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Integrierter Brandschutz

Wechselwirkungen im Fokus

Der vorbeugende Brandschutz setzt die Rahmenbedingungen für den abwehrenden Brandschutz der Feuerwehren. Er besteht aus ­bautechnischem sowie gebäude- und anlagentechnischem Schutz. Moderne architektonische Ästhetik erfordert oft Zugeständnisse an den bautechnischen Brandschutz: Brandabschnitte, die den Feuerüberschlag verhindern, indem sie beispielsweise durch Bauteile, Baustoffe und Mate­rialien mit hohem Feuerwiderstand von anderen Brandabschnitten abgeschottet werden, passen nicht immer ins Gesamterscheinungsbild. Rauchdichte, raumabschließende, massive Brandschutztüren, mit hoher Feuerwiderstandsklasse, eignen sich nur bedingt für großflächige Atrien, Wandelhallen oder Empfangsbereiche.

Auch der steigende Kostendruck und die fortschreitende Technisierung von Gebäuden und Industrieanlagen – vollständige Vernetzung der Büros oder Automation sind hier Stichworte – schränken den baulichen Brandschutz zunehmend ein. Die Konsequenz: Die bautechnischen Defizite müssen durch gebäude- und anlagentechnischen sowie ­organisatorischen Brandschutz ausgeglichen werden. Hierbei kommen in erster Linie technische Systeme zum Einsatz, wie Sprinkler, Rauchabzugsanlagen, Brandmelde- und Alarmierungsanlagen, da sie vergleichsweise geringe architektonische Einschränkungen erfordern und als leicht nachrüstbar gelten. Mit dem vermehrten Einsatz technischer Schutzssysteme ergeben sich erhöhte Anforderungen an deren Betriebssicherheit und bedarfsgerechte Auslegung.

Schwerpunkt Entrauchungsanlagen

Die Hauptgefährdung für Menschen und Sachwerte geht von Rauchgasen aus. So sterben die meisten Brandopfer durch eine Rauchvergiftung. Beaufschlagung durch hochgiftige und ätzende Rauchgase bedeutet darüber hinaus meist den Totalschaden für Elektronik, Textilien, Metalle und Beton. Der Sachwertschaden durch Verrauchung beläuft sich meist auf ein Vielfaches des durch Flammen verursachten Schadens. Folglich ist die Instandhaltung von Entrauchungsanlagen ein wesentlicher Baustein des integrierten Gesamtkonzepts.

Entrauchungsanlagen laufen permanent im Bereitschaftsbetrieb, um im Ernstfall reaktionsbereit zu sein. Bauherren oder Betreiber sind im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht daher zu besonderer Sorgfalt verpflichtet. Werden sie dieser nicht gerecht, stehen gleichzeitig Gewährleistungsansprüche und Versicherungsleistungen auf dem Spiel. Die Aufgaben der Instandhaltung sind in unterschiedlichen Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und Bestimmungen vom Gesetzgeber festgelegt und in technischen Regeln konkretisiert. Während Regeln der Technik und Baubestimmungen noch eine gewisse Auslegungsflexibilität beinhalten, sind in den Gesetzen und Verordnungen kaum Toleranzen vorgesehen (Bild 1).

Die Verantwortlichkeiten für die Instandhaltung (Prüfung, Instandsetzung, Verbesserung, Wartung) von Brandschutzeinrichtungen ergeben sich in Abhängigkeit vom Bauzustand und der Lebenszyklusphase des Gebäudes. Für Sonderbauten, die das Schutzbedürfnis der Öffentlichkeit berühren, ist eine Prüfung durch einen unabhängigen Sachverständigen oder Sachkundigen Vorschrift (staatliche Fürsorgepflicht).

Bis zur Übergabe/Abnahme tragen Bauherr, Planer und Errichter die Verantwortung. Ab der Übergabe ist es der Betreiber. Zu den zu überprüfenden Komponenten der Entrauchungsanlage gehören u.a. der Brandgasventilator, Entrauchungsklappen, Entrauchungsleitungen mit bzw. ohne Feuerwiderstand und die Nachströmeinrichtungen. Bei der Übergabe bestätigt der Sachverständige eine wirksame und betriebssichere Entrauchungsanlage.

Die Protokollierung und Dokumentation der Instandhaltungsmaßnahmen kann durch geeignete Automationssysteme optimiert werden. Prüfstrategisch ist zu empfehlen, die vorbeugende Wartung der nachträglichen Instandsetzung vorzuziehen. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass weniger als ein Viertel der Kosten für die vorbeugende Wartung ausgeben wird. Der Rest entfällt auf die nachträgliche Instandsetzung. Dieses Vorgehen ist nicht nur unwirtschaftlich, sondern birgt im Ernstfall erhebliche Risiken und ist juristisch nicht ­belastbar.

Kompensatorische Wechselwirkung

Ein ausgewogenes Brandschutz-Konzept basiert neben der dargestellten Entrauchung auf einer Vielzahl von Maßnahmen, die auf das betreffende Gebäude hin ausgelegt sind. Sie stehen in Wechselwirkung zueinander und sollten aufeinander abgestimmt sein. Das Säulen-Modell (Bild 2) veranschaulicht die wichtigsten Elemente des vorbeugenden und des im Brandfall wirkungsvollen Brandschutzes.

Fällt beispielsweise die Säule „Feuerwiderstandsfähige Decken“ weg oder kann sie nur schwach dimensioniert werden, müssen dafür andere Säulen wie die Sprinkleranlagen, Rauchabzugsanlagen und Brandmeldeanlagen verstärkt werden oder weitere hinzukommen. Durch Ausfall oder Schwäche einer einzelnen Maßnahme darf kein größerer Schaden entstehen. Zur Einschätzung der notwendigen ausgleichenden Wechselwirkung im Brandschutzsystem ist eine ganzheitliche Risikobetrachtung hilfreich. Hierbei wird analysiert bzw. simuliert, wie sich das Versagen einer Maßnahme im Gesamtkonzept auswirkt. Daraus lassen sich wichtige Aussagen zur notwendigen Wirksamkeit und Betriebssicherheit der Anlage oder Maßnahme in der Gesamtsituation ableiten.

Im Verbund gesteuert

Dass die abgebildeten Säulen in komplexen Gebäuden je nach Dimensionierung eine ergänzende und ausgleichende Wirkung entfalten, ist ein wichtiger Aspekt des Zusammenspiels von sicherheitstechnischen Brandschutz-Anlagen. Spätestens seit dem Flughafenbrand in Düsseldorf ist bekannt, dass die Anlagen in einem derartigen Verbund betrachtet und betrieben werden müssen (Bild 3).

Exemplarisch sieht eine Brandfallsteuerung wie folgt aus: Nach Auslösen eines Brandmelders schließen die Brandschutztüren und -tore automatisch. Lüftungsanlagen schalten ab, Brandschutz-Klappen schließen. Die Evakuierungsfahrt führt den Aufzug nach einer Brandmeldung in ein festgelegtes Geschoss, i.d.R. das Erdgeschoss und sperrt ihn anschließend (Erfahrung aus dem Flughafenbrand von Düsseldorf). Auch kann nun eine Warndurchsage abgespielt werden. Mit dem Öffnen der Entrauchungsklappen können Gebäudeteile von giftigen Brandgasen befreit werden, von denen die Hauptgefährdung für Personen, Tiere und Sachwerte ausgeht. Automatisch öffnen nun Türen/Fenster und Frischluft kann nachströmen. Im Treppenhaus wird die Druckbelüftung aktiviert und in den Geschossen fahren die Abström-Öffnungen auf. Nach einem brandbedingten Stromausfall übernimmt beispielsweise ein Dieselaggregat die Energieversorgung sicherheitstechnischer Einrichtungen.

Die skizzierten notwendigen Abläufe und Abhängigkeiten setzen i.d.R. eine Verknüpfung der verschiedenen sicherheitstechnischen Anlagen und Einrichtungen voraus. So übernimmt in dem Beispiel nach Bild 3 die Brandmeldeanlage Signale von der Sprinkleranlage und steuert ihrerseits wiederum die Druckbelüftung und die Aufzugsevakuierung an.

Instandhaltung und Wartung

Die ordnungsgemäße Instandhaltung ist eine Grundvoraussetzung, um die Betriebsbereitschaft und -sicherheit von Brandschutzanlagen zu er­halten. Der Aufwand für die Instandhaltung ist bei dominierendem anlagentechnischem Brandschutz – etwa bei Sonderbauten wie Hochhäusern – ­komplexer als bei baulichen Maßnahmen. In dem beschriebenen Anlagen-Verbund – mit kompen­satorischer Wechselwirkung und einem system­immanenten Auslösungsautomatismus – muss die Auswirkung von möglichen Fehlern gewissermaßen in einem Domino-Effekt auf alle Anlagenteile kalkuliert werden. Eine Erhöhung der Anlagensicherheit ist z.B. durch folgende Maßnahmen möglich:

  • Verwenden von geeigneten und überprüften Komponenten
  • Redundante Ausführung einzelner ­Anlagenteile
  • Überwachungseinrichtungen für wichtige Baugruppen
  • Aufteilung auf mehrere unabhängige ­Teilsysteme
  • Funktionale Trennung verschiedener ­Anlagenteile
  • Regelmäßige oder automatisierte ­Überprüfung von Komponenten und ­Teilsystemen
  • Wiederkehrende Prüfung des Gesamtsystems durch Sachkundige und Sachverständige

Fazit

Auf den jeweiligen Gebäudetyp abgestimmte Brandschutzkonzepte mit klar definierten Schutzzielen erhöhen die Effizienz der Brandschutzmaßnahmen. Im Brandfall sollen diese das Schadens­ausmaß und gleichzeitig die Eintrittshäufigkeit oder -wahrscheinlichkeit reduzieren. Die erforderliche Sicherheit erzielt ein kombiniertes Brandschutzkonzept, das beide Ziele vereint.

Ausgewogene Standardlösungen aus der Bauordnung sowie der Sonderbau-Verordnungen beschreiben das baurechtlich geforderte Sicherheitsniveau. Bei jeder Brandschutz-Maßnahme muss aber stets das Sicherheitsniveau des Gesamtkonzepts im Fokus behalten werden, insbesondere bei der praktischen Umsetzung der geforderten ­Sicherheitsanlagen.

Zwar beauftragen Bauherren, Bauträger oder Generalplaner die Experten der technischen Gebäudeausrüstung sowie die Brandschutzexperten individuell. Doch führt erst die koordinierte Vorgehensweise zur optimalen Umsetzung eines integrierten Gesamtkonzepts. So lässt sich der Schutzgedanke auch bei vernetzten Anlagen ausreichend sicher verwirklichen.

Heinrich Stadlbauer

Dipl.-Ing., Kompetenzzentrum Brandschutz bei TÜV SÜD, Leiter Gebäudetechnik der TÜV SÜD Industrie Service GmbH http://www.tuev-sued.de

Leistungen von TÜV SÜD Industrie Service

  • Erstellung von Konzepten für Brandschutz, Entrauchung und Evakuierung von ­Gebäuden
  • Begutachtung brandschutztechnischer Planung
  • Erstellung von Brandschutzgutachten
  • Beurteilung der Wirksamkeit und ­Betriebssicherheit von

– Entrauchungsanlagen

– Wärmeabzugsanlagen

– Feuerlöscheinrichtungen

– Sprinkleranlagen

– Feuerschutzabschlüssen

– Lüftungsanlagen inkl. Brandschutz­einrichtungen

  • Brandschutztechnische Begehungen
  • Baubegleitende Qualitätssicherung und gutachterliche Begleitung bei Schlussabnahmen
  • Stellen von Brandschutzbeauftragten

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