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VDI und planen-bauen 4.0 forcieren BIM

Digitaler Ruck bei Bau- und Gebäudetechnik

Kompakt informieren

  • Die BIM-Methode ist in Deutschland noch nicht weitverbreitet, könnte aber innerhalb weniger Jahre für viele Bauprojekte zum Standard werden. Der VDI berichtet von einem bisher im VDI nie da gewesenen Entwicklungsschub.
  • Wurde BIM in der Vergangenheit eher von wenigen Protagonisten der Baubranche entwickelt und angewendet, dürften angesichts erheblicher Kostensenkungspotenziale schon bald Bauherren und der Wettbewerb zu Treibern werden.
  • Für die Umsetzung von BIM bei einem Bauprojekt hat die TGA eine Schlüsselstellung, die bisher dünn besetzt ist. Engagierten TGA-Unternehmen bietet das momentan noch gute Chancen zur Profilierung.
  • Auch vom Handwerk wird zunehmend BIM-Kompetenz erwartet werden.

Die Technische Gebäudeausrüstung und der Landschaftsbau sind in Deutschland die Schlusslichter bei der Umsetzung der inzwischen weltweit vordringenden BIM-Methode. So könnte man die Einschätzung der BIM-Befürworter auf den zahlreichen Vorträgen rund um das Thema digitales Bauen auf der BAU 2015 in München auf einen Nenner bringen. Und weiter: Wer in den nächsten fünf Jahren den Einstieg in die BIM-Methode nicht schafft, muss damit rechnen, dass er bei der Vergabe von Aufträgen der öffentlichen Hand und kostenbewusster Investoren ins Hintertreffen gerät. Triebkräfte für BIM sind die teilweise enormen Kosteneinsparungen, die durch digitales Bauen möglich sind.

Allerdings ist die bisherige Zurückhaltung der TGA-Planer gegenüber BIM durchaus nachvollziehbar, denn existierende Regelwerke kollidieren teilweise mit der BIM-Methode oder sie bilden die Planungen nach BIM nicht oder nicht ausreichend ab. Dazu zählen Regularien für Ausschreibungen, einheitliche Begriffe, die Rolle geistigen Eigentums bei der Schaffung gewerkeübergreifender 3D-Modelle, Standards und Formate, HOAI-Konformität, Verantwortlichkeiten und Haftung sowie eine vertragsübergreifende Konsistenz. Um solche Problemfelder anzugehen, wird bereits an folgenden VDI-Richtlinienprojekten gearbeitet:

  • VDI 2552 „BIM-Rahmenrichtlinie“
  • VDI 2553 „BIM-Begriffe“
  • VDI 2554 „BIM-Management Controlling“
  • VDI 2555 „BIM-Anforderungen an den Datenaustausch“
  • VDI 2556 „BIM-Datenmanagement“
  • VDI 2557 „BIM-FM/BIM-Objects“

Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass noch weitere anerkannte Regeln der Technik notwendig sind, um das Arbeiten nach der BIM-Methode abzusichern. Wichtig sei es, auch bestehende Richtlinien BIM-gerecht zu überarbeiten, beispielsweise VDI 3805 (Produktdatenaustausch in der Technischen Gebäudeausrüstung) und VDI 6027 (Anforderungen an den Datenaustausch von CAD-Systemen), so der Tenor auf der VDI-Presseveranstaltung während der BAU 2015.

Der VDI-Koordinierungskreis BIM will bei seiner Richtlinienarbeit aber auch auf bereits bestehende digitale Regelwerke von VDI und VDE zurückgreifen, wie Automation, Industrie 4.0 und Digitale Fabrik. Über den Stand der Projekte informiert das BIM-Gremium unter http://www.vdi.de/bim

Das Tempo nimmt zu, die TGA wartet ab

„Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“ Dieses gern benutzte Zitat des französischen Schriftstellers Victor Hugo bringt auch die aktuelle Entwicklung bei BIM auf den Punkt. Peter Steinhagen, Vorsitzender des VDI-Fachbeirats Bautechnik, untermauert das Zitat: „Solch einen Entwicklungsschub hat es beim VDI in dieser Dynamik noch nicht gegeben. Innerhalb kürzester Zeit sind in Deutschland rund 60 Arbeitskreise und Cluster zum Thema BIM gegründet worden.“

Prof. Rasso Steinmann, Vorsitzender des VDI-Koordinierungskreises BIM, ergänzt: „Die Resonanz auf BIM-Veranstaltungen ist enorm. Deshalb ist die Standardisierung so wichtig.“ Alexander Kuhn von der Ed. Züblin AG, Stuttgart, will die 5D-Planung nach der BIM-Methode nicht mehr missen. „Der Spaßfaktor gegenüber einer konventionellen 2D-Planung ist mit BIM ungleich höher. Wenn das Modell erst einmal steht, lassen sich Preise, Mengen und Varianten quasi auf Knopfdruck abrufen.“ Kuhn wies auch auf den Mehrwert hin, der durch den durchgängigen BIM-Prozess entsteht.

Wie wichtig der Einstieg in die BIM-Methode ist, verdeutlichte Steinhagen: „Bei internationalen Ausschreibungen und Wettbewerben kommt man an BIM kaum mehr vorbei“, und weiter, „international ausgeschriebene Bauvorhaben in Katar oder Singapur werden praktisch nur noch nach der BIM-Methode realisiert.“ Wettbewerber zu deutschen Unternehmen kämen aus Skandinavien und den Niederlanden; England sei Deutschland bei BIM um gut fünf Jahre voraus.

BIM sei jedoch nicht nur eine Planungsmethode zur Realisierung von Großprojekten, sondern eigne sich auch für Planungsbüros, die Schulen, Kindergärten und Verwaltungsgebäude, ja sogar Wohngebäude planen. Steinmann: „Wir müssen auch kleinere Büros zum Wechsel zur BIM-Methode motivieren. Die Erfahrung zeigt, dass der Planungsprozess dadurch sowohl beschleunigt als auch die Planungseffizienz verbessert werden kann.

Ein wichtiges Vorbild für den Einstieg in das digitale Bauen und den Erfahrungsaustausch sei das BIM-Cluster Stuttgart (Kontakt über bimcluster@zueblin.de). Tenor der dort engagierten Unternehmen sei, nicht auf eine „Bundes-BIM“ zu warten, sondern sich in der Region zu organisieren. Willkommen seien insbesondere TGA-Planer, sagt Kuhn. Den TGA-Planern täte etwas mehr BIM-Engagement gut, so seine Einschätzung.

BIM-Initiative: planen-bauen 4.0

Rückenwind soll BIM durch die neu gegründete BIM-Initiative „planen-bauen 4.0 – Gesellschaft zur Digitalisierung des Planens, Bauens und Betreibens mbH“ bekommen. Aktuell gehören ihr 15 Verbände und Institutionen der Wertschöpfungskette Planen, Bauen und Betreiben an. Ihre Hauptaufgabe sieht planen-bauen 4.0 in der Koordination, Unterstützung und Beschleunigung der Einführung von BIM in Deutschland.

Ziel sei, BIM-Standards zu vereinheitlichen und auszuweiten, Forschungslücken zu schließen und Hilfestellungen zur Markt-Implementierung zu leisten. Außerdem wolle man die Immobilienverwaltungen der Länder sowie kommunale Organisationen wie den Städtetag und das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) bei der Umsetzung des BIM-gestützten Bauens begleiten.

Die Gründung ist auch ein Ergebnis aus der Arbeit der Reformkommission Großprojekte, wobei insbesondere die problembehafteten Baustellen wie der Berliner Flughafen und Stuttgart 21 analysiert wurden, so eine Verlautbarung des Gründungsmitglieds VBI. Auch die TGA-Branche hat die Zeichen der Zeit erkannt. BTGA-Hauptgeschäftsführer Günther Mertz appellierte: „Nur gemeinsam können die Verbände und Unternehmen der Bauwirtschaft die Einführung von BIM in Deutschland voranbringen.“ Besonders wichtig sei dabei ein mit der RWTH Aachen geplantes Pilotprojekt, das komplett auf BIM-Methoden basiert.

Handwerk braucht BIM-Kompetenz

Auch das Handwerk kommt nicht umhin, sich BIM-Kompetenz anzueignen, will man bei Aufträgen der öffentlichen Hand sowie bei Unteraufträgen großer Baufirmen, wie Züblin, Max Bögl, Hochtief und ähnlichen Unternehmen, mit dabei sein. Sicher ist, dass diese BIM-Protagonisten ihre Unteraufträge mehr und mehr auf der Basis des Gebäudeplanungsmodells BIM ausschreiben.

Die Handwerkskammer Berlin schrieb dazu bereits im Jahr 2010 in einer Pressenotiz: „Für das Handwerk im Bau- und Ausbaugewerbe wird künftig auch ‚BIM-Kompetenz‘ zum Wettbewerbsvorteil werden. Dazu gehört neben einer aktiven Mitwirkung in der Planung auch die Beherrschung der für die Arbeit am und mit dem virtuellen Gebäudemodell verwendeten Technik und Kommunikation.

Mitglied des 2010 gegründeten BIM-Beirats ( http://www.buildingsmart.de/buildingsmart/bim-beirat ) ist auch der Zentralverband Sanitär Heizung Klima / Gebäude- und Energietechnik Deutschland (ZVSHK / GED). Allerdings sind dort bisher keine nennenswerten BIM-Aktivitäten zu erkennen. Auch auf der Homepage des Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH) heißt es nach Eingabe von BIM in die Suchzeile „keine Ergebnisse gefunden“.

BIM, BAM, BOOM

Eine griffige Abkürzung für die neue Art der digitalen Bauplanung, der Simulation der Baurealisierung und der Betriebsphase eines Gebäudes, ist die lautmalerisch einprägsame Wortschöpfung BIM, BAM, BOOM. Dieses Mega-Akronym aus den USA kursiert seit einiger Zeit auch auf deutschen Veranstaltungen und Veröffentlichungen zum Thema digitales Bauen / Building Information Modeling. Im Internet wird der Begriff in erster Linie Patrick MacLeamy, Vorstand der global aufgestellten US-Planungs- und Ingenieurgesellschaft HOK, zugeordnet (https://www.hok.com/). HOK ist eigenen Angaben zufolge mit rund 1800 Mitarbeitern und 25 Büros in den USA, in Europa und Asien die größte Ingenieurgesellschaft für Architektur, Ingenieurwesen und Städteplanung mit Sitz in den USA.

BIM – Building Information Modeling – steht in erster Linie für ein dreidimensionales Datenmodell, in das alle am Bau beteiligten Planer und Gewerke sämtliche relevante, vom Besteller gewünschte Daten einspeisen. Die Basisdaten werden von Architekten, von Tragwerksplanern und von den jeweiligen Fach-Planern der gebäudetechnischen Gewerke zur Verfügung gestellt. Vorteil der 3D-Planung ist die Option, einen Bauprozess vor dem eigentlichen Baubeginn zu simulieren sowie Abstimmungs-Probleme und mögliche Gewerkekollisionen schon in der Entwurfsphase zu erkennen und zu lösen. Durch die Hinterlegung zeitlicher Daten (Terminpläne, Bauablaufpläne) entsteht daraus ein 4D-Modell, durch Daten über Mengen-, Material- und Personalbedarf ein 5D-Modell. Weitere „Dimensionen“ (nD-Modelle) können durch das Einfügen von Raumbüchern, Produktinformationen von Herstellern, Angaben über betriebs- und wartungsbezogene Spezifikationen sowie durch „wie gebaut“-Informationen generiert werden (Quelle: BIM-Glossar auf http://www.hochtief-vicon.de).

BAM steht für Building Assembling Modeling – also die Simulation der Bauphase inklusive der Baulogistik. Hiermit können beispielsweise Kranpositionen und Kranarbeiten in Verbindung mit Material-Anlieferungen simuliert und optimiert werden. Besonders wichtig sind solche Simulationen bei innerstädtischen Großbaustellen mit engen Zuwegungen. BAM ist gleichzeitig ein wichtiges Werkzeug zur Kostenkontrolle während der Bauphase. Erfahrungen in den USA deuten darauf hin, dass durch BIM und BAM bis zu 30 % der Kosten für das Erstellen eines Gebäudes eingespart werden können.

BOOM – Building Operational and Organisational Modeling – bildet die Betriebsphase eines Gebäudes ab. Nachdem die Kosten für die Betriebsphase eines Gebäudes direkt von der Qualität der BIM- und BAM-Phase abhängen, wirkt die Planungsstufe BOOM als zusätzliches Kontrollinstrument.

HOK-Chef Patrick MacLeamy erklärt den Inhalt seiner Wortschöpfung so: Für jeden Dollar, der in das Gebäudedesign (BIM) investiert wird, müssen rund 20 Dollar für die Gebäudeerrichtung (BAM) und 60 Dollar für den Gebäudebetrieb (BOOM) kalkuliert werden, bezogen auf 50 Jahre. Durch die Simulation der BOOM-Phase könnten enorm hohe Kosten für den späteren Energieverbrauch und Gebäudebetrieb eingespart werden. Am wirtschaftlichsten sei es, die Betriebskosten über den Lebenszyklus eines Gebäudes schon während der BIM- und BAM-Phase zu optimieren. Dazu sei es notwendig, mit den Daten aus BIM und BAM die BOOM-Phase zu simulieren und gegebenenfalls Mehrkosten für die BIM-Phase in Kauf zu nehmen, um damit Kosten in der BOOM-Phase einzusparen. http://www.bit.ly/tga1031

Bei BIM-Bedürfnissen sind viele Hersteller überfragt

Viele europäische Hersteller haben schon Vorarbeit geleistet und stellen ihren Kunden aus der Bau- und Installationsbranche auf Building Information Modeling (BIM) abgestimmte Produktinformationen zur Verfügung. Doch wissen die Hersteller eigentlich genau, was ihre Kunden in Bezug auf BIM überhaupt benötigen? Dieser Frage sind USP Marketing Consultancy und BauInfoConsult in einer aktuellen Befragung unter internationalen Baustoffzulieferern nachgegangen: Im Rahmen einer Online-Befragung unter insgesamt 120 international tätigen Herstellern und Zulieferern von Baustoffen war sich ein Drittel der Befragten einig, dass es für einen Anbieter ein Wettbewerbsvorteil ist, BIM-kompatible Informationen bereitzustellen. Am höchsten war hier die Zustimmung bei den Herstellern aus der Installationsbranche, denn gerade für die komplexe TGA-Planung verspricht BIM großes Potenzial. Unsicher bleibt angesichts der gerade erst aufkeimenden Methode jedoch, was welche Bedürfnisse die Nutzer von BIM bezüglich Produktinformationen genau haben. Hier sind die Befragten zutiefst gespalten: 25 % sind sich sicher, die Bedürfnisse ihrer Kunden zu kennen, doch genauso viele geben zu, hier noch im Dunkeln zu tappen und weitere 22 % trauen sich kein Urteil zu. Die Umfrage-Ergebnisse zeigen weiterhin, dass es zwischen den verschiedenen Bausegmenten unterschiedliche Selbsteinschätzungen der Hersteller gibt. Am sichersten fühlen sich noch die Installationshersteller bei der Frage, ob sie die speziellen BIM-Bedürfnisse ihrer Kunden kennen. Die Ausbauhersteller hingegen sind, was die BIM-Bedürfnisse ihrer Kunden angeht, am wenigsten auf dem Laufenden: Drei Viertel von ihnen gaben kein Urteil ab oder beantworteten die Frage erst gar nicht. http://bauinfoconsult.de/

Wolfgang Schmid

ist freier Fachjournalist für Technische Gebäudeausrüstung, München, wsm@tele2.de