6] Linktipps
www.thech.ch Thermografie Verband Schweiz
www.thermografie.co.at Österr. Gesellschaft für Thermografie
www.thermografie.de Dienstleister mit vielen Infos/Beispielen
www.vath.de Bundesverband für Angewandte Thermografie