Bundeswirtschaftsminister Dr. Philip Rösler (FDP) und Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen (CDU) treten nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bei der im Sommer 2011 von der Bundesregierung eingeleiteten Energiewende mit Macht auf die Bremse. Dazu soll erstens die Vergütung insbesondere für kostengünstige Solarstrom-Freiflächenanlagen vorzeitig und drastisch gekürzt und der Zubau von Photovoltaik-Anlagen in Deutschland bis 2017 auf 900 bis 1900 MW/a pro Jahr zurückgefahren werden. Zweitens soll nur noch maximal 90 % des Solarstroms neuer Anlagen nach dem EEG vergütet werden (Bericht von TGA Fachplaner) und drittens soll Deutschland in Zukunft in Brüssel mit einer Stimme sprechen – gegen die von EU-Kommissar Oettinger vorgeschlagenen verbindlichen Effizienzziele, so die DUH als Reaktion auf die heute verkündete „energiepolitische Einigung“ der beiden Minister.
„Weitgehend phantasiefreie Vorschläge“
Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse der DUH: „Nach monatelangem Phlegma macht die Bundesregierung nun Politik gegen die eigenen Energiewende-Beschlüsse. Aus dem kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen zwei zerstrittenen Ministern wird aber noch keine konsistente Energiepolitik.“ So liege der nun vorgeschlagene PV-Zubau in einem mittleren Korridor im Jahr 2022 um rund 10 GW niedriger als in dem erst vor wenigen Wochen von der Bundesnetzagentur genehmigten Szenariorahmen für den Stromnetzausbau. Die Vorschläge seien „weitgehend phantasiefrei“, weil sie die Spielräume, die sich aus den beeindruckenden Kostensenkungserfolgen der Solarbranche „nicht zur Entwicklung von Modellen zur besseren Systemintegration der Photovoltaik nutzen, sondern nur dumpf auf Verlangsamung der Energiewende setzen“.
Scheitern Merkels EU-Effizienzziele an Merkels Regierung?
Bei der Energieeffizienzrichtlinie versuche die Bundesregierung mit ihrem Vorschlag zudem, die von EU-Kommissar Oettinger vorgeschlagenen fixen Effizienzziele aufzuweichen und von vergangenen Effizienzgewinnen Kredit zu nehmen. Damit drohe sich Deutschland nicht nur innerhalb der EU zu isolieren. Gleichzeitig werde immer zweifelhafter, ob so die Ziele erreicht werden können, die Bundeskanzlerin Angela Merkel während der deutschen EU-Präsidentschaft 2007 gegen den Widerstand anderer Mitgliedstaaten durchgesetzt habe. Das gebe der Einigung zwischen Röttgen und Rösler nicht nur eine besondere Note, sondern werde auch die Durchsetzung von Effizienzzielen in der EU weiter verzögern.
„Überlebenstest für Solarbranche mit offenem Ausgang“
Für Rosenkranz ist die Solarkürzung „in dieser Schärfe und dieser Geschwindigkeit ein Spiel mit dem Feuer“. Zwar sei nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre eine Verstetigung des Solarausbaus durch eine kürzere Schrittfolge bei der Vergütungsdegression unausweichlich gewesen. Doch ebenso sicher sei, dass Teile der Branche nach der Halbierung der Vergütung in den letzten Jahren eine noch einmal beschleunigte Absenkung der nun angestrebten Größenordnung nicht überleben würden. Die Bundesregierung habe sich entschieden, „bei der Solarbranche, die trotz großer Erfolge bei der Kostenreduktion unter extremem Konkurrenzdruck aus Asien steht, einen Überlebenstest mit offenem Ausgang durchzuführen“.
FDP-Politik: „Ein Stück aus dem Tollhaus“
Es sei bezeichnend, dass andere Industriezweige, etwa die energieintensive Wirtschaft oder die Automobilindustrie in einer vergleichbaren prekären Situation mit jeder erdenklichen Form der Unterstützung durch die Regierung rechnen könnten, kritisiert Rosenkranz. Nachdem die Energiewende der Bundesregierung auch auf anderen Feldern, wie etwa bei der energetischen Gebäudesanierung (Bericht von TGAnewsletter) oder dem Ausbau der Offshore-Windparks, praktisch zum Erliegen gekommen sei, stelle sich angesichts der heute veröffentlichten Pläne die Frage „ob Rösler und Röttgen gerade die nächste Energiewende vollziehen“. Der Verdacht liege nahe, dass der traditionellen Energiewirtschaft, die die Energiewende seit Jahrzehnten blockiert habe und zuletzt durch den Zubau großer PV-Leistung erhebliche Gewinneinbußen hinnehmen musste, Zeit gekauft werden soll, auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Rosenkranz: „Die Energiewende ist bis heute weitgehend ein Erfolg des Mittelstands. Dass ausgerechnet ein Minister der angeblichen Mittelstandspartei FDP diese Entwicklung mit großem Elan bekämpft, ist ein Stück aus dem Tollhaus.“ ■
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