In Deutschland sind seit wenigen Jahren Kunststoffrohrleitungen in der Gas-Hausinstallation zugelassen – der Einsatz wird über die technische Regel für Gasinstallationen DVGW-TRGI 2008 geregelt. Vereinfach ausgedrückt, wird zur Gewährleistung der Brand- und Explosionssicherheit unterstellt, dass die Kunststoffleitung im Brandfall verbrennt, Gas austritt und der Gasströmungswächter schließt. Ohne Zweifel funktioniert diese Sicherheitskette im Rahmen von Baumusterprüfungen. Nach Einschätzung des DVGW bieten Gasleitungen aus Kunststoff deshalb die gleiche Brand- und Explosionssicherheit wie Metallleitungen, sodass keine bauaufsichtlichen Bedenken gegen deren Verwendung bestehen.
DVGW konnte Zweifel nicht ausräumen
Der von der Handwerkskammer für München und Oberbayern öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Gas- und Wasserinstallateurhandwerk, Dipl.-Ing. (FH) Matthias Hofmann, hat aus sachverständiger Sicht jedoch erhebliche Zweifel, ob die Sicherheitskette in einem realen Brandfall auch tatsächlich immer greifen wird. Diese konnten trotz vieler Telefonate, Schriftwechsel und einer Erörterung in einer Sitzung des DVGW-PK 2.4.1 „Kunststoffrohre und deren Verbinder“ nicht ausgeräumt werden. Für Hofmann ergibt sich daraus eine zwingende Notwendigkeit: „Da somit offene Fragen bezüglich der Brand- und Explosionssicherheit von Kunststoffrohren in der Gas-Hausinstallation bestehen, sehe ich mich in der beruflichen Pflicht, meine Überlegungen öffentlich zu machen, sodass jeder Fachmann sich selbst eine Meinung darüber bilden kann.“
Fehldimensionierung könnte strafrechtliche Konsequenzen haben
Dazu hat Hofmann auf seiner Webseite www.svmh.de eine Stellungnahme veröffentlicht (Download). Ein wichtige Rolle spielt bei den Bedenken der Gasströmungswächter, der zuvor ausschließlich zum Schutz vor Manipulation eingesetzt worden ist. Beim Einsatz in der Gas-Hausinstallation ist der Gasströmungswächter nunmehr das zentrale Bauteil zur Sicherstellung der Brand- und Explosionssicherheit. Daraus ergibt sich laut Hofmann haftungsrechtlich eine ganz andere Kategorie, weil es nunmehr um die Eigensicherheit einer technischen Anlage geht: „Ein Fehler in der Dimensionierung wäre in diesem Fall nicht mehr nur funktionsrelevant, sondern sicherheitsrelevant. Er kann daher sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.“
Haftungsrisiken vermeiden
Bedenklich sei auch, dass „die TRGI 2008 für den Gasströmungswächter weder eine einmalige Funktionsprüfung bei Inbetriebnahme, noch eine regelmäßige Prüfung alle 12 Jahre vorsieht ... [obwohl] ... beim Gasströmungswächter … nur die relativ geringe Kraft des Fließdrucks [wirkt]. Im realen Störfall muss diese zusätzlich die ggf. vorhandenen Reibkräfte eines seit Jahren nahezu unbewegten Führungsstifts überwinden.“ Hofmann empfiehlt deswegen Planern und Installateuren, sich die Wartungsfreiheit des Gasströmungswächters vom Hersteller schriftlich, insbesondere auch im Hinblick auf sich ändernde Gasqualitäten (z.B. Verunreinigungen, Zusatz von Biogas usw.) schriftlich bestätigen zu lassen.
Wird der Schließvolumenstrom sicher erreicht?
Weitere Bedenken äußert Hofmann in seiner Stellungnahme über die Prüfkriterien. „Die TRGI 2008 geht davon aus, dass nach DVGW VP 625/626 geprüfte und fachgerecht verlegte Kunststoffrohre im Brandfall entweder mindestens 30 Minuten ausreichend dicht bleiben oder sich schlagartig öffnen. Letzteres wird als ‚vorleckfreier Bruch’ bezeichnet. Dieser muss eine so große Öffnung freigeben, dass mindestens der notwendige Schließvolumenstrom des Gasströmungswächters austritt.“ Doch wird der Schließvolumenstrom auch erreicht, wenn die Kunststoffleitung durch das Brandereignis zwischen Gasströmungswächter und der „vorleckfreien Bruchstelle“ deformiert wurde? Hofmann: „Nach derzeitigem Kenntnisstand ist unklar, ob bzw. wie sichergestellt ist, dass die Rohrleitung zwischen dem Gasströmungswächter und einem auftretenden vorleckfreien Bruch bei einem beliebigen Brandfall in der Lage sein wird, den notwendigen Schließvolumenstrom zu transportieren. Natürlich kann dies der Fall sein. Aber mit welcher Wahrscheinlichkeit und unter welchen Umständen?“
Planer und Errichter bleiben in der Verantwortung
Besonders wichtig ist die abschließende Bewertung in der Stellungnahme: „Aus sachverständiger Sicht ist jedoch jeder Planer und Errichter einer Gasinstallation für deren Sicherheit selbst verantwortlich. Im Falle eines Versagens der Sicherheitskette wird die bauaufsichtliche Zulassung des Systems nur eine untergeordnete Rolle spielen. Es wird ausschließlich gefragt werden, warum die Sicherheitskette im konkreten Fall nicht gegriffen hat und ob dies ein Fachmann im Vorfeld hätte erkennen können.“ ToR
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