Die bauordnungsrechtlichen Regelungen der Bundesländer zum Brandschutz haben in erster Linie das Wohl von Leib und Leben der Personen, die sich in den jeweiligen Gebäuden aufhalten, im Blick. Die sich in Abhängigkeit von der Gebäudeklasse unterscheidenden Fluchtwegekonzepte der Bauordnungen sehen vor, in jedem Fall einen sicheren Fluchtweg ins Freie zu gewährleisten.
Dieser Weg zur Selbstrettung aus einem Gebäude darf maximal 35 m betragen. Bei mehrgeschossigen Gebäuden ist diese Maximaldistanz bis zum nächsten sicheren Treppenraum einzuhalten; von dort führt dann ein Weg ins Freie. Auch wenn die Regelungen der einzelnen Bundesländer den einen oder anderen Unterschied aufweisen – im Prinzip entspricht das den Vorgaben in ganz Deutschland.
Brandfall: Rauch bedroht Selbstrettung und Löschangriff
Allerdings werden nicht alle Gebäude gemäß den baulichen Brandschutzvorschriften, beispielsweise bezüglich der Wände und Decken, der Abstände sowie der verwendeten Baustoffe, errichtet.
Und die praktische Erfahrung zeigt, dass es auch bei maximal 35 m Fluchtweglänge oder den vermeintlich sicheren Treppenhäusern immer wieder Situationen gibt, in denen Flüchtenden der sichere Weg ins Freie verwehrt bleibt. Bei einem tragischen Brandgeschehen in einem Münchner Studentenwohnheim im Jahr 2021 wurde das wieder deutlich. Ein komplett verrauchtes Treppenhaus (durch einen Kellerbrand) ließ Bewohner in den Tod statt ins rettende Freie rennen.
Neben der Problematik der Alarmierung im Brandfall – Rauchmelder leisten hier seit einigen Jahren einen großen Anteil an einer frühen und sicheren Alarmierung – ist es vor allem der Rauch, der die aktive Eigenrettung sowie den aktiven Löschangriff massiv beeinträchtigen kann. Folgerichtig hat der Gesetzgeber Regeln zur Verhinderung von Rauchausbreitung in Gebäuden und der Rauchableitung von Brandgasen aus Gebäuden geschaffen.
In den Bauordnungen gibt es beispielsweise eigens Regeln für die Rauchableitung aus Treppenräumen. Diese fordern zur Ableitung von Brandrauch eine Öffnung an oberster Stelle eines Treppenraumes. Offiziell dient diese Öffnung zur Entrauchung nach der Evakuierung und zur Unterstützung des wirksamen Löschangriffs.
Die Auslösung kann manuell oder automatisch erfolgen. Jedem dürfte klar sein, dass eine automatisch ausgelöste RWA im Treppenraum (Bild 2) im Ernstfall auch die aktive Selbstrettung erheblich unterstützt, beziehungsweise im Falle einer Verrauchung des Treppenraumes die Selbstrettung überhaupt erst möglich macht.
Rauchableitung vs. RWA-Anlage
Auch in den Sonderverordnungen zu Versammlungsstätten, Verkaufsstätten und Schulen u. ä. finden sich weitere Regelungen zur Rauchableitung (Bild 3). Dabei geht es dem Gesetzgeber darum, dass vorhandener Rauch in bestimmten Gebäudeteilen schnell und sicher ins Freie abziehen oder mithilfe technischer Geräte, die atmosphärische Überdrücke erzeugen, ins Freie abgeführt werden kann.
Diese Art, den Brandrauch aus einem Gebäude abzuführen, wird seit vielen Jahren als „Rauchableitung“ bezeichnet und vom Gesetzgeber in der Regel auf ein Grundflächenmaß von 1000 m2 (Versammlungsstätte) bis 1600 m2 (Industriebau) beschränkt.
Die „Rauchableitung“ ist grundsätzlich von der „Rauchabzugsanlage“ zu unterscheiden. Wird von den Vorgaben der Bauordnungen der Länder (LBO) abgewichen, müssen Kompensationsmaßnahmen umgesetzt werden. Rauchabzugsanlagen kommen zum Beispiel als Kompensation bei Rettungswegabweichungen und Gebäuden mit Geschoss-Grundflächen > 1600 m2 zum Einsatz. Die Erfahrung und die geometrischen Gegebenheiten bei Gebäudegrundflächen ab 1600 m2 zeigen, dass es bei größeren Grundflächen auch mit der geforderten Fluchtweglänge von maximal 35 m knapp werden kann.
Warum wird die Unterscheidung Rauchableitung und Rauchabzugsanlage gemacht, und welche Folgen hat dies bei der Planung und Ausführung einer Anlage? Zunächst ist es wichtig, die Funktionsweisen der beiden Anlagen zu verstehen.
Rauchableitung: Brandrauch ins Freie abführen
Rauchableitung funktioniert über Gebäudeöffnungen, die im oberen Drittel der Wände oder im Deckenbereich einer zu schützenden Nutzungseinheit angeordnet und meist ohnehin aus Gründen der Lüftung und Beleuchtung schon vorhanden sind. Also Fassaden- und Dachfenster, Lichtkuppeln und ähnliches.
Bei den Öffnungen zur Rauchableitung ist eine rechnerische Ermittlung von aerodynamisch wirksamen Querschnitten nicht notwendig. Hier bestimmt sich der geforderte freie Querschnitt, der für die Entrauchung zur Verfügung stehen muss, aus der Grundfläche des zu entrauchenden Abschnitts.
Wenn die Öffnungen im Dach angebracht sind, fordert beispielsweise die Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättVO) 1 % der Grundfläche, für Öffnungen in der Wand sind es 2 % der Grundfläche. Durch diese Öffnungen wird entstehender Brandrauch ins Freie abgeführt. Dabei sind entsprechende Zuluftöffnungen ebenso wichtig wie das sichere und schnelle Öffnen im Brandfall.
Rauchabzugsanlagen: Raucharme Schicht sicherstellen
Rauchabzugsanlagen dienen dagegen gemäß DIN 18232 dazu, eine raucharme Schicht in einer eingeschossigen Gebäudeebene sicherzustellen, falls dort ein Brand auftritt. Entstehende Rauchgasmengen sollen durch NRWG (natürlich wirkende Rauch- und Wärmeabzugsgeräte) gezielt ins Freie abgeführt werden, und zwar in einem Maß, das vorher aufgrund festzulegender Parameter (Höhe des Brandraums, Brandentwicklungsdauer, Brandausbreitungsgeschwindigkeit etc.) indirekt ermittelt wird.
Vereinfacht ausgedrückt geht die Norm davon aus, dass bei einem Brand nur so viel Brandrauch entsteht, wie durch die aerodynamisch wirksamen NRWG ins Freie abgeführt werden kann und somit eine raucharme Schicht für die aktive und passive Rettung sowie einen wirksamen Löschangriff entsteht. Ein strömungsmechanisches Gleichgewicht wird angestrebt, was wie bei der Rauchableitung zwingend eine entsprechende Zuluftnachströmung erfordert.
Der thermische Auftrieb, der durch das Schadensfeuer entsteht, wird in beiden Fällen genutzt und ist eine sehr dynamische Energiequelle für die natürliche Entrauchung. Je intensiver das Brandszenario ist, desto größer sind der thermische Auftrieb und das Rauchgasvolumen, das transportiert werden kann.
Welche Produkte sind einzusetzen?
Der Gesetzgeber gibt klar vor, in welchen Gebäuden welche Entrauchung zum Einsatz kommen soll. Nun gilt es die richtigen Produkte auszuwählen.
Auch wenn es für die Rauchableitung bis dato zumeist keine gesetzlichen Mindestanforderungen an die zu verwendenden Produkte gibt, hat sich bei den deutschen Herstellern ein sehr hohes Qualitätsniveau etabliert. In den nächsten Jahren wird die Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) dazu weitere Anforderungen definieren, beispielsweise über DIN 18232-9.
Meist werden Antriebe mit einer B300-Prüfung (Wärmebeständigkeit bis 300 °C bis 30 Minuten nach DIN EN 12101-2) und einer nachgewiesenen Dauerfestigkeit von mindestens 10 000 Zyklen eingesetzt. Auch für die Steuerungstechnik gibt es keinen Zweifel daran, dass eine Notstromversorgung über 72 h und eine nachgewiesene Mindestdauerfestigkeit ein absolutes Muss für eine RWA-Anlage ist.
Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal der Rauchableitung zu Rauchabzugsanlagen ist, dass bestehende Öffnungen, wie Fenster und Lichtkuppeln oder Dachfenster, für die Entrauchung eingesetzt werden können. Hier bedarf es keinerlei Nachweise. Die meisten dieser Gebäudeöffnungen werden neben dem Zweck der Entrauchung auch für die tägliche Be- und Entlüftung eingesetzt. Dafür sind sie oft ohnehin geplant und eine automatisierte Be- und Entlüftung liefert einen nachhaltigen und effektiven Zusatznutzen.
Für Architekten und Planer gilt es deshalb, die Qualität der Antriebe zu beachten: Einfache Antriebe, teilweise aus Kunststoff oder ohne Notstromversorgung, können eine sichere Entrauchung und eine dauerhaft funktionierende Lüftung keinesfalls gewährleisten.
Bei Rauchabzugsanlagen müssen im Vorfeld die richtigen aerodynamischen Entrauchungsquerschnitte ermittelt werden. Das geschieht meist nach DIN 18212-2 [die Vornorm wurde nach Erstveröffentlichung des Artikels zurückgezogen, Anm. d. Red.] oder anderen Ingenieurverfahren bzw. computergestützten Modellen. Für den ermittelten Querschnitt sind dann entsprechend viele NRWG in die Gebäudehülle einzubauen. Es dürfen dafür ausschließlich nach DIN EN 12101-2 geprüfte Produkte verwendet werden (Bild 4).
Die Abstände zueinander und Größe der Produkte folgen weiteren Einbauregeln. Solche Geräte haben bei zugelassenen Stellen in Versuchen nachgewiesen, wie hoch der Strömungsdurchfluss in einem Brandfall tatsächlich ist. Gepaart mit einer entsprechend dimensionierten Zuluftversorgung entsteht der oben beschriebene Heißgasstrom (Plume genannt), der in der Geschossfläche eine rauchgasarme Schicht ausbildet (Bild 1).
Für die Rauchableitung und für Rauchabzugsanlagen gilt gleichermaßen: Eine automatisierte Auslösung mit Rauch- und / oder Temperaturerkennungsmerkmalen ist fundamental für eine wirksame und schnelle Entrauchung. Das sind in der Regel thermische Auslöseelemente oder Rauchmelder nach DIN EN 54.
Ebenso muss eine vorschriftenkonforme Energieversorgung dieser Anlagen mit geprüften Bauprodukten sichergestellt sein. Ob pneumatisch oder elektrisch ausgeführt, müssen CE-gekennzeichnete Produkte eingesetzt werden, die nach DIN EN 12101-10 zugelassen sind. Für den Steuerungsteil hat sich europaweit ISO 21927-9 durchgesetzt, die nach derzeitiger Planung (Stand Juni 2021) in den nächsten Ausgaben der MVV TB als Technische Baubestimmung fest verankert sein wird.
Fazit
Zwischen Rauchableitung und Rauchabzugsanlagen wird oft nicht ausreichend differenziert, was häufig zu Diskussionen bei der Auswahl der Produkte führt. Es gibt erhebliche Unterschiede bei der Gestaltungsmöglichkeit von Gebäudeöffnungen und folgerichtig auch bei den Investitionskosten. Naheliegend ist, bestehende Öffnungen wie Fenster oder Lichtkuppeln auch zur Rauchableitung zu verwenden, was der Gesetzgeber eindeutig zulässt.
Ab einer gewissen Größenordnung, die sich über die Nutzung des Gebäudes aus den Sonderverwaltungsvorschriften ergibt, müssen jedoch geprüfte NRWG zum Einsatz kommen. Hersteller anlagentechnischer Brandschutzeinrichtungen bieten dafür zahlreiche Standard- und Sonderlösungen an.
Viele Fensterprofile und auch Sonderausführungen von Fenstern wie Lamellenfenster sind geprüft und können als NRWG eingesetzt werden. In Dächern von Industriehallen kommen oft Lichtbänder mit integrierten NRWG zum Einsatz. Die mit dem CE-Zeichen gekoppelte Leistungserklärung gibt Aufschluss über die Leistungsfähigkeit eines solchen NRWG. Sie enthält auch Funktionsnachweise für besondere Anforderungen wie Schnee- und Windlast.
Rauchabzug ist ein sehr wichtiger Bestandteil des in Deutschland etablierten Brandschutzes und trägt erheblich dazu bei, dass Personenschäden vergleichsweise niedrig sind. Planung und Auswahl der Produkte sowie eine fachgerechte Ausführung sollten ausschließlich durch geschultes Fachpersonal erfolgen. Nur das gewährleistet eine den Anforderungen entsprechende Anlage, die richtig dimensioniert und ausgelegt ist, im Brandfall Leben und Sachwerte schützt und die Investition sichert.
Dass in den letzten Jahren und vermehrt seit der Coronavirus-Pandemie das Thema natürliche Be- und Entlüftung als energiesparende Zusatzleistung einer Rauchabzugsanlage immer wichtiger wird, ist ein weiterer Grund, sich von renommierten Spezialisten beraten zu lassen.
Kompakt zusammengefasst
■ Zwischen Rauchableitung und Rauchabzugsanlagen wird oft nicht ausreichend differenziert. Es gibt jedoch erhebliche Unterschiede bei der Gestaltungsmöglichkeit von Gebäudeöffnungen und somit auch bei den Investitionskosten.
■ Naheliegend ist, bestehende Öffnungen, wie Fenster oder Lichtkuppeln, auch zur Rauchableitung zu verwenden, was der Gesetzgeber eindeutig zulässt.
■ Ab einer gewissen Größenordnung, die sich über die Nutzung des Gebäudes aus den Sonderverwaltungsvorschriften ergibt, müssen jedoch geprüfte NRWG zum Einsatz kommen.
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Dieser Artikel erschien zuerst in der Heftausgabe von TGA Fachplaner 10-2021 unter dem Titel „Entrauchung von Gebäuden im Brandfall“ von Martin Weber.