Kompakt informieren
- BIM-Experten halten die Forderung nach einem einheitlichen Datenmodell für alle Gewerke momentan noch für utopisch. Praxisgerechter sei ein Koordinationsmodell, das aus gewerkespezifischen Teilmodellen besteht.
- Für die Hersteller von Produkten und Komponenten bedeutet die Einführung der BIM-Planungsmethode eine nicht unerhebliche Investition.
- Eine BIM-orientierte Ausschreibung kann nicht gleichzeitig produktneutral sein.
- Die Gebäudeautomation wird in den BIM-Modellen bisher nur unzureichend abgebildet.
„Das Thema BIM ist nicht neu, aber es wird jetzt häufiger diskutiert“. Für Prof. Dr.-Ing. habil. Christoph van Treeck vom Lehrstuhl für Energieeffizientes Bauen E3D der RWTH Aachen (www.e3d.rwth-aachen.de) ist es höchste Zeit, dass TGA-Fachplaner BIM-Kompetenz aufbauen. Andere Bereiche der Industrie seien der Bau- und Gebäudetechnikbranche in puncto Digitalisierung weit voraus, beispielsweise der Maschinenbau. Der dort übliche STEP-Standard (Standard for the Exchange of Product Model Data, ISO-Norm 10 303) zur Beschreibung von Produktdaten sei ein wesentlicher Ideengeber für die BIM-Planungsmethode.
Der große Vorteil von Building Information Modeling (BIM) gegenüber konventionellen 2D- bzw. 3D-Planungen sei die Integration von Berechnungsverfahren und Produktinformationen in das 3D-Modell. Dabei komme dem verlustfreien Datenaustausch zwischen dem Architekten, dem Tragwerksplaner und den TGA-Gewerken eine besondere Bedeutung zu.
„Konventionelle Planungsverfahren funktionieren eher nach dem Prinzip der „stillen Post“, das heißt, an den Gewerke-Schnittstellen gehen Informationen verloren oder sie werden nicht richtig weitergeleitet“, gibt van Treeck zu bedenken. Die wichtigste Aufgabe der BIM-Planungsmethode sei deshalb eine möglichst verlustfreie Datentransformation.
Noch Utopie: Einheitliches Datenmodell
Die Forderung nach einem einheitlichen Datenmodell für alle Gewerke sei jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch utopisch. Für praxisgerechter hält er ein Koordinationsmodell, das aus gewerkespezifischen Teilmodellen besteht. Für den Datenexport biete sich das neutrale Datenaustauschformat IFC an (Industry Foundation Classes; ISO 16739).
Allerdings gebe es bei BIM keinen Zwang, alles in 3D-Format darstellen zu müssen. Bei Strangschemata sei das 2D-Format sogar oft übersichtlicher. Meist genüge es, nur typische Anschlussdetails in 3D darzustellen.
Für die Hersteller von Produkten und Komponenten bedeutet die Einführung der BIM-Planungsmethode erst einmal eine nicht unerhebliche Investition. Hier stelle sich die Frage, ob jeder Hersteller die Schnittstellen VDI 3805 und Autodesk Revit gleichermaßen bedienen muss. Aus Sicht von van Treeck reicht VDI 3805 aus, ergänzt durch ein exportierbares Datenformat zur Einbettung in IFC. Nachteil von VDI 3805 sei das stellenweise veraltete Datendarstellungsformat.
Juristischer Nachholbedarf
„Die Einführung von BIM wird nicht an zwingenden Rechtsnormen scheitern“, schreibt der unabhängig agierende Verein buildingSMART e. V. auf seiner Homepage (www.buildingsmart.de). Diese recht geschmeidige Formulierung kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass BIM – durch die juristische Brille gesehen – noch Unschärfen aufweist.
Aktueller Bezugspunkt für die juristische Beurteilung von BIM ist das Forschungsprojekt „Maßnahmenkatalog zur Nutzung von BIM in der öffentlichen Bauverwaltung unter Berücksichtigung der rechtlichen und ordnungspolitischen Rahmenbedingungen“ (Download auf www.bbsr.bund.de) beziehungsweise der daraus entstandene NZBau-Fachbeitrag1) von Prof. Dr. Klaus Eschenbruch und Dr. Johannes Grüner, Rechtsanwälte der Kanzlei Kapellmann und Partner. Van Treeck nennt daraus exemplarisch folgende Aspekte, die den BIM-Prozess derzeit noch verzögern:
- Haftungsfragen sind beim Mehrpartnervertragssystem nicht eindeutig
- Einzelverträge mit Zusatzvereinbarung sind sinnvoller
- Schnittstellen zwischen Planer und Ausführung müssen neu definiert werden. Dabei sind Leistungsphasen und deren Reifegrad festzulegen
- Eigentum am BIM-Modell ist nicht geregelt
- die Nutzung von Produktdaten in BIM widerspricht der Pflicht zur produktneutralen Ausschreibung im öffentlichen Sektor
- die HOAI regelt nicht die Art der Leistung, da reines Preisrecht
- nicht geregelt ist, welche Leistung in welcher Reihenfolge zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Tools erbracht werden muss
- der BIM-Manager ist kein Planer im Sinne der HOAI
- BIM ist eine besondere Leistung der HOAI in Leistungsphase 2 und damit nicht preisgebunden; bislang existiert kein gesetzlicher Rahmen für (die Vergütung von) BIM-Leistungen
In der anschließenden Diskussion zeigte sich, dass das TGA-Gewerk Gebäudeautomation bislang in den BIM-Modellen nur unzureichend abgebildet wird – obwohl das Gewerk Elektrotechnik bereits eine sehr hohe BIM-Tiefe aufweist. Die Gebäudeautomations-Industrie signalisiert jedoch ein großes Interesse an einer Zusammenarbeit. Van Treeck geht davon aus, dass es noch rund eineinhalb Jahre dauern wird, bis ein BIM-Modell für die Gebäudeautomation zur Verfügung steht.
BIM geht nicht herstellerneutral
Nichts ist überzeugender, als BIM dem Publikum in einer realitätsnahen Anwendung vorzuführen. Michael Trabitzsch von Autodesk und Jürgen Frantzen von Linear zeigten, mit welcher Leichtigkeit gebäudetechnische Planungen und Berechnungen möglich sind. Auch wenn heute herstellerneutrale Ausschreibungen die Regel sind, liegen die Vorzüge von BIM in der 3D-Darstellung der jeweiligen Fabrikate inklusive der dazugehörenden Produktinformationen in ausreichender Detailtiefe samt den dazu notwendigen Berechnungen.
Obwohl auf einschlägigen BIM-Veranstaltungen immer wieder betont wird, BIM sei keine Software, sondern ein Planungsprozess, scheint eine BIM-Paketlösung aus einer Programmfamilie den Weg zu (Big-)BIM-gerechten Lösungen jedoch zu vereinfachen. So bietet Linear ein Interface an, das den direkten Datenverbund der Software Linear Building zu Autodesk Revit ohne externe Schnittstelle herstellt. Linear Building nutzt das parametrische Gebäudemodell von Revit beispielsweise als Grundlage für die normgerechte energetische Bewertung, wie Energieausweis nach EnEV oder zur Berechnung der Heiz- und Kühllasten.
Besonders eindrucksvoll auf der BIM-Veranstaltung von Linear war die automatische Heizkörperauslegung und die korrekte Platzierung der Heizkörper unter den Fenstern im 3D-Modell. Für diesen Planungsschritt können beliebige BDH- oder VDI-3805-Datensätze verwendet werden. Über Revit werden die Heizkörper korrekt am Heizkörperanschluss visuell verrohrt und das Rohrsystem mit dem Programm Linear Analyse Heating nach dem Stand der Technik berechnet, hydraulisch abgeglichen und gegebenenfalls re-dimensioniert.
Die einzelnen Analysemodule von Linear, wie Heating, Cooling, Ventilation, Potable Water, Waste Water und Gas, fügen sich nahtlos in die unterschiedlichen CAD-Plattformen ein und können nativ auf die CAD-Daten zugreifen. Dadurch wird die Re-Dimensionierung der einzelnen Systeme stark vereinfacht, zumal alle Daten in dasselbe 3D-Modell einfließen und dadurch auch Kollisionen erkannt werden. Für Planer besonders interessant ist die automatische Erstellung von Leitungssystemen, sobald Heizkörper oder Luftauslässe im 3D-Modell definiert sind. In diesem Fall verbinden sich die Heizkörper beziehungsweise Luftauslässe automatisch mit den dazugehörenden Hauptleitungen. Ebenso lassen sich über einen Einstelldialog detaillierte Rohrverteiler konfigurieren und in das Modell einfügen. Auf der gleichen Ebene können auch Lüftungszentralgeräte über den Einstelldialog frei konfiguriert und eingefügt werden.
Fazit
Architekt, Tragwerksplaner, TGA-Fachplaner, Anlagenbauer und Betreiber betrachten ein Bauprojekt aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln. Jedes Gewerk pflegt und verteidigt seine eigene „Kultur“, die jetzt schrittweise in den „BIM-Stil“ transformiert werden soll. So lange Urheberrecht, Honorar, Wie-Wo-Wer-Wann-Fragen und die gewerkeübergreifende Einigung auf einen BIM-Koordinator nicht geklärt sind, wird der große digitale Ruck bei der Bau- und Gebäudetechnik auf sich warten lassen.
Auch zeichnet sich ab, dass sich die bei Planern bereits vorhandenen Software-Lösungen nicht ganz so einfach zu einem BIM-Modell aufrüsten lassen. Das Resümee aus Sicht von Linear: Nur Speziallösungen für das jeweilige Gewerk bringen die erforderliche Informationsdichte für BIM. Dazu muss der Datenaustausch über die Gewerkegrenzen hinaus vereinheitlicht werden.
Fußnoten
1) Eschenbruch, K.; Grüner, J.: BIM-Building Information Modeling – Neue Anforderungen an das Bauvertragsrecht durch eine neue Planungstechnologie. München: Verlag C. H. Beck, NZBau 7-2014, 402 ff.
Kulturwandel beim Bauen durch BIM “Es wird sich für alle Seiten etwas ändern“
Wie schnell kommt BIM? Die Prognosen dazu sind – je nach Interessenlage – ganz unterschiedlich. „Architekten wollen mit BIM im Moment noch nicht viel zu tun haben“, so die Eindrücke von Prof. van Treeck. Die meisten Architekten könnten oder wollen im Moment BIM-kompatible Pläne nicht anbieten. „Das Architektenmodell liefert nicht die Datenqualität für einen BIM-Planungsprozess“, ergänzt van Treeck.
Bis sich ein neues Rollenverständnis zwischen Architekt und den gewerkespezifischen Fachplanern herausgebildet hat, könne ein BIM-Manager die Modell-Koordination und das Änderungsmanagement übernehmen. Die Skepsis gegenüber einem unkritischen Einsatz der BIM-Planungsmethode ist jedoch gerechtfertigt, räumt van Treeck ein. Offen seien noch die Eigentumsfrage an dem Modell sowie die Haftung an der Korrektheit der Daten. Bei produktneutralen Ausschreibungen stelle sich außerdem die Frage der Produktneutralität, die es bei einer BIM-orientierten Ausschreibung nach dem jetzigen Stand praktisch nicht mehr gibt.
Für die Hersteller von Komponenten und Systemen stellt sich nicht nur die Frage nach den Kosten für die Produktdatenbank und die unterschiedlichen Übertragungsprotokolle (VDI 3805, Revit), sondern auch, wie viel fachliches und unternehmerisches Know-how durch die Verknüpfung von 3D-Modell, Produktdaten und Berechnungsmethoden offengelegt wird. Der Wert einfacher Objekte, etwa von Luftkanälen oder Luftleitungen, liege beispielsweise in der akustischen Berechnung, die ein Hersteller bei einer BIM-Ausschreibung offenlegen müsste, so ein Aussteller auf der ISH. Dieses firmenspezifische Know-how wäre bei einer BIM-Ausschreibung dann auch dem Wettbewerb zugänglich. Ein Vertreter eines großen Komponentenherstellers zum Autor: „Unsere Baukultur als Ganzes und die sehr spezifischen Strukturen in unserem Gewerk TGA lassen BIM im Moment in Deutschland noch nicht zu. Bauen ist bei uns ein sehr individueller Prozess, den man nicht einfach ändern kann.“
Für Martin Gräber, Chefredakteur Der Facility Manager, reimt sich der Einstieg seiner Branche in BIM so: „Richtig schlimm wird’s erst mit BIM.“ Aus Sicht der BIM-Protagonisten wird jedoch gerade die Betreiberphase in besonders hohem Maße vom BIM-Planungsprozess profitieren, sollte dieser einmal vollständig etabliert sein. Es gibt allerdings noch ein Problem, das die Einführung des BIM-Planungsprozesses hemmt: Der typisch deutsche Anspruch, alles zu 100 % perfekt umzusetzen. „Haben Sie Mut zur Lücke, Mut zu 80/20-Lösungen“, ermunterte van Treeck die Teilnehmer der BIM-Veranstaltung von Linear auf der ISH. Wolfgang Schmid
Wolfgang Schmid
ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de