Deutschlands Großstädte wachsen stetig. Berlin, Frankfurt und Hamburg stehen bereits heute vor der großen Herausforderung, ausreichend Wohnraum für die Einwohner zu schaffen. Allein in Berlin müssen in den nächsten zehn Jahren insgesamt ca. 230 000 neue Wohnungen entstehen, um der Urbanisierung standzuhalten.
Neben „explodierenden Kosten für Immobilien“ und „drastisch steigenden Mieten“ ist die „Wohnraumverdichtung“ zu einem zentralen Begriff für den Ausbau und die Erweiterung von Bestandsgebäuden geworden. Dadurch werden meist bisher ungenutzte Flächen zu Wohnraum ausgebaut, beispielsweise unter dem Dach. In vielen Fällen werden Gebäude auch um zusätzliche Stockwerke erweitert.
In Folge der Aufstockung sind die Rettungsgeräte der Feuerwehr oft nicht mehr ausreichend, um Personen aus allen Bereichen der Gebäude, insbesondere der Dachgeschosse, retten zu können. Hinzu kommen enge Hinterhöfe und fehlende Aufstellflächen, die einen Feuerwehreinsatz im Brandfall ebenfalls erschweren würden.
Auch bei Neubauten stehen Planer oft vor der Herausforderung, futuristische Architektur mit möglichst großen Wohnflächen in Einklang zu bringen. Um dies umzusetzen, werden sichere Rettungswege zunehmend mit moderner Anlagentechnik realisiert. Die konsequente Sicherstellung des Brandschutzes und der Treppenräume als Rettungsweg (Bild 1) ist darum auch in Wohngebäuden unterhalb der Hochhausgrenze ein unabdingbarer Bestandteil der Gebäudeplanung.
Ein Beispiel findet sich seit Kurzem in der historischen Gartenanlage „Herzogin Garten“ in Dresden, die seit Ende des Zweiten Weltkriegs brach lag und nach über 70 Jahren ihre Renaissance erlebt. Mitten im Zentrum der Altstadt bietet der 6500 m2 große Barock-garten nun nicht nur eine einladende Parkanlage, sondern auch dringend benötigten Wohnraum. Die neuen Gebäude kombinieren Wohnungen, Geschäfte, Restaurants und Tiefgaragen auf insgesamt acht Stockwerken (Gebäudeklasse 5) (Bild 2).
Durch das Erzeugen einer positiven Druckdifferenz verhindern Rauchschutz-Druckanlagen den Eintritt von Rauch in Treppen-räume und haben sich am Markt längst als zuverlässige Technik in Hochhäusern etabliert. Hochhäuser sind laut Muster-Bauordnung (unter anderem) Gebäude, bei denen der Fußboden eines Aufenthaltsraums mehr als 22 m über der festgelegten Geländeoberfläche liegt. Aber welche Anlagentechnik ist zur Sicherstellung des Brandschutzes für Wohngebäude unterhalb der Hochhausgrenze – wie dem Palais am Herzogin-Garten – am besten geeignet?
Spüllüftungsanlage (TSA) für Treppenräume in Wohngebäuden
Die Experten sind sich einig: Mit einer weniger aufwendigen Treppenhaus-Spüllüftungsanlage (TSA) kann im Brandfall gleichermaßen eine lebensrettende Verwendung von Treppenräumen in Wohngebäuden unterhalb der Hochhausgrenze sichergestellt werden. Sie stellen eine technisch realisierbare Lösung für gesicherte Rettungswege dar, indem die Nutzung des bestehenden Treppenraums im Brandfall gewährleistet wird und dadurch meist auf einen zweiten Rettungsweg verzichtet werden kann.
Bei Rauchdetektion in einer der Nutzungseinheiten wird die TSA sofort automatisch ausgelöst. Der Zuluftventilator sorgt dabei gezielt für frische Luft im gesamten Treppenraum. Diese verdünnt die eventuell eingedrungenen Rauchgase und spült sie durch eine geöffnete Lichtkuppel im Treppenraumkopf aus (Bild 4). Dadurch wird ein leichter Überdruck aufgebaut, der das Eindringen von Rauch über Undichtigkeiten zwischen dem Rettungsweg und der Brandetage zuverlässig verhindert. Auf diese Weise bleibt der Treppenraum als Rettungsweg nutzbar.
Diese schlanke Anlagentechnik bietet somit insbesondere in Gebäuden, bei denen im Brandfall mit einer geringen Türöffnungsdauer der betroffenen Wohneinheit zu rechnen ist, den flüchtenden Personen einen zuverlässigen Schutz vor dem gefährlichen Rauch. Für die Funktion der TSA ist eine Brandmeldeanlage im Gebäude nicht erforderlich. Die automatische Auslösung der Anlage wird über die im Zugangsbereich vom Treppenraum angeordneten Rauchmelder realisiert. Diese stehen in direkter Verbindung mit der Steuerung der TSA.
Die weitere Anlagentechnik bleibt dezent im Hintergrund und für die Nutzer nahezu unsichtbar. Die Aufstellung vom Zuluftventilator und dem dazugehörigen Schaltschrank erfolgt in einem separaten Raum, der als TSA-Zentrale mit entsprechendem Feuerwiderstand dient (Bild 3). Die Einblasstelle für die Zuluft im Treppenraum wurde im Palais am Herzogin Garten Dresden im Untergeschoss angeordnet und mit einer speziellen Sichtblende verkleidet. Als Schutz vor einem Raucheintrag über die Außenluftansaugung erfolgt im Brandfall eine Überwachung mittels Kanalrauchmelder. Fehlauslösungen werden durch eine entsprechende Logik bei der Auswertung zuverlässig vermieden. Dennoch ist die gesicherte Anordnung der Außenluftansaugung unabdingbar.
Die Zuluftzufuhr wird über einen Axial-Mitteldruckventilator in der TSA-Zentrale realisiert. Dieser fördert im Brandfall einen Volumenstrom von über 10 000 m3/h in den Treppenraum. Darüber hinaus verfügt die TSA über eine integrierte Akkupufferung für die komplette Steuerungslogik. Die Abströmung der Zuluft (Spülluft) erfolgt über eine von der TSA angesteuerte Lichtkuppel im Treppenraumkopf.
Im Brandfall werden die Gebäudenutzer durch mehrere optische und akustische Warneinrichtungen im Treppenraum alarmiert. Zusätzlich stehen im Treppenraum mehrere Druckknopfmelder zur manuellen Anlagenauslösung zur Verfügung.
Zusatzfunktion Lüftung
Damit auch eine Belüftung des Treppenraums, beispielsweise in den warmen Sommermonaten, möglich ist, wurde der Zuluftventilator zweistufig ausgeführt. Durch eine Ansteuerung der Lüftungsfunktion werden die Ansaugstrecke im Untergeschoss sowie die Lichtkuppel im Treppenraumkopf komplett geöffnet. Der Zuluftventilator wird auf niedriger Drehzahlstufe betrieben und unterstützt somit die Lüftung mechanisch. Dadurch entsteht nur eine sehr geringe Geräuschentwicklung im Treppenraum.
Das im Schaltschrank integrierte GSM-Modul informiert den Betreiber in Echtzeit über sämtliche Betriebszustände der Anlage. Dadurch wird gewährleistet, dass bei einer Anlagenauslösung den Nutzern oder auch der Feuerwehr sofort eine unterwiesene Person zur Verfügung steht.
Dieser Artikel ist eine Überarbeitung des Artikels „Sichere Treppenräume für Gebäude unterhalb der Hochhausgrenze“ von Thomas Volle, erschienen in TGA 05-2019.
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