Kompakt informieren
- Die notwendigen Druckverhältnisse in einem Sicherheitstreppenraum, um den Rauchübertritt aus einem Brandraum zu verhindern ohne dabei die Eigenrettung durch zu hohe Türbetätigungskräfte zu gefährden, sind durch DIN EN 12 101-6 vorgegeben.
- Schon Details in der Gestaltung von Türen und Treppenräumen verändern das Strömungsverhalten und nehmen so gravierenden Einfluss auf die Funktion einer RDA.
- Werden die Wechselwirkungen schon zu Beginn der Planung berücksichtigt, lassen sich erhebliche Baukosten sparen – oder ein Sicherheitstreppenraum ist überhaupt erst realisierbar.
- Aufgrund der Regelungs-Komplexität sind elektronische DDA gegenüber RDA mit mechanischen Regelklappen technisch und wirtschaftlich im Vorteil.
Das neue Verwaltungsgebäude eines namhaften Konzerns aus der Feder eines ebenso namhaften Architekten ist imposant, versprüht förmlich den visionären Geist des Unternehmens. Breite Treppenaufgänge, gesäumt von filigranen, kaum wahrnehmbaren Handläufen aus Holz und Edelstahldraht projizieren ein interessantes Schattenbild auf die glatten Betonwände und leiten unwillkürlich die Blicke der Besucher nach ganz oben – dort, wo die Konzernlenker hinter großen, aber verschlossenen Türen tagen und entscheiden.
Dieser virtuelle Gang durch einen 3D-Entwurf erntet den begeisterten Applaus der Bauherren. Drei Tage später, bei einer Planungssitzung mit den Fachingenieuren, fällt der Beifall jedoch deutlich gedämpfter aus. Schon der Hinweis des TGA-Planers, dass diese Treppenraumgestaltung wohl mehrere Einblasöffnungen für die Rauchdruckanlage (RDA) erfordern wird, projiziert nun Runzeln auf die Stirn des Architekten. Glücklicherweise früh genug, denn jetzt ist noch alles planbar …
Voraussetzungen für RDA
Diese fiktive Szene hat zwar ausdrücklich keinen Bezug zu einem tatsächlichen Bauprojekt – kommt aber so oder so ähnlich fast täglich irgendwo vor. Noch häufiger ist es allerdings so, dass der TGA-Planer erst in das Projekt einbezogen wird, wenn das Treppenhaus schon gebaut ist. Deutliche Kostensteigerungen sind dann eine unweigerliche Konsequenz. Denn sollen RDA in Sicherheitstreppenhäusern die Eigen- und Fremdrettung bei einem Brand ermöglichen, müssen physikalische und normative Grundvoraussetzungen erfüllt sein:
- Wird zur Flucht aus einem Brandraum die Tür zum Sicherheitstreppenhaus geöffnet, muss Luft mit einer Geschwindigkeit von mindestens 0,75 m/s bzw. 2 m/s in den Brandraum strömen, um die Rauchgase an einem Übertritt ins Treppenhaus zu hindern.
- Um die vorgegebene Strömungsgeschwindigkeit an den Türen herzustellen, muss der Überdruck im Sicherheitstreppenraum mindestens 15 Pa betragen. Der maximale Differenzdruck zu den abgehenden Räumen darf aber 50 Pa nicht überschreiten, da sonst die Türen von den Flüchtenden nicht mehr zu öffnen sind.
- Die maximale Türöffnungskraft darf 100 N nicht überschreiten. So ist auch Kindern die selbstständige Eigenrettung möglich.
- Werden Türen zum Sicherheitstreppen-raum geöffnet, ändern sich automatisch die Druckverhältnisse im Treppenhaus. Um den erforderlichen Differenzdruck von 15 bis 50 Pa zum Rückhalten der Rauchgase wiederherzustellen, muss die RDA das dazu erforderliche Luftvolumen in einem Reaktionszeit-raum von höchstens 3 s zu 90 % erreicht haben.
Durch diese Vorgaben der Norm DIN EN 12 101-6 bestehen direkte Wechselwirkungen zwischen der Gestaltung von Treppenräumen, der Festlegung von Türgrößen und der Funktionsfähigkeit von RDA 3.
Wechselwirkungen mit der Türengröße
Aus Gründen der Ästhetik und des Komforts ist in öffentlichen Gebäuden ein Trend zu höheren und breiteren Türen festzustellen. Das beeinflusst maßgeblich die Druck- und Strömungsverhältnisse im Sicherheitstreppenraum: Um die geforderten Strömungsgeschwindigkeiten von 0,75 bis 2 m/s sicherzustellen, ist bei größeren Türen ein höheres Luft-volumen durch die RDA-Ventilatoren ins Treppenhaus zu fördern. Andererseits erhöht die größere Türfläche die Öffnungskräfte (Kraft = Druck × Fläche). Zwei vergleichende Beispielrechnungen verdeutlichen die Wechselwirkungen 4.
Die Quintessenz: Je größer die Verbindungstüren zu einem Treppenhaus geplant werden, umso geringer ist der maximal mögliche Luftdruck im Sicherheitstreppenraum, damit die Türöffnung für flüchtende Personen nicht gefährlich erschwert wird. Und: Mit steigender Türengröße wird mehr Luftvolumen benötigt, um den Rauchübertritt in den Treppenraum zu verhindern.
Diese Parameter stellen eine hohe Anforderung an die exakte Regelung des Zuluftstroms. Elektronisch gesteuerte Differenzdruckanlagen (DDA) sind deshalb vorteilhafter als mechanisch geregelte RDA (siehe Info-Kasten).
Einfluss der Treppenraumgestaltung
Während die Türengröße Einfluss auf den Differenzdruck und das Luftvolumen im Sicherheitstreppenraum nimmt, bestimmt die Bauart des Treppenraums die Strömungsverhältnisse und somit den Druckverlust über die Etagen. Die Luftströmung im Treppenraum ist also ausschlaggebend dafür, ob an den Türen der erforderliche Differenzdruck herrscht. Denn nur dann wird die benötigte Luftgeschwindigkeit erreicht, die das Rückhalten der Rauchgase gewährleistet.
Wesentliche Einflussgröße der Treppenhausgestaltung ist aber nicht allein das Raumvolumen, sondern vor allem die Größe des Auges – also das Zentrum des Treppenraums, wo die Luft mit geringem Druckverlust über die Etagen strömen kann. Hier verändert sogar die Gestaltung des Handlaufs maßgeblich das Strömungsverhalten. In welchem Zusammenhang Türengrößen und die Gestaltung des Treppenraums für die Auslegung und Regelung der RDA stehen, zeigt ein weiteres Rechenbeispiel 5.
Die Quintessenz: Bei einem Druckverlust von 2,5 Pa pro Etage, bedingt durch die Bauart des Treppenhauses, und einem maximal möglichen Differenzdruck von rund 21 Pa, bedingt durch die Türengröße, können die Ventilatoren über eine einzige Einblasöffnung von unten höchstens drei Etagen mit der erforderlichen Zuluft versorgen. Bei Sicherheitstreppenräumen mit mehr als drei Geschossen sind also ein Zuluftschacht und entsprechend weitere Einblasöffnungen vorzusehen.
Eine strömungsgünstigere Gestaltung des freien Zentrums im Treppenraum durch ein größeres Auge und als Kanal wirkende, geschlossene Handläufe reduzieren in der exemplarischen Vergleichsrechnung den Druckverlust von 2,5 auf 0,7 Pa. Durch diese wenigen Änderungen deckt eine einzige Einblasöffnung unten acht Etagen ab – ohne die Türgrößen zu reduzieren. So können unter anderem Baukosten gespart werden.
Korrelation mit Türschließern
DIN EN 12 101-6 definiert außer der Strömungsgeschwindigkeit an den Türen und den maximalen Öffnungskräften auch die Reaktionszeit der RDA bis zum Erreichen der erforderlichen Druckverhältnisse: Je nachdem, wie viele Türen wie weit zum Treppenraum hin geöffnet werden, müssen die RDA-Ventilatoren mehr oder weniger Luftvolumen fördern. Um die Eigenrettung aus einem Brandraum nicht zu gefährden, sind die Druckverhältnisse im Sicherheitstreppenraum an die wechselnden Bedingungen innerhalb von 3 s anzupassen. Dieser ohnehin kurze Zeitkorridor wird durch die Proportion der Türen häufig noch weiter eingeschränkt 6.
Die Quintessenz: Bei gleicher Türenfläche wirken sich hohe Türen ungünstiger auf die Druckregelung im Treppenraum aus als breitere Türen. Der Grund: Je höher die Tür, umso größer die geöffnete Teilfläche in Relation zum Öffnungswinkel. Außerdem bieten hohe Türen an der Schließkante der Luftströmung eine größere Angriffsfläche. Dadurch fallen hohe Türen mit einer größeren Wucht zu. Nur hochwertige Türschließer mit zwei einstellbaren Dämpfungszonen können ein sicheres Schließverhalten gewährleisten: schnelles Schließen von 180 bis 70° und langsames Schließen von 70 bis 0°.
In der Summe dieser Einflussgrößen beträgt häufig die tatsächlich verfügbare Regelzeit der RDA, um die geforderten Druckverhältnisse im Treppenraum anzupassen, weniger als 0,5 s. Der oben genannte Wert von 3 s toleriert also bereits ein kurzzeitiges Eindringen von Brandgasen in den Sicherheitstreppenraum. Aufgrund der Regelungs-Komplexität sind elektronische DDA 7 8 gegenüber RDA mit mechanischen Regelklappen technisch und wirtschaftlich im Vorteil.
Ein weiterer Aspekt, der erheblichen Einfluss auf die Regelung der Druckverhältnisse im Brandfall nimmt, ist die zunehmende Dichtigkeit der Gebäude. Häufig unbeachtete Problemfelder und Lösungswege hierzu beschreibt ein folgender Fachartikel in der TGA-Ausgabe 08-2017.
Unterschiede von RDA und DDA
Der Systemunterschied zwischen einer mechanischen Rauchdruckanlage (RDA) und einer elektronisch gesteuerten Differenzdruckanlage (DDA) besteht in erster Line in der Regelung der Druckverhältnisse. Mechanisch geregelte Anlagen führen ein konstantes Luftvolumen in das Treppenhaus; eine Regelklappe auf dem Dach wird darauf fix eingestellt. Sie öffnet wie ein Ventil beim Überschreiten des maximalen Überdrucks im Treppenraum und führt überschüssige Luft ab. Die Justierung erfolgt manuell über die Einstellung mechanischer Federn oder Gewichte.
Elektronisch gesteuerte Differenzdruckanlagen hingegen verfügen über einen Regelkreis, der die Luftzufuhr variabel steuert. An einem objektspezifisch ausgewählten Referenzpunkt wird ein Drucksensor angebracht, der die tatsächlich vorherrschenden Verhältnisse erfasst und an die Steuerung der Differenzdruckanlage meldet. In Abhängigkeit des gemessenen Differenzdrucks fördert ein Ventilator mit modifiziertem EC-Motor das exakt benötigte Luftvolumen in den Treppenraum.
Faktoren wie Windlasten, Schneebedeckung oder Verschmutzung und Zustand der Mechanik sowie physikalische Grenzen durch die Massenträgheit der Regelklappen beschränken die Möglichkeiten einer mechanischen Regelung. Elektronische Regelungen können hingegen exakt auf die tatsächlichen Strömungsverhältnisse in einem Sicherheitstreppenraum angepasst werden.
Dipl.-Ing. (FH) Reiner Kelch
ist System- und Applikationsmanager bei Systemair, Boxberg-Windischbuch, www.systemair.de