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Entrauchung von Tiefgaragen erfordert Systemkompetenz

Ein Mehr an Sicherheit zu niedrigeren Kosten

Kompakt informieren

  • Im Regelwerk existieren für die anzunehmenden Brandverläufe und für den Wirksamkeitsnachweis der Belüftung- und Entrauchungsanlagen von Tiefgaragen keine klaren Vorgaben.
  • Neben weiteren Gründen, wie die Optimierung der Lebenszykluskosten und der positiven Beeinflussung des Grundrisses, sind deshalb zur Vermeidung von Abnahmeproblemen und Nachbesserungen eine frühzeitige Abstimmung mit dem abnehmen-den Institut und das Hinzuziehen des Systemherstellers der Entrauchungsanlage dringend zu empfehlen.

Für die anzunehmenden Brandverläufe und auch für den Wirksamkeitsnachweis von Belüftungs- und Entrauchungsanlagen in Tiefgaragen fehlen klare Normen (siehe Info-Kasten). Solche „Freiheiten“ führen häufig dazu, dass die Feinplanung für diesen Bauabschnitt erst bei der Inbetriebnahme respektive Abnahme des Projekts erfolgt. Doch zu diesem Zeitpunkt ist allein schon durch den Termindruck nahezu das gesamte Optimierungspotenzial zur Reduzierung der Lebenszykluskosten einer Entrauchungsanlage vertan. Unter Umständen ist dadurch sogar die Abnahme gefährdet, oder es werden kostspielige Nachbesserungen verlangt.

Es geht aber auch anders. Eine ebenso wirtschaftliche wie sichere Entrauchung einer Tiefgarage setzt allerdings ein erhebliches Maß an Systemkompetenz und einen integralen Planungsansatz voraus. Nachfolgend werden hierzu die wichtigsten fünf Meilensteine vom ersten Objektentwurf, über das Brandschutzkonzept, die darauf aufbauende Anlagenplanung und die Installation der Entrauchung erläutert:

1: Grundrissplanung

Schon in der Entwurfsphase eines Gebäudes mit Tiefgarage sollte ein Experte für die notwendige Belüftung und Entrauchung einge-bunden werden. Fließt die Expertise zum Manipulieren von Luftströmungen in die Grundrissplanung einer Parkgarage ein, kön-nen mitunter beträchtliche Bau- und spätere Betriebskosten eingespart werden. Typische Ansatzpunkte:

  • Bei frühzeitiger, integraler Planung lassen sich die CO-Abführung im Normalbetrieb und die Rauchabführung im Brandfall mit verringertem Materialaufwand realisieren. Beispielsweise können Rampen oder Zufahrten als Zu- und Abluftpunkte genutzt werden, um dadurch Schächte mit maschineller Ventilation einzusparen oder günstiger auszulegen.
  • Bei einem strömungsoptimierten Grundriss sinken insbesondere die Energiekosten: Bei in Längsachse ausgerichteten Strömungswegen reduziert sich beispielsweise die Leistungsaufnahme von Schublüftern um über 20 % gegenüber Garagen, die in der Breite durchspült werden.
  • Mit strömungsgünstig platzierten Treppenaufgängen, Fahrstuhlschächten oder Technikräumen lassen sich auf einer Parkpalette außerdem „virtuelle“ Rauchabschnitte bilden: An den raumverengenden Stellen installierte Jet-Ventilatoren mit Schubumkehrung halten im Brandfall den angrenzenden Bereich rauchfrei. So werden erhebliche Kosten für bauliche Rauchabschnitte eingespart.
  • Lassen sich nach diesem Prinzip in geschlossenen Großgaragen einzelne Rauchabschnitte kleiner als 2500 m<sup>2</sup> bilden, kann laut den Garagenverordnungen der Bundesländer (GaVo) sogar eine betriebskosten-intensive Sprinkleranlage entfallen. Selbst Großprojekte können auf diese Weise mit mehreren bis zu 2500 m<sup>2</sup> großen Rauchabschnitten realisiert werden.

2: Brandschutzgutachten adaptieren

Ist die Vorplanung abgeschlossen, folgt die Genehmigungsplanung auf Grundlage eines Brandschutzgutachtens. Um dem Bauherren alle Freiheiten in der Umsetzung der Schutz-ziele zu geben, sind die darin definierten Schutzziele allerdings in der Regel sehr allgemein formuliert.

Da es derzeit keine Bewertungskriterien über die Wirksamkeit von Garagenentlüftungsanlagen gibt, ist es ratsam, dass der TGA-Planer, der Systemhersteller von Entrauchungsanlagen – sofern er über die notwendige Kompetenz in der Strömungstechnik verfügt – und der Prüfer des mit der späteren Abnahme beauftragten Instituts frühzeitig an einen Tisch kommen. Im gemeinsamen Erfahrungsaustausch lassen sich so optimierte Konzepte für die Bauherren er-arbeiten. Sie dienen dann der technischen Auslegung der Entrauchungs- und Entlüftungsanlage und auch als Bewertungsmaßstab im Abnahmeprozess.

Warum das ein Schlüsselpunkt integraler Planung ist, macht folgendes Fallbeispiel deutlich: Gemäß Brandschutzgutachten be-trägt der längste Fluchtweg auf einer Parkpalette im Brandfall eines Pkw 30 m. Interpretationsspielräume ergeben sich jedoch bei folgenden Parametern, die maßgeblich den zeitlichen Ablauf der Entrauchungssteuerung zwischen Evakuierungsphase und Feuerwehrangriff bestimmen:

  • Nach welcher Zeit ist ein Vollbrand mit seiner maximalen Rauchgasentwicklung erreicht? Aussagen in Normungsentwürfen und von internationalen technischen Instituten variieren zwischen 4 und 16 min.
  • Wie viel Rauchgas und Wärme entstehen durch einen Pkw-Brand überhaupt? Bei der Rauchgasfreisetzung werden typischerweise ca. 50 000 m<sup>3</sup>/h zugrunde gelegt. Doch der Materialmix moderner Fahrzeuge entfernt sich immer weiter vom Material Blech. Und von wie vielen gleichzeitig brennenden Pkw soll ausgegangen werden?
  • Wie hoch ist die Wärmefreisetzungsrate pro Fahrzeug? Hier reichen die Annahmen in der Spitze von 4 bis 10 MW.

Die gemeinsame Erarbeitung eines Brandfall-Szenarios mit den erwähnten Fachleuten spezifiziert die Schutzziele aus dem Brandschutzgutachten und eröffnet somit erst eine darauf abgestimmte, wirtschaftliche Konzeption der Entrauchung. Außerdem stehen dann gleichzeitig die zu prüfenden Kriterien für die Schlussabnahme fest, sodass teure Nachbesserungen – im schlimmsten Fall sogar eine verzögerte Fertigstellung des gesamten Objekts – nicht zu befürchten sind.

3: Wirtschaftliche Anlagenkonzeption

Für die Entrauchung von Parkgaragen stehen kanalgebundene Systeme und die Installation von Jet-Ventilatoren zur Auswahl. Garagen bis 500 m2 lassen sich erfahrungsgemäß wirtschaftlicher mit einem Kanalsystem entlüften und entrauchen. Bei Flächen zwischen 500 und 1000 m2 ist eine genaue Analyse erforderlich. In Parkhäusern über 1000 m2 ist der Einsatz von Jet-Ventilatoren in aller Regel die wirtschaftlichste Lösung – das gilt für die Investitions- und auch für die Betriebskosten.

Unter Berücksichtigung der angesetzten Abluftmenge und der vom Gebäudegrundriss beeinflussten Strömungsgeschwindigkeit vom Zuluft- zum Abluftpunkt, lassen sich mit Jet-Ventilatoren drei verschiedene Entrauchungsverfahren umsetzen:

  • die Rauchverdünnung,
  • die horizontale Rauchschichtung und
  • die Rauchkontrolle.

Bei dem Prinzip der Rauchverdünnung werden Rauchgase definiert mit Frischluft durchmischt. Dadurch sinken die Rauchgastemperatur und die Toxizität. So verlängert sich der Zeitkorridor zur Eigenrettung, und Brandschäden an der Gebäudesubstanz infolge der Hitzeeinwirkung werden erheblich reduziert.

Steht genügend Freiraum unter der Decke eines Parkhauses zur Verfügung oder besteht ein natürlicher Auftrieb von Gasen durch Parkflächen mit unterschiedlichem Niveau, ist auch das Prinzip der horizontalen Rauchschichtung anwendbar. Dabei sammeln sich die Rauchgase unter der Decke, während unterhalb davon eine ausreichend hohe rauchfreie Zone erhalten bleibt. Mitunter werden im Brandfall dazu einige Schublüfter, die im Normalbetrieb der Entlüftung dienen, ausgeschaltet, um eine Zerstörung der Rauchschicht zu verhindern. Andere Jet-Ventilatoren hingegen leiten durch Luftströmungsimpulse den Rauch gezielt in Richtung Abluftpunkt. Auf dem Weg dorthin wird der Rauch zudem verdünnt.

Systeme zur Rauchkontrolle nutzen den gesamten Raum zur Rauchableitung, halten aber definierte Flucht- und Rettungswege vollständig rauchfrei: Die Brandmeldeanlage lokalisiert den Brandherd und ermittelt den nächstliegenden Abluftpunkt. Diese Daten nutzt die Steuerung der Entrauchungsanlage und schaltet die einzelnen Jet-Ventilatoren so, dass die Rauchgase dorthin abgeleitet werden. Je nach Bauweise der Garage können die Abführung der Abluft und das Nachströmen der Zuluft über die natürliche Aerodynamik erfolgen oder mit zusätzlichen Ventilatoren unterstützt werden.

Welches Konzept vor dem Hintergrund der Lebenszykluskosten das günstigste ist, müssen Lüftungsspezialisten gebäudespezifisch ermitteln. Werden diese Fachleute – wie erwähnt – bei der Grundrissplanung und der Adaption des Brandschutzgutachtens bereits eingebunden, ist das generelle Entrauchungsverfahren schon weitestgehend ermittelt.

4: Simulation mit CFD

Für die exakte Festlegung der Anzahl und Ausstattung der Schublüfter, die Auslegung eventueller Zu- und Abluftventilatoren in Schächten sowie die Bestimmung der Leistungsaufnahme aller Ventilatoren ist besonders für große Parkflächen die Erstellung einer CFD (Computational Fluid Dynamics)-Analyse ein unverzichtbares Instrument. Doch auch bei einer solchen Computer-Simulation wird deutlich, wie entscheidend das Zusammenspiel von Systemkompetenz und integraler Planung ist, um tatsächlich nutzbare Ergebnisse zu erhalten.

Basis für eine CFD-Simulation sind die CAD-Zeichnungen der Tiefgarage. Werden diese im Projektverlauf jedoch nicht auf dem aktuellen Stand gehalten, sind die Ergebnisse der CFD-Analyse Makulatur. Nicht selten werden im Zuge der baubegleitenden Planung zusätzliche Unterzüge vorgesehen, Schächte anders platziert oder Räume vergrößert. All dies beeinflusst die Strömungsdynamik auf einer Parkpalette massiv und muss daher realitätsgetreu in die Simulation einfließen.

Des Weiteren ist die gewählte Auflösung der Simulation entscheidend für die Aussagekraft der Ergebnisse. Zur Analyse der Strömungsdynamik in einer Tiefgarage unterteilt das CFD-Programm das Raumvolumen in einzelne Würfel. Je höher die Auflösung, also je mehr Würfel zu berechnen sind, umso wirklichkeitsnäher ist die Simulation – dadurch steigen zwangsläufig die Rechenzeit und damit auch die Kosten für die CFD-Analyse. Im Rechenzentrum von Systemair, führender Systemhersteller von Entrauchungsanlagen, benötigen Hochleistungscomputer beispielsweise für eine hochauflösende CFD-Analyse durchaus ein bis zwei Wochen. Doch der Aufwand lohnt sich – bauliche Anpassungen der Entrauchungsanlage aufgrund mangelhafter CFD-Daten sind deutlich teurer.

5: Montage und Tuning

Die Praxis zeigt jedoch, dass selten alle Zeichnungen eines Bauprojekts auf dem absolut aktuellen Stand sind. Außerdem werden auch nach einer CFD-Analyse oft noch Änderungen am Bauwerk vorgenommen. Erfahrungsgemäß bildet die Strömungssimulation die wirklichen Verhältnisse etwa zu 70 % ab, bestenfalls sind es 90 %. Doch dieses Delta ist in der Regel ohne bauliche Maßnahmen, sondern mit einer Einregulierung der Anlage und Anpassung auf die tatsächlichen Strömungsbedingungen zu schließen. Hierzu müssen Steuerungstechniker und Strömungstechniker eng zusammenarbeiten. Gelingt mit dieser Systemkompetenz ein optimales Anlagentuning, reduzieren sich außerdem die Energiekosten für den Normalbetrieb deutlich. Und: Der Schlussabnahme durch das technische Prüfinstitut kann gelassen entgegengesehen werden.

Fazit

Im Brandfall sind Rauchgase in geschlossenen Tiefgaragen eine tödliche Gefahr. Auch die CO-Ansammlung im täglichen Betrieb muss sorgfältig ausgeschlossen werden. Situationsgesteuerte Jet-Ventilatoren sind in Großgaragen für beide Aufgabenstellungen erfahrungsgemäß die sicherste und wirtschaftlichste Lösung. Voraussetzung ist jedoch, dass in einem integralen Planungsprozess die Systemkompetenz eines Herstellers eingebunden wird. Er sollte aber außerdem alle sinnvollen Entrauchungskonzepte realisieren können, statt aufgrund eines eingeschränkten Produktportfolios einem bestimmten Anlagentyp das Wort zu reden. Nur so lässt sich eine gebäudespezifische Entrauchung und Belüftung zu niedrigen Lebenszykluskosten realisieren.

Entrauchung und Entlüftung von Tiefgaragen Aktueller Stand der Normung und Gesetzgebung

Gesetzliche Vorgaben für die Auslegung von Entlüftungs- bzw. Entrauchungsanlagen in Tiefgaragen sind derzeit lediglich den Garagenverordnungen der Bundesländer (GarVO, GaVO, GaStellV, AnlPrüfVO, SBauVO) zu entnehmen. Dort wird jedoch nur das Luftaustauschvolumen pro Stunde in Abhängigkeit der Fläche beziehungsweise des Raumvolumens definiert. Parameter für die Wirksamkeit einer Anlage fehlen – beispielsweise in welcher Zeit CO-Konzentrationen oder Rauchgas abgeführt werden müssen. Eine Konsequenz aus der Praxis: Bei Anlagen mit einer 10-fachen Luftwechselrate besteht die theoretische Annahme, dass Rauchgase oder CO-Ansammlungen nach 6 min abgeführt sind. Tatsächlich benötigen aber viele Anlagen bei dieser Luftwechselrate 20 bis 30 min für einen vollständigen Luftaustausch. Solche Entrauchungsanlagen sind zwar konform zu den Garagenverordnungen, im Brandfall aber kritisch zu betrachten.

Im Rahmen der Norm EN 12 101 „Rauch- und Wärmefreihaltung“ erarbeiten seit 2006 Fachleute Kriterien für die Auslegung von Jet-Ventilatoren in Tiefgaragen. Sie werden als Teil 11: „Horizontale Ventilationssysteme für geschlossene Parkgaragen“ veröffentlicht, allerdings wohl erst in einigen Jahren. In der Zwischenzeit lassen sich einzelne Parameter und Grundsätze aus folgenden Normen ableiten:

Reiner Kelch

ist System- und Applikationsmanager für Parkgaragen bei der Systemair GmbH, 97944 Boxberg-Windischbuch, https://www.systemair.com/de/

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